DIE BRETTER, DIE ...

sind Jochen Kowalskis Zuhause. Hier fühlt er sich wohl, in jeder noch so fremden Stadt. Und inzwischen hat er nicht wenige betreten - solche mit Weltruhm und kleinere. Selbst Massenveranstaltungen, wie das alljährliche Classic Open Air auf dem Berliner Gendarmenmarkt oder die diesjährige Jubiläumsgala der Berliner Morgenpost in der Max-Schmeling-Halle Berlin, die auch schon 'mal Schauplatz für die in Deutschland boomenden Boxwettkämpfe ist, sind ihm nicht fremd. Gelegentlich hat man sogar den Eindruck, je größer die Bühne, je mehr Publikum, umso mehr Spaß macht's Herrn Kowalski.
Das Repertoire ist breit gefächert, Biografie und Tonträger beweisen das. Kowalski geht neue Wege und überrascht bisweilen Publikum und Kritiker gleichermaßen. Oftmals steht er dabei vor dem Problem, daß Kompositionen nicht seiner Stimmlage entsprechen. - Dann muß man eben transponieren. Damit hat er keine Probleme, zumal das in "grauer Vorzeit" nicht eben unüblich war. Die Gegenwartsbezogenheit ist Kowalski wichtiger als eine streng historische Aufführungspraxis, womit er im Lager so manchen Kritikers oder auch Stardirigenten nicht immer auf Verständnis stoßen dürfte. Das Publikum denkt da oft anders und Kowalski hat durch seine Vorstöße in ungeebnete Gebiete auch größere Spielräume für andere Countertenöre geschaffen. Daß männliche Altisten oder Sopranisten mittlerweile an der Tagesordnung sind, ist auch sein Verdienst.

Die Meilensteine in der Karriere des Altus wurden in der Biografie schon genannt. Nachfolgend findet sich eine Aufstellung wichtiger Inszenierungen oder Liederabende aus Vergangenheit und Gegenwart, die zum Teil durch Kritiker-Stimmen ergänzt werden. Außerdem kann man sich zum Kalender weiterklicken, das anstehende Auftritte von Jochen Kowalski auflistet.

IN DER OPER ...

Oper ist für Kowalski nichts Angestaubtes, Weltfremdes, sondern ganz gegenwärtig. Seinen Figuren haucht er Leben ein. Der englischen Countertenortradition kann er nicht viel abgewinnen - zu blasiert, da kommt nicht viel von innen. Kowalskis natürliche Stimme erlaubt es ihm, mit dem ganzen Körper zu singen, sinnlich und leidenschaftlich. - Nicht zuletzt deshalb war er prädestiniert für die Komische Oper Berlin, die dem Felsensteinschen Prinzip des Musiktheaters, bzw. Schauspielersängers verhaftet, in Jochen Kowalski einen solchen gefunden hat.

  Der Boris Godunow (Mussorgski, 1874) war die erste Operninszenierung, mit der Jochen Kowalski 1983 in der Partie des Zarensohnes Fjodor an der Komischen Oper Berlin debütierte. Außerdem gab's den Godunow auch schon vor der Wende in Amsterdam zu sehen.

Kritik:

"Die reife Vater-Sohn-Beziehung wurde nicht zuletzt wegen der idealen Zusammenarbeit mit dem Regisseur zu einer der tragenden Achsen in Kupfers "Ur-Boris"-Inszenierung. Der familiär-dynastische Hintergrund der Polit-Intrige bekam eine dramatische Verbindlichkeit und Schärfe, die keine noch so treffende Hosenrollen-Besetzung hätte erzielen können." (Boris Kehrmann, "Ich bin verrückt nach Melodien, Jochen Kowalski - ein Porträt" in: Opernwelt, April 1997, S. 26)

  Händels Giustino (1737) stand als nächstes auf dem Programm (1984) und wurde mit Kowalski in der Titelrolle für die Komische Oper überhaupt erst denkbar. "Guistino" brachte 1984 im Osten den Durchbruch: Für Countertenöre, für ein facettenreicheres Händel-Bild und für Jochen Kowalski." (Boris Kehrmann, "Ich bin verrückt nach Melodien, Jochen Kowalski -ein Porträt" in: Opernwelt, April 1997, S. 27)
Kupfer inszenierte das Werk in ironisch-verspielter Manier. Das bringt wohl das stellenweise recht fantastische Sujet mit sich. Publikumslieblinge sind die liebevoll gestalteten Tierfiguren, die immer einen Sonderbeifall ernten und an der Komischen Oper schon so etwas wie ein running gag geworden sind. Guistino war schon in München, Wien, Dresden, Amsterdam, London und Wiesbaden zu sehen. Außerdem gibt's eine Fernsehaufzeichnung. Das Stück wird an der Komischen Oper noch immer gespielt, jedoch ab und an mit dem Sängerkollegen Axel Köhler in der Titelpartie.
  1985 stand Kowalski als Daniel im Belshazzar (Händel, 1744) an der Hamburgischen Staatsoper auf der Bühne. Die szenische Bearbeitung des Händelschen Oratoriums erregte international großes Aufsehen und wurde als Fernsehaufzeichnung verewigt. Leider waren die Aufführungen an der Semperoper Dresden im Frühjahr/ Sommer 1998 die letzten. Kowalskis Daniel im Belshazzar gehört damit der Vergangenheit an. - Schade!

Kritik:

"Die kostbarsten Augenblicke im Theater sind nicht die des stürmischen Jubels, sondern die des beeindruckten, gebannten Schweigens, das ihm voraus geht. Die erlebt man nicht häufig, wohl aber mit großer Intensität jetzt bei der Premiere von Harry Kupfers szenischer Version von Händels Oratorium "Belsazar"... " (Internetseite der Semperoper, "Belsazar" aus: Berliner Morgenpost, 8. März 1994)
"Regisseur Harry Kupfer machte aus dem zwittrigen einen ergreifenden Theaterabend. Er führte, ohne dem Werk dramaturgisch Gewalt anzutun, jüngste deutsche Vergangenheit vor. Und das gelang, weil die Aktualisierung eine glückliche Liaison einging mit Kupfers Kunstfertigkeit..." (Internetseite der Semperoper, "Belsazar" aus: Die Welt, 8. März 1994)

  Außerdem gab es in Hamburg Mozarts Titus (La clemenza di Tito, 1791) mit Jochen Kowalski in der Rolle des Annio zu sehen.
  Traumrolle Jochen Kowalskis ist der Orpheus in Orfeo ed Euridice von Gluck (1762). Die Oper ist seit 1987 in der hervorragenden, modernen und metapherngeschwängerten Inszenierung Harry Kupfers an der Komischen Oper zu sehen. Die Figur ist Kowalski geradezu auf den Leib geschnitten. Emotionsgeladen und leidenschaftlich scheint sie dem Altisten emotional besser zu entsprechen als so manche barocke Partie, die sich mitunter in Schnörkeln und Verzierungen verliert. Mit ganzer Hingabe spielt Kowalski den Orpheus. Das Konzept des Schauspielersängers ist anschaulicher kaum zu demonstrieren. Der Orpheus wurde wohl auch deshalb zum größten Erfolg für das Team Kupfer/ Kowalski. 1991 beispielsweise war eine Neueinstudierung am Royal Opera House Covent Garden zu sehen. Bei der Gelegenheit entstand ein Videomitschnitt. Die Gesamtaufnahme mit Dagmar Schellenberger als Euridike gibt es übrigens auch als CD. Während die Komische Oper die italienische Originalversion Glucks (leider?) in deutscher Sprache und (aus guten Gründen) um die Balletteinlagen im 3. Akt gekürzt präsentiert, ist die CD in italienischer Sprache vollständig eingespielt worden.
Ab Mai 1999 wird es am Leipziger Gewandhaus eine Inszenierung der Oper wiederum mit Kowalski in der Titelrolle geben.
  In Händels Giulio Cesare (1721) sang Kowalski unter anderem in Düsseldorf, Paris (1986) und an der Komischen Oper , 'mal die Partie des Tolomeo, 'mal die des Titelhelden. Die Komischen Oper nimmt ab September 1998 ihre Inszenierung der Oper wieder auf. Kowalski singt dann den Cesare.
  Im Sommernachtstraum von Britten (A Midsummer Nights Dream, 1960) konnte man Kowalski als Oberon in den verschiedensten Inszenierungen erleben (Frankfurt a. Main; New York, 1996/97), zuletzt in einer mehr als beeindruckenden Version von Philippe Arlaud an der Wiener Volksoper (März 1998 und wieder ab Oktober 1998 - Kalender). Vor allem das surreale Bühnenbild, Licht- und "Spezialeffekte" (Echo, Nebel) lassen die Zeit in der Oper zu einem Traum werden, aus dem man leider nach drei Stunden wieder erwacht. Arlaud schafft es, ohne die kleinste Andeutung auch nur eines Baumes, eine Wald-Atmosphäre herbeizuzaubern, die die Musik trefflich unterstreicht. Der agile Puck, fabelhaft gespielt von Karl Markovics (aus dem Fernsehen als Kommissar Stockinger bekannt), haucht dem Ganzen Leben ein. Ein weiterer Pluspunkt ist die Darstellung der Handwerker, die Arlaud bewußt im Sinne Brittens und weniger in Shakespeares Geist zeichnet. D. h., sie werden nicht skizzenhaft auf Dorftrottel reduziert, sondern in ihrem Vorhaben und mit ihren Eigenheiten ernstgenommen. Alles in allem, wie ich mir den Sommernachtstraum vage gewünscht hatte, hat Arlaud ihn in Wien formuliert.

Kritik:

"Wird es im Feenreich von Benjamin Brittens Sommernachtstraum ungemütlich und zänkisch, so ähnelt es in dieser Inszenierung von Philippe Arlaud allerdings keinesfalls jener Welt des Menschlichen. Auch wenn Oberon (tadellos artifiziell Jochen Kowalski) Puck die Leviten liest, bleibt er in der Volksoper doch eine entrückt-elegante Gestalt, deren Gesten von einer Poesie der Langsamkeit geprägt sind und den Elfenkönig auch in Momenten des Zorns als erhabene Kunstfigur erscheinen lassen. (...) Dazwischen aber ist Puck, der ewig staunende Clown, den Arlaud zum running gag dieser Inszenierung und zu einem permantenten gestischen Kontrapunkt geraten läßt: Als wäre er einer Zirkusmanege entsprungen, treibt der Quälgeist (exzellent Karl Markovics) sein clowneskes Spiel schelmisch und akrobatisch an allem Ernst vorbei.
Zur grellen Zirkusnummer wird dieser Sommernachtstraum allerdings nie. (...)
Im Zentrum des Sommernachts-Raumes ein sich spiralenförmig nach oben hin entwickelndes schneckenartiges Gebilde: Es ist der Weg auf dem die Feenwelt herabschwebt, es ist die Grenze zwischen den Sphären.
Es ist aber auch ein ständig im Licht mutierendes Fundament einer durch und durch geglückten Inszenierung, die von der farbenreichen und dezenten Arbeit des gesamten Ensembles wie des Orchesters unter Andreas Mitisek lebt." (Ljubisa Tosic, "Opernpoesie der Langsamkeit" in: Der Standard (Wien), 02. März 1998, S. 10)

Kritik:

"Sonst freilich ist es dem Regisseur und Bühnenbildner wunderbar gelungen, das Traumhaft-Schwebende der Vorlage kongenial in eine vollkommene Einheit von Optik, Darstellung und Bewegung zu übersetzen. Dazu gehört die phantastische Architektur der Drehbühne, subtil ausgeleuchtet (...); gehören die Kostüme von Annette Beaufaýs, die die drei Handlungsebenen geschmackssicher voneinander abheben, und ein phänomenal geführtes Ensemble. (...)
Am Countertenor Jochen Kowalski ist die Zeit leider nicht spurlos vorübergegangen; mit Ausnahme der wohl fehlbesetzten Hippolyta verdienen alle übrigen Protagonisten ein aufrichtiges Pauschallob." (Gerhard Kramer, "Geniale Klänge in schwereloses Zauberlicht getaucht" in: Die Presse (Wien), 02. März 1998, S. 22)

  Die Fledermaus von Johann Strauß (1874) bietet mit der Partie des Prinzen Orlofsky ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Betätigungsfeld für einen Altisten, kommt aber beim Publikum sehr gut an. Mittlerweile sah man auch schon andere Countertenöre in dieser Rolle. Kowalski begibt sich offensichtlich gern in diese Champagnerseligkeit heuchelnde Atmosphäre, was er z. B. in der Galavorstellung zum 50. Geburtstag der Komischen Oper (Weihnachten 1997) unter Beweis stellte. - Da war er ganz in seinem Element. Neben der Inszenierung von Harry Kupfer (seit 1995, Komische Oper), die die Perfidität der Hinterhofintrigen hervorheben will, gab es weitere in Wien, 1986, 1991; London (Video mit dem Sängerkollegen Pavarotti), 1991; Hamburg, 1992?, 1996 - 1998 und New York, 1994, 1995, wo Kowalski als russischer Prinz inzwischen "Kultstatus" genießt. Über Kupfers Fledermaus wurde übrigens von WDR und arte eine Dokumentation mit dem Titel "Die Rache der Fledermaus" (Autoren: Hubert Ortkemper, Manfred Strastil, 1996) gedreht.

Kritik:

"Kupfers exzellente Personenführung feiert bei der temporeichen, pointierten, sozialgeschärften Aufbereitung dieser Hintertreppengeschichte erneut Triumphe. (...) Die Kritik an den dekadenten Emporkömmlingen lugt ohne erhobenen Zeigefinger allenthalben hervor. Dabei greift Yakov Kreizberg mit dem präzise und brillant auftrumpfenden Orchester fest ins dramatische Gerüst des Notennetzwerkes, federt die schwingenden Klänge aus den Niederungen schmachtender K. u. k. Operettenseligkeit in die Höhen spannenden Musiktheaters. Statt lieblichen Champagners kredenzt er herzhaft prickelndes Mineralwasser von der Spree.
Dagmar Schellenberger al raffiniertes Rasseweib Rosalinde girrt mit lupenreiner Soprankunst, würzt die ungarischen Momente mit Paprika. (...) Herrlich dekadent, von enormer Ausstrahlung agiert Altus Jochen Kowalski als blasierter Orlofsky. Eine Meisterleistung genauso wie der Gefängniswärter Frosch von Otto Sander, der zwischen Kalauern und Kabarettpointen die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert." (Peter Buske, "Hemmungsloses Amüsement - Ovationen für Kupfers Inszenierung der Fledermaus an der Komischen Oper" in: Berliner Zeitung Online, 17. Oktober 1995)

Kritik:

"So zündet der Funke also in der hochgestimmten 44. Aufführung der Kupfer-Inszenierung, die noch und wieder so geschmiert läuft, wie der Fahrstuhl im Stiegenhaus-Bühnenbild Hans Schavernochs, (...)
Der große Dirigent Yakov Kreizberg scheint auch hierin die Empfehlungen des Kompositionslehrers Schönberg nachzuempfinden, daß bei solcher Musik Tiefe der Durchführung die Glätte der Oberfläche nicht zerstören dürfe. Das Orchester der Komischen Oper unter seiner Leitung schafft beides. Alles klingt frisch geprobt in Eleganz, Flexibilität und Präzision, gemeinsam geatmet; zumal die Overtüre und der mit Bravos honorierte Entreakt zum zweiten Aufzug, wahrhaftig Allegro fuoco, sind Preziosen der Orchesterkultur. Von den vielen Fledermäusen, die derzeit durch die Theater flattern, dürfte die der Komischen Oper die musikalisch schönste sein." (Sybill Mahlke, "Sie laden gern sich Gäste ein" in: Berliner Zeitung Online, 24. Dezember 1997)

  Mitridate, Rè di Ponto, ein frühes Werk Mozarts (1770), als opera seria mit Kastratenrollen ausgestattet, wurde 1991 am Royal Opera House Covent Garden inszeniert. Kowalski singt den Farnace. Obwohl er sich der Inszenierung entsprechend sehr zurücknimmt, kommt der Schauspielersänger noch immer durch und hebt sich damit vom Rest der Akteure ab.
Vor allem besticht das Bühnenbild durch eine weitgehende Reduzierung auf Grundformen und -farben. Im Kontrast dazu stehen die Kostüme im Rokokko-Stil, die dem Ganzen einen historischen, aber eben nicht (dem Sujet der Oper eigentlich entsprechenden) antiken Touch geben. Kostüme und Bühnenbild unterliegen einer klaren Farbsymbolik. Es gibt ebenfalls eine Videoaufzeichnung davon.
  L 'incoronazione di Poppea von Monteverdi (1642) wurde im Rahmen diverser Festspiele, beispielsweise der Salzburger Festspiele 1993, mit Kowalski aufgeführt. Hier sang er unter Nikolaus Harnoncourt den Ottone, also den verschmähten Liebhaber Poppeas.
  An der Deutschen Staatsoper unter den Linden Berlin war Kowalski 1994 der erste männliche Tancredi (Rossini). Die Oper ist nicht mehr im Repertoire der Berliner Staatsoper.
  Rolf Liebermann holte Kowalski 1995 eigens an die Hamburgische Staatsoper, um ihn die Partie des den Herrscher verführenden Kreon in seiner Tragödie Freispruch für Medea singen zu lassen. Die Oper wurde auch eingespielt (CD).
  Georg Katzers Antigone oder Die Stadt wurde 1991 an der Komischen Oper mit Kowalski in der Rolle des Teiresias aufgeführt.

1999 gibt es zwei Neuinszenierungen der Komischen Oper, an denen Jochen Kowalski mitwirkt:

  Ende Januar 1999 hatte die Operette Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach (1858) an der Komischen Oper Premiere, in der Kowalski den Orpheus singt. Hier trar sich demnach wieder das bewährte Team - Inszenierung: Harry Kupfer, Bühne: Hans Schavernoch, das schon Orfeo ed Euridice zu einem Welterfolg gemacht hat. Die Kritiken fielen allerdings nicht sehr positiv aus. Vor allem die Kupfersche Inszenierung wurde als "kleinbürgerlich-pubertierend" beschrieben.
Die Aufführung wurde von 3sat/ZDF live übertragen.

Kritik:

"Und es geht weiter mit der faden Kleinbürger-Erotik von Szene zu Szene: peinlich, provinziell und pubertierend. (...) Warum, fragt man sich bald, vertraut Kupfer der hintersinnigen, eleganten Ironie Offenbachs nicht, warum will er die feine, geistreiche Mythologie-Parodie partout mit Büttenreden-Humor niedertrampeln?" (Frederik Hansen, "Unter der Gürtellinie" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 25. Januar 1999)

Kritik:

"Bei Offenbach war der Unterschied zwischen Original und Parodie deutlich, aus dieser so pointierten Verletzung der Konvention entstand das Komische. Bei Harry Kupfers Neuinszenierung des Offenbachschen "Orpheus" in der Komischen Oper bleibt er nebulös. Kupfer versucht, zu beiden Konventionen, dem antiken Treuelob und dem Offenbachschen Schwank mit Schwung, Abstand und Bezug zu wahren. Indem er Teile des Bühnenbildes aus der eigenen Inszenierung von Glucks "Orpheus und Euridice" wiederverwendet und auch Countertenor Jochen Kowalski (souverän, aber ohne die übliche Brillanz) erneut die Hauptrolle singt, gibt sich Kupfer die Chance, sich selbst zu verspotten. (...) Doch Kupfer ist es nicht um Deutung zu tun. Seine Inszenierung verliert sich in Kitsch und Anspielungen, mal mit Ironie, oft aber ohne. Alles wird nur angedeutet, benutzt wird es nicht." (Stefan Melle, "Die Hölle hat einen riesigen Mund" in: Berliner Zeitung Online, 25. Januar 1999)

  Am 2. Mai 1999 fand an der Komischen Oper die Premiere von Saul, einem Händel - Oratorium, statt. Jochen Kowalski singt hier abwechselnd mit Axel Köhler die Partie des David. Damit wurde ein weiteres Mal (wie schon der Belshazzar) ein Oratorium in Szene gesetzt, diesmal allerdings nicht von Harry Kupfer, sondern dem noch relativ unbekannten Regisseur Anthony Pilavachi. Die Inszenierung ist eher traditionell gehalten, zeitweise etwas unausgegoren und hält wenig Überraschungen bereit. Dennoch ist eine Illustration des Oratoriums durchaus gelungen, da eine Überinterpretation der Kraft der Händelschen Musik entgegengewirkt hätte. Unwillkürlich kommt allerdings abermals die Frage auf, ob ein solches Oratorium überhaupt noch visueller Reize bedarf. Der musikalische Leiter Alan Hacker interpretiert das Oratorium ganz im Sinne des englischen Händel-Enthusiasmus - frisch, schwungvoll und mit dramatischen Akzentuierungen. Die Spielfreude der Akteure, die man ja von der Komischen Oper gewöhnt ist, begeistert auch im Saul das Publikum.

Kritik:

"Ein großer Opernabend mit einem Oratorium: Die Komische Oper zeigt Händels "Saul", als wäre das Stück nicht fürs Konzert, sondern von vornherein für die Bühne geschaffen. (...) Kowalski, heimgekehrt in sein Stammrepertoire, zeigt alle Singfinessen mit vokalem Feinschliff betörend vor. Er singt delikat, tonschön und schmiegsam. Lange schon nicht mehr hat man ihn derart mit höchstem künstlerischen Bedacht formulieren gehört. Von Kopf bis zum nackten Fuß ist er hingebungsvoll ernsthaft und hält sich aller Singkoketerie fern. (...) Alan Hacker sitzt dirigierend in seinem Rollstuhl dem Orchester vor und leitet es an (...) Nichts da von Imitation und einer sowieso stets fragwürdigen Authentizität. Es geht Hacker um musikalische Lebendigkeit, dramatische Intensität, um den ganzen Händel, nicht einzig um seinen klangmusikalischen Abklatsch." (Klaus Geitel "Barfuß unter Wölfen" in: Berliner Morgenpost Internet-Archiv, 04. Mai 1999)

Kritik:

"Für sich betrachtet wirken die Regiemethoden, die Anthony Pilavachi in seiner Inszenierung von Georg Friedrich Händels "Saul" in der Komischen Oper anwendet, eigentümlich altmodisch: Da gibt es ein Konzept, das autoritär alle szenischen Vorkommnisse bestimmt und für unerwartete Einfälle keinen Raum läßt. Da gibt es Modernisierungen, die so wenig originell sind, daß ihnen jeder Stachel fehlt. (...) Indessen bewährt sich der Mythos durch die Vielfalt seiner plausiblen Deutungsmöglichkeiten. Was das erste Buch Samuel überliefert, ist eine Geschichte von Erwählung und Gnade (...) Diese in der Bibel obligate Perspektive gibt Charles Jennens, Händels Librettist, auf. (...) Pilavachi geht nun mit der Säkularisierung des Stückes noch weiter: Ihn interessieren auch die inneren Kämpfe der Personen kaum, weder die Sauls, noch die Jonathans (...) Pilavachi liest den Text als Studie über Masse und Macht, als die Geschichte Davids, der von den Vielen als Held auserkoren wird, um die herrschende und volksferne Klasse abzulösen. (...) Und ab hier [I. Akt, 3. Szene, Anm. der Autorin] bietet das Stück für Pilavachis an sich so schlüssige Idee zu wenig Stoff. (...) Daß es Pilavachis Inszenierung an theatralischer Sinnlichkeit gebricht, ist solange kein Mangel, wie seine Bühnenzeichen den Verstand zu beschäftigen und gewisse Seiten des Stückes zu beleuchten vermögen. Denn angenehm an dieser Inszenierung ist ja, daß der Regisseur in das Stück nichts hineingelesen, sondern etwas erkannt hat. (...) Die Volksmenge ragte bei der Premiere am Sonntag auch musikalisch hervor: Für seine Größe und unter den Bedingungen seines Agierens leistete der von Peter Wodner einstudierte Chor der Komischen Oper wahrlich Herausragendes an Präzision und Schlagkraft." (Peter Uehling, "Die menschlich genährte Schlange" in: Berliner Zeitung Online, 04. Mai 1999)

Kritik:

"In der Komischen Oper Berlin gönnt der Regisseur Anthony Pilavachi dem Schafhirten, der bereits zum gehörig uniformierten Kriegsmann befördert ist, einen Augenblick des Zögerns: David will das Schwert zurückgeben und muß es dennoch annehmen, nebst dem Königsmantel, denn Ungehorsam verliert den Schutz Gottes. Dieser inszenierte Schluß einer versuchten Wehrdienstverweigerung steht für die eindringlichen Momente der Aufführung" (Sybill Mahlke "Der Schafhirt muß Feldherr sein" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 04. Mai 1999)

 

IM KONZERTHAUS ...

Oratorien und Liederabende gehörten für Jochen Kowalski von Anfang an dazu. Ein Interviewer erhielt Anfang 1997 auf die Frage, was Kowalski mehr reize, die Oper oder der Liederabend, folgende Antwort: "Ehrlich gesagt, im Moment mehr das Liederprogramm. Da ist man ganz auf sich alleine gestellt, unabhängig von Orchester, Dirigent, Licht und Kostümen. An diesen Abenden können Sänger, Pianist und Publikum eine Dreier-Liebesbeziehung eingehen. Es ist etwas Wunderbares, wenn man Geschichten erzählen kann." (Volker Blech, "Liebesbeziehung zur Schönen Müllerin" in: Berliner Morgenpost Internet-Archiv, 14.01.1997)
Auf vielen Bühnen und Festivals war Kowalski bisher Gast, darunter in München, Wien, Pompeji, Madrid, Helsinki, Kopenhagen und Tokio, beim Schleswig-Holstein-Festival und den Schubertiaden in Hohenems.
Auch in diesem Bereich eifert er Fritz Wunderlich nach. Wen wundert's, daß die Auswahl der Programme oftmals an diesen erinnert.

  Schumanns Dichterliebe und Lieder von Beethoven und Mozart wurden, wie zum Tei schon bei Wunderlich (Deutsche Grammophon, 1965), zusammengefaßt und neben Bühnenaufführungen auch auf CD gebracht.
  Schütz, Scarlatti, Paisiello, Telemann, Hasse, Rossini, Donizetti, Schubert, Mahler stehen/standen abwechselnd auf dem Programm.
  Dann gibt es, als jüngeres Produkt (auch als CD), Schuberts Schöne Müllerin - ein Wagnis für den Altus, schließlich befindet er sich damit im Revier gestandener Tenöre und Baritone. Und so hörte man vor der Aufführung in der Komischen Oper (Januar 1997) zweifelnde Stimmen: Die Müllerin in der Altlage, wie geht das denn? Aber Kowalski überzeugte (zumindest die meisten) und nicht nur in Berlin, wo man den "neuen" Kowalski erst relativ spät zu Gehör bekam, sondern schon 1995 in Wien oder anderen Konzerthäusern Europas und Asiens mit einer sinnlich-dezenten Müllerin, die der von Wunderlich (Deutsche Grammophon, 1966) sehr weit entgegengeht.

Kritik:

"Ein sehr gut und sehr ernsthaft gearbeiteter Zyklus. Man spürte Kowalskis Gedanken und Ausdruckswillen zu jedem Gedicht und Lied. Die Stimme führte er technisch makellos, transportiert mit ihr besonders glaubwürdig Schlichtheit und Intimität (Morgengruß/Die liebe Farbe/Des Baches Wiegenlied). Für den wütenden und aufbegehrenden Müllerburschen (Der Jäger/Eifersucht und Stolz) fehlte ihm aber der nötige Biß und auch die Kraft." ("Leise Müllerin, makellose Müllerin" in Hamburger Morgenpost Online, 27. Januar 1997)

Kritik:

"Wenn es im siebenten Lied "Ungeduld" im Text heißt "Dein ist mein Herz", faßt sich Kowalski pathetisch eben dorthin. Wir sind gerührt.
Und doch würden wir es etwas schlichter gerne haben. Narrativer, differenzierender, auch klarer. Kowalski vertraut viel zu sehr auf die Außenwirkung, statt den Zyklus von innen heraus, psychologisch zu erfassen. Jede Geste bleibt ein-und-dieselbe Geste, egal welchen Inhalts Musik und Text sind. Das von Schubert subtil gestaltete Private wird an die Öffentlichkeit gedrängt; jedes Wort besitzt Gewicht, selbst dann, wenn es keines haben darf.
Während der Vorstellung kann man sich kaum von dem Gedanken frei machen, daß ein Bariton den Leidensweg des armen Jünglings glaubwürdiger vermitteln würde. Kowalskis Altus-Stimme kommt über fisteliges Espressivo kaum hinaus. Er bietet einfach zu wenig Farbe und Kraft. In der Mittellage kratzt, krächzt, rauscht diese Stimme, bisweilen klingt sie heiser, manchen Ton trifft Kowalski nur ungefähr." (Jürgen Otten, "Da faßt sich der Sänger ans Herz" in: Berliner Zeitung, 18. Januar 1997, S. 12)

Kritik:

"So eine zärtliche Liebeserklärung bekommt die Schöne Müllerin nicht alle Tage. Jochen Kowalski nähert sich der Maid aus Schuberts Liederzyklus mit natürlichem Instinkt. Der Altus kennt kein Pathos, auch im größten Herzschmerz läßt er sich nicht zu theatralischen Gesten hinreißen. Mit subtil ausgedrückten Stimmungen nimmt er sein Publikum in der Komischen Oper gefangen.
Jochen Kowalskis besondere Stimme in der hohen Altlage umgibt den Liederabend vom ersten Ton an mit der Aura des Außergewöhnlichen. Die Rolle des empfindsamen Jünglings füllt er mit allen Nuancen des Altregisters aus. Mit dem vibratolosen, puristischen Klangideal englischer Countertenöre hat sein ausdrucksmächtiger Gesang nicht viel zu tun." (Martina Helmig, "Jochen Kowalskis herzvolle Suche nach der Schönen Müllerin" in: Berliner Morgenpost-Internet-Archiv, 18. Januar 1997)

Kritik:

"Seiner Interpretation der Schönen Müllerin merkt man lange Vertiefung und große künstlerische Kompetenz an, auch wenn das jetzt auf CD vorliegende Ergebnis nicht in jeder Beziehung überzeugen kann. Dabei ist das größe Handicap nicht etwa die ungewohnte, zunächst sehr weiblich klingende Stimmlage, sondern eine getrübte Intonation, die in technisch heiklen Liedern wie "Der Neugierige" besonders auffällt. Die steife, und wenig differenzierte Klavierbegleitung exponiert und überlastet die Stimme zudem. Darunter leidet nicht zuletzt die dramatische Linienführung des Ganzen, die psychologische Entwicklung des lyrischen Ich. Wer einen der grandiosen Live-Auftritte Jochen Kowalskis mit der Müllerin erlebt hat, wird vom Tonträger etwas enttäuscht sein." (Wolf-Christian Fink, "Klassik Kritiken - Franz Schubert Die schöne Müllerin" in: Scala, 2/98, März/April, S. 56)

  Im September 1997 konnten sich die Berliner im Rahmen der 47. Berliner Festwochen Lieder aus Deutschland zu Gemüte führen, die die Wiener schon im Sommer vernommen hatten. Lieder von Schubert und Beethoven nach Texten von Metastasio waren ebenso zu hören, wie auch weniger hehre Werke von Carl Loewe (Tom der Reimer, Die Uhr) und Philipp zu Eulenburgs Rosenlieder (gibt's auch auf CD - Plaisir d'amour). Daß letztere, auf Opern- oder Konzerthausbühnen eher selten zu vernehmende Lieder, Kowalski sehr am Herzen liegen, war unverkennbar, auch wenn sich Sänger und Publikum zuweilen ein Schmunzeln über besonders klischeehafte Textstellen nicht verkneifen konnten.

Kritik:

"Eine traditionelle Werteskala kommt ins Schlingern, wenn Jochen Kowalski den als Dichter und Komponist vergessenen Freund Wilhelms II. (Fürst zu Eulenburg - Rosenlieder, Anm. der Autorin) mit seiner "volkstümlichen" Poesie auf Hugo Wolf und Johannes Brahms folgen läßt. Aber erstens kann der Star der Komischen Oper, der Rattenfänger und Herzensbrecher, singen was er will, weil er geliebt wird und die Geschenke aus dem Parkett kein Ende nehmen wollen, und zweitens ist das Experiment nachdenkenswert. (...) Da die Musiker der Komischen Oper an Streichinstrumenten, Klarinette, Klavier, Pauke und Schlagzeug sich etwa auf die Zwanziger Jahre eingerichtet haben und der Sänger auch in dieser Mode reüssiert, strebt alles zu Operette, Krematorium (Schubert), Filmunterhaltung. Ein solches Programm mit dem schwülstigen Arrangement Phillip zu Eulenburgs - "Das Märchen ist aus" - zu vollenden, die Verdummung also zum Thema zu machen, ist nur logisch: eine Lektion musikalischer Wirkungsgeschichte." (Sybill Mahlke, "Hell die Glöckelein" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 14. September 1997, S. 26)

Kritik:

"Musikalische Maskeraden bot Jochen Kowalski am Freitag in der Komischen Oper: Schubert und Beethoven präsentierten sich im Gewand der italienischen Oper, romantische Klavierlieder des 19. Jahrhunderts erklangen als Arrangements für ein Salonorchester, und sie wurden gesungen von einem Sänger, dessen Stimme stilistisch im 18. Jahrhundert und in der Oper beheimatet ist. (...) Hier (im 1. Teil, Anm. der Autorin) gelang das Spiel mit den Kostümen: So wie der individuelle, klassische Tonfall der Komponisten durch die Opernkonvention geprägten Vertonungen durchschimmert, stellte auch Kowalskis Interpretation die Klavierlieder buchstäblich auf die Bühne.
Schmeichelhafter für den Sänger als die Klavierbegleitung des ersten Teils war das üppigere Akkompagnement des Salonorchesters nach der Pause. (...) Hugo Wolfs Eichendorff-Vertonung "Heimweh" rückte mit dem Arrangement in fatale Nähe zu Philipp zu Eulenburgs "Rosenliedern" mit ihrer grotesken Kombination von pseudo-volkstümlichen Texten und aufgedonnerter Musik. (...) Echte und falsche Gefühle verschmolzen zu echt falschen, zumal Kowalski alles gleichermaßen mit sängerischen Manierismen versah." (Susanne Fontaine, "In ironischer Verkleidung" in: Berliner Zeitung Online, 15. September 1997)

  Außerdem steht Kowalski seit 1997 in einem Joint Concert mit Dame Gwyneth Jones, die vor allem durch den legendären Bayreuther (Jahrhundert-)Ring des Nibelungen (Wagner, 1869 - 1876) in der Inszenierung von Patrice Chéreau und unter musikalischer Leitung von Pierre Boulez bekannt wurde, auf europäischen und asiatischen Bühnen. Beide haben sich in einer Talkshow kennengelernt und für ein gemeinsames Projekt sofort Feuer gefangen. Arien von Monteverdi, Händel, Gluck, Weber, Puccini, Strauß, Lehár und Suppé ergeben dabei ein Programm, das unter dem Titel O Fortuna - Eine kleine Schloßmusik zusammengefaßt wurde.

Kritik:

"Charme war Trumpf: Dame Gwyneth und Kowalski, einzeln oder im Duett, geizten damit nicht. Manchen verdrehte es den Kopf. (...) Daß Dame Gwyneth auch mit knalligem Forte verschreckte und nicht selten intonatorisch fünfe gerade sein ließ, daß Kowalskis Stimme zwar sehr gekonnt und routiniert geführt war, jedoch nicht nur einmal belegt klang, schien wenige zu stören. Und da nicht nur Rossinis Katzenduett so liebevoll-klamaukig dargeboten wurde, konnte man sich diesem Charme doch kaum entziehen." (Elisabeth Richter, "Charme als Retter" in: Hamburger Morgenpost Online, 03. September 1997)


Diese Auswahl soll genügen.
Freuen können wir uns eventuell auf Lehár- oder auch Tschaikowsky-Projekte, jedenfalls scheinen Kowalski derzeit beide Komponisten sehr zu interessieren. Außerdem läßt er in den Archiven nach deutschen Liedern von Kurt Weill suchen - vielleicht ein weiteres Vorhaben für die Zukunft?


UND AUF ABWEGEN ...

Mit der CD Evergreens, die 1995 erschien, stieg Jochen Kowalski auch in die "Niederungen" der Film- und Schlager-Musik der Ufa-Zeit hinab. Als "Alibi" dafür kann er wiederum seine Vorbilder Wunderlich und Tauber anführen, die vor solcherart "Abwegen" ebenfalls nicht zurückschreckten und sich auch dem Genre der "Küchen- und Abwaschlieder" nicht verschlossen hatten. Den Ergebnissen merkt man an, wieviel Herzblut Kowalski hierin investiert und wieviel Spaß es ihm macht. Dabei grenzt er sich bewußt von Künstlern wie Max Raabe ab und will nicht auf jener Modewelle schwimmen. Kowalski parodiert nicht. "Er besitzt Witz, Einfühlungsvermögen, Stilgefühl - selbst noch im vorsätzlich Seichten. Er zeigt in ihm unvermutete Tiefen auf und versteht, sie auf brillante Art auszuschöpfen." (Klaus Geitel, "Jochen Kowalski, Evergreens" als Begleittext zur CAPRICCIO-CD, 1995, S. 5)

  Wer das Glück hat, und eine der nicht gerade häufig stattfindenden (und zu allem Unglück ab Sommer 1998 für ein Jahr pausierenden) Aufführungen von Eine Sehnsucht, ganz egal wonach! am Deutschen Theater Berlin miterleben kann, wird das nur bestätigen. Das Projekt, das im Untertitel sinnfällig als "Musikalisches Ereignis" bezeichnet wird, entstand mit den Schauspielerkollegen Daniel Morgenroth (der sich auch an der Staatsoper unter den Linden als Regisseur einer Vier-Personen-Oper betätigte) Dagmar Manzel und Katrin Klein. "Vier singende und spielende Bühnenstars schmachten und schwelgen in der Schlagerseligkeit der Dreißiger Jahre", heißt es im Werbetext des Deutschen Theaters. Aber es ist mehr - da wird dem hoffnungslosen Romantiker, dem Spießbürger, dem Lebenskünstler usw. mit Witz und Ironie die Maske vom Gesicht gerissen, bis der nicht mehr weiß, soll er lachen oder weinen? Vorsichtshalber werden mit dem Programmheft auch schon Taschentücher verteilt, die die (Freuden)Tränen auffangen sollen. Der riesige Erfolg des Stückes zeigt, wie auch die neuerliche Renaissance der Comedian Harmonists, daß das Publikum wieder gewillt ist, sich auf die alte, schon etwas angestaubte Art, unterhalten zu lassen.
  Der Melodramen- und Schauerballaden-Abend des 19. Jahrhunderts, abermals in Zusammenarbeit mit Daniel Morgenroth (Pianist: Andreas Mitisek), wurde am 14.07.1998 im Rahmen des 13. Kissinger Sommers zum 1. Mal aufgeführt. Die Komponisten Max von Schillings, Friedrich Nietzsche, Philipp zu Eulenburg, Friedrich Glück, Carl Loewe aber auch Richard Wagner, Richard Strauß und Robert Schumann stehen in diesem Rahmen mit Vertonungen von Eichendorff-, Uhland-, Fontane- und Schiller-Werken auf dem Programm. Sänger und (zum Teil auch singender) Rezitator wechseln sich ab und präsentieren musikalisch und schauspielerisch geschickt, mit Zwischentönen versehen, die fast schon vergessenen Balladen - so eine Kritik. Spätestens die Zugabe wurde am 14.07. zu einem Lach-Konzert, in das Publikum und Künstler gleichermaßen einstimmten. So räumte wohl auch dieses Konzept alle ihm möglicherweise von Kritik und Zuhörern entgegengetragenen Bedenken im Laufe des Abends aus.
Der Bayrische Rundfunk (BR4) übertrug eine Aufzeichnung des Konzertes im Radio.


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