Thomas Schmitz: Rezension
Legenden der Zukunft 3
Perry Rhodan-Fanzine mit Stories, Grafiken und Interviews.
(PrintZineOnline. Dt., erscheint vierteljährlich, Oktober 1997)
LEGENDEN DER ZUKUNFT 3 ist ein durchschnittliches eZine und neuerdings eines der wenigen gedruckten Fanzines, die komplett im Netz zu finden sind. Der beste Beitrag - ein Roman von Irene Salzmann - ist leider nur auszugsweise und in Fortsetzungen zu finden. Bei der gegenwärtigen Erscheinungsweise ein übler Fehler.
Vielleicht handelt es sich nur um einen Tippfehler. Vielleicht ist ja mit der von Werner Höbart im Jargon eines überdrehten Marketing-Leiters so vollmundig verkündeten "neue Ära in der Geschichte der PR-Fanzines" nur die recht kurze Historie des Perry Rhodan-Fanzines Legenden der Zukunft gemeint. Mit der dritten Ausgabe nämlich hat das PrintZine eine Schritt in Richtung richtiges eZine gemacht. Denn erstmals wurde parallel zur gedruckten Version das komplette Heft ins Netz gestellt, nachdem man sich bisher mit Auszügen begnügt hatte.
Zugleich wurde die Präsentation im Netz von Dieter Schröder-Wrobel völlig neu konzipiert: Über einen unauffällig integrierten Frame am oberen Bildschirmrand werden nun fünf Hauptrubriken angesteuert. Bei Bedarf sorgen Untermenüs für weitere Anwahlmöglichkeiten. Das alles funktioniert tadellos. Nur die "Vorschau" ist als Hauptpunkt zu dürftig: LdZ 4 wird hier mit lediglich einem kurzen Satz angekündigt; die darunter plazierte Grafik ist in der vorliegenden Offline-Fassung nicht vorhanden, was Navigator und Explorer in seltener Einträchtigkeit mit häßlichen Markern und Fehlermeldung quittieren.
Was da alles unter der Sparte "Stories" zusammengefaßt wurde, verwundert einigermaßen. So stößt man dort auf zwei Interviews (mit Huber Haensel und H.G.Francis), eine Rißzeichnung und eine alle Bildschirmformate sprengende Tabelle, aus der sich entnehmen läßt, wer in welchem Perry Rhodan-Zyklus wie viele Hefte produziert hat. Daneben gibt es natürlich auch Geschichten:
Zunächst ist da Hubert Haensels "Weihnachten 2096" mit einer Episode aus einer Zeit, in der die Klimakatastrophe die Welt verändert hat, und ein Teil der Menschheit auf riesigen Orbitalstationen lebt. Leider hat Hubert sich zu sehr auf die Beschreibung der Katastrophe und ihrer Auswirkungen konzentriert und darüber die Handlung vergessen. Ohne solche sind seine milden Allgemeinplätze, etwa "Konsumzwang wäre wichtiger gewesen als Nächstenliebe, die Müllproduktion interessanter als der Schutz der Natur", nur ein leeres Gerippe, durch das ein Hauch von Langeweile weht. Daß es ausgerechnet die Verursacher der Klimakatastrophe sind, die sich auf die Orbitalstationen haben retten können, hätte Ausgangspunkt für eine spannende Handlung sein können, die dann vielleicht die jetzt viel zu mühsam daherkommende Gesellschaftskritik hätte tragen können. Hier hätte sich einiges mehr rausholen lassen!
Eine ebenso dürftige Rahmenhandlung hat "Das Experiment" von Dörthe Heilmann, in der Forschern der Zugang zu im Erbgut verborgenen Erinnerungen früherer Generationen gelingt. Macht eine Handlung, in der ein Mann ein Labor betritt, über die Hintergründe des Experimentes aufgeklärt wird, sich selbiges anschaut und das Labor wieder verläßt, eine Geschichte lesenswert? Zwar zeigt Dörthe einprägsam, daß sie zu plastischen und lebendigen Schilderungen in der Lage ist, wenn sie die freigelegten Erinnerungen schildert: Verstümmelung, Vergewaltigung, Mord. Die kurzen Szenen reichen aber nicht aus, Interesse für das Schicksal der Protagonistin zu wecken, zumal gegenwärtig bleibt: alles ist ohnehin nur ein Traum aus prähistorischer (?) Zeit. Weit hergeholt ist übrigens, daß das Phänomen der Seelenwanderung, das sich nun einmal nicht auf Menschen und Tiere beschränkt und vielmehr alle biologischen Grenzen überschreitet, hier seine biologische Erklärung findet.
Erst Werner M. Höbart bemüht sich in "Vom Leben nach dem Totentanz" um eine ansprechende und durchdachte Handlung, bei der ein terranisches Raumschiff in die Verfolgungsjagd zweier fremder Kreaturen gerät. Eigentlich eine Konstellation, aus der sich einige spannende Momente hätten ergeben können. Wenn sich die Geschichte dennoch über weite Strecken arg langweilig liest, dann weil Werner versucht, die Fremdheit der beiden Wesen rüberzubringen und dabei in typische Klischees verfällt. Seine körperlichen Exoten ("Chirr selbst bestand ebenfalls aus dieser milchigweißen Masse, die sich zu faserknochigen Strukturen gesammelt hatte. Amöbenhafte, veränderliche Formen, in grelles gleißendes Licht gehüllt.") denken natürlich wie Menschen, auch wenn sie das durch rätselhafte Andeutungen ("Reine Freude ließ damals ihr Mabusta erklingen."zu kaschieren suchen.
Irene Salzmanns Roman "Die Sklavenhändler" bringt LdZ unverständlicherweise in Fortsetzungen. Der beste Beitrag, den LdZ zu bieten hat, bleibt damit noch lange fragmentarisch, so die gegenwärtig vierteljährliche Erscheinungsweise auch künftig beibehalten wird. Wie schade das ist, zeigt das in dieser Ausgabe veröffentlichte 3.Kapitel: Die Stärken des Romans werden hier deutlich: ausgearbeitete Charaktere, intelligente Dialoge und eine Handlung, die noch einige Spannung verspricht - die Elemente sind alle da. Die Geschichte fängt ein; gerne möchte man weiterlesen und wird dann doch nur auf später vertröstet. Warum muß LdZ den Roman so zerhacken?
Ähnliches mag man sich auch bei Werner M. Höbarts "Zeit der Unschuld" fragen, dem zweiten Mehrteiler dieser Ausgabe. Hier begleiten wir den "von neurotischen Ängsten und Ekelgefühlen quot; geplagten Klon Jecky Ohm Amos, auf der Suche nach dem Mörder seines biologischen Ur-Ichs. Daß dabei die Psyche des Klons nicht sonderlich glaubwürdig daherkommt, stört weniger, ist manches Mal sogar Anlaß zu unfreiwilliger Komik. Etwa wenn der erste Satz, den der so neurotische Ich-Erzähler Jecky von sich gibt, ein tief zufriedenes "Angenehm und sanft umspülte es mich." ist. Die durchaus originelle Geschichte verläuft sprunghaft, die Gedankengänge der Beteiligten sind nicht immer logisch und nachvollziehbar.
Bei den durchweg gelungenen Grafiken handelt es sich - das liegt in der Natur jedes finanziell nicht üppig ausgestatteten PrintZines - nahezu ausschließlich um Schwarz-Weiß-Bilder. Sie stammen von so bekannten Leuten wie Alfred Kelsner, Franz H. Miklis, B.Kletzenbauer und Irene Salzmann. Unbedingt hervorzuheben ist dabei B.Kletzenbauers Dreistigkeit, mit der er sich von Bildern M.C.Eschers hat - nun, sagen wir inspirieren lassen.
Irgendwie wartet man bei der Lektüre dieser dritten Ausgabe der Legenden der Zukunft auf den großen, wichtigen Beitrag. Bei dem ist es aber so wie mit Godot. So kann sich die angekündigte neue Ära nur auf das Äußere des Zines beziehen und den Umstand, daß es nun erstmals komplett im Netz zu finden ist. Das ist in der Tat zu loben.
Thomas Schmitz
Bochum, 4.11.97
IE3.0, NN3.0 (600x800)
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