





















|
Statistische
Untersuchungen des Gießener Physikers Prof. Dr.
Armin Bunde und Kollegen belegen: Trends
wie die globale Erwärmung werden in Klimamodellen
offenbar überschätzt -
Publikation in Physical Review Letters
Die gute Nachricht zuerst:
Die globale Erwärmung ist offenbar nicht ganz so
gravierend wie vielfach befürchtet. Dies bedeutet zwar
keine Entwarnung von wissenschaftlicher Seite, zeigt
aber, dass kein Anlass zu Panikreaktionen und
übertriebener Hektik bei politischen Entscheidungen
besteht.
Und nun die schlechte Nachricht:
Klimamodelle sind weit schlechter als ihr Ruf.
Sie reproduzieren die Gesetzmäßigkeiten des Wetters
längst nicht so wie erhofft und spiegeln somit die
tatsächlichen Entwicklungen nur unzulänglich wider. In
aufwändigen Untersuchungen haben Prof. Dr. Armin Bunde
und Mitarbeiter vom Institut für Theoretische Physik III
der Justus-Liebig-Universität Gießen Computermodelle
zur Klimaentwicklung getestet, die als Grundlage für
Strategieentscheidungen in der Umweltpolitik dienen
sollen und vor allem auch in der Debatte um den
sogenannten Treibhauseffekt eine zentrale Rolle spielen.
Die Klimamodelle versuchen, nicht nur die
Wetterentwicklung in der Vergangenheit zuverlässig zu
reproduzieren, sondern auch, weitaus wichtiger, Prognosen
für die Zukunft zu liefern. Die Wissenschaftler
untersuchten, ob die errechneten Daten mit einem von
ihnen vor Jahren gefundenen Potenzgesetz in Einklang
stehen. Es zeigten sich bei allen getesteten
Klimamodellen deutliche Abweichungen.
Die Ergebnisse dieser neuen Forschungsarbeiten - eine
deutsch-israelische Kooperation unter Federführung von
Prof. Bunde (Gießen) und Prof. Shlomo Havlin (Tel Aviv)
- werden am 8. Juli 2002 in der Top-Fachzeitschrift
Physical Review Letters veröffentlicht bzw. sind seit
dem 21. Juni von Insidern bereits online abrufbar.
(R.B.Govindan, D. Vyushin, A. Bunde, St. Brenner, S.
Havlin, H.-J. Schellnhuber: Global climate models violate
scaling of the observed atmospheric variability)
Wetterpersistenz Bauernregeln haben ihre Berechtigung,
gründen sie doch auf jahrhundertelanger Erfahrung von
Generationen von Landwirten.
Die Regel, nach der das Wetter von morgen etwa genauso
sein wird wie das Wetter von heute, nahmen Armin Bunde
und sein Team gemeinsam mit Kollegen aus Potsdam und
Israel bereits 1997/98 zum Ausgangspunkt für ihre
Forschungen.
In der Tat konnte mit der Auswertung langer
Temperaturreihen von insgesamt 14 Wetterstationen in
Europa, Nordamerika und Australien über lange Zeitreihen
hinweg diese sogenannte Wetterpersistenz bzw.
Erhaltungsneigung des Wetters bestätigt werden. Bei der
Auswertung aller Daten zeichnete sich ab, dass die
Regelhaftigkeit des Wetters weit über die ersten sieben
bis zehn Tage, der Dauer einer typischen Großwetterlage,
in der das Wetter stabil ist, hinausreicht. Die Physiker
fanden Gesetzmäßigkeiten im Temperaturverlauf, die sich
weder mit den Jahreszeiten, noch mit dem Treibhauseffekt
oder ähnlichen Phänomenen begründen ließen, und die
Jahrzehnte, wenn nicht noch länger, andauern. Dazu
untersuchten die Wissenschaftler die Messreihen mit
modernen Verfahren aus der Statistischen Physik.
Mit verblüffenden Ergebnissen:
Die Veränderungen der Temperatur über einen langen
Zeitraum schienen korreliert zu sein. Dieser statistische
Zusammenhang wird mit der Zeit nur überraschend langsam
schwächer, und er gehorcht dabei einem mathematischen
Gesetz, dem Potenzgesetz. Dieses im Rahmen der
Chaostheorie aufgestellte Potenzgesetz galt für alle
Messreihen der verschiedenen Wetterstationen in völlig
unterschiedlichen Klimazonen, also unabhängig von
lokalen klimatischen Bedingungen. Es zeigte sich: Die
Erhaltungsneigung des Wetters nimmt überall auf die
gleiche Weise allmählich ab. Wetterprognosen der
Klimamodelle im Einklang mit dem Potenzgesetz? Prof.
Bunde und seine Kollegen aus Gießen und Tel Aviv haben
in einer neuen Testreihe die sieben führenden
Klimamodelle aus verschiedenen Ländern (Deutschland:
Hamburg, USA: Boulder, Princeton, Japan: Tokio,
Australien: Melbourne, England: Bracknell und Kanada:
Victoria) untersucht, deren Daten im Internet frei
verfügbar sind. Sie überprüften diese an Hand von
Temperaturdaten, die an sechs verschiedenen Orten
gemessen wurden: in Prag, Melbourne, Luling (Texas),
Seoul, Kasan und Vancouver. Diese Orte stehen
repräsentativ für die unterschiedlichen Klimazonen auf
der Erde. Es ging den Physikern darum zu erfahren, ob die
von den einzelnen Klimamodellen - allesamt vielschichtige
Erweiterungen komplizierter Wettervorhersagungsmodelle -
errechneten Klimadaten mit dem oben erwähnten
Potenzgesetz in Einklang stehen. Nur dann nämlich, so
ihre These, könnte von einer Zuverlässigkeit der
Prognosen bzw. einer Verlässlichkeit der Klimamodelle
ausgegangen werden. Die Klimamodelle zeigen eine
Perspektive der globalen Erwärmung für einen Zeitraum
von rund 100 Jahren auf. Sie überziehen die Erde mit
einer Art Netz aus Knotenpunkten. Für die einzelnen
"Knoten" werden die mittleren maximalen
monatlichen Tagestemperaturen ermittelt und
dementsprechend Vorhersagen gemacht. Dabei gehen die
Modelle von jeweils zwei unterschiedlichen Szenarien aus:
Im ersten Szenario werden lediglich die Treibhausgase,
deren physikalische Effekte gut verstanden sind, in den
Berechnungen mitgenommen. Die unterschiedlichen Modelle
sagen hier eine globale Erwärmung zwischen 1,5 und
4,5°C voraus. Ins zweite Szenario gehen neben den
Treibhausgasen auch die Aerosole (= Umweltverschmutzung)
ein, deren Einfluss auf die Klimaentwicklung aber mit
vielen Fragezeichen versehen ist. Unter anderem ist die
globale Verteilung der Aerosole nur schwer zu
prognostizieren.
Die Modelle liefern hier eine etwas geringere Erwärmung
der Atmosphäre von 1,5 bis 3°C. Denn
während die Treibhausgase bekanntlich den Trend
bewirken, dass die Temperaturen ansteigen, sorgen die
Aerosole dafür, dass die Erwärmung niedriger ausfällt.
Die Experten, die nun die Temperaturdaten für die sechs
verschiedenen Orte aus diesem Netz von Knotenpunkten
interpoliert haben, sind zu enttäuschenden Ergebnissen
gekommen. Die Persistenz des Wetters, so Prof. Bunde,
werde in allen Klimamodellen deutlich unterschätzt. Trends
dagegen - vor allem die globale Erwärmung - werden
überschätzt. Insbesondere das Klimamodell
ECHAM4/OPYC3 aus Hamburg schnitt nach den angelegten
Kriterien mit am schlechtesten ab. Am besten,
wenn auch nicht zufriedenstellend, bildeten die Modelle
CCSR/NIES (Tokio) und NCAR PCM (Boulder) die Wirklichkeit
ab. Insgesamt schnitt das zweite Szenario, bei dem die
Aerosole die Erwärmung durch die Treibhausgase
abschwächen, besser ab. Daran, dass es eine
globale Erwärmung geben wird, besteht auch für Prof.
Bunde und seine Kollegen kein Zweifel. Das Fazit
ihrer jüngsten Forschungen lautet jedoch: Um zu einer
realistischen Prognose zu gelangen, aus der sich auch
politische Handlungsstrategien ableiten lassen, müssen
die Klimamodelle noch stark verbessert werden.
Kontakt: Prof. Dr. Armin Bunde Institut für Theoretische
Physik III Heinrich-Buff-Ring 16 35392 Gießen Tel:
0641/99-33360 Fax: 0641/99-33369 E-mail: bunde@uni-giessen.de
|