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Die Rolle von KommunistInnen im Klassenkampf

Wir RätekommunistInnen haben mit der Sozialdemokratie und dem Leninismus als bürgerliche Ideologien gebrochen. Vor uns steht die schwierige Aufgabe, die Rolle, die bewußte revolutionäre Menschen in einer sozialen Revolution inne-haben müssen, neu zu bestimmen. Leider können wir uns dabei fast nur auf Negativbeispiele stützen. Die LeninistInnen passen sich in einer stabilen Klassengesellschaft opportunistisch an das bürgerliche Bewußtsein der Mehrheit der Klasse an, um "Masseneinfluß" zu gewinnen. In revolutionären Situationen sind die Parteibonzen dann die SchmarotzerInnen der revolutionären Bewegung. In Rußland bildeten sie eine neue Klasse, weil die Bourgeoisie nur schwach war. In den Klassenkämpfen im hochindustrialisierten Westen sicherten die Partei- "KommunistInnen" die Macht des Privatkapitals auch in revolutionären Erschütterungen -sie übernahmen die klassische Rolle der Sozialdemokratie.

Wir RätekommunistInnen sind von der Kraft und Fähigkeit der ArbeiterInnenklasse sich selbstbestimmt aus der Lohnsklaverei zu befreien überzeugt. Diese Überzeugung wird von vielen Menschen zur Zeit als Wahn einer vergangenen Zeit angesehen. Der Mut des revolutionären Menschen ist eben manchmal auch der Mut sich auslachen zu lassen. Gleichzeitig lehnen wir es ab, uns opportunistisch an das gegenwärtige Bewußtsein anzupassen. Selbstverständlich ist unser Auftreten in einer nichtrevolutionären Situation anders als in einer revolutionären.

Paul Mattick schrieb: "Zu glauben, daß eine revolutionäre Praxis, die ihren unabhängigen Ausdruck in unabhängigen Aktionen der Arbeiter findet, zu jeder Zeit möglich ist, heißt nichts anderes, als demokratischen Illusionen zum Opfer zu fallen. Aber es ist schwieriger, "außer-halb dieser Welt" zu stehen, denn niemand kann wissen, wann sich die Dinge ändern und niemand wünscht zurückzublei-ben, wenn die Änderungen ihren Lauf nehmen. Widerspruchsfreiheit existiert nur in der Theorie. Man kann nicht sagen, daß Marx´ Theorien widersprüchlich waren; man kann jedoch sagen, daß Marx selbst nicht von Widersprüchen frei war, d.h., daß auch er einer sich ändernden Wirklichkeit Achtung erweisen und, um überhaupt reagieren zu können, in nichtre-volutionären Zeiten auf eine nichtrevolutionäre Weise reagieren mußte. Seine Theorien konzentrierten sich auf die we-sentlichen Aspekte des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat, aber seine Praxis änderte sich schrittweise, indem er sich mit den Problemen beschäftigte, so wie sie sich ergaben, Probleme die nicht immer mit Hilfe von Grund-prinzipien gelöst werden konnten. Da der Marxismus während der Aufschwungphase des Kapitalismus nicht stumm blei-ben wollte, konnte er sich nur in einer Weise äußern, die einer Theorie widersprach, die aus der Erkenntnis eines realen und immer existierenden Klassenkampfes resultierte."(1)

Dem letzten Satz stimmen wir nicht zu. Es ist wahr, daß Marx teilweise auf nichtrevolutionäre Weise auf eine nichtrevolutionäre Situation reagierte. Er schürte Illusionen in den bürgerlichen Parlamentarismus. Sollen wir RätekommunistInnen heute Marx auch darin folgen? Nein! Wir sind SchülerInnen des schonungslos kritischen und revolutionären Marx, aber nicht in den Fragen wo dieser Gefangener der bürgerlichen Ideologie blieb.

Wir weigern uns, in die gleiche Falle zu tappen wie die alte Arbeiterbewegung, die Mattick so beschrieb: "Wie viele seiner Zeitgenossen unterschätzte er die Stärke und Flexibilität des Kapitalismus und erwartete allzu bald das Ende der bürgerlichen Gesellschaft. Zwei Alternativen eröffneten sich ihm: Er konnte sich entweder außerhalb der aktuellen Entwicklung stellen und sich auf ein praxisfernes radikales Denken zurückziehen oder unter den gegebenen Umständen an den aktuellen Kämpfen teilnehmen und die revolutionären Theorien für "bessere Zeiten" aufheben. Diese letzte Alternative wurde umgesetzt in das "richtige Gleichgewicht zwischen Theorie und Praxis" und Niederlage oder Erfolg proletarischer Aktivitäten wurde damit wieder einmal das Ergebnis von "richtiger" oder "falscher" Taktik, der Frage der richtigen Organisation und der korrekten Führung. Es war nicht so sehr Marx`frühe Verbindung mit der bürgerlichen Revolution, die zur weiteren Entwicklung des jakobini-schen Aspekts in der Arbeiterbewegung, die seinen Namen trug, führte, sondern die aufgrund der nichtrevolutionären Zeiten nichtrevolutionäre Praxis dieser Bewegung." (2)

Diese Argumentation Matticks ist uns viel zu fatalistisch! Es ist nicht unsere Aufgabe, die Frge zu stellen, wie wir uns an Stelle von Marx verhalten hätten. Das bringt nichts. Wir fragen uns, wie wir heute handeln müssen, da wir in der gleichen Situation sind wie damals der Begründer des historischen Materialismus. Als gute historische MaterialistInnen, dürfen wir in dieser wichtigen Frage nicht Marx folgen, sondern müssen von den historischen Erfahrungen ausgehen. Für uns hat sich der nichtrevolutionäre Weg des Parteimarxismus in nichtrevolutionären Zeiten als Vorbereitung seiner konterrevolutionären Rolle in der Revolution erwiesen. Wenn die Veränderung der Praxis objektiv nur sehr begrenzt möglich ist, muß mensch sich halt vorrübergehnd vorwiegend auf die Waffe der Kritik beschränken -um im geeigneten Augenblick auf die prakti-sche Kritik der Waffen zurückzukommen. Das ist kein passives Verhalten. Auf jeden Fall ist es revolutionärer, als "Realpolitik" zu betreiben und die "Massen" mit reformistischen Unsinn zu "erobern" und ihre Gedanken weiter zu verwirren.

Natürlich dürfen sich kommunistische ArbeiterInnen sich nicht von den Klassenkämpfen ihrer Zeit isolieren, sie dürfen sich aber auch nicht zum Anwalt des reformistischen Bewußtseins der Mehrheit der Klasse in nichtrevolutionären Zeiten machen. Das heißt natürlich nicht, daß sie anstelle der Mehrheit handeln sollen. Das wäre Putschismus, die nur in der Niederlage enden kann. Nein, kommunistische ArbeiterInnen müssen im reformistischen Klassenkampf revolutionäre Agitation betreiben.

Die ArbeiterInnenklasse in ihrer Gesamtheit entnimmt ihr Bewußtsein nicht aus dem Marxismus, sondern aus dem realen Klassenkampf. Dieser Kampf wiederum erwächst aus dem objektiven Interessengegensatz zwischen Kapital(egal ob privat angehäuftes oder staatlich organisiertes) und Lohnarbeit. Das soziale Massenbewußtsein hinkt aber dem sozialen Sein der Massen hinterher. Viele ArbeiterInnen haben also ein völlig falsches Bewußtsein von der Klassengesellschaft.

Auch Trotzki war das aufgefallen. Er schrieb in Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der IV. Internationale: "Die strategische Aufgabe der nächsten Periode -der vorrevolutionären Periode der Agitation, Propaganda und Organisation -besteht darin den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven Bedingungen der Revolution und der Unreife des Proletariats und seiner Vorhut (Verwirrung und Entmutigung der alten Generation, mangelnde Erfahrung der Jun-gen) zu überwinden. Man muß der Masse im Verlauf ihres täglichen Kampfes helfen, die Brücke zu finden zwischen ih-ren aktuellen Forderungen und dem Programm der sozialistischen Revolution. Diese Brücke muß in einem System von Übergangsforderungen bestehen, die ausgehen von den augenblicklichen Vorraussetzungen und dem heutigen Bewußtsein breiter Schichten der Arbeiterklasse und unabänderlich zu ein und demselben Schluß führen: der Eroberung der Macht durch das Proletariat." (3)

Trotzkis Ansichten, wie der Widerspruch zwischen "der objektiven Reife" und "der Unreife des Proletariats" aufzulösen sei, waren falsch. Es ist nicht die Aufgabe von KommunistInnen, "die Brücke zu finden zwischen ihren aktuellen Forderungen und dem Programm der sozialistischen Revolution". Eine solche Brücke gibt es nicht! Die aktuellen Forderungen der ArbeiterInnenklasse können in einer stabilen Klassengesellschaft nur reformistisch sein. Wenn zum Beispiel Arbeitsplätze in einem Betrieb gefährdet sind, kämpfen die ArbeiterInnen für ihren Erhalt, d.h. für den Status Quo der kapitalistischen Ausbeutung von Lohnarbeit. Die soziale Revolution bedeutet aber die Überwindung der Lohnsklaverei. Von dem reformistischen Bewußtsein der Klasse zur sozialen Revolution derselben läßt sich keine Brücke bauen, und wer das versucht, hemmt die Entwicklung von revolutionären Bewußtsein.

Trotzkis "Übergangsforderungen" beweisen das. So fordert er unter anderem "die Enteignung der Privatbanken und die Verstaatlichung des Kreditsystems". (4) Trotzkis Brücke führt also in den Staatskapitalismus! Seine Brücke führt zu bürgerlichem Bewußtsein! Das reformistische Bewußtsein überwindet die Klasse nur durch ihren realen Kampf, der sie nach und nach von allen Illusionen befreit. Die Realität des verschärften Klassenkampfes baut keine Brücken vom bisherigen bürgerlichen Bewußtsein, sondern wirft dieses unbarmherzig um. Es ist also die Revolution die revolutionäres Massenbewußtsein erzeugt, und nicht die taktischen Taschenspielertricks der LeninistInnen.

Diese können das reformistische Bewußtsein nur stärken. Die programmatischen Aussagen der trotzkistischen SAV verdeutlicht das (5). So fordert diese linksbürgerliche Organisation in bester reformistischer Manier "Arbeit für alle", wo-mit natürlich nicht die selbstbestimmte Tätigkeit von ProduzentInnen im Kommunismus gemeint ist, sondern die "gerechte" Verteilung von Lohnarbeit im Kapitalismus! Auch die zukünftige "sozialistische Demokratie" der SAV überwindet nicht die Lohnarbeit, ist also eine reine Farce. Jedenfalls macht die Trotzki-Sekte im Sog der Sozialdemokratie nirgendwo deutlich, daß sie die Aufhebung des Lohnsystems anstrebt. Ihre Verlautbarungen lassen aber das Schlimmste befürchten. So fordert sie: "Keine überbezahlten und korrupten Manager und Bürokraten in Wirtschaft und Verwaltung". Das Wort "bezahlen" läßt auf eine Warenproduktion schließen, in denen auch menschliche Dienste bezahlt werden. Die SAV möchte die Funktionäre nur nicht "überbezahlen" -sie fordert einen sogenannten "durchschnittlichen FacharbeiterInnenlohn" für Funktionäre. Die Lohnsklaverei lebt also fröhlich weiter in der "sozialistischen Demokratie" der Trotzki-Sekte. Wir werden alles dafür tun, das der Wunschtraum der Führungsschicht der SAV -der für die Klasse nur eine Verlängerung ihres Alptraumes sein kann -sich niemals erfüllen wird!

Die LinkskommunistInnen von der Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS) kommen der wirklichen Rolle von KommunistInnen im Klassenkampf sehr viel näher, als die geistigen Bankrottere der SAV. Sie betonen, "daß die erste Verantwortung der Revolutionäre nicht darin bestehen kann, irgend welche "Aktionen" oder "Bündnisse" zu stiften, wel-che nur den Anschein von Radikalität und von "Masseneinfluß" erwecken und aus Ermangelung an proletarischen Prinzi-pien in einer Unterstützung der Bourgeoisie enden. Statt dessen ist es die erste Pflicht der Revolutionäre, politische Klarheit zu erlangen und diese Klarheit gegenüber dem Rest der Arbeiterklasse zu verteidigen. Es ist diese Klarheit und proletarische Prinzipientreue, welche die Marxisten am Ende einen "Masseneinfluß" gewinnen lassen können, und zwar dann, wenn die Klasse aufgrund ihrer Erfahrungen und ihrer eigenen, selbstorganisierte Kämpfen selbst sich in eine revolutionäre Richtung bewegt und somit die Positionen der Revolutionäre als ihre eigenen, als die Lehren ihrer eigenen Ge-schichte erkennt." (6)

Deshalb werden wir keine "Reform" des DGB fordern, weil wir wissen, daß er nicht reformiert werden kann. Wir betonen immer wieder, daß der Gewerkschaftsapparat vom autonomen Kampf der Klasse gesprengt werden muß. Niemals rufen wir bei Wahlen zum bürgerlichen Parlament zu einer Unterstützung eines sozialdemokratischen und/oder leninistischen Vereines auf, geschweige denn beteiligen uns selbst am Politzirkus, sondern werden ihn als das demaskieren, was er ist: die politische Herrschaftsform des Kapitals. Unter keinen Umständen werden wir jemals mit der Bourgeoisie und bürgerlichen PolitikerInnen gemeinsam die "Demokratie vor den Nazis beschützen". Denn die Demokratie des Kapitals war und ist die ideologische Futtergrippe des Faschismus. Den Naziterror kann mensch nur wirksam bekämpfen, wenn er die Bonzendemokratie überwindet. Auch werden wir unter keinen Umständen, die "Erfolge" eines reformistisch "geführten", d.h. gebremsten, Klassenkampfes hochjubeln, denn es kann nur einen wirklichen Erfolg geben: Die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Wir erheben nicht den Ruf nach "Verstaatlichung", d.h. nach staatskapitalisti-scher Ausbeutung. (Bis hier bestehen Gemeinsamkeiten mit den LinkskommunistInnen der IKS.) Auch lehnen wir es ab, die "Notwendigkeit des Staates" in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus zu "erkennen". Wir weigern uns beharrlich, zum Aufbau einer "ArbeiterInnenpartei" aufzurufen, weil wir wissen, daß diese von der Form her nur bürgerlich sein kann und früher oder später auch den Inhalt der Klassengesellschaft reproduziert, d.h. zur Feindin der ArbeiterInnenklasse wird. Diese gewonnene Klarheit, ist nicht unabhängig in unserem Kopf entstanden, sondern sind durch Blut erkaufte Erfahrungen des internationalen Klassenkampfes. Deshalb verteidigen wir sie in der stabilen Klassen-gesellschaft gegenüber den "Führern" und den "Massen". Da gibt es von unserer Seite keine opportunistische Anpassung. Gegenüber niemandem!

Wie verhalten wir RätekommunistInnen uns in Klassenkämpfen, die den bürgerlichen Rahmen noch nicht abgestreift haben? Als Teil der Klasse nehmen wir selbstverständlich an ihnen teil, ohne aber Verantwortung für das reformistische Programm der "Führung" zu übernehmen. Auch machen wir keine Zugeständnisse an das bürgerliche Bewußtsein der Mehrheit der ArbeiterInnen. Wir nutzen die Politisierung der KollegInnen durch den Kampf für unsere Agitation. Selbstverständlich können nur die RätekommunistInnen in ein Klassenkampf direkt eingreifen, die auch direkt davon betroffen sind. Der Rätekommunismus macht Schluß mit dem lächerlichen Theater leninistischer "Berufsrevolutionäre", die nicht das Leben der Klasse führen, diese aber ständig belehren wollen.

Für rätekommunistische TheoretikerInnen ohne Praxis der Lohnsklaverei gilt es den Rat von Cajo Brendel ernst zu nehmen: "Ich war von der Jugendzeit an immer der Ansicht, daß man der Arbeiterklasse nicht etwas zu l e h r e n hat, sondern von ihr lernen sollte. Wie aber sei alsdann das ge-lernte anzuwenden? Hier handelte ich immer übereinstimmend mit einem Satz von Marx aus einer seiner Frühschriften, nämlich die "Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie", wo er da schreibt: "... man muß die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt...". Nie habe ich zu Streikenden gesagt: "Ihr könnt besser dies oder das tun". Ich habe bloß jedesmal versucht über die Bedeutung ihrer Handlungen zu diskutieren. Das ist kein passives Verhalten." (7)

Als Beispiel bewußten Eingreifens in den Klassenkampf von Seiten revolutionärer ArbeiterInnen führte Red Devil das Beispiel russischer RätekommunistInnen an. Der Herausgeber der Bibliothek des Widerstandes beschrieb den schweren Kampf unserer russischen GenossInnen im Januar 2001: "Die autonomen RätekommunistInnen im südrussischen Rostow am Don sind aus ihrem Betrieb "RosSelMash" entlassen wurden. In Folge der tiefgreifenden Wirtschaftskrise in Rußland steht dieser Großbetrieb, in dem landwirtschaftliche Technik und vor allem Mähdrescher produziert wurden, seit dem Herbst 1998 praktisch still. Die ohnehin sehr niedrigen Löhne werden mit großer Verspätung ausgezahlt. Die Krise des Betriebs wird vom Direktorium dazu mißbraucht, unliebsame ArbeiterInnen loszuwerden, so z.B. die gerade entlassenen KollegInnen. Diese rätekommunistischen AktivistInnen arbeiten als Gruppe in der einen oder anderen Form schon seit 1990 zusammen. Im Sommer 1998 versuchten sie, im Betrieb eine Generalversammlung durchzuführen, um einen Streik vorzubereiten.

Die KollegInnen arbeiten auch mit der Konföderation Revolutionärer AnarchosyndikalistInnen (KRAS-IAA) zusammen, mit der sie ein gemeinsames Informations- und Diskussionsbulletin mit dem Titel "Die neue Arbeiterbe-wegung" ("Nowoje rabotscheje dwishenije") herausgegeben. Die letzte Nummer (Nr. 4) erschien im Oktober 1999 mit einer Auflage von 200 Exemplaren -für eine sozialrevolutionäre Publikation im heutigen Rußland nicht gering -wovon 100 Stück an AktivistInnen der Umgebung verteilt wurden. Eine neue, fünfte Nummer ist in Vorbereitung.

Seitdem die KollegInnen entlassen worden sind, haben sie noch weniger Mittel als zuvor und leben in bitterer Armut. Sie wußten im letzten Winter nicht, wie sie selbst und ihre Familien über den Winter kommen sollten. Deshalb gab es Ende letzten Jahres und Anfang des Jahres 2000 eine Spendensammlung." (8)

Wir RätekommunistInnen der Sozialen Befreiung suchen das Bündnis mit anderen revolutionären Linken. Als BündnispartnerInnen kommen wir uns nur revolutionäre AnarchosyndikalistInnen und LinkskommunistInnen in Frage. Aber auch bei einem solchen Bündnis verschweigen wir nicht die Unterschiede, sondern betonen auch hier unsere theoretische Selbständigkeit. Das tun wir nicht aus Besserwisserei, sondern im Sinne der politischen Klarheit, die durch kein Bündnis eingeschränkt werden darf. Die Haltung der linkskommunistischen IKS ist in einigen Punkten, eine andere als die unsere. Zum Beispiel ist sie nicht in der Lage, unsere Förderung eines staatsunabhängigen Antifaschismus zu verstehen. Sie ist mit uns einer Meinung, daß der bürgerliche Antifaschismus als staatstragende Ideologie der demokratischen Bourgeoisie zu bekämpfen ist, kritisiert aber unserem Verständnis des Antifaschismus als Selbstschutz.

Die GenossInnen schrieben: "Wir begrüßen diese mutige Annäherung an diese und andere Positionen des Linkskommunismus. Dennoch meinen wir, daß diese energischen Verwerfungen der bürgerlichen Demokratie noch an einer bedeutenden Schwäche leiden, an einer Unklarheit über die Klassennatur der staatskapitalistischen Linken (der radikalsten Verteidiger der bürgerlichen Demokratie). Diese Unklarheit verleitet die Genossen dazu, zwischen einem Staatsantifaschismus und einem vermeintlichen echten, proletarischen Antifaschismus zu unterscheiden. "Wir RätekommunistInnen sind zu jedem militanten antifaschistischen Bündnis, das auch dazu bereit ist den FaschistInnen ein paar auf das Maul zu geben, bereit." und weiter: "Aber trotz dieser Differenzen sehen wir in der militanten Antifa, die sich nicht hinter dem Staat versteckt, eine Bünd-nispartnerin gegen den Neofaschismus." (Soziale Befreiung Nr. 3, S. 11) (9)

Die GenossInnen haben unsere Position etwas verstümmelt wiedergegeben. Deshalb wollen wir den ganzen Absatz zitieren: "Wir RätekommunistInnen sind zu jedem militanten antifaschistischen Bündnis, das auch dazu bereit ist den FaschistInnen ein paar auf das Maul zu geben, bereit. Neonazis sind eine ernsthafte Gefahr, die auch ernsthaft bekämpft werden muß. Die potentiellen Opfer des Neofaschismus müssen aus ihrer Opferrolle heraustreten und die braunen Asozialen dort schlagen, wo sie sie treffen. Wer auf den Staat hofft, hat schon verloren. Der Zusammenschluß aller Betroffenen zu einem militanten Bündnis gegen die Nazis vor Ort ist die beste Verteidigung, auch wenn diese Art von Selbstschutz vom Staat gar nicht gern gesehen wird, ist es doch eine praktische Nichtanerkennung seines Gewaltmonopols. Aber wir sehen unsere Hauptaufgabe nicht in der Bekämpfung von Nazis, sondern in der Trockenlegung des Sumpfes, aus dem sie kriechen. Bei vielen militanten AntifaschistInnen gerät der Antikapitalismus zu einem Nebenprodukt des Antifaschismus. Bei uns ist es genau umgekehrt. Während sich bei ihnen die Argumentation gegen den staatlichen "Antifaschismus" in ein Hinweis auf den staatlichen Rassismus erschöpft, bekämpfen wir den Staat als Ausdruck und Wächter der sozialen Klas-senspaltung, die der Rassismus verschleiert. Aber trotz dieser Differenzen sehen wir in der militanten Antifa, die sich nicht hinter dem Staat versteckt, eine Bündnispartnerin gegen den Neofaschismus." (10)

Wie wir sehen, haben sich die GenossInnen der IKS die Stellen rausgepikt, die etwas schwammig formuliert wurden. Aber das ist ja legitim, daß mensch am schwächsten Punkt des anderen angreift. Es ist uns klar, daß die Führungsschichten linksbürgerlicher Organisationen keine BündnispartnerInnen für RevolutionärInnen sein können. Wir werden deshalb niemals mit ihnen einen gemeinsamen Aufruf oder Flugblatt gestalten. Aber den Angriffen der Neonazis sind auch die bürgerlichen Linken ausgesetzt. Wo eine reale Gefahr neofaschistischen Terrors besteht, muß sie konsequent bekämpft werden. Der proletarischen Basis linksbürgerlicher Organisationen bieten wir deshalb eine Einheitsfront von unten an.

Es stimmt nicht, das wir den Klassencharakter der reformistischen Linken nicht erkannt haben. Über den linken Flügel des Leninismus, den Trotzkismus, schrieben wir zum Beispiel: "Der Trotzkismus führt nicht aus dem bürgerlichen Sumpf heraus, sondern ist ein Teil von ihm". Weiterhin schrieben wir: "Der Trotzkismus gab einem Teil der sowjetischen Linken Opposition die Kraft, die sie brauchte, um im Kampf gegen Stalin in Würde zu sterben. Aber das er dennoch nicht geeignet ist, den Stalinismus abzulösen als Theorie der sozialen Revolution, weil er wie sein Gegenspieler ein ideologischer Reflex des Staatskapitalismus geblieben ist" (11) haben wir ausführlich dargelegt. Der Artikel in der Weltrevolution ist blind gegenüber dem eigentlichen Problem, wie folgendes Zitat beweist: "Hier merkt man, meinen wir, daß die Genossen (gemeint sind wir und die Bibliothek des Widerstandes, Anmerkung des Autors) noch nicht den Kerngedanken des Linkskommunismus hierzu erfaßt haben, welchen Bordiga in dem bekannten Ausspruch zusammenfaßte, das schlimmste Produkt des Faschismus sei der Antifaschismus. Der Stalinismus etwa oder der Trotzkismus auch in Form der heutigen "Restlinken" ist genau wie der Faschismus ein Produkt der Konterrevolution. Mehr noch: diese linkskapitalistischen Strömungen, weit entfernt, potenzielle Bündnispartner darzustellen, stellen für den Befreiungskampf des Proletariats eine weitaus gefährlichere Hürde dar als der Faschismus, der heute ohnehin nicht auf der Tagesordnung steht."(12)

Es sollte zum Handwerk von MarxistInnen gehören, Vergangenheit, Gegenwart und Zu-kunft zu unterscheiden. Auch ein höheres Maß an Differenzierungen könnten der IKS nicht schaden. Es ist richtig, daß sowohl Stalinismus, Trotzkismus und Faschismus bürgerliche Ideologien sind, die sich alle mehr oder weniger stark gegen die Klasseninteressen der ArbeiterInnen wenden. Es ist ebenso richtig, daß stalinistische und trotzkistische BürokratInnen für uns Links/RätekommunistInnen keine BündnispartnerInnen sein können. Aber es ist falsch zu sagen, daß sie gegenwärtig gefährlicher wären als der Neofaschismus. Die "Restlinke" befinden sich im Niedergang, im Gegensatz zum Neofaschismus. Dieser steht nämlich sehr wohl auf der Tagesordnung, nicht in Form einer Machtübernahme, sondern im Terror und Hetze gegen alles "nichtdeutsche".

Und gegen diesen Terror muß unabhängig und gegen den Staat vorgegangen werden. Wo dies möglich ist, gemeinsam mit der betroffenen Basis linksbürgerlicher Organisationen, aber die Führungsschichten behindern diesen Prozeß wo sie nur können. Aber dieses unabhängige Vorgehen gibt es bereits heute. Und zwar wird dieser Antifaschismus aus der Notwendigkeit des Handelns der potenziellen Naziopfer erzeugt.

Selbst das linksbürgerliche Käseblatt "Neues Deutschland" gibt indirekt diese Notwendigkeit zu. In einem Artikel über die Naziskins von Pirna schreibt das Blatt über die Gegen-wehr: "Über ein Dutzend Attacken hat Recep Sendilmen, Seldas 22-jähriger Bruder, gezählt seit dem 1. Mai 1998, als die Skinheads erstmals die Tische vor dem Lokal kleinschlugen und Gäste wie Personal angriffen. Mit Stühlen und Billi-ardqueues haben sie die Rechten damals in die Flucht geschlagen. Angriff ist die beste Verteidigung -an dieser Devise halten die Sendilmens auch fast zwei Jahre später noch fest.

Die Hoffnung, bei anderen Hilfe gegen die permanenten Attacken zu erhalten, ist nicht mehr sonderlich stark ausgeprägt. Besonders auf die örtliche Polizei sind sie schlecht zu sprechen. Die sei in vielen Fällen zu spät und in viel zu geringer Zahl gekommen, schimpft Recep. Statt dessen habe es eine Razzia im Laden gegeben, nachdem ein anonymer Zeuge eine Anzeige wegen Drogenhandel erstattet hatte. Zwar ruft er noch auf der Wache an, wenn es brenzlig wird, aber "verteidigen müssen wir uns selbst", sagt er: "Sonst wird es nur noch schlimmer." Das ist die falsche Reaktion, entgegnet Gerhard Wellner. Selbstjustiz könne man nicht dulden, betont der Leiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Pirnaer Polizeidirektion, der keinen sonderlich glücklichen Eindruck macht, wenn er auf das "sehr sensible Thema" angesprochen wird." (13) Ganz schlaue Leute werden jetzt vielleicht einwenden, daß dieser Antifaschismus, die individuelle Gewalt eines Kleinbür-gers ist, die mit dem kollektiven Klassenkampf der ArbeiterInnen nichts zu tun hat. Führen wir also noch ein historisches Beispiel eines proletarischen Antifaschismus an. "Die Cable Street ist eine Straße in einem Londoner ArbeiterInnenviertel. In diesem Viertel wohnten in den 30er Jahren viele englische ArbeiterInnen jüdischen Glaubens. 1936, als die britischen Faschisten unter der Führung von Oswald Mosley die Hochzeit ihrer Bewegung hatten, wollten sie unter Polizeischutz einen Marsch durch die Cable Street organisieren. Die Siege der Faschisten in Spanien und Deutschland hatten ihnen Mut gemacht. Die Menschen in der Cable Street ließen diese faschistische Machtdemonstration nicht zu. Männer, Frauen und Kinder verteidigten ihre Straße und vertrieben Polizei und Nazis. Seit diesem Tag ist "Cable Street" ein Sym-bol antifaschistischen Widerstandes in Großbritannien, noch heute erinnert ein Wandbild an dieses Ereignis."(14)

Wie hätte die IKS damals reagiert? Hätte sie den ArbeiterInnen gesagt, daß ihr proletarischer Antifaschismus "das schlimmste Produkt des Faschismus" wäre? Vielleicht gehörten einige EinwohnerInnen der Cable Street zur proletarischen Basis linksbürgerlicher Organisationen. Wie hätte der Versuch der IKS ausgesehen, die ArbeiterInnen aus der Umklammerung dieser Parteibürokratie zu befreien? Hätten sie zu ihnen gesagt, daß ihre Organisationen für die Revolution gefährlicher wäre als Mosley? Wir jedenfalls bekämpfen die "Linke" nicht, weil sie antifaschistisch ist, sondern weil ihr Antifaschismus bürgerlich ist und somit die ArbeiterInnenklasse gegenüber ihren "demokratischen" und "nationalen" FeindInnen entwaffnet.

Der Rätekommunismus kann in einer stabilen Klassengesellschaft nur die Methode einer Minderheit sein. Einer Minderheit, die die Methode des historischen Materialismus zu einer scharfen Waffe der Kritik schmiedet. Eine Kritik, die weder ihre theoretischen noch praktischen Schlußfolgerungen fürchtet. Der Rätekommunismus widerlegt seine GegnerInnen indem er die materielle Basis ihrer Theorien und Ideologien offenlegt. Das Gefasel über die bürgerlichen Freiheiten und "Menschenrechte" entlarven wir als Freiheit und Recht des Kapitals die Lohnarbeit ausbeuten zu können und dafür über Leichen zu gehen. Das idealistische Gerede der ParteimarxistInnen "über die Notwendigkeit der Partei" ist die Ideologie der hauptamtlichen FunktionärInnen, die "theoretische" Rechtfertigung ihrer bürokratischen Existenz. Der Rätekommunismus kennt nur die Notwendigkeit der proletarischen Selbstorganisation in der sozialen Revolution. Das macht ihn heute so schwach. Aber auch so notwendig. Denn heute ist er nicht nur das Bewußtsein vergangener Kraftanstrengungen der revolutionären ArbeiterInnenbewegung sondern der Bote zukünftiger revolutionärer Praxis. Er bekämpft alle Illusionen in der Klasse auf ihr fremde Subjekte. Er ruft den ArbeiterInnen überall auf der Welt unermüdlich zu: Eure Befreiung erreicht ihr nur durch eigenen kollektiven Kampf!

Wenn die Klasse den Weg der Revolution beschreitet, wird der Rätekommunismus zu ihrer furchtbaren Waffe gegen die Klassengesellschaft. Nicht indem wir heutigen RätekommunistInnen die morgige soziale Revolution "führen" werden, sondern weil die Klasse selbständig zu rätekommunistischen Positionen finden wird. Der Rätekommunismus der revolutionären "Massen" wird vorwiegend vom Klasseninstinkt geprägt sein. Von Menschen, die sich vor der Revolution, nicht das Ziel einer solchen gestellt haben, die aber durch die Logik des Klassenkampfes dahin getrieben werden.

Die bewußten RevolutionärInnen werden auch in der sozialen Revolution eine Minderheit sein. Die Aufgabe der KommunistInnen besteht nicht darin, die Massen zu organisieren. Das tun sie selbst. Es kann auch nicht ihre Aufgabe sein, sie zu "führen". Wir sind keine idealistischen AnarchistInnen. Es wird in der sozialen Revolution eine Führung geben. Es gibt immer vorwärtstreibende Teile der Klasse und bremsende. Doch diese revolutionäre Führung wird sich spontan im Klassenkampf bilden und diese wird aus klassenbewußten ArbeiterInnen und nicht aus hauptamtlichen BürokratInnen bestehen. Natürlich werden auch rätekommunistische ArbeiterInnen, die schon vorher bewußte MarxistInnen waren, Teil dieser revolutionären Führung sein.

Doch das ist nicht ihre Hauptaufgabe. Diese ist: Dafür zu sorgen, daß sich der historische Materialismus der Minderheit mit dem Klasseninstinkt der Mehrheit verbindet. Diese Verbindung bildet das Bewußtsein der sozialen Revolution.

Was ist die Aufgabe von KommunistInnen in den Klassenkampforganen während der sozialen Revolution? Der Kampf gegen die bürgerliche Ideologie in allen ihren Formen. Nicht nur gegen die der Bourgeoisie und ihre demokratischen und faschistischen Lakaien, sondern auch gegen den Parteimarxismus. Der Führungsanspruch linksbürgerlicher Organisationen ist Gift für die soziale Revolution. Denn die Führung durch nicht mehr arbeitenden FunktionärInnen, ist BerufspolitikerInnentum -Fremdbestimmung der ArbeiterInnenklasse. In den Organen der proletarischen Selbstorganisation darf kein Platz sein für hauptamtliche ParteibürokratInnen. Rätekommunistische ArbeiterInnen müssen all ihre Kraft einsetzen um die Klasse zu der Einsicht zu helfen, diese SchmarotzerInnen des Klassenkampfes erbarmungslos vor die Tür zu setzen.

Außerdem müssen rätekommunistische ArbeiterInnen dafür kämpfen, daß in den Klassenkampforganen keine bürgerlichen Organisationsprinzipien zur Anwendung kommen, denn diese reproduzieren die Klassengesellschaft in der revolutionären Bewegung. Also keine hauptamtlichen FunktionärInnen. Alle nebenamtlichen Funktionen müssen direkt wähl- und abwählbar sein. Rätekommunistische ArbeiterInnen dürfen nur in den Klassenkampforganen nebenamtliche führende Positionen übernehmen, die das Programm der sozialen Revolution anerkannt haben, d.h. auf eine Entmachtung des bürgerlichen Staates und der Überwindung der Lohnarbeit hinzielen. Rätekommunistische Intellektuelle haben in den Organen der ArbeiterInnen nichts zu suchen. Doch im Gegensatz zu den LeninistInnen wissen sie das!

Die soziale Revolution wird den leninistischen Parteibonzen klarmachen müssen, daß in ihr kein Platz für sie da ist. Der deutsche Rätekommunist Otto Rühle schrieb schon 1922: "Die Partei verhindert Rußland, zum Rätesystem zu kom-men. Ohne Räte aber kein sozialistischer Aufbau, kein Kommunismus. Parteidiktatur ist Bürokratenherrschaft, ist Despo-tie der Kommissare, ist Staatskapitalismus, ist schlimmste Ausbeutung und Knechtschaft. (...) Es gibt keinen größeren Feind der Klassendiktatur als die Parteidiktatur."(15)

Der unverbesserliche Bolschewik Trotzki schrieb dagegen noch 1937(!): "Das Proletariat kann nicht anders an die Macht gelangen, als in der Person seiner Avantgarde.(...) In der zur Partei organisierten revolutionären Avantgarde kristallisiert sich das Freiheitsstreben der Massen. Ohne Vertrauen der Klasse zur Avantgarde, ohne Unterstützung der Avantgarde durch die Klasse kann von Machteroberung keine Rede sein. In diesem Sinne sind die proletarische Revolution und die Diktatur Sache der gesamten Klasse, aber nicht anders als unter der Führung der Avantgarde. Die Sowjets sind nur die organisierte Form der Verbindung zwischen Avantgarde und Klasse. Dieser Form einen revolutionären Inhalt geben kann nur die Partei. Das ist durch die positive Erfahrung der Oktoberrevolution und durch die negative Erfahrung anderer Länder (Deutschland, Österreich, schließlich Spanien) bewiesen." (16)

Selbst die LinkskommunistInnen vom IKS zeigen in der Frage der proletarischen Selbstorganisation Reste linksbürgerlichen Bewußtseins. Das ist um so auffälliger, weil sie in der Kritik an uns "die Notwendigkeit, den Bruch mit der bürgerli-chen Linken zu vollenden" betonen. So nennen die GenossInnen den Rätekommunismus (von ihnen manchmal als "Rätismus" bezeichnet) eine "Gefahr". Was ist so gefährlich an diesen Positionen, daß einige LinkskommunistInnen glauben, davor warnen zu müssen?

Eine Broschüre der IKS aus den 80er Jahren gibt uns darauf eine Antwort: "Der Rätekommunismus spiegelt nur die Schwächen der Arbeiterklasse wider. Er ist zunächst eine negative Reaktion; die Klasse schwenk-te über von einer Stufe des blinden Vertrauens in die alten Organisationen -die langsam vom Opportunismus erobert wurden, um schließlich in der Konterrevolution zu verrecken -zu einem Zustand des Mißtrauens gegenüber jeder politischen Organisation. Die rätekommunistischen Tendenzen in Deutschland entsprachen proportional direkt dem naiven Vertrauen, das die in den Räten organisierten Arbeiter im November-Dezember 1918 der Sozialdemokratie entgegen-brachten, welche 3 Jahre lang dann die Arbeiter massakrierte. In Anbetracht dessen, was die Arbeiter nur für einen Verrat der Führer hielten, wobei jede Organisation der das "Gift" der Führer hervorbringt, sprossen die parteifeindlichen und antiautoritären (Antibonzen) Tendenzen hervor. (...) Weil er in einem hochindustriealisierten Land, das ein Schlüsselland für die Weltrevolution war, stattfand, war der Klassenkampf in Deutschland viel charakteristischer für die zukünftige kommunistische Revolution als die, die in Rußland einsetzte. Die rätekommunistischen Reaktionstypen, wo das Proletari-at in den Räten das größte Mißtrauen gegenüber jeder revolutionären Organisation haben wird, sind Reaktionen, der eine revolutionäre Partei mit größter Entschlossenheit entgegentreten muß.

Diese Reaktionen werden um so stärker sein, weil die stalinistische Konterrevolution und das Gewicht der Einheitsparteien in den Ostblockstaaten -neben einem gesunden Mißtrauen der Arbeiter gegenüber den linken Parteien -die Klasse ge-genüber jeder revolutionären Organisation grundsätzlich hat mißtrauisch werden lassen. Solche Reaktionen erklären neben den staatlichen Totalitarismus, der jede revolutionäre Massenorganisation unmöglich macht, den Mangel an militantem, politischem Engagement in der Klasse.

Trotz des sich verstärkenden Einflusses ihrer Positionen und Interventionen, stoßen revolutionäre Militante unweigerlich auf solche Vorurteile wie: "Die Revolution, mit einer Partei, selbst wenn es revolutionäre Parteien sind, führt zur Diktatur". (...) Die revolutionären Organisationen, und die IKS insbesondere, müs-sen sich dessen bewußt sein, daß ihre organisierten Aktionen in den zukünftigen Räten auf Schwierigkeiten stoßen werden. Weil sie in Parteien organisiert sind, werden sie oft nicht mehr das Wort in Versammlungen ergreifen dürfen. (...) Wie es Rosa Luxemburg 1918 erging, kann es sein, daß die Mitglieder der Partei, die keine Arbeiter sind, keine Redeerlaubnis in den Räten erhalten, alles unter dem Vorwand, daß sie keine Arbeiter seien. Die rätekommunistische Gefahr darf deshalb in den Räten nicht unterschätzt werden. In dem Maße wie organisationsfeindliche Ideen überwiegen, kann das Proletariat den schlimmsten Provokationen der Bourgeoisie ausgesetzt sein." (17)

Da hat also die IKS die Katze aus dem Sack gelassen. Die "Gefahr" des Rätekommunismus ist die Selbstorganisation der Klasse, die den Führungsanspruch kleinbürgerlicher Intellektueller zurückweist. Die IKS setzt die Parteifeindlichkeit des Rätekommunismus mit Organisationsfeindlichkeit auf eine Stufe. Das ist Unsinn, weil die Organe der proletarischen Selbstorganisation die O r g a n e d e r R e v o l u t i o n sind, die keine Belehrung der ParteifunktionärInnen bedürfen. Die IKS begibt sich auf das platte Niveau Lenins, der sich eine Revolution ohne Partei einfach nicht vorstellen konnte. Sie malt folgendes Schreckgespenst: Entweder lauschen die ArbeiterInnen den Stimmen selbsternannter "BerufsrevolutionärInnen" oder sie sind der Bourgeoisie hoffnungslos ausgeliefert. Das Gegenteil ist der Fall, die Klasse wird sich nur befreien können, wenn sie hauptamtliche ParteifunktionärInnen unbarmherzig vor die Tür setzt.

Und selbst dann, wenn sie das Format von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg haben sollten, was aber eher unwahrscheinlich ist, weil der Parteimarxismus schon viel zu verfault ist, um solche Persönlichkeiten hervorzubringen. Denn ParteifunktionärInnen gefährden nicht die Revolution aus bösen Willen heraus, sondern aufgrund ihrer objektiven Lage als bürgerliche BerufspolitikerInnen. Wenn die IKS in der sozialen Revolution gegen den Rätekommunismus ankämpft, wird sie zu einer Bremse des Klassenkampfes. Und jämmerlich scheitern! Denn der Rätekommunismus der sozialen Revolution verbindet den gesunden Klasseninstinkt ("Antibonzenstimmung") mit der Methode des historischen Materialismus zu einer gewaltigen Sprengkraft, die nicht nur die Aufsichtsräte der Bourgeoisie und die Parlamente der bürgerlichen PolitikerInnen, son-dern auch die Büros des Parteimarxismus in Schutt und Asche verwandeln wird! Der Rätekommunismus wird jedem "Berufsrevolutionär" einhämmern: D i e s o z i a l e R e v o l u t i o n i s t k e i n e P a r t e i s a c h e !

Nelke

Anmerkungen

(1) Paul Mattick, Karl Kautsky: Von Marx zu Hitler, a.a.O. S. 54.

(2) Paul Mattick, Karl Kautsky: Von Marx zu Hitler, a.a.O. S. 55.

(3) Leo Trotzki, Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale, S. 7.

(4) Leo Trotzki, Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale, S. 15/16.

(5) Was will die SAV in Voran Nr. 220, S. 10.

(6) Revolutionäre Stimmen gegen die bürgerliche Antifaschismus-Kampagne in "Weltrevolution" Nr. 104, Zeitung der IKS, S. 6.

(7) Der holländische Rätekommunist Cajo Brendel: "Hüte Dich vor jedem Mythos!" in Bibliothek des Widerstandes, a.a.O. S. 22/23.

(8) Russische Rätekommunisten im Interview in Bibliothek des Widerstandes, a.a.O., S. 27/28

(9) Revolutionäre Stimmen gegen die bürgerliche Antifaschismus-Kampagne in Weltrevolution,a.a.O.

(10) Charaktermasken des bürgerlichen Nationalismus. a.a.O., S. 11.

(11) Soziale Befreiung Nr. 2, a.a.O., S. 62 und S. 46.

(12) Revolutionäre Stimmen gegen die bürgerliche Antifaschismus-Kampagne in Weltrevolution,a.a.O.

(13) Kein Kuschen vor den Kameraden in "Neues Deutschland" vom 10/11. Januar 2001.

(14) Cable Street Beat im Booklet der Redskinheadsampler-CD Das ZK empfielt: Sun, Sea and Socialism, S. 4.

(15) Zitiert aus "Die Linke gegen die Parteiherrschaft" S. 535.

(16) Leo Trotzki, Bolschewismus und Stalinismus, S. 6.

(17)Die "rätistische" Gefahr in: Die Organisation der Revolutionäre,Broschüre der IKS, 1985, S. 30/31.

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