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Der bürgerliche Antifaschismus und Italien

Die EU und Deutschland reagierten auf das rechtsbürgerliche Italien ganz anders als auf das rechtsbürgerliche Österreich. In Italien unterlag bei den freien Parlamentswahlen am Sonntag, dem 13. Mai 2001 die linke Volksfront Olivenbaum dem rechten Bündnis Silvio Berlusconis.

Zwischen was die ItalienerInnen zu wählen hatten, beschrieb Werner Pirker vor der Wahl in seinem Artikel Der Schöne und das Biest in junge Welt vom 12./13. Mai 2001: "Waren das Zeiten, als die Bourgeoisie mit ihrem diskreten Charme zu bezaubern wußte. Heute stellt sich jemand wie Silvio Berlusconi hin und behauptet glatt: "Meine Fähigkeiten sind unbestritten. Alle anderen können nur von meinen menschlichen Qualitäten und meiner Vergangenheit träumen. Es gibt weltweit keine politische Persönlichkeit, die sich mit mir messen kann." So spricht ein rabiater Emporkömling, der stolz darauf ist, daß ihm der Erfolg nicht in die Wiege gelegt wurde.

Silvio Nazionale startete seine Karriere nicht als Schuhputzer, sondern als Verkäufer von Staubsaugern und Animator auf Kreuzfahrtschiffen. Seine unternehmerische Laufbahn begann im Bauwesen. Aufforderungen, die Quellen für seinen späteren Reichtum -er ist der drittreichste Mann in Europa -offenzulegen, ist Berlusconi nie nachgekommen. Bei ihm dürfte der Traum eines jeden Mafiosi, aus der Untergrund-Ökonomie in die legale Wirtschaft wechseln zu können, wahr geworden zu sein. Heute kontrolliert der Bilderbuch-Milliardär Medien, Finanzgruppen, Baufirmen, die Werbebranche und besitzt nebstbei die größte Kinokette Europas. Er hat seine Anteile an ganz Europa.

Der gegenwärtige Ministerpräsident Giuliano Amato sagte daß 70 Prozent der Beschlüsse, die Berlusconi als Premier zu fällen hätte, die Gefahr von Interessenkonflikten heraufbeschwören würden -zwischen Berlusconi als Politiker und Berlusconi als Unternehmer. Auf die Frage, warum er sich von seiner Holding nicht getrennt habe, antwortete er: "Hauptgrund ist die Sentimentalität. Es sind meine Kreationen."

Der Imperator kreierte eine Koalition aus Parteien, von denen eine rechter als die andere ist. Erhielte sie den Regierungsauftrag, ergäbe dies ein echtes Gruselkabinett. Es ist auch eine prinzipienlose Koalition, denn sie vereinigt Kräfte, die konträre Ziele verfolgen. Umberto Bossis "Lega Nord" hatte sich von Italien bereits verabschiedet und die Märchen-Republik Padanien ausgerufen, worauf sich die norditalienischen Wähler von ihr verabschiedeten. Daraufhin machte Bossi die "Sezzesion" rückgängig, arrangierte sich wieder mit Berlusconi und zähmte seinen Haß gegenüber den Süditalienern. Den bekommen nun die Migranten ab. Denn in Süditalien werden die Wahlen entschieden.

Der Norden ist den Rechten nicht zu nehmen, in Mittelitalien ist für die Rechten nichts zu gewinnen, wohl aber im Süden. Süditalien sei der verborgene Schatz Italiens, schmeichelt Berlusconi der geschundenen süditalienischen Seele. Er versichert den Mezzogiorno seine väterliche Zuneigung, was in einem Landstrich, in dem der Mafia-Paternalismus nicht ohne Einfluß auf das allgemeine Bewußtsein blieb, seine Wirkung nicht verfehlen dürfte.

Der Dritte im Bunde ist Ggianfranco Fini mit seiner postfaschistischen Alleanza Nazionale. Die AN bildet das Kontrastprogramm zur Lega Nord, den sie tritt für einen stark zentralisierten Staat ein. Auch haben die Postfaschisten den Korporatismus als ein Zentralelement des klassischen italienischen Faschismus nicht gänzlich über Bord geworfen, was sie zumindest mental in einen Gegensatz zum Turbokapitalismus von Berlusconis Forca Italia bringt.

Das andere, vorerst noch etablierte Italien läßt sich bei diesen Wahlen durch Francesco Rutelli vertreten. Ein echter Vorzeige-Italiener: Eloquent, geschmeidig, elegant. Einer, der allen gefallen will. Im Gegensatz zu Berlusconi, der die Politik als Hobby betreibt, oder sie als Mittel sieht, seine "beruflichen Erfolge" abzusichern, hat Rutelli keinen anderen Beruf erlernt, als den des Politikers. Er brach 1981 sein Studium ab, um hauptberuflich bei der Radikalen Partei einzusteigen. Damals focht er unbeirrt gegen die Knechtung der italienischen Gesellschaft durch die katholische Kirche, für die freie Liebe oder wenigstens die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Danach zog es ihn zu den Grünen. Als Grüner wurde er Bürgermeister von Rom. 1999 schloß sich Rutelli der von Romano Prodi gegründeten "Demokraten"-Partei an.

Als Sonderkommissar für die Organisierung des Heiligen Jahres und durch die kirchliche Trauung, die er zwanzig Jahre nach seiner standesamtlichen Eheschließung nachholte, sicherte sich der reuige Sünder den Segen der mächtigen Vatikanischen Kurie. Rutelli hatte nie etwas mit den Kommunisten zu tun, was den antikommunistischen Kreuzzug Berlusconis die Spitze bricht und in seiner Virtualität bloßstellt. Der sehnliche Wunsch des Medienmoguls , den Chef der postkommunistischen "Demokratischen Linken", Massimo D`Alema im Wahlkampf zu verspeisen, wurde nicht berücksichtigt.

Rutelli verkörpert die politische Korrektheit der gegenwertigen politischen Klasse. Den offenen Angriffen Berlusconis auf den Sozialstaat kann und will er nichts entgegensetzen. Er tritt für die Senkung des Spitzensteuersatzes ein und bedient im Sozialbereich die konservative Familienideologie. "Kinder machen muß billiger werden", fordert der schönste Politiker Italiens und will, wie Jörg Haider in Kärnten, einen Kinderscheck einführen.

Eine solche "Linke" müßte eigentlich die Rechte überflüssig machen. Daß Berlusconis missionarischer Eifer, eine längst besiegte Linke zu besiegen, auch nur die geringste Akzeptanz finden kann, kann wohl nur als Reaktion der Wählermassen auf die völlige Indifferenz des "Ulivo"-Bündnisses erklärt werden. Die kommunistische Linke um die Rifondazione wird sich wohl oder übel für das kleinere Übel entscheiden. Doch dies immer wieder zu tun, ist von noch größerem Übel."

Wow, Pirker glingt hier sogar so etwas wie eine Kritik am Parteikommunismus der Rifodazione! Dafür findet er im rechten Lager Widersprüche, die wohl in der sozialen Wirklichkeit Italiens kaum den "mentalen" Rahmen verlassen werden: Zwischen der sozialen Demagogie der nach-faschistischen AN und der marktradikalen Forca Italia bestanden diese nur so im Wahlkampf. Nach den Wahlen waren und sind beide Strömungen nur den Verwertungsbedingungen des italienischen und des Weltkapitals unterworfen. Genauso funktioniert das ja auch in Deutschland im linken Lager. SPD, Grüne, PDS mobilisieren jeweils unterschiedliche WählerInnen, die dann doch nur verarscht werden -im eigenem Interesse, daß sich im wesentlichen mit der Bourgeoisie deckt.

So funktioniert bürgerliche Demokratie, die so verdammt stabil ist, daß sie sogar ehemalige faschistische KritikerInnen in ihr integrieren kann. Ihre Integrationskraft für ehemalige StalinistInnen ist ja auch in Italien ein alter Hut. Die ehemaligen StalinistInnen spalteten sich in ihrer Anpassung an den bürgerlich-demokratischen Laden und ihrer "linken" Volksfronten gleich dreifach: zuerst in die "Demokratischen Linken" und in die PRC (Kommunistische Wiedergründung). Übrigens nahm auch die PRC niemals eine unabhängige revolutionär-kommunisti-sche Position zur "linken" Volksfront "Olivenbaum" ein. Es war so, wie es Pirker beschrieb, immer wieder unterstützte die RC die linksbürgerlichen Kräfte als kleineres Übel.

Doch einigen "kommunistischen" BürokratInnen ging die Anpassung nicht weit genug, sie spalteten sich ab und gründeten die "Partei der Italienischen Kommunisten"(PdCI). Die neue Partei wurde für ihren Opportunismus mit Ministerposten belohnt. Diese Posten verließen diese "KommunistInnen" auch nicht, als Italien sich am imperialistischen Krieg in Jugoslawien beteiligte. Um diese "Linke" ist es wirklich nicht schade. Wir RätekommunistInnen agitieren immer wieder unermüdlich gegen das reformistische Vorurteil, das Grundübel der Klassengesellschaft ließe sich durch die Unterstützung vermeintlicher "kleinerer Übel" bekämpfen. In diesem Sinne hält sich unsere Trauer über die "linke" Wahlniederlage in Italien im Mai 2001 in Grenzen...

Übrigens hat die rechtsbürgerliche Regierung unter Berlusconi in den Augen des Weltkapitals ihre Nützlichkeit durchaus bewiesen, als sie während des G8-Gipfels in Genua im Juli 2001 mit brutaler Polizeigewalt gegen die GegnerInnen der zunehmenden Globalisierung -der zunehmenden Konzentration und Zentralisation des Weltkapitals -vorging. Der Gipfel dieses Polizeiterrors war die Ermordung des italienischen Demonstranten Carla Giuliani.

Interessant ist in diesem Fall auch das Verhalten des deutschen Imperialismus. Die deutschen Medien kümmerten sich mehr um die Gewalt "linker Chaoten" als um den Polizeiterror. Gerhard Schröder demonstrierte diesmal nicht seine Verbundenheit mit der antifaschistischen Zivilgesellschaft Italiens. Auch Joschka Fischer, der Außenminister des deutschen Imperialismus, tat diesmal nichts, um Pluspunkte bei der kleinbürgerlichen Antifa zu sammeln. Keine medienwirksamen EU-Sanktionen. Fischer rügte diesmal die selben kleinbürgerlichen Kräfte, von dem Teile ihn in seiner Österreich-Politik unterstützten, sie würden einen "abgestandenen linksradikalen Antikapitalismus" vertreten.

Die linken Feigenblätter der grünen Partei des deutschen Imperialismus, Ströbele und Roth durften nach Italien fahren und etwas für deutsche Betroffenheit sorgen, und um die Anti-Globalisierungs-Bewegung in reformistische Bahnen zu lenken. Sie und andere dürften leider mit größter Wahrscheinlichkeit darin Erfolg haben, denn der Reformismus entspricht dem sozialpsychologischen Charakter dieser vorwiegend kleinbürgerlichen Bewegung. Warum sollte sich ausgerechnet die so unklare Anti-Globalisierungs-Bewegung anders entwickeln wie die Kleinbürgerlichen Friedens-, Umwelt- und Antifabewegung vor ihr? Es ist die Aufgabe von KommunistInnen die kämpferischsten und bewußtesten Kräfte aus solchen kleinbürgerlichen Bewegungen für die soziale Revolution zu gewinnen.

Inzwischen sucht der Aushilfs-Noske unserer Tage, Otto Schily, das Bündnis mit dem italienischen Polizeistaat -bei Einhaltung bestimmter Betroffenheitsrituale und der obligatorischen Einforderung der Rechtsstaatlichkeit, versteht sich. Die "junge Welt" beschrieb das vorgesehene Bündnis zwischen deutschen und italienischen Polizeistaat in ihrem Bericht "Schilys Putztruppe" vom 6. August 2001 so: " "Mit konsequenter Härte Gewalt bekämpfen" lautet das Credo von Bundesinnenminister Otto Schily. Um diese Härte knüppelhart und zielgenau auf den Punkt beziehungsweise auf die Köpfe von Demonstranten zu lenken, schwebt dem Mann die Formierung einer sogenannten europäischen Antikrawallpolizei vor, wie er gegenüber der "Welt am Sonntag" bekannte.

Der frühere Grüne, derzeit mit SPD-Ticket auf seiner politischen Erdrunde, zog damit die für ihn logische Konsequenz. Vor allem wurmt ihn offenbar, daß sich die politischen Repräsentanten der kapitalistischen Weltmächte offenbar arg in ihrer Freizügigkeit beschnitten fühlen. "Wir dürfen uns nicht durch militante Aktionen vorschreiben lassen, wo und wie sich die demokratisch gewählten Repräsentanten der Staaten treffen", beklagte Schily. Hier dürfe es auf gar keinen Fall ein Zurückweichen des Staates geben. Was aber heißt hier Staat? Die speziell ausgebildete westeuropäische Putztruppe könne in internationaler Zusammenarbeit "deeskalierend wirken und, wo nötig, mit angemessener konsequenter Härte Gewalt bekämpfen", schwärmt der Politiker von seiner Idee.

Auf einer europäischen Polizeiakademie, die auf deutschen Vorschlag zustande komme, solle die neue Einheit entstehen. Ein akademisches Problem scheint das jedoch nicht zu sein. Eher ein politisches, vielleicht auch ein rechtliches: Denn wenn eine polizeiliche, länderübergreifende bewaffnete Gruppierung bei der nächsten Demonstration genuesische Verhältnisse schafft, kann die Schuldfrage noch lockerer als bisher hin und her geschoben werden.

Wie, um den Gründungsgedanken zu adeln, traf der harte Mann aus am Sonnabend auch gleich mit dem italienischen Innenminister Clauaudio Scajola zusammen. Im Ferienhaus des Italieners wollten beide über das "neue Phänomen der Gewalt bei internationalen Gipfeln" sprechen, hieß es in den Agenturen. Vermutlich waren jedoch nicht die exzessiven Gewaltorgien von Scajolas Polizeitruppe in Genua gemeint, die den jungen Demonstranten Carlo Giuliani das Leben kosteten und zahlreichen Globalisierungsgegnern vorführten, was Polizisten so alles können.

Anhand der Erlebnisberichte inhaftierter G-8-Demonstranten ist klar, was von einer deutsch-italienischen "Anti-Krawall"-Zusammenarbeit erwartet werden kann. Wahrscheinlich Krawall vom Feinsten, zumal in Italien die staatliche Vertuschungsmaschinerie beispielsweise hinsichtlich Infiltration des vermeintlichen schwarzen Blocks durch Geheimdienste und Polizei -auf Hochtouren läuft. Italien und Deutschland verfolgten in etwa die gleiche Linie bei Demonstrationen dieser Art, hieß es übereinstimmend vom Treffen der Polizeiminister, und das dürfte für kommende Demonstrationen nichts Gutes verheißen."

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