Deutsche Wahl 2002

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Stoiber als Kanzlerkandidat.

Frau Merkel würde wollen

Der Entscheid über die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU rückt näher. Die beiden Anwärter bereiten ihn mit taktischem Geplänkel vor.

Von Werner Bosshardt, Berlin

Dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gerne als Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf steigen würde, steht seit geraumer Zeit fest. Explizit gesagt hat sie dies aber bisher nicht. Stattdessen erinnerte sie an die historische Tatsache, dass bisher alle Bundeskanzler der Union von der CDU gestellt worden sind. Oder sie hob hervor, die Zeit für eine Bundeskanzlerin sei gekommen. Oder sie unternahm diskrete Anstrengungen, um ihre Hand auf die Internetadresse http://www.bundeskanzlerin.de zu legen.

"Selbstverständlicher Anspruch"

Nun wurde Angela Merkel etwas konkreter: "Ich bin bereit zu einer Kanzlerkandidatur", sagte sie in einem längeren Interview mit der "Welt am Sonntag". Aus der Geschichte der CDU, so Merkel weiter, gehe ein "gleichsam selbstverständlicher Anspruch" des CDU-Chefs auf die Kanzlerkandidatur hervor. In einem Brief an die Funktionsträger der CDU hatte die Parteivorsitzende zudem Anfang Jahr dazu aufgerufen, bei der Bestimmung des Kanzlerkandidaten nach den "richtigen Kriterien" vorzugehen. Es gehe um mehr als um das blosse Vertrauen auf wöchentliche Prognosen und Umfragen.

Weder der Zeitpunkt des Interviews mit der "Welt am Sonntag" noch der Hinweis auf die Umfragen kommen von ungefähr. Denn Merkels Rivale, der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, liegt im Rennen um die Kanzlerkandidatur deutlich vorn. Auch die grosse Mehrheit der CDU-Landeschefs, der gemeinsamen Fraktion und der CDU-Wählerschaft verspricht sich vom Bayern mehr Erfolg. Und der versammelt just in dieser Woche seine Getreuen zur Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Dabei soll Stoiber, wie verlautet, seine "Absichten und Pläne" für das Jahr 2002 erläutern. Das könnte eine ähnlich konkrete Formulierung wie jene Merkels bedeuten. Auch Stoiber ist zur Kandidatur entschlossen, wie er jetzt bestätigte.

Stoiber gibt nicht nach

Irgendwann in den nächsten Tagen oder Wochen - so der Fahrplan - werden die beiden Vorsitzenden ihren Gremien dann endlich einen einvernehmlichen Vorschlag unterbreiten. Ob Merkel dem Druck weicht, gilt in der CSU (und auch in der CDU) aber nicht als sicher. Wenn sich die Chefs in der Personalfrage nicht einigen könnten, müsse "logischerweise die Bundestagsfraktion eine Empfehlung abgeben" liess Edmund Stoiber deshalb über "Bild am Sonntag" warnend verlauten.


CSU warnt Merkel vor Kampfabstimmung gegen Stoiber

Merkel: "Ich bin bereit zu einer Kanzlerkandidatur".

Leipzig/Berlin - Im Streit um die deutsche Kanzlerkandidatur der Union haben CSU-Politiker CDU-Chefin Angela Merkel vor einer Kampfabstimmung gegen CSU-Chef Edmund Stoiber gewarnt. Die Frage müsse "klüger" entschieden werden, sagte der CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Alois Glück, der "Leipziger Volkszeitung". Merkel setzte Stoiber ihre eigenen Ambitionen deutlich entgegen. "Ich bin bereit zu einer Kanzlerkandidatur", sagte sie der "Welt am Sonntag". Sie verwies auf die Geschichte der CDU, wonach deren Parteivorsitzender immer ein "gleichsam selbstverständlicher Anspruch auf die Kanzlerkandidatur" zugebilligt worden sei.

"Brauchen Lösung ohne Sieger und Verlierer"

"Edmund Stoiber wird um das Amt des Kanzlerkandidaten nicht kämpfen", sagte Glück. Für Stoiber werde wesentlich sein, wie die Entscheidung um die Kanzlerkandidatur ablaufe. Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber (CSU), warnte Merkel vor einer Entscheidung "auf Biegen und Brechen". Es müsse eine Lösung gefunden werden, in der es keine Verletzten und keine Verlierer gebe, sagte er dem "Tagesspiegel".

Stoiber kämpferisch

Stoiber selbst gab sich in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" allerdings kämpferisch. Sollte er sich nicht wie vereinbart mit Merkel über die Kandidatenfrage einigen können, werde "logischerweise die Bundestagsfraktion eine Empfehlung abgeben", kündigte Stoiber an. Diese würde nach Angaben aus der Fraktion mehrheitlich den CSU-Chef bevorzugen. Stoiber drängte in dem Gespräch mit ungewohnt klaren Aussagen auf eine Entscheidung noch im Jänner. "Der geeignete Zeitpunkt ist gekommen", sagte er.

"Die Sache solle bis Ende März geklärt sein"

Auch CDU-Fraktionschef Friedrich Merz sagte, die Sache solle bis Ende Jänner geklärt sein. Er erwarte von den beiden Klausurtagungen in der kommenden Woche "ein deutliches Signal", sagte Merz in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Merkel sagte zum Zeitplan in der "WamS": "Wir stehen nicht unter Zeitdruck." Bei der Entscheidung gehe es "nur noch um Wochen, nicht mehr um Monate".

APA/AFP/mb


CSU schlägt Stoiber als Kanzlerkandidaten vor

Kreuth - Die CSU-Bundestagsabgeordneten haben sich für CSU-Chef Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten der Union ausgesprochen und die CDU um Zustimmung gebeten. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagt am Dienstag nach einem Treffen der Abgeordneten mit Stoiber bei der Klausur in Kreuth, Stoiber sei als Kandidat geeignet, weil er Erfolge vorweisen könne und Garant für einen "argumentativen Wahlkampf" sei.
Die Wirtschaft und viele in der CDU hielten Stoiber ebenfalls für ideal. Die CSU bitte die CDU daher um Zustimmung für ihren Kandidaten. Stoiber habe bei der Sitzung erneut seine Bereitschaft erklärt, bei der Bundestagswahl in acht Monaten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) herauszufordern.




Union zieht mit Stoiber in den Wahlkampf

Magdeburg - Merkel wirft das Handtuch. Der Vorsitzende der bayerischen CSU, Edmund Stoiber, hat sich im Machtkampf mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel durchgesetzt und wird Kanzlerkandidat der Union. Merkel verzichtete am Freitag in Magdeburg auf eine Kandidatur und sicherte dem bayerischen Ministerpräsidenten ihre Unterstützung zu. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei gewesen, dass Stoiber die besseren Siegchancen gegen Amtsinhaber Gerhard Schröder (SPD) habe, sagte Merkel. Die Entscheidung fiel nach Merkels Worten bei einem Frühstück mit Stoiber am Morgen im bayerischen Wolfratshausen. Die SPD erklärte, Merkel sei als Parteivorsitzende gescheitert.

Starker Mann aus dem Süden gegen Schröder

"Wir haben bei diesem Frühstück vereinbart, dass Edmund Stoiber der Kanzlerkandidat der Union bei der Bundestagswahl 2002 sein wird", beendete Merkel das Tauziehen in der Union. Sie habe immer gesagt: "Kanzlerkandidat der Union soll derjenige werden, der die größten Siegeschancen hat." Stoiber wurden in allen Wahlumfragen und von zahlreichen Politikforschern bessere Chancen eingeräumt. So sprachen sich in einer aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers 61 Prozent der Unionswähler für Stoiber als Kanzlerkandidat und nur 24 Prozent für die CDU-Chefin aus. Auch im direkten Vergleich mit Schröder lag Stoiber vor Merkel.

Merkel um Geschlossenheit der Union bemüht

Merkel war bei der überraschend einberufenen Pressekonferenz bemüht, die Geschlossenheit der Unionsparteien zu unterstreichen, der sie allergrößte Bedeutung zumesse: "Ich glaube, dass die Geschlossenheit der Union mit dem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber hervorragend herzustellen ist", sagte sie, "und deshalb halte ich diesen Vorschlag für richtig". Der Machtkampf um die Kandidatur hatte in der Union wochenlang für Spannungen gesorgt und gedroht, die inhaltlichen Fragen völlig zu überdecken. Der bisher einzige Kanzlerkandidat der CSU war 1980 der langjährige bayerische Ministerpräsident und Parteichef Franz Josef Strauß, der dann gegen den SPD-Kanzler Helmut Schmidt aber unterlag.

"Verzichte auf Kandidatur, um Stoiber zu helfen"

"Ich werde meinen Beitrag gemeinsam mit Edmund Stoiber leisten, dass die Siegeschancen nicht nur eine Möglichkeit, sondern dass sie Realität werden", versicherte Merkel. In den jüngsten Umfragen liegt die Union in der Wählergunst gleich auf oder leicht vor der SPD. Merkel kündigte an, dass Stoiber schon bald eine Mannschaft mit Kompetenzträgern für den Wahlkampf vorstellen werde. Sie selbst wolle aber keine spezielle Aufgabe übernehmen. Sie werde als CDU-Chefin den Spitzenkandidaten unterstützen.

"Merkel nun endgültig gescheitert"

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erklärte, Merkel sei nun endgültig gescheitert. Teile ihrer Partei liefen scharenweise ins andere Lager über. "Edmund Stoiber ist seit heute Vorsitzender der CDSU, Angela Merkel wird Abteilungsleiterin CDU", erklärte Müntefering.

Grüne zeigen sich gelassen

Die Grünen reagierten gelassen auf die Entscheidung der Union. "Bei dieser Personalauswahl haben wir keine Zweifel, dass das Duo Schröder/Fischer die Wahl für sich entscheiden wird", sagte Fraktionschef Rezzo Schlauch in Wörlitz. Mit ihrem Verzicht sei Merkel "als Parteivorsitzende demontiert". Die Karten lägen nun auf dem Tisch. "Es gibt einen klaren Wahlkampf, auf den wir uns freuen." Stoiber stehe für eine Rücknahme der von Rot-Grün auf den Weg gebrachten Reformen.

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