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Der bürgerliche Antifaschismus und Österreich

Europa vereinigt sich langsam aber sicher unter deutscher Vorherrschaft zu einem einheitlichen imperialistischen Block. Dieser Versuch der deutschen Vorherrschaft erfolgt -anders als in den 1930/40ern -unter dem Banner der bürgerlichen Demokratie. Die europäische Klassengesellschaft wird eine bürgerlich-demokratische Klassengesellschaft auf dem Boden der unumschränkten Freiheit des Privateigentums. Weg mit dem Staatseigentum! Die staatliche Regulierung der unproduktiven Armut bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter wird immer asozialer werden, die Repression durch Polizei und Justiz wird zunehmen.Die zukünftige europäische bürgerliche Demokratie wird sehr marktradikal und autoritär daherkommen. An ihrer Ausgestaltung werden linke und rechte Fraktionen gleichermaßen teilnehmen, ihre Unterschiede werden sich mehr und mehr im politischen Alltagsgeschäft abschleifen.

In früheren Zeiten standen die FaschistInnen für eine Ausschaltung der bürgerlichen Demokratie. Heute arbeiten nicht wenige Figuren, die von vielen Linken pseudoradikal als "Nazis" beschimpft werden, mit an der Grundsteinlegung der bürgerlichen Demokratie der Zukunft, an der sich auch die bürgerliche Linke in ihrer ganzen arbeitsteiligen Breite beteiligt. In früheren Tagen standen die osteuropäischen StalinistInnen noch für eine staatskapitalistische Klassengesellschaft. Das ist seit 1989 vorbei. Sie verwandelten sich in NeosozialdemokratInnen und ihre Heimat wurde die bürgerliche Demokratie. Von den französischen "KommunistInnen" bis zu den italienischen "FaschistInnen" spielen alle DarstellerInnen des bürgerlichen Polittheaters im Stück "Demokratie" mit. Der "Antifaschismus" der bürgerlichen Linken muß weitgehend ohne Nazis auskommen, und der Antikommunismus der Rechten mit immer weniger echten KommunistInnen. Die "faschistische" DVU beteiligte sich in Bremerhaven am 9. November 2000 an einer Volksfront gegen wirkliche Nazis und die "kommunistische" PDS wird in der Zukunft Repressionen gegen wirkliche KommunistInnen nicht abgeneigt sein.

In Österreich regiert die rechtsdemokratische FPÖ mit -ein Grund für den (links)bürgerlichen Antifaschismus mobil zu machen -sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Wenn wir die FPÖ als rechtsdemokratisch bezeichnen ist das kein Kompliment -das können nur Leute als solches empfinden, die bürgerlichen DemokratInnen in den Arsch kriechen -an Haider & Co., es ist nur eine klare Abgrenzung zum linksbürgerlichen Antifaschismus und ihr Feindbild "Nazi-Haider".

Red Devil schrieb: "Nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ entstand eine große Protestbewegung gegen die neue "blau-schwarze" Regierung in Österreich. Im Winter und Frühjahr 2000 gab es einige Wochen lang Demonstrationen und viele Aktionen der FPÖ/ÖVP-Gegner. Dabei richteten sich die Proteste gegen die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung. Der damalige Vorsitzende der FPÖ wurde hysterisch von Demonstranten in Deutschland und Österreich als "Nazi-Haider" betitelt. Es gelte der Beteiligung der "Nazis" an der österreichischen Regierung Widerstand entgegenzusetzen bis die Regierung zurücktrete.

So wurde die neue Regierung (durch den Vergleich v. a. der FPÖ mit den Nazis) dämonisiert und die alte im gleichen Zug nachträglich idealisiert. Zum einen führt die Verteufelung Haiders und der FPÖ als "Nazis" zu einer Relativierung und Verniedlichung des historischen Faschismus, wie er in Deutschland, Italien, Spanien und in vielen Ländern auftrat. Es entsteht der Eindruck: Wenn Haider ein Nazi ist, dann kann Faschismus ja gar nicht so schlimm sein.

Zum anderen lenkt das hysterische Geschrei über die "Nazis" der FPÖ vom wirklichen Charakter der neuen Regierung ab. Denn die neue FPÖ/ÖVP-Regierung setzt nur die Politik der vorherigen SPÖ/ÖVP-Regierung fort. Die Steuern (Tabak, Treibstoffe, Autobahnbau) werden angehoben, Studiengebühren sollen eingeführt werden, den Kapitalisten werden Steuergeschenke gemacht..." Red Devil, "Auschwitz als Alibi. Kritik des bürgerlichen Antifaschismus", S. 49)

Auch folgende Einschätzung von Wildcat können wir nur zustimmen: "Le Pen und Haider werden zuerst und hauptsächlich nicht wegen ihres aktuellen reaktionären Programms angegriffen, dessentwegen, was sie selbst tun wollen, sondern wegen ihrer Sympathie (oder Entschuldigungen) für das, was der Faschismus in der Vergangenheit tat. Fragt einen Anti-Haider-Demonstranten: sein erster Kommentar wird sich nicht gegen Haiders politische Plattform richten, sondern darauf verweisen, welche Ähnlichkeiten diese zu der von Hitlers aufweist." (Gilles Dauve in Wildcat-Zirkular Nr. 58)

Die bür-gerlichen AntifaschistInnen sind selbst für die Aufrechterhaltung des Staatsrassismus, nur "humaner" soll er gestaltet werden. So setzte sich zum Beispiel die "SOS Mitmensch" für eine "humane Schubhaft" - die Schubhaft heißt in Deutschland Abschiebehaft -ein. In einem Interview mit der Jungle World Nr. 10, vom 1. März 2000 verteidigte ein Vertreter von SOS Mitmensch diese Art von Humanismus: "Ja, damals hat SOS Mitmensch tatsächlich neue Konzepte für eine humane Schubhaft angeboten. Ich weiß nicht, was da verwerflich dran sein soll." Nein, dieser Mensch braucht auch keinen "humanen" Knast ertragen... Bürgerlicher Humanismus als Knastverschönerung! Rassismus im humanem Gewand -das bietet der bürgerliche Antifaschismus den "lieben ausländischen MitbürgerInnen". Der Nato-Kriegseinsatz auf dem Balkan galt ja auch als "humanitär". Der bürgerliche Humanismus ist asozial und autoritär. In unserer Epoche kann nur die proletarische Revolution human sein, die die Knasttüren der Klassengesellschaft aufbrechen wird.

Die Sanktionen der EU sind wohl mehr den Anti-EU-Sprüchen Haiders entsprungen als der konkreten Politik der FPÖ, die übrigens im europäischen Trend liegt. Auch die deutsche Bundesregierung unter Schröder nahm eine imperialistisch-aggressive Haltung gegenüber Österreich ein. Bisheriger Höhepunkt dieser imperialistischen Politik war Schröders Besuch in Österreich im Mai 2001.

Werner Pirker beschrieb diesen in seinem Artikel Berlin demütigt Wien in junge Welt vom 25. Mai 2001, also ein Tag bevor er stattfand: "Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat eine Einladung seines Amtskollegen Wolfgang Schüssel (ÖVP) angenommen und wird am Wochenende der österreichischen Bundeshauptstadt seine Aufwartung machen. Die von der Regierung in Wien an diesen Besuch geknüpfte Hoffnungen auf eine Entkrampfung der österreichisch-deutschen Beziehungen und eine auch mentale Überwindung der EU-Sanktionspolitik gegenüber Österreich dürften sich indessen nicht erfüllen. Denn Schröder scheint mit seiner Wien-Visite das genaue Gegenteil zu bezwecken. Sein Besuchsprogramm ist ein Programm der Demütigung der österreichischen Regierung. Der Gast empfängt den Gastgeber, nicht etwa umgekehrt. Gerade eine halbe Stunde hat Schröder für ein Gespräch mit Schüssel reserviert. Deutlicher kann der Wolfgang nicht zum Wolferl gemacht werden."

Die politische Frontstellung gegen Österreich unter dem Banner des Antifaschismus flankierte nur die wirtschaftliche Durchdringung Österreichs durch die deutsche Bourgeoisie, die der Konkret-Artikel "Der zweite Anschluß" folgendermaßen verdeutlicht: "Deutschland hat ein 17. Bundesland. "Österreich ist heute stärker in die deutsche Wirtschaft integriert als manches deutsche Bundesland, und zwar nicht nur stärker als die neuen Länder der ehemaligen DDR, auch stärker als etwa das Saarland", sagte der Direktor des Wiener Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer.

Eine Integration, die sich praktisch auf alle Gebiete erstreckt: Direktinvestitionen, Außenhandel, Währungspolitik, Fremdenverkehr, aber auch auf Kultur, Bildung und Medien. 42 Prozent aller Importe kommen aus Deutschland, 35 Prozent aller Exporte gehen nach Deutschland. Die bilaterale Handelsbilanz ist mit 87 Milliarden Schilling in Minus. (...) Die Anschlußbefürworten der Zwischenkriegszeit würden die jetzige Situation mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis nehmen", hat der Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel bereits 1990 festgestellt. (...)

Während etwa die Schweiz, Schweden und Finnland -gemessen an der Wirtschaftskraft des Landes -rund 2,5 bis 3,5 mal soviel im Ausland investiert hatten wie Ausländer in ihren Ländern, erreichen in Österreich die aktiven Direktinvestitionen nur rund zwei Drittel der passiven. Oder anders ausgedrückt: Während die Schweiz, Schweden und Finnland vor allem Positionen in fremden Ländern erobern, ist Österreich ein Land, das erobert wird. Und zwar von Deutschland." (Klaus Grubelnik, "Der zweite Anschluß" in Konkret Nr. 7/ 2001)

In der Flankierung imperialistischer Außenpolitik durch antifaschistische Propaganda ist die SPD/Grünen-Regierung seit dem Krieg gegen den "Balkan-Hitler" Milosevic im Jahre 1999 geübt. Der militante Kriegsverbrecher und Außenminister Fischer bekam für seinen "antifaschistischen" Imperialismus gegen Österreich Lob von den Autonomen: "Deshalb müssen wir auch einmal die Politik unseres ehemaligen Straßenkämpfergenossen und Außenministers Joschka Fischer gutheißen, der natürlich ein Schwein ist." (Interim Nr. 493) Die Autonomen als Helfershelfer des deutschen Imperialismus -wer hätte das noch vor ein paar Jahren für möglich gehalten. Das kommt davon, wenn mensch in erster Linie Antifaschist und erst unter ferner liefen ja auch irgendwie ein Gegner des normalen demokratischen Kapitalismus ist. Da endet mensch halt schnell als fünftes Rad am Wagen des deutschen Imperialismus.

Aber selbst der Status fünftes Rad zu sein, ist schon arg umkämpft von der PDS. Denn schließlich ist das fünfte Rad das erste Ersatzrad, welches eine tragende Rolle bekommt, sollten Reparaturen am Staatswagen nötig sein. Deshalb bekundet die PDS-Bürokratie schon in der "Opposition" einen alternativen Imperialismus. Red Devil schrieb über den "linken" Imperialismus: "Die Fraktion der "Vereinten Europäischen Linken" im Europäischen Parlament, der auch die PDS angehört, hatte sich dafür ausgesprochen "den politischen Druck auf die österreichischen Autoritäten aufrechtzuerhalten, um dem Risiko der Banalisierung einer Situation entgegenzuwirken, die eine Gefahr für die Demokratie in ganz Europa darstellt". Die EU müsse energisch gegen die menschenverachtende Strömungen handeln. Zusammen müsse man für ein "soziales, demokratisches und friedliches Eu-ropa (O-Ton PDS-Vorsitzender Bisky) kämpfen." Davor, daß die EU eine Organisation des europäischen Kapitals ist, die sehr autoritär-bürokratisch und militaristisch ist, verschließt der Demokratische Sozialismus beide Augen. Im Namen des Antifaschismus wird imperialistische Politik unterstützt.

Aber nicht nur deutsche kleinbürgerliche AntifaschistInnen unterstützen den im europäischen Gewand auftretenden deutschen Imperialismus. Die österreichische Volksfront gegen die FPÖ agiert als Bündnispartner des deutschen Imperialismus. Werner Pirker schrieb über die Zusammenarbeit der österreichischen Opposition mit dem deutschen Imperialismus bei Bundeskanzler Schröders Österreich-Besuch im Mai 2001: "Daß der SPD-Vorsitzende lieber mit Alfred Gusenbauer, seinem österreichischen Amtskollegen auf Parteiebene, parliert als mit seinem Amtskollegen auf Regierungsebene, sollte ihm nicht verübelt werden. Doch Schröder hat mehr im Sinn: Die Brüskierung der österreichischen Staatlichkeit und die Anerkennung dessen, was sich an der Donau als "Zivilgesellschaft" dünkt.

Auf dem Frühlingsfest des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer in der Kreisky-Villa soll Gerhard Schröder zum Ehrenvorsitzenden der österreichischen Zivilgesellschaft erkoren werden. Tausende wollten bei dieser Zeremonie dabei sein, doch die Villa des Exkanzlers bietet nur 500 Angehörigen der zivilen Gesellschaft Platz. Klein aber fein. Tags darauf wird bei Andre Heller, dem wortgewaltigsten Schnösel des zivilisierten Österreich, gefrühstückt. Die Ehre, dem eisernen SPD-Kanzler Gesellschaft leisten und dessen Vorurteile über das provinzielle Österreich bestätigen zu dürfen, wird Künstlern wie Peter Turrini, Hermann Nietsch, Gerhard Roth und -lei-der auch -Alfred Hrdlicka zuteil. Hrdlickas einzig berechtigter Grund, sich in eine solche (Zivil)Gesellschaft zu begeben, könnte nur der sein, Schröder aufzufordern, sich freiwillig den Belgrader Behörden zu stellen.

Vor 1938 bildeten Deutschlands Fünfte Kolonne in Österreich die Nazis, nun sind es die "Antifaschisten", die sich demütig der europäischen Führungsmacht hingeben, die die großdeutsche Idee europäisiert und die europäische Idee germanisiert hat. Erstmals, jubilieren Vertreter des "widerständigen" Österreichs, würde ein ausländischer Staatsgast nicht nur der parlamentarischen Opposition, sondern auch der außerparlamentarischen Opposition seine Anerkennung erweisen. Gemeint ist, was sich selbstgerecht "Widerstand" nennt, dem schwarz-blauen (gemeint ist die ÖVP-FPÖ-Koalition, Anmerkung von Nelke) Sozialabbau aber so gut wie keinen Widerstand leistet. Eine außerparlamentarische Opposition, die der väterlichen Fürsorge des Chefs des deutschen Imperialismus bedarf, mag zwar außerparlamentarisch sein, Opposition aber ist sie nicht.

Als die österreichische Linke 1968 von dem Wunsch beseelt war, vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) heim ins Reich geholt zu werden, war das ja noch irgendwo verständlich, obwohl es dem Autor immer lieber gewesen wäre, von der DDR annektiert zu werden. Aber heute? Die soziale Reaktion wütet in Deutschland nicht weniger als in Österreich. Doch in Deutschland, meinen die erlauchten Gäste des Frühlingsfestes, herrscht die Zivilgesellschaft der 68er, in Österreich der Faschismus der Burschenschafter. Seltsam nur, daß beides ziemlich auf das Gleiche hinausläuft. Österreich, meint Gerhard Schröder, müsse sich seines besonderen Verhältnis zum "Nationalsozialismus" bewußt werden. Deutschland nicht oder nicht so sehr? "Rot-weiß-rot bis in den Tod", waren die letzten Worte vieler hingerichteter österreichischer Widerstandskämpfer. Die Widerstandskämpfer von heute sammeln sich lieber unter deutscher Flagge" (Werner Pirker, "Berlin demütigt Wien" in "junge Welt" vom 25. Mai 2001)

Internationalistische KommunistInnen kämpfen unter der roten Fahne, doch der Nationalbolschewik Werner Pirker braucht die Wimpel bürgerlicher Nationalstaaten. Er steht zwar zu der antifaschistischen Volksfront im Österreich heutiger Tage im Widerspruch, hält aber dem Hurra-Patriotismus der österreichischen Volksfront der Vergangenheit die Treue. Außerdem ist Pirker auch noch stolz auf den staatskapitalistischen Mief, der ihn und seinesgleichen umhüllt. Ach wie gerne wäre er doch von der staatskapitalistischen DDR annektiert wurden. Der Autor dieser Zeilen ist selbst im bürokratischen Mief der DDR großgeworden. Solche Verhältnisse wünscht er noch nicht mal unbelehrbaren Apologeten des Parteikommunimus wie Pirker an den Hals. Innerhalb nationalstaatlicher Enge gibt es keine soziale Befreiung aus der Klassengesellschaft. Deshalb kämpfen wir RätekommunistInnen für die internationale Rätedemokratie.

Aber Pirkers Kommentar zum Antifaschismus des des deutschen Imperialismus trifft dennoch hin und wider den Nagel auf den Kopf. So schrieb er in "Der Reichskanzler" (junge Welt vom 28. Mai 2001): "Der deutsche Kanzler Schröder mag die österreichische Regierung nicht. Diese Abneigung teilt er mit einer stetig wachsenden Zahl von Österreicherinnen und Österreichern. Sie sind es nämlich, die die extrem hohen sozialen Kosten der Strukturreformen zu bezahlen haben. Der neoliberale Umbau der österreichischen Gesellschaft sieht eine radikale Entrümpelung der von den besitzenden Klassen als "leistungshemmend" und ruinös diffamierten Sozialsysteme vor. Das wird von der Bevölkerung eines Landes, das sich einst eines besonders hohen sozialen Standards rühmen durfte, noch schmerzhafter als anderswo empfunden.

Die Radikalität, mit der Schwarz-Blau in Wien den Sozialabbau vorantreibt, weil es hier noch etwas mehr abzubauen gilt als im übrigen EU-Europa, entspricht exakt den Auflagen, die sich aus dem EU-Stabilitätspakt ergeben. Das also kann nicht die Ursache für die Animositäten sein, die sich zwischen dem Berliner Kanzleramt und dem Wiener Ballhausplatz ergeben haben. In dieser Hinsicht sind Berlin und Wien ein deutsches Herz und eine deutsche Seele. Hätte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer gegenüber Schröder eine Sozialoffensive gegen Schwarz-Blau angekündigt, wäre das vom Genossen der Bosse wohl kaum positiv aufgenommen worden. Denn was sich in Österreich an sozialer Reaktion austobt, hat im großen Nachbarland sein Vorbild. Was Schröder und die Seinen an der österreichischen Politik als widerwärtig empfinden, ist das Fehlen eines Überbaues, der die sozialen Massaker mit einer Aura von Humanität, Weltoffenheit und Antifaschismus umgibt. Ein Antifaschismus aber, der der Entfesselung des Kapitalismus und der Demontage der letzten Elemente von sozialer Demokratie die höheren ideologischen Weihen verleiht, ist das Gegenteil von Antifaschismus.

Österreich wird als Störfaktor wahrgenommen, weil dort die Reaktion unmaskiert in Erscheinung tritt. Das ist der einzige Unterschied zwischen den 68ern in Berlin und den Burschenschaftern in Wien. Schröders Wienbesuch war ein Akt der Aberkennung der österreichischen staatlichen Souveränität. Seit Hitler hat sich noch kein deutscher Politiker derart anmaßend gegenüber einer österreichischen Regierung verhalten wie dieser Bundeskanzler, der mit dem Gehabe eines Reichskanzlers nach Wien gereist war. Hitler hatte vor der Annexion Österreich eine "deutsche Politik" abverlangt und eine Regierungsbeteiligung der NSdAP erzwungen. Schröder sprach der Wiener Regierung praktisch die Legitimation ab und übertrug sie an die "Zivilgesellschaft". Sicher ist die repräsentative Demokratie bürgerlicher Prägung nicht das demokratische Maß aller Dinge. Doch Schröder ist wohl der letzte, dem eine wirkliche Demokratie von unten vorschwebt. Sein selbstherrlicher Auftritt in Wien war eine klare Absage an demokratische zwischenstaatliche Beziehungen und ein brutales Bekenntnis zu einer hierarchisch strukturierten Europäischen Union."

Pirkers Einschätzung des deutschen Imperialismus teilen wir. Was wir nicht teilen, ist seine Sorge um "demokratische zwischenstaatliche Beziehungen". Das ist idealistisches Geschwätz. MarxistInnen wissen, daß die Beziehungen zwischen bürgerlichen Nationalstaaten auf imperialistischer Konkurrenz beruhen. Und Deutschland ist nun mal der größere Räuber, der den kleineren Dieb Österreich erbarmungslos schluckt. Auch ist uns die Souveränität des kapitalistischen Österreich ziemlich egal. Wir kämpfen für die internationale Revolution, die sowohl den deutschen als auch den österreichischen Nationalstaat bis auf die Grundmauern schleift.

Doch Pirker ist eben nur ein österreichischer Nationalbolschewik, dessen größter Traum, von der DDR heim ins reich geholt zu werden, um an den Freuden des "realen Sozialismus" teilzuhaben, sich leider nicht erfüllt hat und deshalb als kleineres Übel für einen souveränen österreichischen Nationalstaat eintritt. Natürlich muß auch die alte soziale Sicherheit in Österreich wieder hergestellt werden -da kann sich Pirker fast so wohl wie in der DDR fühlen. Für linksbürgerliche SpießerInnen reicht halt die soziale Abfederung der kapitalistischen Lohnsklaverei aus. Sie flankieren ihr SpießerInnentum mit blöden Geschwätz über "soziale Sicherheit".

Klar, der neoliberale Feldzug gegen sozialstaatliche Regelungen bringen viel soziales Elend mit sich. Doch wir RätekommunistInnen weigern uns, ein Hohelied auf den Staatskapitalismus zu singen. Weder auf den "realsozialistischen", noch auf dem elenden bürgerlich-demokratischen im Rahmen des freien Privateigentums. Für uns bleibt der Kommunismus die Aufhebung der Lohnsklaverei. Nelke

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