Wie der Goldene Schnatz zum Quidditch kam

Ab dem frühen zwölften Jahrhundert war die Schnatzerjagd bei vielen Hexen und Zauberern ein beliebter Zeitvertreib. Heute sind die Goldenen Schnatzer eine geschützte Art, doch zur damaligen Zeit waren sie in Nordeuropa weit verbreitet. Weil sie sich jedoch geschickt verstecken und sehr schnell fliegen konnten, waren die Muggel kaum in der Lage, sie aufzuspüren.

Der Schnatzer ist ein winziges Wesen, verblüffend flink in der Luft und sehr geschickt, wenn es darum geht, seinen natürlichen Feinden auszuweichen. All dies mehrte nur noch das Ansehen der Zauberer, die einen Schnatzer fingen. Das Quidditch-Museum bewahrt einen Gobelin aus dem zwölften Jahrhundert, der eine Gruppe von Zauberern zeigt, die gerade aufbricht, um einen Schnatzer zu fangen. Auf dem ersten Abschnitt des Wandteppichs sind einige Jäger mit Netzen zu sehen, andere tragen Zauberstäbe, und wiederum andere versuchen den Schnatzer mit bloßen Händen zu fangen. Der Gobelin enthüllt zudem, dass der Schnatzer von seinem Fänger häufig zerdrückt wurde. Im letzten Teil der Darstellung ist zu sehen, wie der Zauberer, der den Schnatzer gefangen hat, als Auszeichnung einen Sack Gold erhält.

Die Schnatzerjagd war in vielerlei Hinsicht verwerflich. Jeder Zauberer, der das Herz am rechten Fleck hat, wird die Vernichtung dieser friedliebenden Vögel im Namen des Sports beklagen. Überdies hatte die meist am helllichten Tage betriebene Schnatzerjagd zur Folge, dass mehr Muggel fliegende Besen zu Gesicht bekamen als bei allem anderen, was Zauberer trieben. Damals war der Magische Rat jedoch nicht in der Lage, die Beliebtheit dieses Sports einzudämmen - im Gegenteil, wie wir noch sehen werden, erhob der Magische Rat selbst offenbar keine Einwände.

Die Schnatzerjagd kreuzte schließlich im Jahr 1269 den Weg des Quidditch, und zwar bei einem Spiel, dem das Oberhaupt des Magischen Rates, Barberus Bragge, persönlich beiwohnte. Wir wissen dies dank des Augenzeugenberichts, den Madam Modesty Rabnott aus Kent an ihre Schwester Prudence in Aberdeen schickte (auch dieser Brief ist im Quidditch-Museum ausgestellt).

Madam Rabnott zufolge brachte Bragge einen Schnatzer im Käfig zum Wettkampf mit und verkündete den beiden Mannschaften, er setze ein Preisgeld von einhundertfünfzig Galleonen für denjenigen Spieler aus, der den Schnatzer während der Partie einfinge. Madam Rabnott schildert, was daraufhin geschah:

Die Spieler erhoben sich alle sogleich in die Lüfte, achteten nicht auf den Quaffel und wichen den Blooders aus. Beide Hüter verließen ihre Torkörbe und schlossen sich der Jagd an. Der arme kleine Schnalzer flatterte verzweifelt kreuz und quer über das Feld und suchte zu entkommen. Doch die unten versammelte Zaubererschar zwang ihn mit Abwehrzaubern auf das Feld zurück. Nun, Pru, du weißt, was ich von der Schnatzerjagd halte und wie ich sein kann, wenn mir einmal der Kragen platzt. Ich rannte auf das Feld und schrie:

»Ratsoberhaupt Bragge, das ist kein Sport mehr! Lassen Sie den Schnatzer davonfliegen und zeigen Sie uns das vornehme Spiel Cuaditch, dessentwegen wir alle gekommen sind! «

Du wirst es nicht glauben, Pru, aber dieser Rohling lachte nur und schleuderte mir den leeren Vogelkäfig entgegen. Nun, da sah ich rot, Pru, und das meine ich ernst. Als der arme kleine Schnatzer auf mich zuflog, führte ich einen Aufrufezauber aus. Du weißt, wie gut meine Aufrufezauber sind, Pru - natürlich war es recht leicht für mich, richtig zu zielen, weil ich ja nicht auf einem Besenstiel saß. Der kleine Vogel flatterte schnurstracks in meine Hand. Ich steckte ihn in den Ausschnitt und rannte wie von der Tarantel gestochen davon.
Gut und schön, sie haben mich geschnappt, doch erst, nachdem ich der Meute entkommen war und den kleinen Schnatzer freigelassen hatte. Ratsoberhaupt Bragge war sehr zornig und einen Moment lang fürchtete ich, als gehörnte Kröte zu enden, doch glücklicherweise beruhigten ihn seine Berater, und sie verlangten nur zehn Galleonen Bußgeld von mir, weil ich das Spiel gestört hatte. Natürlich habe ich noch nie in meinem Leben zehn Galleonen besessen, also ist das gute alte Haus verloren.
Ich werde bald kommen und bei dir einziehen, zum Glück haben sie mir den Hippogreif gelassen. Und ich sage dir, Pru, Ratsoberhaupt Bragge würde meine Stimme nie bekommen, wenn sie mich denn wählen ließen.
Deine dich liebende Schwester
Modesty

Madam Rabnott mochte mit ihrem kühnen Schritt einen Schnatzer gerettet haben, doch alle konnte sie nicht retten. Ratsoberhaupt Bragge hatte mit seiner Idee das Wesen des Quidditch für immer verändert. Bald wurden bei allen Quidditch-Spielen Goldene Schnatzer freigelassen, und ein Spieler jeder Mannschaft (der Häscher) hatte einzig und allein die Aufgabe, ihn zu fangen. War der Vogel dann getötet, war das Spiel zu Ende und die Mannschaft des Häschers erhielt zusätzlich einhundertfünfzig Punkte, in Erinnerung an die einhundertfünfzig Galleonen, die Oberhaupt Bragge einst versprochen hatte. Die Menge sorgte mit den von Madam Rabnott erwähnten Abwehrzaubern dafür, dass der Schnatzer über dem Spielfeld blieb.

Mitte des folgenden Jahrhunderts jedoch waren die Goldenen Schnatzer vom Aussterben bedroht, so dass der Magische Rat, den inzwischen die um einiges aufgeklärtere Elfrida Clagg leitete, den Goldenen Schnatzer zur geschützten Art erklärte und sowohl die Jagd auf ihn als auch seinen Gebrauch beim Quidditch verbot. In Somerset wurde das Modesty-Rabnott-Schnatzer-Reservat gegründet, und man suchte händeringend nach einem Ersatz für den Vogel, um das Quidditch selbst nicht aussterben zu lassen.

Die Erfindung des Goldenen Schnatzes wird dem Zauberer Bowman Wright aus Godric's Hollow zugeschrieben. Während die Quidditch-Mannschaften im ganzen Land sich mühten, anstelle des Schnalzers andere Vögel für das Spiel zu finden, machte sich der im Verzaubern von Metallen bewanderte Wright an die Aufgabe, einen Ball zu schaffen, der das Verhalten und die Flugeigenschaften des Schnatzers nachahmte. Dass ihm dies glänzend gelang, geht aus den vielen (heute im Besitz eines Privatsammlers befindlichen) Pergamentrollen aus seinem Nachlass hervor, auf denen er die aus dem ganzen Land eingegangenen Bestellungen notierte. Der Goldene Schnatz, wie Wright seine Erfindung nannte, war ein Walnuss großer Ball von genau demselben Gewicht wie ein Schnatzer. Seine silbrigen Flügel hingen wie die des Schnatzers an voll drehbaren Angeln, die es ihm ermöglichten, wie das Vorbild in Windeseile und mit größter Genauigkeit die Flugrichtung zu wechseln. Im Gegensatz zum Schnatzer jedoch war der Schnatz mit einem Zauber belegt, der ihn in den Grenzen des Spielfelds hielt. Mit der Einführung des Goldenen Schnatzes, so lässt sich sagen, endete die Entwicklung, die dreihundert Jahre zuvor auf Queerditch Marsh begonnen hatte. Quidditch war nun endgültig geboren.

 

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