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Roswitha Reich und die südafrikanische Volksfront

Die Schreiberlinge des Partei"kommunismus" verstehen unter proletarischen Internationalismus oft nur das papageienhafte Nachplappern ausländischer ParteibürokratInnen. Da geht sogar der bürgerlichste und reformistischste Mist durch, der, wäre er von der deutschen PDS gekommen, ziemlich kritisch als "sozialdemokratisch" gegeißelt worden wäre. Diese verbalradikale Kraftmeierei gegenüber der Gysi-Truppe soll natürlich nur davor ablenken, daß auch die meisten deutschen ParteikommunistInnen tief im Schmutz der sozialdemokratischen Tradition stehen. Aber wenn ausländische KommunistInnen eine miese Volksfront-Politik betreiben, unterbleiben ziemlich oft diese verbalradikalen Rituale.

Roswitha Reichs Artikel über "Südafrikas Kommunisten" in "junge Welt" vom 30. Juli 2001 ist so ein unerträgliches reformistisches Papageiengeschwätz. Schon der erste Abschnitt atmet den Geist der bürgerlichen Volksfront. Reich schreibt: "Südafrikas Kommunisten sind heute über die Allianz mit dem Afrikanischen Nationalkonkreß (der ANC, Anmerkung von Nelke) in der Regierungsverantwortung. Immer in vorderster Kampffront gegen Rassismus und Apartheid leisteten sie einen großen Beitrag zur Umwandlung Südafrikas in einen demokratischen Staat. Vor allem in den Jahren des Befreiungskampfes von 1960 bis zur demokratischen Wende 1990 gewann die Partei die Anerkennung des ANC und großer Teile der südafrikanischen Bevölkerung."

Dieser kleine Abschnitt genügt für AnhängerInnen des historischen Materialismus, um zu sehen, daß die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) eine bürgerlich-radikaldemokratische Partei ist. Dazu ist noch nicht mal die rätekommunistische Ablehnung der Parteiorganisation notwendig. Diese materialistische Feststellung ist auch keine moralische Abwertung des persönlichen Mutes vieler KommunistInnen während der rassistischen Apartheid-Ära. Nur, der Sinn einer kommunistischen Organisation besteht darin, für den Kommunismus zu kämpfen. Der ANC, mit dem die KP verbündet ist, setzte aber nur eine schwarz-weiße Elite an Stelle der früheren rassenreinen weißen Elite. Die kapitalistische Ausbeutung von Lohnarbeit geht weiter. Südafrika ist jetzt ein demokratischer Staat, so demokratisch wie die Bonzenrepublik Deutschland. Und die südafrikanische KP gestaltet diese bürgerliche Demokratie mit, wie die PDS in Deutschland.

Wo ist da der Kommunismus? Nach dem Fahrplan der marxistisch-leninistischen LokomotivführerInnen ist der Kommunismus erst mal nicht vorgesehen. Was aber dann? Roswitha Reich klärt uns auf: "Auf der Tagesordnung stand die Transformation in einen nichtrassistischen Kapitalismus, nicht etwa die Umwandlung zum Sozialismus. Die Kommunisten nahmen (und nehmen) an diesem Versuch teil, um die soziale Lage der unterdrückten schwarzen Arbeiter, der arbeitslosen und landlosen Massen zu verbessern und gleichzeitig abzusichern, daß das System von Wirtschaft und Gesellschaft nicht zusammenbrach. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die Allianz, geführt vom ANC mit der SACP (...) harte Zeiten auch von Konfrontation zu bestehen hatte und immer noch durchmacht." Daß "System von Wirtschaft und Gesellschaft", was die SACP so rührend vor dem Verfall rettet, ist übrigens eine Klassengesellschaft. Die "KommunistInnen" regieren sie mit, aber kümmern sich auch ein wenig um die soziale Lage der Ausgebeuteten. Bei der PDS würde das die Junge Welt "Sozialreformismus" oder so ähnlich nennen...

Nein, wir verlangen nicht vom Partei"kommunismus" für die soziale Revolution zu kämpfen. Das kann er objektiv gar nicht, da die soziale Revolution keine Parteisache ist. Bisher kam in der Geschichte des Partei"Kommunismus" bei seinem Versuch revolutionär zu sein höchstens bürokratischer Putschismus dabei heraus. Nein, wir verlangen von keiner KP auf dieser Welt irgend etwas. Wir legen nur ihren jeweiligen bürgerlichen Charakter offen. Die SACP-Führung ist Teil der berufspolitischen Elite, die soziale Revolution wird sich auch gegen sie richten. Die südafrikanischen "KommunistInnen" sind bürgerliche AntikommunistInnen!

Auch der verbale Einsatz für einen "nichtrassistischen Kapitalismus" ist utopisch-in der sozialen Wirklichkeit der Klassengesellschaft läßt sich so etwas "schönes" leider nicht verwirklichen.Daß sich der Parteikommunismus opportunistisch an das bürgerliche Bewußtsein der Klasse in nichtrevolutionären Zeiten anpaßt und die ParteibürokratInnen oft selbst bürgerliche SpießerInnen mit den unglaublichsten Vorurteile sind, ist nichts neues. Die SACP vertrat am Anfang einen weisen Rassismus, tauschte diesen aber später gegen einen schwarzen Nationalismus um.

Der Rassismus hatte übrigens in der südafrikanischen weißen ArbeiterInnenbewegung eine lange Tradition, wie Roswitha Reich berichtet: "Sozialistische und kommunistische Ideen wurden nach Südafrika hauptsächlich durch weiße, aus Großbritannien für die Goldbergwerke angeheuerte, hochqualifizierte Bergbaufacharbeiter gebracht. Das war von Anfang an eine elitäre Arbeiterschaft, die sich weit über der Masse der schwarzen Arbeiter stehend wähnte. Sie kämpfte um soziale Rechte und Schutz vor Arbeitslosigkeit -für sich. Und sie setzte Regularien durch, die sicherstellten, daß fachlich anspruchsvolle Arbeiten und entsprechend höhere Löhne den Weißen vorbehalten blieben.

Aber auch die weißen Arbeiter mußten um ihre Löhne hart gegen die Bergwerkseigentümer kämpfen. Ihre Gewerkschaften vertraten radikale sozialistische Ideen, die aus der linken Labbourbewegung kamen. (...)

Der Glaube an die weiße britische, den Schwarzen vermeintlich weit überlegene "Rasse" war tief in dieser Elitearbeiterschaft verwurzelt, die im übrigen aus der Enttäuschung über den Opportunismus der Labour-Partei die Kommunistische Partei formte. Was für ein Widerspruch tat sich da auf: Die weißen Arbeiter kämpften für die sozialistische Eigentümerschaft an Produktionsmitteln auf Kosten der Unterdrückung der schwarzen Kollegen!

Das zeigte sich besonders drastisch während des großen Bergarbeiterstreiks von 1922. "Arbeiter, vereint euch für ein weißes Südafrika", hieß es damals auch auf Spruchbändern der Kommunisten. Sympathiebekundungen für die Streikenden aus den Reihen der schwarzen Arbeiterschaft stießen bei der weißen Streikführung auf völliges Unverständnis. Als die schwarzen Arbeiter in Solidarität mit ihren weißen Kollegen ebenfalls die Arbeit niederzulegen begannen, holte die Streikleitung die Polizei und zwang die Klassengenossen weiter zu arbeiten. Der Streik wurde dann mit Militärgewalt vom Regime unterdrückt. David Ivon Jones und drei andere weiße Arbeiter wurden für diesen Streik zum Tode verurteilt und gehängt. Sie sangen das Lied von der Roten Fahne, als sie zum Galgen geführt wurden."

Rassismus und Nationalismus sind die gefährlichsten bürgerlichen Ideologien innerhalb der ArbeiterInnenklasse. Gegen diese müssen KommunistInnen immer wieder agitieren, bis sie durch den gemeinsamen Klassenkampf zwischen schwarzen und weißen ArbeiterInnen überwunden werden. Übrigens ist das Eintreten für einen Staatskapitalismus und rassistische Vorurteile bei den ParteibürokratInnen kein Widerspruch: beides beruht auf der sozialen Deklassierung von Menschengruppen. Der weiße Rassismus wurde bekanntlich auch in der SACP überwunden, doch leider nicht durch den proletarischen Internationalismus, sondern vom leninistischen (schwarzen) Befreiungsnationalismus. Dieser war aber nur ein Übergangsstadium zur bürgerlichen Volksfrontpolitik heutiger Tage.

Roswitha Reich schrieb über diesen Prozeß: "Nur langsam wuchs in der Kommunistischen Partei die Einsicht, das mit den entrechteten schwarzen Arbeitern eine Basis des Zusammengehens gefunden werden muß. Bill Andrews, ein weißer Bergmann, spielte dabei eine herausragende Rolle. Er wurde später Vorsitzende der Kommunistischen Partei und behielt diesen Posten bis zu seinem Tode nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Partei begann, schwarzen Arbeitern Lesen und Schreiben und dann in Abendschulungen politische Bildung zu vermitteln. Viele Veteranen des afrikanischen Nationalismus, die später bekannte ANC-Führer wurden, wie Moses Kotane oder J. B. Marks, haben über diese Kurse ihre erste Schulbildung erworben. Diese kostete sie im Gegensatz zu den Missionsschulen nichts, und sie war für erwachsene Arbeiter ausgelegt. Schon bald hatte die Partei mehr schwarze als weiße Mitglieder. Nun stießen Mitglieder der indischen Minorität zur Partei und nahmen dank ihrer meist guten Schulbildung rasch führende Positionen ein. Über die Zusammenarbeit weißer und schwarzen kommunistischer Arbeiter entstanden auch die ersten schwarzen, über viele Jahre illegalen Gewerkschaften.

Moses Kotane fühlte sich schon in den zwanziger Jahren von der Partei angezogen. Er sah aber klar, daß die Partei, wenn sie die Avantgarde der arbeitenden Klasse werden wollte, die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der schwarzen Arbeiter angehen müsse. Sie müßte den Massen der Arbeiterschaft, die ja schwarz waren, und nicht nur den wenigen weißen Arbeitern etwas Grundlegendes zu sagen haben. Kotane unterstrich die Notwendigkeit der nationalen Befreiung. Er schrieb 1934 dazu einen Brief an die Parteiführung. , der als Brief aus Cradock (einer kleinen Stadt in der Ostkapprovinz) in die Parteigeschichte einging. Die Komintern empfahl der Kommunistischen Partei Südafrikas dringend, sich den Kampf für eine "schwarze Republik" zum Ziel zu setzen und der Leninschen Analyse über den nationalen Befreiungskampf zu folgen.

Das führte zu harten Auseinandersetzungen mit denjenigen, die den Klassenkampf für wichtiger ansahen. Es gab eine Welle von Parteiausschlüssen und Austritten. Erst 1960, als die Partei bereits verboten war, definierte das Programm die Beendigung der nationalen Unterdrückung eindeutig als erste Etappe beim Aufbau des Sozialismus. Die Partei hatte sich dazu durchgerungen, daß die Wirklichkeit der nationalen Unterdrückung das Hauptelement bei der Ausbeutung der schwarzen Arbeiter und damit auch der hauptsächliche politische Widerspruch in Südafrika war."

Was für ein Unsinn! Die "nationale Unterdrückung" war nur eine Verschleierung der sozialen Ausbeutung der schwarzen LohnsklavInnen. Die "schwarze Republik", die ja jetzt dank der aktiven Mithilfe der KP-Bürokratie, ins Leben getreten ist, nutzte vor allen Dingen schwarzen nationalistischen Eliten, die gemeinsam mit der vorwiegend weißen Bourgeoisie die weißen und schwarzen ArbeiterInnen ausbeutet. Die KP-Bürokratie ist Teil dieser Elite.

Roswitha Reichs Artikel entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik. Während die KP zum linken Flügel der südafrikanischen Bourgeoisie wurde, hiel sie tapfer an ihrem Namen fest. Für Roswitha Reich ein Beispiel für Klassenbewußtsein. Sie schrieb: "Nach der ersten Parteikonferenz drehte sich die Debatte auch um den Namen der Partei. Noch immer auf der Linie europäischen Denkens beriet auch die südafrikanische Parteiführung darüber, ob man sich nicht demokratische Sozialisten nennen sollte. Die vielen neuen, jungen Mitglieder der Partei lehnten den Zusatz demokratisch kategorisch ab. Für die Generation des Soweto-Aufstandes von 1976 waren Kommunismus und Demokratie immer eine Einheit gewesen! Sie argumentierten, daß Kommunismus schon von seiner Natur her in einer Weise demokratisch sei, wie es der Kapitalismus als System niemals sein könne. Kommunismus, der nicht demokratisch sei, sei kein Kommunismus. Sie wollten den kapitalistischen Medien in Südafrika, die jetzt das Wort demokratisch gegen kommunistisch strapazieren, nicht erlauben, der Partei ihren Namen zu diktieren. Sie sahen in dem Vorschlag des ZK ein Zurückweichen vor der Bourgeoisie, ein Kleinbeigeben zugunsten des Klassenfeindes. So blieb der Name SACP unverändert bestehen."

Die bürgerliche Politik der SACP übrigens auch. Noch mal kurz zur Frage der Demokratie: Partei"Kommunismus" ist sowohl mit staatskapitalistischer Parteidiktatur als auch mit bürgerlicher Demokratie vereinbar, aber mit proletarischer Rätedemokratie absolut unvereinbar! Nelke

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