Hier an der Grenzkontrolle werden erst unsere Moppeds einem Desinfektionsbad unterzogen, dann müssen auch wir durch ein solch chemisches Bad stiefeln, bevor wir weiter chilenischen Boden betreten dürfen. Bis zur eigentlichen Zollkontrolle nach weiteren 30 km schlängelt sich die schmale Piste an der einen Seite eng am Fels, an der anderen Seite am Abgrund entlang abwärts, das heisst für mich: schön gemütlich und vorsichtig runtertuckern. Die Jungs sind natürlich wieder viel schneller unten, und auch sicher nicht so geschlaucht wie ich. Macht aber nichts, schön war's trotzdem! Und Glück haben wir gehabt, nicht nur mit dem Wetter. Denn die Zöllner erzählen uns, dass der Pass ab nächster Woche über den Winter gesperrt wird. Wir waren also noch gerade zur rechten Zeit hier.
Ich komme sogar noch mit eigenem Benzin bis zur nächsten Tankstelle, die in Plastikflaschen mitgenommenen 4 l zusätzlicher Sprit reichten voll aus für die insgesamt knapp 400 km. Schliesslich erreichen wir wieder die Panamericana, die wir Richtung Norden einschlagen, bis wir an den Campingplatz kommen, an dem wir die Tour vor knappen 4 Monaten begonnen haben. Hier bleiben wir über Nacht, diesmal mit weitaus weniger Komfort, die Saison ist zu Ende, daher gibt's weder Strom noch Licht, und auch kein heisses Wasser. Der Lärm der vorüberrasenden LKWs kommt uns auf einmal viel lauter vor als damals, wo wir gerade der Grossstadt entflohen waren.
21.04.2001
Endspurt nach Santiago. Für Michi und mich sind das etwa 2,5 Stunden, über die Panamericana kommt man ja recht schnell voran, und selbst Michi hat inzwischen eingesehen, dass das mitunter durchaus ganz nützlich sein kann. Oliver ist mit seiner Africa Twin noch schneller als wir, und verlässt uns daher schon gleich in der Früh. Vielleicht trifft man sich ja sonst irgendwo unterwegs wieder.
Zwischen Curico und San Fernando fahren wir noch durch eine eisige Schlechtwetterfront, die schwer nach Regen ausschaut. Es bleibt aber zum Glück trocken, und irgendwann kommt auch die Sonne wieder raus.
Als wir nach Santiago einfahren, ist es wieder richtig sommerlich warm, die hiesigen Moppedfahrer fahren im T-Shirt umher.
Bei Fernando und Beatriz erwartet uns schon das gleiche Gästezimmer wie schon in Dezember, und es ist fast wie eine Heimkehr. Besser wäre jetzt nur noch, in die eigene Wohnung von einst wiederkehren zu können. Aber die gibt's ja nun leider nicht mehr, und etwas Melancholie kommt auf. Ich hätte grosse Lust, einfach hierzubleiben. Vor allem, wo die Berge bis weit hinunter verschneit sind, also auch hier der Winter vor der Tür steht und man bald zum schifahren gehen kann.
22.-24.04.2001
Violeta wird neu eingekleidet. Sie bekommt eine neue Ausgleichskette -oder wie auch immer die auf deutsch heissen mag-, eine neue Antriebskette inkl. Ritzeln, neue Tachowelle -sehr wichtig!!-, nen neuen Kupplungszug und neue Reifen. Das alles dauert hier natürlich seine Zeit, und so bin ich die nächsten Tage nicht sonderlich mobil. Das eine oder andere liesse sich mit fahrbarem Untersatz zwar schneller erledigen, ansonsten bin ich aber gar nicht weiter traurig, ein paar Tage Ruhe zu haben.
Von Santiago aus wollen wir als nächstes nach La Serena, um dort in der Nähe El Tololo, das grösste Observatorium der südlichen Hemisphäre, zu besichtigen. Das geht immer nur samstags, und man muss sich vorher anmelden. Daher rufe ich gleich am Montag dort an, um uns drei Plätze zu reservieren, vielleicht will Oliver ja auch mit. Es steht allerdings gerade ein langes Wochenende bevor, es ist schon alles ausgebucht, und so kommen wir lediglich auf die Warteliste. Erst am Freitag werden wir erfahren, ob wir Glück haben.
Im Gegensatz zum letzten Besuch in Santiago, wo mich die Suche nach dem richtigen Mopped und das Problem mit dem Notebook ja ziemlich auf Trab gehalten hatten, habe ich diesmal nun jede Menge Zeit. Die will ich sinnvoll nutzen, und mache einen Termin aus mit Pamela, der Direktorin des Kindergartens El Despertar, der von der Kindernothilfe unterstützt wird. Am Donnerstag Nachmittag werde ich dort vorbeischauen.
Am Mittwoch bekomme ich plötzlich noch Zahnschmerzen. Mal abgesehen davon, dass das mehr als lästig ist, bin ich natürlich froh, dass es gerade hier in Santiago passiert, wo ich noch Vertrauen in die Zahnärzte haben kann. Ich bekomme auch gleich für den kommenden Morgen einen Termin.
25.04.2001
In der Zahnarztpraxis bin ich mit meiner Reise schnell Gesprächsthema Nr. 1. Das kann nur leider trotzdem nicht über mein dentales Problem hinwegtäuschen. Es handelt sich um ein recht grosses Loch, das eigentlich einer intensiveren Behandlung bedarf, die aber aus Zeitgründen einer vorübergehenden Notlösung weichen muss. Falls ich am Nachmittag keine weiteren Schmerzen verspüre, bekomme ich eine Füllung, die hoffentlich die Dauer der Reise überstehen wird. Dazu bekomme ich extra am selben Abend nochmal einen Termin.
Jetzt wird es doch noch richtig stressig. Michi war die ganze Zeit dabei, sein Lenkkopflager zu reparieren, und wird gerade rechtzeitig damit fertig, um mit mir zum Kindergarten El Despertar zu fahren, in einem der ärmsten Viertel der Stadt. Inzwischen ist es schon 2 Jahre her, seit das eigentliche Gebäude abgebrannt ist. Davon stehen nur noch die Grundmauern. Daher ist der Kindergarten vorübergehend in 4 kleinen Sälen im Pfarrheim der Gemeinde untergebracht. Aber das ist natürlich auch kein Dauerzustand. Inzwischen wurde zwar von der Stadt Santiago ein neues Grundstück zur Verfügung gestellt, nur fehlen leider immer noch die Mittel zur Errichtung des neuen Gebäudes. Wirklich schade, denn die erstaunlich junge Pamela leistet hier mit ihren Kolleginnen sehr engagierte Arbeit, um die Kleinen von der Strasse zu holen und sie für eine bessere Zukunft vorzubereiten. Dabei geht es nicht nur um die ganz Kleinen, denn zum Projekt El Despertar gehört auch eine ein paar Strassenblöcke entfernte Tagesstätte, in der die Grösseren nach der Schule unter Aufsicht den Nachmittag verbringen und die Hausaufgaben machen.
Nur gibt es unter den derzeitigen Bedingungen leider bei weitem mehr Aufnahmeanträge als Plätze zur Verfügung stehen. Da es hier aber wirklich um die Ärmsten der Armen geht, werden also vorher die Familien persönlich besucht, um deren Verhältnisse besser einschätzen zu können. Darüberhinaus müssen die Kinder einen Fragebogen ausfüllen, denn irgendwie muss nun mal leider aussortiert werden, auch wenn eigentlich allen ein Platz zustünde. Denn die Armut ist hier allgegenwärtig. Die Häuser, an denen wir in Pamelas Auto vorüberfahren, sind schon ziemlich ärmlich, aber die Familien der Kinder, die wir im Despertar treffen, leben noch viel elender in deren Hinterhöfen.
Anmerkung:
Beim Anblick all dieses Elends kann man gar nicht oft genug zur Hilfe aufrufen. Wie schön wäre es, wenn sich Pamelas Traum erfüllen könnte, und schon bald ein neues Gebäude entstehen könnte, gross genug, um die Tagesstätte und den Kindergarten unter einem Dach zu vereinen, und alle Kinder aus der Nachbarschaft aufnehmen zu können. Wer dazu beitragen möchte, dass es diesen Kindern bald besser geht, findet die Möglichkeit dazu hier.
Die aufgeweckten Kinder sind richtig begeistert von unserem Besuch, und fasziniert von unseren Moppeds und der Reise. Nur leider wird die Zeit schon wieder zu knapp, schliesslich wartet der Zahnarzt nochmal auf mich. Ein letzter Tanz zum Abschied, bevor ich mich auf den Weg zur Praxis mache. Im Feierabendverkehr und per Bus dauert das doppelt so lange, und prompt komme ich etwas zu spät. Halb so schlimm, wir sind schliesslich in Chile, da geht das zum Glück nicht so genau.
Ok, Schmerzen hatte ich jetzt keine mehr, also bekomme ich wie besprochen die Füllung, in der Hoffnung, dass sie die Reise überdauern wird. Ganz billig ist der Spass natürlich nicht, aber schliesslich bin ich ja gut versichert beim Büro Dr. Walter (s. Link).
26.04.2001
Michi, der sich gestern abend ziemlich schlecht fühlte, ist wieder hergestellt, und auch ich wäre wieder für die Weiterreise gerüstet, wenngleich ich mich wohl bei Michi angesteckt habe und etwas erkältet bin. Aber sowas steckt frau ja locker weg, und so wären wir also heute eigentlich ganz gerne losgefahren. Nur Violeta ist noch nicht ganz fertig, wie das hier so üblich ist, und wir müssen entgegen unserer ursprünglichen Planung doch noch bis Freitag warten, bevor wir uns aufmachen können Richtung Norden, ins 450 km entfernte La Serena.
27.04.2001
Endlich kann's wieder weitergehen, ich habe Violeta wieder. Am meisten freue ich mich über den wieder funktionierenden Tacho, endlich habe ich auch selber wieder etwas mehr Kontrolle! Sie läuft auch fast tadellos, mal abgesehen von der Tatsache, dass sich die Gänge ab dem dritten nicht weiter hochschalten lassen. Zumindest nicht von mir. Michi hat damit seltsamerweise keinerlei Probleme. Hmmm, was mache ich denn da anders als er?? Erstmal weiterfahren und ausprobieren, obwohl mir schon etwas mulmig ist, in diesem Zustand loszufahren. Aber eigentlich kann's ja nix Schlimmes sein, vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich etwas zuviel Öl nachgekippt habe, und es gibt sich bald wieder.
Viel schalten muss ich die nächste Zeit eh nicht, denn von Santiago aus nach Norden ist kaum was anderes möglich als Metermachen. Hier beginnt die grosse Langeweile mit nur noch einzelnen Höhepunkten. Die Landschaft wird trockener und eintöniger, die Atacama-Wüste ist offensichtlich nicht mehr weit. Als einzige Lebensader zieht sich die Panamericana 2000km weit durchs Land bis Arica an der Grenze zu Peru.
Bei wolkenlosem Himmel ziehen wir also dahin, und ich träume so vor mich hin, als mich plötzlich ein seltsames Quietschen wieder in die Wirklichkeit holt. Was ist denn das nun auf einmal? Das kommt von vorne, vom Vorderrad her. Kann ja wohl nicht sein, dass ausgerechnet jetzt ein Radlager kaputt geht, wo das Mopped gerade aus der Werkstatt kommt?! Wie auch immer, es ist nichts festzustellen, also weiter. Irgendwann lässt das Quietschen nach, es geht über in ein schleifendes Geräusch. Durch den Helm ist bei dem zunehmenden Wind eh kaum was zu hören, also was soll's, ich störe mich erstmal nicht weiter daran.
Vielmehr dürfen wir nicht vergessen, beim Observatorium anzurufen, wegen der Besichtigung am Samstag. Beim 1. Anruf gegen Mittag werde ich aber erst auf 17.00 vertröstet, da man jetzt noch nichts sagen könne, ob wohl noch Pätze frei werden.
Es trifft sich ganz gut, dass die einzige Tankstelle unterwegs gerade gegen 17.00 auftaucht. Erneuter Versuch beim Observatorium. Viel Hoffnung lässt man uns nicht. Es hätte noch keiner abgesagt, und es besteht nicht viel Aussicht darauf. Aber wir könnten es gerne nochmal gegen 19.00, kurz vor Feierabend, versuchen. Wir beginnen schon mal uns damit abzufinden, dass der Ausflug wohl ausfällt.
Mit Oliver haben wir uns schon von Santiago aus in La Serena verabredet, und vereinbart, eine Nachricht in der Turi-Info zu hinterlassen, um sich zu treffen. Als wir in La Serena eintreffen, wissen wir bereits, dass Oliver uns unterwegs überholt hat, denn an der Tankstelle hat Michi ihn vorbeifahren gehört. Soviele grosse Motorräder fahren hier nicht rum, das muss er gewesen sein. Im Zentrum machen wir uns also gleich auf die Suche nach der Turi-Information. Etwas unsicher, ob wir wohl auch richtig sind, halten wir kurz an der Ecke einer Strassenkreuzung an. Und wen sehe ich da auf uns zulaufen, als ich mich nach jemandem umschaue, den ich um Auskunft fragen kann? Es ist doch tatsächlich Oliver, der schon in der Jugendherberge untergekommen und nun auch gerade auf dem Weg zum Informationsbüro ist! Wie klein die Welt doch immer wieder sein kann!!
Jugendherberge klingt schon mal gut, und zufällig hat Oliver sogar ein Dreibettzimmer bekommen, da ist ja dann auch noch Platz für uns. Also machen wir uns auch auf den Weg dorthin. Wie schon Oliver können auch wir unsere Moppeds im Innenhof um den Käfig mit den Kanarienvögel herum aufstellen.
Mir bleiben jetzt noch genau 7 Minuten, um rechtzeitig vor Feierabend ein letztes Mal beim Observatorium anzurufen. Auch wenn wir schon gar nicht mehr mit einer positiven Meldung rechnen, so wollen wir es doch zumindest versucht haben. Und das ist gut so. Denn wir haben Glück: die Nachmittagstour ist zwar nach wie vor voll, aber wir können an der Tour am Vormittag teilnehmen. Einzige Voraussetzung: ein eigenes Fahrzeug.
'Überhaupt kein Problem, sage ich, wir sind mit dem Moto unterwegs.'
'Lo siento, Motorräder sind auf dem ganzen Gelände des Observatoriums verboten.'
Oh nein, das darf ja wohl nicht wahr sein!! Was nun? Von La Serena zum Observatorium El Tololo sind es 87 km, die ersten 61 km könnten wir durchaus noch fahren, aber dann stünden wir vor dem Eingangstor unten, und von dort zieht sich der private Weg 36 km nach oben. Zu weit, um zu Fuss zu gehen. Eine mögliche Alternative wäre, bis Vicuna, dem nächsten Ort zu fahren, dort die Moppeds bei den Carabineros unterzustellen und dann von dort ein Taxi zu nehmen.
'Ok, das klingt nicht schlecht, und Vicuna liegt eh auf unserem weitern Weg, und zu den Carabineros müssen wir sowieso, um den Zustand der Passstrasse über den Agua Negra nach Argentinien zu erfragen.
'Bueno, aber vorher muss die Genehmigung noch heute vor 20.00 im Büro hier in La Serena abgeholt werden. Es ist nicht ganz leicht zu finden, am besten auch per Taxi, die Fahrer kennen den Weg.'
Auch das noch!! Aber die Herbergsleiterin, die alles mitgehört hat, meint, das Taxi wäre gar nicht nötig, es wäre nicht weit, und sie drückt uns einen Stadtplan in die Hand, an dem sie uns den Weg erklärt. Wir stiefeln gleich los, noch in den Moppedklamotten, und schon bald wird uns trotz der späten Stunde, es ist längst dunkel, ziemlich warm, denn tatsächlich tun wir uns doch etwas schwer mit der Orientierung und irren zunächst hilflos umher. Die Zeit wird langsam knapp, viele Leute sind jetzt hier auch nicht mehr unterwegs, die man fragen könnte. Irgendwann bekommen wir schliesslich doch die richtige Auskunft, und um 19.50 stehen wir vor der richtigen Tür. Wir haben es geschafft, wir bekommen das notwendige Papier ausgehändigt, das uns die offizielle Erlaubnis zur Auffahrt erklärt!! Welch schwere Geburt!
28.04.2001
Michi ist wie immer der erste, den es schon um 6.30 aus dem Bett zieht, Oliver und ich gönnen uns noch eine halbe Stunde mehr, und fast pünktlich um 8.30 brechen wir auf. Denn wir müssen spätestens um 9.30 am Eingangstor sein, und wer weiss schon, welchen Hindernissen wir noch begegnen werden unterwegs.
Statt nach Vicuna fahren wir erst mal zum Tor hin, das 2,5 km abseits der Strasse liegt. Wir sind die ersten, die eintreffen. Es dauert aber gar nicht lange, da kommt auch schon das erste Auto an. Das sieht gut aus, denn es sitzen nur 2 Leute drin. Platz genug gäbe es da für uns, wenn es auch nur so ein japanischer Supermini-Kleinwagen ist, in den wir uns quetschen müssten. Die beiden Engländer haben damit gar kein Problem, und sind bereit, uns mitzunehmen. Jetzt brauchen wir bloss noch die eine Stunde zu warten, bis um 9.30 alle durch das Tor gelassen werden. Jedem Fahrer werden an der Schranke noch jede Menge Instruktionen mit auf den Weg gegeben. Langer Rede kurzer Sinn: langsam fahren, mit reichlich Abstand, nicht überholen, bei eventuellen Pannen oder falls es jemandem schlecht wird wegen der Höhe, dann soll man anhalten, unterwegs gäbe es Telefone an der Strasse, an denen man um Hilfe rufen kann.
Das mit der Höhenkrankheit halte ich nun doch für etwas weit hergeholt, denn der Gipfel liegt lediglich auf 2.200 m. Auch ist die Strasse zwar recht staubig, aber dennoch sehr gut ausgebaut, schön breit, schliesslich mussten beim Bau die fetten LKWs mit den riesigen Spiegeln auch hier hoch. Langsam also windet und schlängelt sich der Schotterweg nach oben, zwischen den kahlen Hügeln der Vorkordillere durch. Kakteen, manche davon leuchtend rot blühend, sind das einzige, was hier noch wächst.
Oben am Observatorium angekommen besichtigen wir zuerst den kleinsten der 5 Spiegel, mit 1,5 m Durchmesser. An ihm wird uns die Funktionsweise vorgeführt, wenn auch die Technik noch aus den 70-er Jahren stammt. Dennoch ist es beeindruckend zu beobachten, wie sich die riesige Kuppel dreht, und der Spiegel in Position gebracht wird.
Danach sehen wir uns den grössten Spiegel an, der hat 4 m Durchmesser und ist derzeit noch der grösste der südlichen Hemisphäre. Er bekommt allerdings bald Konkurrenz, denn am Nachbargipfel wird nächstes Jahr ein neues Observatorium in Betrieb genommen, welches über 4 Spiegel von jeweils 8 m verfügen wird. Die wiederum können dann noch miteinander verkoppelt werden, sodass sie einem Spiegel von 16 m entsprechen. Damit wird man in der Lage sein, etwa 14.000 Mio. Lichtjahre weit sehen zu können! Oder waren es doch nur 14 Mio.?? Egal, jedenfalls unvorstellbar weit, und weit über unsere Galaxie hinaus. Damit geht's aber schon los, und das meiste dessen, was wir hier lernen, kann ich mir natürlich nicht merken, viel zu technisch alles, da schaltet mein Hirn irgendwann einfach ab. Immerhin weiss ich noch, dass der Cerro Tololo deswegen auserkoren wurde, weil hier einfach mit 300 klaren, sog. fotometrischen Nächten/Jahr die besten Bedingungen zur Beobachtung des Himmels herrschen. Der Spass ist allerdings ganz schön teuer, eine Nacht kostet etwa US$ 10.000,-. Dennoch sind bereits alle Termine ausgebucht.
Gegen Mittag werden wir wieder talwärts geschickt, und unten angekommen fahren wir mit den Moppeds nun weiter bis Vicuna, wo wir eine Zwischenstation einlegen wollen, bevor wir morgen den 4.779 m hohen Agua Negra-Pass angehen wollen.
Als erstes melde ich uns hier in dem wenige km entfernten kleineren Observatorium zur mitternächtlichen Besichtigung an, um auch selber mal sterngucken zu können. Danach befragen wir die Carabineros nach dem Agua Negra, schliesslich hat es in letzter Zeit schon ein paarmal bis weit hinunter geschneit. Und tatsächlich, zu unser aller Enttäuschung erfahren wir, dass der Pass seit gestern den ganzen Winter über gesperrt ist! Zu dumm auch, und ziemlich unpraktisch, da die alternative Route -weiter über die Panamericana bis Copiapó, und von dort über den Paso San Francisco nach Argentinien- weitaus weniger attraktiv ist, und wir auf argentinischer Seite zunächst wieder weit nach Süden geführt werden, obwohl wir eigentlich nach Norden wollen. Alle drei sind wir etwas unschlüssig, was wir tun wollen, aber viele Möglichkeiten gibt es ohnehin nicht. Oliver, der in 5 Wochen in Lima zum Klettern verabredet ist, hat es etwas eilig. Ihm ist daher der Umweg über die Pässe zu weit, er beschliesst, gleich heute noch weiterzufahren bis Copiapó. Soweit kommen Michi und ich heute natürlich nicht, und somit findet unsere neue Ménage à trois ein rasches Ende. Schade eigentlich, aber sicher treffen wir uns wieder irgendwo, irgendwann.
Nun gut, Oliver ist weg, was machen wir jetzt? Schliesslich entschliessen auch wir uns, den nächtlichen Ausflug ausfallen zu lassen und gleich Richtung Norden weiterzufahren. Also schwingen wir uns auf die Rösser und machen uns auf den Weg weiter über die langweilige Panamericana bis Vallenar.
Hier suchen wir uns nur noch eine günstige Unterkunft und gehen was essen, bevor wir total erledigt ins Bett fallen. Ich fühle mich immer noch nicht besser, eher im Gegenteil. Mich friert, obwohl es eigentlich gar nicht so kalt ist. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht richtig erkälte. Gerade jetzt, wo es über die hohen und kalten Pässe gehen soll.
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