Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Stadtbefestigungen von Klosterneuburg
Die untere Stadt
Die untere Stadt war nur gegen die Donau mit einer zinnenbekrönten Wehrmauer versehen. Gegen das Hinterland zu und gegen die obere Stadt beschränkte sich die Befestigung auf Zäune. Im Mittelalter hat man sich diese als Palisadenzäune vorzustellen. Nach dem 2. Türkenkrieg, bei dem die untere Stadt stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, waren diese nicht gemauerten Grenzbefestigungen obsolet geworden. Die Vogelschau von 1725 gibt an diesen Stellen lediglich einfache Zäune zwischen den Hausfluchten und Weingärten an. Vom mittelalterlichen Befestigungsring erhielten sich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem die Mauertürme. Die donauseitige Wehrmauer war mit einfachen Zinnen ausgestattet und scheint stadtseitig nicht wie in der oberen Stadt einen gemauerten Wehrgang besessen zu haben, sondern nur einen hölzernen Laufgang über eng gesetzten Balkenreihen. Einfache Mauertore wechselten mit massiven Tortürmen ab, die als autarke Befestigungswerke mit Wehrplattformen bekrönt waren. Im 17. Jahrhundert setzte dann an den Haupttoren eine repräsentative Umgestaltung (Wassertor) ein. Die meisten der schlichten Mauertore dürften überhaupt nach dem 2. Türkeneinfall erneuert worden sein und bildeten nur einfache Sperren ohne nennenswerte Wehrfunktion.
Haffnertürl
Wie schon die Diminutivform nahelegt, war dieses Portal ein kleiner Durchlaß ohne weitere Befestigungseinrichtungen. Die Vogelschau zeigt ein einfach gerahmtes Segmentbogenportal. Das Bauwerk verschwand 1870 mit dem Abbruch der donauseitigen Wehrmauer.
Literaturauswahl: Städteatlas; Röhrig 33; Perger 166.
Wassertor
Das 1870 abgetragene Bauwerk befand sich im Bereich des Bahnhofs Klosterneuburg-Kierling und war das größte und somit wichtigste Tor innerhalb der gemauerten Befestigungen der unteren Stadt.
Um 1725 wird es als zweigeschossiger Torturm mit Pyramidendach wiedergegeben und war feldseitig der Wehrmauer vorgestellt. Rechts schloß ein eingeschossiger Nebentrakt mit kleinem Anbau an. Im Turmobergeschoß befanden sich je zwei tief geleibte Fensteröffnungen (ehemalige Maulscharten?). Ein weiterer niedriger Seitenflügel schloß links an den Turm an, lag aber stadtseitig an die Wehrmauer an. Die Ansicht bei Vischer (1672) könnte darauf schließen lassen, daß der im Kern wohl mittelalterliche Torturm seine Annexbauten erst nach dem 2. Türkenkrieg (1683) erhielt. Dies ist umso wahrscheinlicher, da die Portaleinfahrt im 17. Jahrhundert im Sinne einer repräsentativen Wirkung feldseitig neu fassadiert wurde. Der Torbogen erhielt eine wuchtig rustizierte gerade Umrahmung, welche oben drei Pyramiden zierten. Die künstlerische Gestaltung der Feldseite entsprach stilistisch dem stiftsseitigen Schlagbrückentor (errichtet 1671). 1762 wurde dem Mittelturm das rechts der Durchfahrt gelegene K. K. Maut- und Bancalhaus vorgebaut.
Literaturauswahl: Starzer 70; Städteatlas; Röhrig 33.
Pachnertor (auch Bachnertor)
Der eingeschossige Torturm wird 1725 mit umlaufendem Zinnenkranz, der in einer Art Vorschußmauer teilweise ein Pyramidendach mit Schornstein verdeckt, dargestellt. Er befand sich im Bereich der Ausmündung Fischergasse. Im Gegensatz zum Wassertor schloß das Pachnertor feldseitig mit der Wehrmauer ab. Bei Vischer wird der Turm noch zweigeschossig mit einem gedeckten vorkragenden Wehrgeschoß (Maschikuli) wiedergegeben. Das Bauwerk wurde 1870 abgetragen
Literaturauswahl: Perger 166; Röhrig 34. Städteatlas.
Einfache Schlupfpforte
Die Vogelschau von 1725 zeigt zwischen dem Pachnertor und dem folgenden Fischertor einen gerade geschlossenen Portaldurchbruch, der wesentlich kleiner als das Haffnertürl dargestellt wird. Er diente als Schlupfpforte zur Anlegestelle am Donauufer und entstand wohl erst nach Aufgabe der Wehrfunktion der donauseitigen Stadtbefestigung.
Fischertor
Nach der Ansicht von 1725 bildete das Fischertor den Abschluß der donauseitigen Wehrmauer. Das rundbogige Mauertor wies eine beachtliche Höhe auf und lief an der uferseitigen Häuserzeile der giebelständigen Verbauung an. Es muß im Zusammenhang mit einem querriegelartig zwischen Häuserzeile und Stadtmauer errichteten Gebäudetrakt gesehen werden. Der mindestens vierachsige Baukörper besaß eine rundbogige, gegen die Wehrmauer zu verschobene Durchfahrt. Das Fischertor bildete zusammen mit diesem im Kern wahrscheinlich älteren Quertrakt einen ungefähr drei Parzellen tiefen Vorhof. Der gesamte Baukomplex fiel der Schleifung von 1870 zum Opfer.
Literaturauswahl: Starzer 70; Perger 166. Städteatlas.
Enggassentor
Die urkundliche Erwähnung als "Burgtor" ist schon 1444 im Zusammenhang mit St. Martin nachweisbar. 1725 wurde das Tor als eingeschossiger Mauerturm mit Rundbogenportal und zinnenbekrönter Wehrplattform dargestellt. Der Torturm fluchtete feldseitig mit der Baulinie des Grenzzaunes, den man sich im Mittelalter als Palisadenzaun vorzustellen hätte. Das Enggassentor stimmt bis auf die fehlende Verdachung mit der Darstellung des Pachnertores überein. Stadtseitig links wurde das Enggassentor bis zum ersten giebelständigen Haus mit einer Zinnenmauer verbunden. Die rechte Mauer war niedriger und ohne Zinnen.
Im Gegensatz zum gleichartigen Pachnertor dürfte das Enggassentor seine Verteidigungseinrichtungen länger behalten haben, während man die ursprünglich offen zu denkende Wehrplattform des Pachnertores mit ihrem Zinnenkranz im Sinne einer symbolhaften Dekorationsform des Barock umwertete. Der Torturm im Bereich Martinstraße - Langstögergasse wurde schon Anfang des 19. Jahrhunderts abgetragen..
Literaturauswahl: Perger 167 und Anm. 225; Röhrig 34; Städteatlas.
Weitgassentor
Die Vogelschau des 18. Jahrhunderts zeigt ein breit gelagertes Mauertor mit Rundbogenportal und bekrönendem Zinnenkranz. Lagemäßig fluchtet es wie der Mauerturm des Enggassentores mit der Grenzbefestigung. Stadtseitig links verbindet wieder eine Zinnenmauer den Torbau mit der zurückversetzten ersten verbauten Hausparzelle. Lagemäßig im Bereich Albrechtstraße - Langstögergasse zu lokalisieren, erlitt es Anfang des 19. Jahrhunderts das gleiche Schicksal wie das Enggassentor.
Literaturauswahl: Perger 167. Röhrig 34. Städteatlas.
Thürnhofertor
Etwa in Höhe des heutigen Friedhofs bei der Kierlingerstraße - Ziegelofengasse lag das erstmals 1462 als "äußeres Tor in der Kierlinggasse" erwähnte Mauertor. Eine weitere Erwähnung findet sich 1466: "in der Kirchlinggasse vor dem äußeren Tor". Der Straßenzug "Kirchlinggasse" selbst wird schon 1339 erwähnt. 1725 wird das zinnenbekrönte Mauertor mit Rundbogenportal zwischen der barock gestalteten Umfassungsmauer des Thürnhofes und der anschließenden Häuserzeile wiedergegeben.
Literaturauswahl: Röhrig 34; Perger 167 und Anm. 227; Perger 207 und Anm. 643; Perger 207 und Anm. 641.
Jakobsburgtor bzw. Franziskanertor
Wie das Thürnhofertor war auch das im heutigen Bereich Martinstraße - Jakobsgasse situierte Mauertor sehr einfach gestaltet. Urkundlich wird es erstmals 1352 erwähnt. 1443 findet sich die Bezeichnung "ob St. Jakob außerhalb des Burgtores", dann wird es nach dem Kloster Franziskanertor genannt. Wie schon beim Weit- und Enggassentor beginnt 1725 die giebelständige Häuserzeile erst eine Parzellentiefe hinter dem Franziskanertor, das stadtseitig links mit den Häusern durch eine Mauer verbunden war.
Literaturauswahl: Perger 23, Anm. 226; Perger 167; Röhrig 34; Städteatlas.
Kierlingertor
Die Straße nach Kierling war bis Anfang des 19. Jahrhunderts ebenfalls durch zwei schlichte Mauertore gesichert. Eines befand sich im Bereich Kierlingerstraße - Hölzlgasse.
Literaturauswahl: Perger 167. Röhrig 34. Städteatlas.
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studiolo 21.06.99 17:38