Diese Seite wurde zusammengestellt nach Angaben von Dr. Hermann Schefers (Museumszentrum Lorsch)

Lorsch

EHEMALIGES PATROZINIUM: St. Nazarius
DIÖZESE: Im Gebiet des Bistums Mainz.
HISTORISCHE ZIRKARIE: Wadgassen
BUNDESLAND: Hessen (D)
HEUTIGER ORTSNAME: Lorsch, Kreis Bergstraße
GRÜNDUNG: 764 als Benediktinerkloster
1232 Zisterzienserkloster
1248 Prämonstratenserkloster
AUFHEBUNG: 1556/57

Geschichte:
Als Eigenkloster der rupertinischen Gaugrafenfamilie gegründet, wurde Lorsch 764 Erzbischof Chrodegang von Metz übereignet, der aus Gorze die ersten Mönche unter Führung seines Bruders Gundeland nach Lorsch holen und 765 Reliquien des Hl. Nazarius nach Lorsch überführen ließ. Die Reliquientranslation ist Ursache für eine beispiellose Flut von Schenkungen, die dem jungen Kloster noch in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens reiche Besitzungen von der heute niederländischen Nordseeküste bis in die Gegend südlich des Bodensees bescherten und die Abtei zu einem der größten Grundbesitzer östlich des Rheins machten. Erbstreitigkeiten zwischen Gundeland und der Gründerfamilie seit 766 führten 772 zur Entscheidung Karls des Großen zugunsten der Ansprüche Abt Gundelands, der sein Kloster daraufhin dem Herrscher übereignete, wodurch Lorsch zu einer Abtei des Königs wurde (Königskloster, Reichskloster), ausgestattet mit bedeutenden Privilegien, insbesondere der Immunität (wirksam bis 1232).
Zwischen 767 und 774 vom Ort der Gründung (Altenmünster) an nahegelegene Stätte verlegt, viel größer und repräsentativer neu erbaut erlebte Lorsch die Weihe der neuen Klosterbasilika 774 in Anwesenheit Karls des Großen. Bedeutende Abtspersönlichkeiten mit enger Bindung an den Hof ließen Lorsch zu einem Zentrum der Verdichtung und der Vermittlung allen damals erreichbaren Wissens im Sinne der karolingischen Bildungsreform werden; wegweisende Leistungen sind beispielsweise eine beachtliche Vergilüberlieferung und eine Rechtfertigung der gelehrten Heilkunde zu Beginn des Lorscher Arzneibuches. Bibliothek und Skriptorium entwickeln sich in erstaunlicher kurzer Zeit zu bedeutenden Einrichtungen. Von König Ludwig dem Deutschen als Grablege für sich und seine Dynastie ausgewählt, erhielt das Kloster im späten 9. Jahrhundert eine repräsentative bauliche Ausstattung, der gegenwärtig auch die sogenannte Königs- oder Torhalle zugerechnet ist, die als einziges Bauwerk die hochwertige karolingische Architektur des Ortes bezeugt. Bis 1090 sind rund 20 Herrscherbesuche in Lorsch belegt, zu 1052 die Anwesenheit Papst Leos IX.
1090 beendet eine Brandkatastrophe eine Folge von Blütezeiten des Klosters in karolingischer, ottonischer und salischer Zeit. Unter dem Druck sich aus dem Lehnswesen ergebender Probleme, bedingt aber auch durch eine Verstärkung des Ausbaus ortsnaher Siedlungsräume (Kolonisation weiter Teile des Odenwaldes) beginnt sich Lorsch immerhin noch als Zentrum von regionaler Bedeutung zu formieren. 1232 verliert Lorsch die Immunität und wird dem Erzstift Mainz inkorporiert. Dieser Akt ist für Lorsch auch mit einer ordensgeschichtlichen Zäsur verbunden: An die Stelle der Benediktiner rückten Zisterzienser (1232-1248), gefolgt von Prämonstratensern, die 1248 ihr beachtliches Erbe antraten. Wenngleich die Zeit ihrer Wirksamkeit von der Forschung noch immer als Phase des Niederganges angesehen wird, so ist dem doch entgegenzuhalten, dass sich die Wissenschaft nie ernsthaft mit der hoch- und spätmittelalterlichen Geschichte des Klosters beschäftigt hat. Viele Quellen harren noch der Bearbeitung, eine durchaus beachtliche urkundliche Überlieferung ebenso wie reiches archäologisches Fundmaterial. Zuletzt versahen die Lorscher Prämonstratenser, die ihren Nachwuchs aus allen Schichten der Bevölkerung schöpften, zahlreiche Pfarrstellen der näheren Umgebung; erkennbar sind enge Beziehungen zu einer offenbar als Filiale besiedelten Propstei auf dem Heiligenberg oberhalb Jugenheim an der Bergstraße, zu der alten Lorscher Filiale auf dem Heiligenberg bei Heidelberg und zum Zisterzienserkloster Schönau am Neckar. Seit 1541 wurde einige Jahre lang die Leitung von Lorsch und Münsterdreisen in Personalunion wahrgenommen. Kaum dokumentiert ist eine im 14. Jahrhundert auch baulich sich niederschlagende Nachblüte des Klosters, dessen Bibliothek an der Schwelle zur Neuzeit zahlreiche, vor allem Heidelberger Humanisten und Gelehrten anzog.
Seit 1461 an die Kurpfalz verpfändet, erlebte Lorsch die Einführung der Reformation und 1556, spätestens aber 1557, die Aufhebung des Klosters und seine Umwandlung in eine weltliche Schaffnerei. Kurz vor der Zerstörung der Anlage durch die katholische Liga entstand die einzige Abbildung des Klosters durch Matthäus Merian d.Ä. (um 1615). Bis auf Klostermauer, einem zur Tabakscheue umfunktioniertem Fragment des Mittelschiffs der alten Klosterbasilika, der sogenannten Köngishalle und einer wohl nachklösterlichen Zehntscheune erinnert kaum mehr etwas an die einst vorhandene "Klosterstadt", deren Name auf die unmittelbar benachbarte dörfliche Siedlung überging. Nach der Rückgewinnung und Rekatholisierung Lorschs durch Mainz 1623 war eine Neubesiedlung durch Prämonstratenser geplant, musste aber, wohl aus ökonomischen Gründen und wegen des Zustands der Baulichkeiten wieder (und endgültig) verworfen werden. Ende des 17. Jahrhunderts waren die meisten Gebäude bereits verschwunden, es entstand ein Jagdschlößchen des Mainzer Erzbischofs mit Wirtschaftsbauten und das neue bauliche Arrangement umgebender Park- und Nutzflächen.
Das ehemalige Kloster Lorsch wurde 1991 in die Liste des Weltkultur- und -naturerbes der UNESCO aufgenommen. Seit 1995 dokumentiert eine Abteilung des Museumszentrums Lorsch die Geschichte und Bedeutung Lorschs in frühmittelalterlicher Zeit. Im Kirchenrest ist eine kleine Auswahl hochwertiger Bauplastik zu sehen, für wissenschaftliches Publikum ist ein Mikrofilmarchiv aller für Lorsch bezeugten Handschriften und ein archäologisches und bauplastisches Funddepot im Keller des Kurfürstlichen Hauses zugänglich. Die Anlage des Klosters, zu der seit 2000 ein umfangreicher Kräutergarten nach dem Lorscher Arzneibuch gehört, wird von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessens unterhalten und präsentiert.

Literatur (Auswahl): KNÖPP, Friedrich (Hrsg.): Die Reichsabtei Lorsch. Festschrift zum Gedenken an ihre Stiftung 764, 2 Bände, Darmstadt 1973 und 1977.

JACOBSEN, Werner: Die Lorscher Torhalle. Zum Problem ihrer Datierung und Deutung. Mit einem Katalog der bauplastischen Fragmente als Anhang, in: Jahrbuch des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 1/1985, S.9-75.

JÜLICH, Theo (Hrsg.): Kloster Lorsch. Berichtsband zum interdisziplinären Symposium am 12. und 13. November 1991 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt (=Kunst in Hessen und am Mittelrhein 32/34), Darmstadt 1993.

EXNER, Matthias (Hrsg.): Wandmalerei des frühen Mittelalters. Bestand, Maltechnik, Konservierung (=ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees XXIII), München 1998.

Ansprechpartner: Museumszentrum Lorsch,
Nibelungenstraße 32 und 35, 64653 Lorsch, Tel.: (06251) 103820, Fax.: (06251) 587140,
muz@kloster-lorsch.de, Homepage im Aufbau.
Auskunft über zahlreiche Veranstaltungen und Angebote, Museumsshop, museumspädagogische Programme, Studienreisen. Historische Kurzinformationen in englischer, französischer, tschechischer, ungarischer und japanischer Sprache vorhanden. Neben der klostergeschichtlichen Abteilung besteht im Museumszentrum das Tabakmuseum und die volkskundliche Abteilung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt.
Öffnungszeiten: Das ehemalige Klostergelände ist ganztägig zugänglich, das Museumszentrum täglich (außer montags, Fachtnachtdienstag, Heiligabend und Neujahr) 10 Uhr bis 17 Uhr. Die sogenannte Königshalle und der Kirchenrest können nur im Rahmen vorher angemeldeter Führungen besichtigt werden (Anmeldungen nimmt das Museumszentrum Lorsch entgegen). Kostenfreier Eintritt wird am Tag des Offenen Denkmals gewährt.
Führungen: Führungen sind täglich außer montags nach Vereinbarung mit dem Museumszentrum Lorsch möglich. Für junge Familien, Schulklassen, Kommunen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung besteht ein reichhaltiges und attraktives erlebnis- und museumspädagogisches Angebot (Inforamtion und Buchung: Museumszentrum Lorsch, Nibelungenstraße 32, 64653 Lorsch, Tel.: (06251) 51446, Fax.: (06251) 587140, Homepage im Aufbau, Sprechstunde jeweils donnerstags 14 Uhr bis 17 Uhr).
Gaststätten: Keine eigene Gastronomie. Für Reisegruppen und Einzelbesucher werden derzeit die Gaststätte "Zum Weißen Kreuz" (ehemalige Klosterherberge) am Benediktinerplatz (Tel.: (06251) 52354) oder die "Nibelungenstube" (Tel.: (06251) 587732) in Museumsnähe empfohlen. Über Hotels und Zimmernachweis informieren die Touristinfo Bensheim (Tel.: (06251) 14117) und die Verkehrs- und Kulturabteilung der Stadt Lorsch (Tel. und Fax.: (06251) 5967400).
Ausflugstipps: Lorsch liegt inmitten einer auch landschaftlich sehr reizvollen Ferienregion (hessische Bergstraße). Für Tagesausflüge empfehlen sich neben den nahen Städten Bensheim (mit dem malerischen Staatspark Fürstenlager) und Heppenheim vor allem Worms, Speyer, Darmstadt, Mannheim, Heidelberg, der Odenwald mit Michelstadt und Erbach. Gut erreichbar sind die beiden Basiliken Einhards, des Biographen Karls des Großen, in Michelstadt-Steinbach und Seligenstadt am Main; für Gruppen werden geführte Ganztagesausflüge dorthin angeboten (Information und Anmeldung: Museumszentrum Lorsch, Nibelungenstraße 32, 64653 Lorsch, Tel.: (06251) 51446).
Über weitere Reiseziele informiert (jetzt auch in englischer, französischer und italienischer Sprache) das Buch Reisezeit-Zeitreise (ISBN 3-7954-1229-3).

Lorsch erreicht man über die A 67 (Darmstadt- Mannheim), Abfahrt Lorsch.

ein zurück...!!! zum Inhalt...!!! ein vor...!!!


Diese Homepage wird betreut von: Florian Uwe Becker O.Praem. (Abtei Hamborn)
Schreib
mir!
Letzte Aktualisierung: 20. Januar 2001