Grünen
Berlin - Die deutschen Grünen gehen erstmals mit Außenminister Joschka Fischer als alleinigem Spitzenkandidaten in den Bundestags-Wahlkampf. Das beschloß der Parteirat am Montag in Berlin. Für die vor gut 20 Jahren gegründeten Grünen ist das Herausstellen eines Politikers im Wahlkampf neu. Bisher hatte es nie einen Spitzenkandidaten gegeben. In Deutschland wird am 22. September der Bundestag neu gewählt. Fischer sagte nach seiner Nominierung, er wolle, "dass die Grünen möglichst stark werden". Er freue sich über die "sehr große Herausforderung".
Ökologische Herausforderungen
Als Schwerpunkte nannte er "ökologische Herausforderungen"
und die Finanzpolitik. Auch die Vollendung der deutschen Einheit
sei ein wichtiger Punkt. "Wir sind lebendig und putzmunter",
meinte er zum Zustand seiner Partei. Zum Bündnis mit den
Sozialdemokraten unter Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte
Fischer: "Wir wollen diese Koalition fortsetzen aus inhaltlichen
Gründen." Die Entscheidung über die künftige
Regierung werde nicht zwischen den beiden großen Lagern,
sondern zwischen den kleinen Parteien fallen.
APA/dpa/AFP/Reuters/ste
Berlin - Erstmals seit mehr als 20 Jahren haben sich die deutschen Grünen am Sonntag ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Die übergroße Mehrheit der Delegierten stimmte in Berlin nach einem Beratungsmarathon seit Freitagabend für das 93 Seiten lange Programm. Kapitel für Kapitel hatten die Grünen ihre Politikfelder und Ziele abgesteckt, zuletzt am Sonntagmittag das Kapitel zur Außenpolitik. Darin legten sie unter anderem fest, dass künftig bei Bundeswehr-Einsätzen im Ausland eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag nötig sein soll. Dazu will die Partei eine Verfassungsänderung anstreben.
"Harter Wahlkampf" steht bevor
Außenminister und Spitzenkandidat Joschka Fischer lobte
den Parteitag: "Ihr habt ein hervorragendes Grundsatzprogramm
beschlossen." Damit könnten die Grünen nicht nur
ins Wahljahr gehen, sondern auch langfristig arbeiten. Er rief
dazu auf, nun auch "ein überzeugendes Wahlprogramm"
zu verabschieden. Den Grünen stehe ein "harter Wahlkampf"
bevor. Als Themen nannte er die Familien- und Kinderpolitik sowie
die ökologische und soziale Erneuerung. Fischer präsentierte
abschließend noch das Spitzenteam der Grünen für
den Wahlkampf, darunter die Fraktionschefs Kerstin Müller
und Rezzo Schlauch und die Minister Renate Künast und Jürgen
Trittin.
Zweidrittel-Mehrheit für Militäreinsätze
Als Befürworter der Zweidrittel-Mehrheit für Militäreinsätze
hatte Frithjof Schmidt zuvor gesagt, es gehe dabei um militärische
Friedenserzwingung. "Es geht um die Entscheidung, Krieg zu
führen." Darüber könne nicht mit knapper Mehrheit
im Parlament entschieden werden. Er wisse zwar auch, dass es derzeit
im Bundestag keine Mehrheit für eine solche Verfassungsänderung
gebe. Es gehe aber darum, ein politisches Signal zu setzen. Umweltminister
Jürgen Trittin wies darauf hin, dass im Falle Mazedonien
die Union im Gegenzug für eine Zustimmung mehr Geld für
die Bundeswehr "erpressen" wollte.
Nationalstaat eine Absage erteilt
Im ihrem Kapitel "Aufbruch nach Europa und in die Eine Welt"
erteilen die Grünen dem Nationalstaat eine Absage und setzen
sich für eine verstärkte Integration in Europa "ohne
Wenn und Aber" etwa durch eine europäische Verfassung
- sowie für eine Steuerung hin zu demokratischer und solidarischer
Globalisierung ein. Die OSZE soll gestärkt und ausgebaut
werden bei gleichzeitig enger Kooperation mit den USA. Friedlicher
Konfliktbewältigung geben die Grünen klar den Vorzug,
sie halten aber auch Frieden schaffende Einsätze unter UNO-Mandat
für zulässig.
Die Grünen und die PDS formieren sich an diesem Wochenende für den Wahlkampf: Die Ökopartei verabschiedet in Berlin ihr neues Parteiprogramm, die PDS in Rostock ihr Wahlprogramm.
Für die Grünen kommt nach der Wahl nur die Koalition
"mit der SPD oder die Opposition" in Frage, sagte ihr
Parteichef Fritz Kuhn. Für mehr parteiinterne Aufregung sorgte
indes die Abkehr der Grünen von der völligen Gewaltfreiheit.
22 Jahre nach ihrer Gründung votierten die Grünen Freitagnacht
mehrheitlich für die Annahme der Präambel des neuen
grünen Grundsatzprogramms. Darin heißt es: "Gewalt
darf Politik nicht ersetzten. Wir wissen aber auch, dass sich
die Anwendung rechtsstaatlich und völkerrechtlich legitimierter
Gewalt nicht immer ausschließen lässt." Damit
hat sich die pragmatische Parteiführung gegen Widerstände
in der Basis durchgesetzt.
Eine Überraschung gab es bei der Passage des Grundsatzprogramms
zur Globalisierung. Hier setzten sich die linken Stimmen durch,
die den Widerstand gegen die Globalisierung als "richtig
und notwendig" bezeichneten. Die EU müsse ihre "neoliberale
Fixierung" aufgeben, steht nun im Programm festgeschrieben.
Die Postkommunisten der PDS fühlen sich unterdessen
laut Parteichefin Gabi Zimmer "schon jetzt gewappnet für
eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene", auch wenn SPD
und Grüne dazu "noch nicht fähig" seien. Die
PDS wolle bei den Bundestagswahlen im Herbst drittstärkste
Partei werden und für die Chancengleichheit des Ostens sowie
gegen den Krieg kämpfen.
Wiesbaden - Mit überwältigender Mehrheit hat der deutsche Grünen-Parteitag am Sonntag das Wahlprogramm der Partei für die Bundestagswahlen am 22. September verabschiedet. Der gut 40 Seiten starke Entwurf wurde von den 750 Delegierten mit nur drei Gegenstimmen akzeptiert. Spitzenkandidat Außenminister Joschka Fischer, machte der Basis ein Kompliment für die besonnene Diskussion, die zwei Tage lang konfliktfrei verlief: "Ab sofort hat das Staatsmännische ein Ende. Jetzt hat für uns alle der Wahlkampf begonnen." Ziel sei die Fortsetzung der sozialen und ökologischen Erneuerung Deutschlands.
Kinderfreundliches Land
Fischer versprach, seine Partei wolle Deutschland zu einem kinderfreundlichen,
weltoffenen und europäischen Land machen. Die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie sollte nicht länger Privatsache bleiben.
In dem Wahlprogramm fordern die Grünen, dass für bessere
Kinderbetreuung und für eine Kindergrundsicherung jährlich
7,5 Milliarden Euro zusätzlich eingesetzt werden sollen.
"Ökologische Modernisierung"
Die Grünen wollen im Wahlkampf für "ökologische
Modernisierung" und gesellschaftspolitische Reformen mobil
machen. Zum Abschluss des Wahl-Parteitages in Wiesbaden rief Fischer
die eigene Partei, aber auch den großen Koalitions-Partner
SPD auf, "Verzagtheit" zu überwinden. Beide Parteien
sollten sich von den für sie ungünstigen Umfragen nicht
irre machen lassen.
Fortsetzung der Koalition
Offen bekennen sich die Grünen zu einer Fortsetzung der Koalition
mit der SPD, wenn das Wahlergebnis dies erlaubt. Für sich
selbst proklamieren sie als Ziel eine Resultat von "mehr
als acht Prozent der Stimmen", um "die Richtung der
Modernisierung in Deutschland" weiter bestimmen zu können.
Kämpferisch eingestimmt
Die beiden Parteivorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn sowie
andere führende Politiker der Grünen hatten die Delegierten
während des Kongresses immer wieder kämpferisch auf
die Auseinandersetzung mit CDU/CSU und FDP, aber auch der SPD
eingestimmt. Roth sagte, die Grünen blieben der "Reform-Motor"
in der Koalition. Kuhn forderte die Sozialdemokraten zu durchgreifenden
Änderungen auf dem Arbeitsmarkt und beispielsweise zu einem
Verzicht auf Subventionen für die Kohle auf.
"Hälfte der Macht"
Die Grünen machten deutlich, dass sie sich nicht nur
als Partei für den Umweltschutz, sondern auch für die
Bürgerrechte profilieren wollen. In ihrem Wahlprogramm fordern
sie die "Hälfte der Macht" für die Frauen,
weitere Rechte für die gleichgeschlechtlichen Paare wie die
Erlaubnis zur Adoption von Kindern und eine Senkung des Wahlalters
auf 16 Jahre.
Öko-Steuer als Streitfrage
Bei der Umweltpolitik wurde auf konkrete Aussagen zu weiteren
Erhöhungen der Öko-Steuer auf Benzin und Diesel ab 2004
verzichtet, die die SPD generell ablehnt. Solche Erhöhungen
sollen aber sozialverträglich sein und den aktuellen Benzinpreis
berücksichtigen. Die Aussagen zur Öko-Steuer waren eine
der wenigen Streitfragen dieses Parteitages. Festgeschrieben wurde
als Ziel für die nächsten vier Jahre eine Verdoppelung
des Anteils erneuerbarer Energien.
"Soziale Gerechtigkeit"
Besonderer Stellenwert wird im Wahlprogramm der "sozialen
Gerechtigkeit" eingeräumt. So werden der Einstieg in
eine neue soziale Grundsicherung und Verbesserungen vor allem
für Kinder verlangt. Ein Ausbau der Kinderbetreuung soll
durch steuerliche Verschlechterungen für besser-verdienende
Ehepaare finanziert werden.
Gerechte Globalisierung
Die Grünen treten ferner für eine gerechte Globalisierung
ein. "Wir wollen nicht, dass die Globalisierung die Welt
spaltet und die Probleme der Armut, der Ungleichheit, der Umweltzerstörung
und kriegerischen Auseinandersetzungen verschärft",
schreiben sie im Wahlprogramm. Fischer sprach von einem "Kern-Bestandteil
grüner Politik". Ohne eine Stärkung des demokratischen
Europas sei dieses Ziel aber nicht zu erreichen.