Geboren wurde Willy DeVille als William Borsay am 25. August 1950
vermutlich in Stamford/Connecticut, wo er auch bis zu seinem 15ten Lebensjahr seine Kindheit verbrachte. Aus dem zu eng gewordenen Zuhause setzte er sich schliesslich ab und tauchte im New Yorker Stadtteil und Kuenstlerviertel Greenwich Village unter. In jener Zeit reifte der Gedanke, Rhythm & Blues-Saenger zu werden. Zu D.s Vorbildern zaehlten damals Jimi Hendrix, Bob Dylan und der weisse Bluessaenger John Paul Hammond,
allesamt Kuenstler, die im "Village" gross geworden waren.'
Dass (der ehemalige Gruppenname) MINK DEVILLE meist als Kuenstlername
Willy DeVilles angesehen wurde, laesst sich leicht erklaeren. Die
"singende Bohnenstange" stand von Anfang an im Vordergrund
die (oft wechselnden) Mitmusiker kamen neben dem grazilen, feurigen Frontmann, dessen verschmitztes Laecheln, neben diversen Goldzaehnen,
auch ein echter, in einen Schneidezahn eingefasster Diamant ziert (siehe Cover der LP "Sportin' Life"), ueber den Begleitbandstatus selten hinaus. MINK DEVILLE war schlicht und einfach Willy DeVille!'
Anfang der 70er Jahre versucht D. sein Glueck in London, kehrt jedoch schon bald enttaeuscht nach New York zurueck. Doch dort gibt es nur noch wenige Clubs und Bars, wo "Live Music" geboten wird. Aus diesem Grunde wechselt D. nach San Francisco, um allerdings festzustellen, dass es hier auch nicht viel besser ist.
Ueber Wasser haelt er sich mit einer Band namens BILLY DESADE & THE MARQUIS, die - mangels Alternativen -
vorwiegend in Sado-Maso-Clubs aufspielen muss. Aus dieser Truppe heraus formiert sich schliesslich 1974 MINK DEVILLE.
D.s fester Glaube, es doch irgendwann schaffen zu koennen, laesst ihn nicht aufgeben. Mit seinen Musikern kehrt er nach New York zurueck und faengt wieder von vorne an.'
Dank des durch den Punk ausgeloesten frischen Windes in der internationalen Rockmusik lebt ab 1976/77 vielerorts die Clubszene wieder auf. D. und seine Kumpels verirren sich in dem laengst zur Legende gewordenen New Yorker Punk-Club 'CBGB'S'. Das mitgeschnittene Konzert beweist, dass MINK DEVILLE noch auf der Suche nach einem
eigenstaendigen Stil sind. D. klingt oft noch sehr nach Van Morrison oder Mick Jagger, was deutlich auch aus den drei Songs, die auf dem Live-CBGB'S-Sampler zu finden sind, herauszuhoeren ist. Immerhin wird er Erfolgsproduzent Jack Nitzsche auf ihn aufmerksam. 1977 unterschreiben D. & Co. ihren ersten Plattenvertrag mit 'Capitol'. Noch im gleichen Jahr erscheint das Debuetalbum "Cabretta", das in Kritikerkreisen mit Lob ueberschuettet wird. Mit zwei
Single-Auskoppelungen ("Spanish Stroll"
"Cadillac Walk" - von Moon Martin komponiert) gelingt es der
Newcomergruppe, sich bereits in unteren Gefilden der Hitparaden zu plazieren.
Aus aehnlich "gutem Holze" ist die 78er-LP "Return To Magenta" geschnitzt, wenngleich keine groesseren Singleerfolge abfallen:
saftiger Rhythm & Blues in zeitgemaessem Gewande, angereichert mit Latino-Pop-Elementen. Und D.s Stimme braucht laengst nicht mehr fuer Vergleiche herzuhalten. Mit dem dritten Album" Le Chat Bleu" scheint schliesslich der Durchbruch gekommen zu sein. Obwohl wegen mancher allzu schwuelstig geratener Balladen (z. B. "Heaven Stood Still") das Kritikerecho geteilt ausfaellt, waehlt der renommierte 'Rolling Stone' 1980 "Le Chat Bleu" unter die TopTen-Alben des Jahres. Und D. wird gar als "bester Saenger des Jahres" geehrt.'
Im Hintergrund des Erfolges toben jedoch bereits Streitigkeiten zwischen Plattenfirma und D. Eine neue LP, die dringend notwendig waere, um das geweckte Interesse an "Mink's Musik" befriedigen und aufrechterhalten zu koennen, muss aus rechtlichen Gruenden vorerst zurueckgestellt werden.
Zwischenzeitlich steuert D. fuer den Soundtrack zu William Friedkins Schwulen-Movie "Cruising" drei Songs bei. Nach einem Konzert im New Yorker Club 'Traxx' trifft D. den Boss des 'Atlantic'-Labels Ahmet Ertegun. Beide werden bald handelseinig und nach zweijaehriger Zwangspause erscheint 1981 endlich das heissersehnte Album "Coup de Grace", das D.s Comeback einlaeuten soll. Tatsaechlich wird es auch von der Musikkritik begeistert gefeiert die Mischung aus herzzerreissenden Balladen und frechen uptempo-Songs stimmt. Neben dem einschmeichelnden Akkordeon Kenny Margolis' (z. B. in
"Love & Emotion") ragt vor allem Louis Cortelezzi`s kraftvolles Saxophon (z. B. in "Teardrops Must Fall") heraus. Kommerziell bleibt der Erfolg von "Coup de Grace" allerdings bescheiden.'
Dem deutschen Publikum will sich D. erstmals in groesserem Rahmen durch seine Teilnahme an der WDR-Rockpalast-Nacht am 17.10.1981 empfehlen.
Dass sein Auftritt nicht gaenzlich "in die Hose geht", verdankt er
seinen harten Nerven. Das wegen seiner Unsensibilitaet gefuerchtete Publikum in der Essener Gruga-Halle kann D.`s theatralischer und extrovertierter Show offensichtlich wenig abgewinnen und "untermalt" seine Songs mit Pfiffen und "Aufhoeren"- Rufen. Eine bittere Erfahrung, die er wenige Jahre spaeter beim "Rock am Ring" - Open-Air-Festival (Mai 1985) beinahe nochmals durchmachen muss.'
Dass D. sich treu geblieben ist, beweist sein wiederum mit etlicher Verzoegerung erscheinendes 83er-Werk "Where Angels Fear To Tread": schmelzende Love-Songs, teilweise haarscharf am Kitsch vorbeigleitend.
Die Single "Each Word Is A Beat Of My Heart" entpuppt sich gar als Ueberraschungserfolg in den deutschen Charts. Die fetzige Salsa-Nummer "Demasiado Corazon" erfreut sich ebenfalls grosser Beliebtheit, vor allem im Radio. Dann ist fuer eine Weile wieder Sendepause. Erneuter Aerger mit seiner Plattenfirma verzoegert das Erscheinen des naechsten Albums.'
D. wechselt schliesslich zu 'Polydor' und 1985 kann er mit "Sportin' Life" erneut Kritikerlob einheimsen (Platte des Monats Juni 'ME/Sounds'). Die Hoffnung, dass mit den Singleauskoppelungen "Italian Shoes" und "I Must Be Dreaming" auch das Album in die Charts gehievt werden koennte, erfuellt sich nicht. Seine exquisit gespielte Nebenrolle in dem deutschen, eher biederen Krimi "Va banque" ist nicht mehr als eine gelungene Einlage. D. & Co. - bei der Musikkritik durchweg beliebt und anerkannt - kommen beim grossen Publikum ueber eine Aussenseiterrolle einfach nicht hinaus.'
Im Februar 1986 ist schliesslich das Aus fuer MINK DEVILLE perfekt. Laut
'Billboard' hat D. Schulden in Millionenhoehe. Der Manager wird
gefeuert, die Band loest sich zwangslaeufig auf. D. will nun alles auf eine Karte setzen und startet eine echte Solokarriere. Er laesst sich in New Orleans nieder, wo er sich auch in eine Drogenrehabilitation begibt.
Nach langem Hin und Her gelingt es 'Polydor', DIRE STRAITS-Boss Mark Knopfler als Produzenten fuer D.s erstes Soloalbum zu verpflichten. Im Herbst 1987 erscheint die langersehnte LP "Miracle", die die hochgeschraubten Erwartungen aber nur bedingt erfuellen kann. Trotz der eher behutsamen Handschrift Knopflers klingen die recht durchschnittlichen Songs wie in alten MINK DEVILLE-Zeiten
der alte Fanstamm laesst sich dadurch nicht erweitern. Da hilft es auch nicht, dass die Ballade "Storybook Love" zur Themamusik des Films "The Princess Pride" (von Rob Reiner) auserkoren wird. Die kommerzielle Pleite mit "Miracle" veranlasst 'Polydor', sich von D. zu trennen. Seit Ende 1988 steht dieser nun ohne verbindlichen Plattenvertrag da.
D. macht aus der Not eine Tugend und widmet sich seinem zweiten beruflichen Standbein, der Schauspielerei. Er wirkt u. a. in dem Spielfilm "Homeboy" und diversen Fernsehserien mit.'
Wenngleich ihm ein Plattendeal mit einer "major company" vorerst versagt bleibt, so findet er wenigstens in seiner neuen Heimatstadt ein kleines,
regionales Label, das bereit ist, die Produktion eines neuen Soloalbums zu verantworten. Mit einer illustren Schar von lokal, aber auch international bekannten Sessionmusikern geht D. ins Studio: Dr. John, Allen Toussaint, Leo Nocentelli (von den METERS) u. a. Das neue Opus mit dem selbstbewussten Titel "Victory Mixture" erscheint im November 1990.
Fuer seine kleine Europa-Tournee, die ihn im September '90 auch in deutsche Clubs fuehrte, kam das Album (fast) zu spaet
einige Erstexemplare konnte er aber schon an der Eingangskasse
verkaufen! Die "Siegesmischung" bietet die gewohnte Bandbreite D.s: Southern Soul der Gueteklasse, durchweg starke Songs in stimmigen, originellen Arrangements, mal mit satten Blaesern, mal mit dem (in der Rockmusik eher selten eingesetzten) Vibraphon instrumentiert. Die Musikkritik schwelgt in Lobeshymnen (u. a. damit erneut "Platte des Monats" in 'ME/Sounds', 2/91), gleichwohl ist "Victory Mixture" keine Platte fuer die Charts.'
Jedenfalls interessieren sich die Medien wieder fuer ihn, wenigstens in Europa, und da besonders in der franzoesischen Metropole. Das junge 'FNAC'-Label (zum gleichnamigen Medienkonzern gehoerig) nimmt den frankophilen Saenger mit Kusshand unter Vertrag: "Die unterstuetzen mich wenigstens. In den USA dagegen dreht sich alles nur noch um Prince,
Madonna, Michael Jackson und GUNS N'ROSES...Alle, die ein bisschen anders klingen, Tom Waits oder auch ich, werden dort gar nicht wahrgenommen. Aber in Europa hoeren uns die Leute zu" (zit. nach 'Frankfurter Rundschau' vom 5.12.92).
Diese Meinung findet D. auch bestaetigt, als er im Sommer '92 mit der "New Orleans Revue" (ihr gehoeren u. a. noch Dr. John und Zachary Richard an) eine Tournee in der "alten Welt" bestreitet, die grosse Begeisterung ausloest. Einige seiner Tourkollegen sind denn auch auf dem im September '92 erscheinenden, dem
Andenken an den verstorbenen Songwriter Doc Pomus gewidmeten Album "Backstreet Of Desire" wiederzufinden: Akkordeonist Zachary sorgt auf "Bamboo Road" fuer Karibik-Flair, Tastenmeister Dr. John ist bei "Voodoo
Charm" in seinem Element. Als weitere Gastmusiker empfehlen sich auch David Hidalgo (LOS LOBOS) und Jeff 'Skunk' Baxter (DOOBIE BROTHERS).
Die musikalische Palette ist wahrlich beeindruckend, reicht weit ueber den
eh schon attraktiven New Orleans-Rahmen hinaus und hat ihren Hoehepunkt in einer originellen Fassung des durch Jimi Hendrix bekanntgewordenen Klassikers "Hey Joe": mitreissende "Mariachi"-Klaenge hauchen dem oft
abgenudelten, auf einem mexikanischen Volkslied basierenden Song neues Leben ein. Ueberraschend auch das sozialkritische "Chemical Warfare", das sich mit der fatalen Rolle des Drogenmissbrauchs in den USA auseinandersetzt - ein ueberzeugendes statement des Ex-Junkies, dessen
erste Frau ein Opfer des Heroinkonsums wurde. D. erntet mit "Backstreets Of Desire" nicht nur glaenzende Kritiken, dieses Album verkauft sich auch gut und erlangt in Frankreich sogar Goldstatus. Nicht ganz gluecklich ist D. hingegen mit der englischsprachigen LP-Version ("Tycoon") des franzoesischen Erfolgsmusicals "Starmania", bei der neben ihm auch Nina Hagen, Tom Jones und Kim Carnes singen.
Spass bereitet D.
seine Mitwirkung bei diversen Tribute-Alben, z. B. fuer die
hochgeschaetzte Edith Piaf oder Otis Blackwell. Im Dezember 1993 praesentiert er seine groessten Hits auf einem Livealbum. Mitgeschnitten wurden diese mit Leidenschaft und Frische interpretierten Songs im New Yorker 'Bottom Line' und D.s Lieblingsdomizil, dem legendaeren Pariser 'Olympia'.
WERKE:
Diskographie: (MINK DEVILLE)'
"Live At CBGB's" (1976), Atlantic (Doppel-LP/3 Songs)'
"Cabretta" (1977), Capitol'
"Return To Magenta" (1978), Capitol'
"Le Chat Bleu" (1979), Capitol'
"Savoir faire", Capitol (Sampler)'
"Coup De Grace" (1981), Atlantic'
"Where Angels Fear To Tread" (1983), Atlantic'
"Sportin' Life" (1985), Polydor'
Solo:'
"Cruising" (1980), CBS (Soundtrack/3 Songs)'
"Miracle" (1987), Polydor'
"Victory Mixture" (1990), Sky Ranch/TIS'
"Backstreets Of Desire" (1992), fnac/east-west'
"Greatest Hits - Live" (1993), fnac/east-west'
(MA-Journal) - "Get Lucky" (1995), Voices (m. LUCKY SEVEN) "Loup Garou"
(1995), east west'
(MA-Journal) - Sampler: "Love & Emotion (The Atlantic Years)" (1996), Atlantic