Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
Übersichtsseite Inhaltsverzeichnis der Analyse Aktuelle Kommentare Bildergalerie Dokumente im PDF-Format Mitschriften und Erklärungen Fragen und Antworten Gästebuch und E-Mail
Sie befinden sich in: Mumia Abu-Jamal/Aktuelle Kommentare/Das Phänomen Mumia Abu-Jamal
Schreiben Sie mir Ihre Meinung

Das Phänomen Mumia Abu-Jamal

Bitte lassen Sie es mich noch einmal die Situation zusammenfassen: Eine überwältigende Menge an Beweisen bestätigt Mumia Abu-Jamals Schuld. Fünf Augenzeugen haben insgesamt überzeugend gegen Abu-Jamal ausgesagt, und die Summe der Beweise belegt jenseits eines begründeten Zweifels, daß Abu-Jamals Waffe die Tatwaffe war. Die ganzen angeblichen neuen Beweise existieren nicht. Selbst Abu-Jamals ehemaliger Anwalt Daniel Williams hielt seine wichtigsten „neuen Zeugen“ für eine Katastrophe. Es gab keinen fliehenden Mann und es gab keine Verschwörung der Polizei. Mumia Abu-Jamal hat Daniel Faulkner ermordet. Daran gibt es keinerlei Zweifel.

Trotzdem existiert die „Freiheit-für-Mumia-Bewegung“ noch immer. Sie ist bei weitem nicht so stark wie in den 1990er-Jahren, kann aber noch immer öffentliches Aufsehen erregen. Warum existiert sie noch immer? Warum wollen Autoren wie Lindorff, Schiffmann und O'Connor die Unschuld Abu-Jamals herbeireden, obwohl sie es besser wissen müßten? Warum wollen so viele intelligente und gebildete Menschen die Unschuld eines schuldigen Mannes beweisen? Die Antwort hat nichts mit Abu-Jamal zu tun.


Amerika und linke Ideologie

Amerika und dessen freie - kapitalistische - Wirtschaft ist nach wie vor das liebste Feindbild linker Parteien und Gruppen in Europa und den USA. Die Vereinigten Staaten sind geradezu die Antithese zu den sozialdemokratischen Staaten Europas und - welch eine Beleidigung für alle guten Linken - die amerikanische Wirtschaft funktioniert. Wären die USA ein unterentwickeltes Land würde die Linke es nicht mit Haß verfolgen, sondern mit Mitleid. Da aber die Vereinigten Staaten nicht zur Theorie des Sozialismus passen, scheinen sie dieses Land zu hassen.

Wenn man der linken Propaganda folgt sind die USA ein entsetzliches Land. Das Land wird von einer rassistischen weißen Elite regiert, welche mit Hilfe der brutalen und korrupten Polizei die schwarze Minderheit unterdrückt. Selbstverständlich ist es in deren Augen auch ein Land voller sozialer Probleme. Im Gegensatz dazu ist Abu-Jamal ein schwarzer Revolutionär im weißen Amerika, der für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte kämpft. Abu-Jamal ist ihr Genosse und muß vor den finsteren Mächten gerettet werden.

Das Dogma vom bösen Amerika wurde schon vor Jahrzehnten aufgestellt. Gleichzeitig ist es aber schwierig, diese „Tatsache“ glaubhaft darzustellen. Die meisten Europäer teilen die Vorurteile gegenüber den USA nicht. Noch weniger lassen sie sich von falschen Argumenten beeindrucken oder gar emotional ansprechen. Auch wenn linke Propaganda in den Medien stark vertreten ist, bleibt ihre Wirkung gering. Um die Emotionen der Menschen anzusprechen benötigt man etwas wirkungsvolleres als soziale Tiraden. Daher werden die Justiz, Menschenrechte und die Todesstrafe am häufigsten mißbraucht, um anti-amerikanischen Gefühlen eine scheinbare Grundlage zu verschaffen. Ein Todesurteil schafft Aufmerksamkeit, und wenn es gegen einen vermeintlich Unschuldigen verhängt wurde erzeugt es starke Emotionen.


Der Kampf gegen die Todesstrafe

Zur Verschleierung der antiamerikanischen Ideologie sind die Menschenrechte oft das wichtigste Thema in der Kritik an den USA. Linke Propaganda ist aber nicht einmal in diesem Punkt glaubwürdig. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich eine Google-Suche nach Artikeln über die Todesstrafe durchgeführt und die 30 bestplazierten Artikel gegen die Todesstrafe untersucht (fast alle waren dagegen). Unter diesen Artikeln kritisierten 26 die USA und nur 4 erwähnten neben den USA noch andere Länder. Dies bestätigt meinen Eindruck, daß Demonstrationen gegen die Todesstrafe fast immer Demonstration gegen die Todesstrafe in den USA sind. Wie aber verhält es sich mit anderen Ländern wie dem Iran oder China?

Als die 16-jährige Ateghe Radschabi am 15. August 2004 im Iran wegen unkeuschen Verhaltens (vorehelicher Geschlechtsverkehr) gehängt wurde, schien dieser Justizmord an den linken Kommentatoren vorbeigegangen zu sein. Die Süddeutsche Zeitung behauptete sogar, dies wäre eine Hinrichtung die weniger grausam ist. Dies wäre ein Erfolg des Dialogs zwischen Europa und dem Iran. Immerhin wurde das Mädchen gehängt und nicht gesteinigt. All die anderen Todesurteile im Iran werden ebenso geflissentlich ignoriert. Schließlich wäre es ja kultureller Chauvinismus, wenn man die iranische Rechtsprechung kritisieren würde, und daß darf im linken Universum nicht geschehen. Dabei ignorieren sie ganz einfach daß sie damit im Namen der politischen Korrektheit Justizmorde unterstützen.

Stellen sie sich vor, in Philadelphia würde ein 16-jähriges Mädchen wegen vorehelichen Geschlechtsverkehrs angeklagt und zum Tode verurteilt. Der Aufschrei nicht nur quer durch Europa, sonder auf der gesamten Erde wäre gigantisch. Die barbarischen Amerikaner wären für viele Jahre das Ziel der Kritik. Da es aber nur im Iran geschehen ist, bleibt die linke Kritik aus. Der Iran ist nicht der Feind, also kommt er ungeschoren davon.

Auch China wird kaum kritisiert. Die geschätzte Zahl der Hinrichtungen liegt bei mehr als 3000 pro Jahr. Das entspricht etwa der gesamten Anzahl aller Todeshäftlinge in den USA und etwa dem Dreifachen aller US-Hinrichtungen seit 1976. Die Verfahren verlaufen oft im Eiltempo. Wenige Wochen für Verhaftung, Urteil, Berufungen und Hinrichtung sind keine Seltenheit. In einigen Fällen haben sogar chinesische Behörden eingeräumt, daß sie sich geirrt haben, namentlich, wenn später eine andere Person für dasselbe Verbrechen noch einmal verurteilt wurde. China ist der Alptraum jedes Gegners der Todesstrafe. Nur die linke Propaganda scheint davon unberührt.

Es ist offensichtlich, daß Proteste gegen die Todesstrafe in den USA sich nicht gegen die Todesstrafe richten, sondern nichts weiter als leicht übertünchte Ausreden sind. In Wirklichkeit handelt es sich um Proteste gegen die USA. Sie werden nicht durch Ungerechtigkeit hervorgerufen, sondern durch politische Ideologie.


Faschistische Bewegungen

Faschistische Bewegungen haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Das ist zum Beispiel der Hang zu bestimmten Sprachregelungen, welche immer wieder an Orwells Neusprech erinnern. Auch das Fehlen positiver Ziele fällt auf. Faschistische Gruppierungen haben kaum Visionen, sondern nur Feindbilder. Sie brauchen diese Feinde sogar. Dies trifft nicht nur auf Faschisten des rechten Lagers (Nazis und andere), sondern in gleichem Ausmaß auch auf linksfaschistische Bewegungen zu. Auch die Rhetorik ist die gleiche.

Wenn auf einer Seite des Labournet Austria (neben vielem anderen Unsinn) behauptet wird, „dann müssten wir tatsächlich in die letzte Schlacht für das Leben unseres Mitkämpfers Mumias ziehen“ (falls die letzte Berufung abgelehnt werden sollte), erinnert mich diese Wortwahl an die Nazi-Propaganda. Man erkennt aber auch, worum es eigentlich geht. Das Feindbild „amerikanische Justiz“ wird benutzt, um die eigene Gefolgschaft motiviert zu halten. Gleichzeitig hat dieselbe Website kein Problem damit, Rachemorde nach dem 2. Weltkrieg als gerechte Strafe zu verherrlichen. Es ging gegen echte oder vermeintliche Nazis und damit ist ein Gerichtsverfahren nicht erforderlich. Erschießt sie einfach. In Bezug auf diese Morde wurde sogar behauptet, „die Luft wäre in jener Zeit sehr viel reiner gewesen“.

Am Ende wird auch die linke Gefolgschaft nur benutzt. Der gemeinsame Kampf gegen das Böse ist nur der verlogene Vorwand, die Aufrechterhaltung von Mitglieder- und Unterstützerzahlen das wirkliche Ziel.


Was bedeutet dies für Abu-Jamal?

Praktisch nichts. Die mit diesem Fall betrauten Gerichte in den USA kümmerten sich bislang nicht um politische Einflußnahme durch Unterstützergruppen. Keine Demonstration wird erreichen, daß eine faktische Entscheidung zurückgenommen wird. Auch französische Delegationen können bei einem Besuch des Bürgermeisters von Philadelphia nichts erreichen. Wenn überhaupt, müßten sie mit Bezirksstaatsanwältin Lynne Abraham zusammentreffen und sie überzeugen. (Sie hätten nicht die geringste Chance.)

Politischer Druck wirkt nur auf Politiker. Bevor das Todesurteil aufgehoben wurde, hätte Abu-Jamal vielleicht eine Chance auf Begnadigung gehabt, wenn er echte Reue gezeigt hätte. Dadurch, daß seine Unterstützer den Kopf in den Sand gesteckt und ihn bei seinen unglaubwürdigen Unschuldsbeteuerungen unterstützt haben, haben sie seine Chancen auf Begnadigung nachhaltig zerstört. Sie haben Abu-Jamal nicht geholfen, sondern ihn für ihre eigenen Zwecke mißbraucht. Kein vernünftiger Politiker wird jemals einen reulosen Polizistenmörder begnadigen. Sollte das Todesurteil erneut in Kraft gesetzt und ausgeführt werden, tragen diese Unterstützer eine Mitschuld an seinem Tod.

Tatsächlich erscheint mir dies aber unwahrscheinlich. Mit der Entscheidung des 3. Bundesberufungsgerichts wird auch das Schicksal Abu-Jamals immer klarer. Wahrscheinlich wird er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen, wo er auch hingehört.

Er wird aber weiterhin benutzt werden. Als Sammelpunkt linker Gruppen und als Grund für Spendenaktionen kann er noch lange dienlich sein. Wer weiß wohin all das Geld versickerte das in seinem Namen gesammelt wurde.

Mumia Abu-Jamal ist für viele Zwecke gut zu gebrauchen. Wenn es ihn nicht gäbe müßte man ihn erfinden.


 Zum Seitenanfang | Zur vorherigen Seite  Copyright © 2005-2008 Christian Peheim, alle Rechte vorbehalten