Solar-X 97

Rezension

von  
Thomas Schmitz  


Online-Version des externes Clubzines des Andromeda Science Fiction Club Halle. Rezensionen, Stories, Artikel.
(dt., SOLAR-X erscheint monatlich, SOLAR-X 97: März 1998)

Bei SX 97 überzeugt neben einer Story vor allem der sekundärliterarische Teil. Die Präsentation der Online-Ausgabe von SX ist im jetzigen Zustand auch den schlechteren Beiträgen von SX nicht angemessen, von den guten erst gar nicht zu reden.

Lange Zeit hat die SOLAR-X-Redaktion die Online-Ausgabe ihres Fanzines sträflich vernachlässigt. Nun aber ist Neuorganisation angesagt, und damit kamen dank Peter Motte gleich mehrere Ausgaben endlich auch ins Netz. Darunter die bereits im März als Heft erschienene Nr. 97.

    Leider hat auch Peter Motte offenbar nicht die Zeit, die Online-Ausgabe wenigstens ein wenig an das Medium anzupassen. So gilt nach wie vor: Wer einmal einen Beitrag angeklickt hat, der wird das BACK-Icon seines Browsers schätzen lernen. Nicht weil die Beiträge so schlecht wären, nein, sondern weil die Online-Beiträge nicht eine Möglichkeit bieten, die jeweils aufgerufene Seite auch wieder zu verlassen: Sackgassen, wohin man schaut! Und mit jedem Click und immer wieder der Beweis: Es genügt eben nicht, ein Fanzine mal eben 'ins Netz zu stellen'. Auf eine ansprechende Gestaltung der Seiten wurde weiter erst recht verzichtet. Früher hätte man da wohl von Bleiwüsten gesprochen.

    Wie stets nun um den Inhalt? Eine eher unbeholfene Story von Rebecca Conrad eröffnet den Reigen von diesmal vier Geschichten: "Der Stern". Gott wird darin dargestellt als kleines Mädchen, das die Zerstörung der Welt beweint. Ist das Sozialkritik? Wohl kaum. Dazu bleibt die Story zu sehr im Allgemeinen. Viel zu wenige Menschen sind glücklich gewesen, bedauert das Gottkind. Viel zu wenige liebten. Und warum? "Warum machten sich die vielen das Leben selbst so schwer? Ihre Welt war schön." Gott als verspätetes Blumenkind: Das ist zu niedlich um provokativ gemeint zu sein.

    "Tscho", die zweite Kurzgeschichte, beginnt wie einer dieser Beiträge aus den News-Shows der Privatsender: "Jedes Jahr verschwinden etwa 25 vollbesetzte U-Bahnwaggons". Warum wohl? Die Antwort bleibt uns Silke Rosenbüchler nicht schuldig. Sie gibt sie uns - aber erst am Schluß. Bis dahin erzählt sie uns von Tscho, den Außerirdischen, den der intergalaktische Human Security Dienst mit der Ermittlung betraut hat. Das liest sich streckenweise ganz lustig. Die Lösung des Rätsels aber, die Pointe - ja, wer klaut sie denn nun, die U-Bahnen? - die ist wirklich die allerallernaheliegendste gewesen und wir werden so langatmig dorthingeführt, daß wir schon Stunden vor der Autorin dort angekommen sind. Silke Rosenbüchler erzeugt so nicht mal mehr ein kleines Schmunzeln. Schade!

    Auf die zwei kurzen Texte folgt eine längere Horrorgeschichte von Eddie Angerhuber "Die Zisterne". Eddie schreibt - das war von ihm nicht anders zu erwarten, und alles andere hätte mich auch sehr enttäuscht - durchaus lebendig. Er reiht dabei aber so manches Klischee an das andere: Ich-Erzähler und entnervte Gattin suchen Entspannung auf dem Land. Dabei geraten sie an ein leerstehendes Haus, dessen letzte Bewohner längst verstorben sind. In einer unheilvoll dunklen Zisterne im Garten dort steht schwarzes, bedrohliches Wasser. Das Böse nimmt seinen Lauf: Stürmische Gewitter, schlafwandelnde, von unerklärlichen Alpträumen drangsalierte Ehefrauen, Wasserhähne, aus denen rot das Blut fließt, - all das aber kennt der Leser. Wirklich: Auch Horror könnte intelligenter sein!

    Rundum gelungen ist dagegen die letzte der diesmal präsentierten Geschichten: "Der Büchermann" von Peter Schünemann. Wer ist er, der geheimnisvolle Büchermann, der jeden letzten Freitag des Monats pünktlich zur selben Zeit in die Buchhandlung kommt und dort stets und von einem unerklärlichen Instinkt getrieben die ältesten und wenigsten gefragten Titel erwirbt? Stimmt es wirklich, daß sich dieses Ritual schon seit Jahrzehnten so vollzieht? Und was geschieht eigentlich mit den Büchern, die der zerlumpte Alte in einem speckigen Sack nach draußen trägt? Peter Sch¨nemann ist eine schöne und erzählerisch dichte Geschichte gelungen, die in Sprache und Stil ein wenig von der Atmosphäre jener altmodischen Buchläden hergibt, in denen die Zeit an der Eingangstür stehen geblieben zu sein scheint.

    So weit die Geschichten. Ausführlich und in der Regel ausgewogen und begründet sind die Film- und Buchbesprechungen. Allerdings: Die vorgestellten Titel sind nicht immer die neuesten, wie Wilko Müller jr. freim¨,tig eingesteht. Es ginge ja nicht darum, "Werbung für das aktuelle Angebot der Verlage zu machen, sondern um seine Meinung zu Büchern an sich zu äußern", schreibt er in seinem Vorwort. Es kann aber auch nicht darum gehen, Werbung für Bücher zu machen, die mancher sowieso schon seit zehn Jahren im Regal stehen hat oder die nur noch mit Glück in Wühlkisten und Antiquariaten entdeckt werden können, weil sie beim Verlag längst vergriffen sind. Zumal Wilko sich und seinen Mitarbeitern ohnehin Unrecht tut: Für Werbung sind die Urteile der Rezensenten doch zu ausgewogen und manches mal auch viel zu negativ, ganz gleich, ob da nun alte Schinken oder Neuigkeiten besprochen werden.

    In dieser Ausgabe gibt es "seit langem mal wieder einen echten Sekundärartikel" (Wilko). Angeregt durch den - von Peter Schünemann zurecht verrissenen - Film "Event Horizont" beschäftigt sich Torsten Altmann darin mit der Theorie des Überlichtflugs: "Faster than Light". Leider liest sich der nicht gerade originelle Beitrag zu steif und ist so eher etwas für gestandene HardSF-Fans.

    Höhepunkt dieser Ausgabe ist sicher die Geschichte von Peter Schünemann. Ansonsten überzeugt vor allem der sekundärliterarische Teil. Der Online-Ausgabe von SX darf man für die Zukunft eine bessere Präsentation wünschen. Im jetzigen Zustand ist sie auch den schlechteren Beiträgen von SX nicht angemessen, von den guten erst gar nicht zu reden!

Thomas Schmitz
NN 4.04 (800x600, 256 Farben)
Bochum, 21.5/8.11.98

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