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Letzte Aktualisierung am 14.02.2004

 

 

H. (FAU-Bremen)

Zwischen Reform und Revolution

Die Stellung der Freien Arbeiter Union Deutschlands zur Betriebsrätefrage 

[aus: direkte Aktion Nr.157]

Die Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) stellte zu Beginn der Zwanziger Jahre eine Massenbewegung mit über 100.000 Mitgliedern dar. Ihren Prinzipien nach stand sie „auf dem Boden der direkten Aktion und unterstütz(t)e alle Bestrebungen und Kämpfe des Volkes, die mit ihren Zielen – der Abschaffung der Wirtschaftsmonopole und der Gewaltherrschaft des Staates nicht im Wiederspruch“ standen. Die Syndikalisten der FAUD hatten es sich zur Aufgabe gemacht, sich unter den vorherrschenden Bedingungen der Staats- und Klassenherrschaft bereits so zu organisieren, dass nach einem erfolgreich abgeschlossenen Generalstreik die Betriebe direkt von den Belegschaften übernommen werden und in Eigenregie weitergeführt werden konnten. Die kapitalistische- sollte in eine bedürfnisorientierte Wirtschaft umgestaltet werden. Der Staat als politisch-zentralistische Regulierungs- und Verwaltungsmaschinerie zur Kontrolle Gesellschaft sollte zugunsten dezentraler kommunaler Selbstverwaltungseinheiten aufgelöst werden. Das beinhaltete auch die Abschaffung sämtlicher Stellvertreterinstanzen, welche es zur Aufgabe hatten, zwischen Klasseninteressen zu vermitteln. Dazu zählte das durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1920 institutionalisierte Betriebsrätesystem. Dieses gestand der Arbeiterschaft gewisse Rechte der Mitbestimmung zu, bestätigte jedoch gleichzeitig die Eigentumsverhältnisse gegenüber den Produktionsmitteln zugunsten der Kapitalisten. Der Burgfriedenspolitik der Sozialdemokratie auf internationaler Kriegsebene wurde hier das entsprechende innenpolitische Modell auf Betriebsebene entgegengestellt: Die Arbeiterschaft verzichtet auf betriebliche und gesellschaftliche Selbstverwaltung und wahrt über Betriebsräte den Betriebsfrieden und damit den Status quo.

Grundsätze der FAUD

Während die marxistischen Arbeiterorganisationen sich sofort an den Betriebsratswahlen beteiligen (sie erklärten die Eroberung der politischen Macht zu ihrer Maxime), erklärte sich die Mehrheit der FAUD dagegen:

„Die Arbeiterräte, aus der Revolution geboren, sollten ein Herrschaftsinstrument der werteschaffenden Arbeit sein. Aber die Revolution hat nicht zur Beseitigung der Herrschaft des Kapitals geführt; die wirtschaftliche und politische Macht ist bei den Besitzenden geblieben. Kapital und Staat können mit revolutionären Arbeiterräten nicht unterhandeln, denn jene sind Feinde der sozialistischen Arbeit. Kapital und Staat lassen nur Arbeiterausschüsse zu , die jetzt Betriebsräte genannt werden. Der Betriebsrat hat nicht Arbeiterinteressen allein zu vertreten, sondern Betriebsinteressen. Und da die Betriebe Eigentum des Privat- oder Staatskapitals sind, müssen sich die Arbeiterinteressen den Interessen der Ausbeuter unterordnen. Daraus ergibt sich, dass der Betriebsrat für die Ausbeutung der Arbeiter eintreten und sie zum ruhigen Fortarbeiten als Lohnsklaven anhalten muß. Die Betriebsräte sind daher nicht Herrschafts- sondern lediglich Verhandlungsinstrumente der Arbeiter. Die sozialdemokratischen Arbeiter können sich an den Betriebsräten beteiligen, denn ihre Klassenkampfwaffen sind die des parlamentarischen und gewerkschaftlichen Unterhandelns. Die syndikalistischen Arbeiter können sich an den Betriebsräten nicht beteiligen, denn sie wollen den Klassenkampf geführt wissen durch Entziehung oder Einschränkung der Arbeitsleistung. Die syndikalistischen Kampfmittel sind mit den Aufgaben des Betriebsrates unverträglich.“[1] Der Betriebsrat vertrete Betriebsinteressen, keine Klasseninteressen, so lässt sich die Kritik auf den Punkt bringen.

Ergebnisse der Kandidaturen

In der Praxis beteiligten sich jedoch nicht wenige FAUD- Organisationen an den Betriebsratswahlen, besonders in Rheinland- Westfalen als FAUD (Anarcho-Syndikalisten) aber auch als FAU (Gelsenkirchener Richtung), welche hauptsächlich die Bergarbeiterschaft organisierte, der FAUD bereits ein Jahr später den Rücken kehrte und sich als „Union der Hand- und Kopfarbeiter“ (UdHuK) neu organisierte. Diese Abspaltung hatte dann auch bei den Betriebsrätewahlen deutlich die Nase vorn, da die FAUD in dieser Frage keine Einigkeit erzielen konnte. Die FAUD kandidierte für den Ruhrbergbau  nur in einigen Städten. Die Ergebnisse lauteten insgesamt wie folgt:[2]

1920 (vor der Spaltung): 27 %, 1921: UdHuK 26 %; FAUD 4,7 %, 1924: UdHuk 34,3 %; FAUD 7,3 % 1925: UdHuK 29,1 % ; FAUD 3%

Das Betriebsrätegesetz förderte gezielt diejenigen Arbeiterorganisationen, welche nicht auf dem Boden der Arbeiterselbstverwaltung standen, sondern zentralistische Organisationsmerkmale aufwiesen, welche die Emanzipation der Arbeiterklasse unterminieren sollten: die marxistischen Arbeiterorganisationen von SPD und KPD, deren Betriebsgruppen den innerpolitischen Parteiinstanzen untergeordnet waren. Ausserhalb der Betriebsräte hatte die FAUD es mit nur wenigen Mitgliedern in einem Betrieb nicht durchsetzen können, auf Betriebsversammlungen zu sprechen oder durch FAUD- Mitglieder im Betriebsrat, die Belegschaft mit Agitationsmaterial (gegen die Zentralgewerkschaften) zu versorgen.

Den Hintergrund zu solchen Überlegungen begründete die Tatsache, dass die FAUD den größten Teil ihrer Anhängerschaft den revolutionären Nachkriegsverhältnissen und einer hernach radikalisierten, ideologisch diffusen, sich an marxistischen Ideologemen und nur kurzfristig an die FAUD orientierenden Industriearbeiterschaft zu verdanken hatte, die bis zur Stabilisierung der Republik von Weimar etwa 4/ 5 der Gesamtmitgliedschaft stellte. Dazu zählte auch die FAU (Gelsenkirchener Richtung) mit etwa der Hälfte der reichsweiten FAUD- Mitgliederschaft ! Im Zuge der letzten verlorengegangenen revolutionären Kämpfe (Ruhrkampf 1920, Mitteldeutscher Aufstand 1921) wandten sich viele Mitglieder, statt wie früher in die Kirche einzutreten, desillusioniert den heilversprechenden Arbeiterparteien zu, statt weiterhin auf ihre eigene Kraft zu vertrauen. Die FAUD erlebte ab 1921 einen rapiden Mitgliederrückgang innerhalb dieser wenig von anarcho-syndikalistischen Prinzipien durchdrungenen Industriearbeiterschaft (innerhalb nur eines Jahres von insgesamt etwa 150.000 auf zunächst etwa 80.000). Auf betrieblicher Ebene wurde die FAUD somit bis auf wenige Ausnahmen (beispielsweise bei den Fliesenlegern oder im Bergbau) völlig marginalisiert. Um nun aus reiner Prinzipientreue den Zug nicht ganz abfahren zu lassen, zeigte der 15. Reichskongress der FAUD von 1925 (mit inzwischen nur noch etwa 25.000 Mitgliedern) gegenüber den sich an den Betriebsrätewalen beteiligenden FAUD Betriebsgruppen eine große Toleranz. Dieses Feld wurde jedoch bereits erfolgreich besetzt, so dass die FAUD bei den folgenden Betriebsrätewahlen (die UdHuK hatte sich inzwischen zugunsten der KPD aufgelöst) im Ruhrbergbau diese Ergebnisse erzielte: 1926 2,9 %, 1927 2 %, 1928 1,8% 1929 1,1 %, 1930 1,5 % und 1931 0,6 %.[3]  Ebenso rückläufig war die Anzahl der Betriebsräte der FAUD im Bezirk Essen des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV): 1925: 35 FAUD- Betriebsräte, 1928 13 und 1931 2.[4]

Ab 1925 richtete sich die FAUD aufgrund des Abflauens unmittelbarer revolutionärer Bestrebungen innerhalb der Arbeiterschaft mehr auf die unmittelbaren Interessen, als auf die Propagierung anarcho-syndikalistischer Ideen aus. Der Kongress des selben Jahres formulierte folgendes: „War unsere Organisation in den letzten Jahren, im Gegensatz zur Prinzipienerklärung, fast nur eine Ideenbewegung, so muß nunmehr der schon früher eingeschlagene Weg wieder beschritten werden: zu arbeiten an der umfassenden Organisierung und Durchsetzung der Interessen des Proletariats (...) mögen diejenigen, die durch eine Belegschaftsmehrheit dazu gedrängt werden, eine Beteiligung verantworten; sie glauben, auf diesem Wege von der bloßen Negation zur Teilnahme am Klassenkampf und zur Ausbreitung der Idee kommen zu können. Die Bewegung wird solche Experimente ertragen, auch wenn die Form des gesetzlichen Betriebsrates in solchem Falle nicht die geeignete ist (...) Uns eint der Wille zur Hebung der Werbe- und Stoßkraft der Organisation; und zu diesem Ziele kann, auch wenn die Betriebsrätebeteiligung mit unseren Prinzipien zu vereinbaren wäre, diese Beteiligung keinesfalls der einzige Weg zur Gewinnung größerer Gruppen sein. (...) agitatorische Wirkungsmöglichkeiten sind hier den vereinzelten nicht gegeben durch Teilnahme an Institutionen, die große gegnerische Organisationen für sich benutzen, sondern durch intensive Kleinarbeit. Diese gründlich zu diskutieren, systematisch neu zu organisieren und zu betätigen, hat der eigentliche Inhalt der Wendung im Kurs der Organisation zu sein.“[5] Die Betriebsrätefrage sei aufgrund dessen als Nebenfrage zu behandeln.

Doch zeigten sich nicht nur die Resonanz auf die FAUD- Betriebsratskandidaturen Rückläufigkeit; auch die FAUD verzeichnete einen stetigen Mitgliederrückgang von etwa 25.000 (1925) auf knapp 10.000 im Jahre 1930.[6]  Auf dem 18. Kongress der FAUD von 1930 hieß es unter III. Beschlüsse zu den Aufgaben der Ortsgruppen nur noch lapidar: „Der Kongress beschließt, den Mitgliedern zu empfehlen, sich an den Betriebsräten zu beteiligen.“[7]

Bei der Frage um die Beteiligung an den Betriebsrätewahlen handelte es sich um eine rein pragmatische Angelegenheit zur besseren Agitation und Propagierung anarcho-syndikalistischer Ideen bei Wahrung der anarcho-syndikalistischen Prinzipien der direkten Aktion und des Generalstreiks.

Möglicher Kompromiss

In einer Resolution zur Betriebsarbeit zum 19. Kongress der FAUD Ostern 1932 hieß es:

a) Betriebsräte

„Erhöhte Aufmerksamkeit ist auf die Betriebsarbeit zu legen. Die Klassenkampfaktionen des Proletariats haben ihre Aktionsbasis in den Betrieben. Von hier aus ist die Steigerung des syndikalistischen Einflusses zu organisieren. Die Gewinnung der Arbeitermassen für die FAUD kann aber nur das Ergebnis der Tätigkeit in den Massen sein. Aus diesem Grunde schließt sich die FAUD nicht hermetisch von den Massen der Arbeiterklasse ab, sondern benutzt die einzelnen Formen der wirtschaftlichen Betätigung der Arbeiter, um an dieselben heranzukommen.  Besonders wichtig ist die Betriebsfunktion, der Betriebsrat. Die FAUD beteiligt sich an den Wahlen zu den Betriebsräten, um den Einfluß der reformistischen, der wirtschaftsfriedlichen, der politischen und faschistischen Gegner zu brechen. Zugleich sieht sie in der Beteiligung an den Betriebsrätewahlen propagandistische Möglichkeiten, die voll ausgeschöpft werden müssen, um den Masseneinfluß der FAUD zu verstärken. Neben den rein praktischen Aufgaben, die in der radikalen Wahrnehmung der Interessen der Arbeiterklasse liegen, weist die FAUD ihren Betriebsräten und Betriebsratsmitgliedern die Verpflichtung zu, alle nur erdenklichen Maßnahmen propagandistischer und organisatorischer Natur zu treffen, die geeignet sind, die Radikalisierung der Arbeitermassen im Sinne der anarcho-syndikalistischen Klassenkampftaktik zu beschleunigen. Die Betriebsräte haben die Pflicht, ihrer Ortsgruppe ständig über alle getroffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten. Die Ortsgruppe wacht über die Haltung der Betriebsräte und trägt Sorge, dass sich die Tätigkeit derselben mit der prinzipiellen und taktischen Einstellung der FAUD in Uebereinstimmung befindet. Des weiteren ist sie verpflichtet, periodisch an die zuständigen Föderationen und Arbeitsbörsen zu berichten. Stärksten Anteil an der Betriebsarbeit müssen auch die Arbeitsbörsen nehmen. Sie sind gehalten den Betriebsräten Material an die Hand zu geben und laufend Zusammenkünfte zu organisieren, auf denen die Linie der Betriebsarbeit beraten wird, und bei welchen die Betriebsräte ihre gewonnenen Erfahrungen austauschen. Bei den Betriebsrätewahlen sollen die Ortsgruppen und Betriebszellen tunlichst eigene Listen aufstellen. Dabei ist nicht unbedingte Voraussetzung, dass die FAUD starke Betriebszellen besitzen muß, um mit Erfolg an den Betriebsrätewahlen teilnehmen zu können. Vielmehr hat die Betriebsrätepraxis der FAUD bewiesen, dass auch Einzelne einen nicht unbedeutenden Einfluß mit Hilfe der Sympathisierenden auf solche Wahlen ausüben können. Für die Propaganda muß in solchen Fällen die Ortsgruppe oder die zuständige Arbeitsbörse die notwendigen Kräfte stellen. In besonders gelagerten Fällen bei den Betriebsrätewahlen bleibt es den Ortsgruppen und Betriebszellen überlassen, mit anderen revolutionären Organisationen Einheitslisten aufzustellen. Dabei sind vorher alle Möglichkeiten zu erwägen. Die Politik der Betriebsräte muß sich besonders gegen alle Illusionen wenden, die den Arbeitern von Gewerkschaften, Parteien, Werkvereinen und Stahlhelm- und Nazigruppen gemacht werden.

b) Betriebsvertrauensleute

Neben den Betriebsräten ist die Wahl von Betriebsvertrauensleuten notwendig, sobald innerhalb eines Betriebes eine anarcho-syndikalistische Betriebszelle besteht. Diese Betriebsvertrauensleute wachen über die Tätigkeit des Betriebsrates und stellen die Verbindungsleute zwischen dem Betrieb und der Organisation dar. Ihre Aufgabe ist es, Maßnahmen in den Betriebs- und Abteilungsversammlungen zur Sprache zu bringen, welche die Betriebsräte nicht zur Sprache bringen können. Wo syndikalistische Betriebsräte oder Betriebsratsmitglieder nicht vorhanden sind, ist es Aufgabe der Vertrauensleute, alle propagandistischen Möglichkeiten voll auszunützen und die Verbindung mit der Ortsgruppe aufrecht zu erhalten. Im übrigen erwächst den Betriebsvertrauensleuten in diesem Falle die gleiche Pflicht in Hinsicht auf Berichterstattung etc. wie den Betriebsräten. Wo nur einzelne Mitglieder beschäftigt sind, müssen sich diese als Vertrauensleute betrachten.

c) Betriebszellen

Alle in einem Betriebe beschäftigten Mitglieder der FAUD haben die Pflicht, sich zu einer organischen Einheit, zu einer Betriebszelle zusammenzuschließen. Ausschlaggebend ist für die Betriebszelle der Betrieb, nicht die berufliche Tätigkeit. Die Betriebszelle sammelt aus den verschiedenen Abteilungen alles wichtige Material über Auftragsbestand, Mitgliederstärke und Mitgliederbewegung der gegnerischen Organisationen und Maßnahmen, die  sie treffen wollen. Sie wählt die Betriebsvertrauensleute und berät alle Maßnahmen zur propagandistischen Bearbeitung und organisatorischen Erfassung der Betriebsarbeiter. Sie muß vor den Versammlungen der Belegschaft oder der Betriebsabteilungen zusammentreten, die Verhandlungsgegenstände prüfen, und wenn nötig, Beschlüsse über dieselben fassen. Sie bestimmt die Redner und Antragsteller und tritt in den Versammlungen geschlossen auf. Ihr besonderes Augenmerk haben die Betriebszellen auf den Vertrieb von Literatur der FAUD und auf die Kolportage der Zeitung zu legen. Wo Werkkontrolle die Kolportage erschwert oder verhindert, ist durch die Betriebszellen dafür Sorge zu tragen, dass die Kolportage vor dem Betrieb an geeigneten Stellen vor sich geht. Das in den Zellenversammlungen zusammengetragene Material ist der Ortsgruppe und von dieser den Börsen und Föderationen, je nach seinem Wert zuzuleiten. Besonderes Gewicht aber haben die Betriebszellen auf eine regelmäßige Berichterstattung an die Zeitung zu legen. Wenn nur irgend angängig, muß die Betriebszelle einen Betriebskorrespondenten bestellen.“[8] Zur Umsetzung dieser Resolution dürfte es nur noch in ganz wenigen Fällen gekommen sein. Die ab März 1933 einsetzende Illegalität machte diese Vorhaben dann zunichte.

Nach 1945

Anders gestaltete sich die Angelegenheit nach dem zweiten Weltkrieg, als zwar eine anarchistische Nachkriegsorganisation, die Föderation freiheitlicher Sozialisten (FFS) geschaffen wurde, die meisten der ehemaligen FAUD- und nunmehrigen FFS- Mitglieder sich jedoch in der SPD, den DGB- Gewerkschaften, den Gemeinde- und natürlich in den Betriebsräten organisierten, um dort als Vorbildfiguren im Sinne föderalistisch-anarchistischer Ideen tätig zu sein.[9] Es ist daher falsch, daraus voreilige Schlüsse ziehen zu wollen (etwa der Art, die besten Anarcho-Syndikalisten hätten ihre Überzeugungen über Bord geschmissen oder seien den Lockungen der Herrschenden unterlegen – korrumpiert worden), ohne sich vorher mit der Geschichte der SPD- Opposition vor 1914 und der Entwicklung des separaten Anarcho-Syndikalismus von 1918 bis 1933 auseinandergesetzt zu haben.[10]

Die vollständige Marginalisierung nach 1945 leitete innerhalb der „Restbewegung“ den Trend ein, sich die Tatsache vor Augen zu halten, dass die anarchosyndikalistische Bewegung einerseits aus den gleichzeitig in der sozialdemokratischen Partei organisierten Mitgliedern der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVDG) wie andererseits aus der ebenfalls in der SPD organisierten „Opposition der Jungen“ hervorgegangen ist, sich also Anarchisten, wie Syndikalisten zunächst innerhalb der Sozialdemokratie organisierten, und dort erfolgreich für die Ideen des Anarchismus, wie des Syndikalismus wirken konnten. Erfolgreich in dem Sinne, dass diese Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie sich nach dem Krieg außerhalb der Parteiapparate zu einer Synthese aus Anarchismus und Syndikalismus in Form der FAUD zu einer Massenorganisation mit fester programmatischer Grundlage weiterentwickeln konnte. Es lag also nahe, sich im Falle einer dauerhaften Stagnation als separate Bewegung auf die Ursprünge der Bewegung zurückzubesinnen und z.B. in der Frage von Tarifverträgen, Betriebsräten oder auch Parteimitgliedschaften gewisse Kompromisse einzugehen, sich im kulturellen Bereich jedoch weiterhin als eigenständige Organisation zu konstituieren. Wie wir heute wissen, erreichte der Nachkriegsanarchismus keine weitere Bedeutung, und geriet, wie die FAUD auch, in Vergesssenheit.

Ausblick

In Anbetracht der Tatsache, dass der Anarcho-Syndikalismus seit den fünfziger Jahren an Bedeutung sogar noch weiter abnahm, hat die hier aufgeworfene Frage an Aktualität nicht abgenommen. Auch die FAU bewegte sich seit ihrer Gründung 1977 im Spannungsfeld zwischen separater, teilseparater oder rigoros prinzipientreuer Praxis, was nicht nur die hohe Fluktuation, sowie Stagnation ihrer Mitgliedschaft deutlich macht, sondern auch das Fehlen aktueller zeitgemäßer Strategiepapiere in betrieblich-perspektivischer Hinsicht, welche für eine proletarische Klassenkampforganisation unentbehrlich sind und welche bei der FAUD, wenngleich bei praktischer Erfolglosigkeit, immerhin noch vorhanden waren.

Bis vor wenigen Jahren war innerhalb der FAU noch nicht mal ein Trend hin zu einer betrieblichen Interessensorganisation zu erkennen gewesen. Um aber überhaupt zu Fragen nach Betriebsräten und Tarifverträgen Stellung nehmen zu können, bedarf es erst mal betrieblicher Praxis und eben der Einsicht, dass man als reine Kulturorganisation keine Gewerkschaft darstellt. Die Stagnation der FAU seit 1977 hat eben sehr viel damit zu tun, dass sich die Mitglieder in zwei Richtungen polarisierten: Die einen, sahen die FAU als Organisationsmöglichkeit an, abseits von den DGB- Gewerkschaften Betriebsarbeit zu leisen. Die anderen sahen in der FAU lediglich eine Möglichkeit, einer diffus anarchistisch orientierten, oder einer gerade modischen sozialen Bewegung einen Organisationsrahmen zu verpassen. Die FAU hat sich in dieser Frage nie entschieden. Stattdessen gab es immer wieder kraftraubende Reibungen zwischen Verfechtern der FAU als Ideenorganisation und denen, die der FAU als einer Interessensorganisation das Wort redeten. Die momentane Entwicklung verzeichnet einen Trend hin zur Betriebsarbeit, also zur eigentlichen Basis anarcho-syndikalistischer Organisation. Erst wenn es gelingt, in den Betrieben eine Basis zu schaffen, und die Einflüsse der Neoanarchisten (Autonome u.a.), sowie Marxisten (z.B. ex K- Grüppler aller Art) in ihre Schranken zu verweisen, erwächst aus der FAU eine Gewerkschaft, die diesen Namen auch verdient hat. Die FAU sollte nicht Spielball irgendwelcher sozialen Bewegungen, sondern Ausdruck proletarischer Selbstorganisation mit eigener Geschichte, mit eigenen Grundsätzen und mit zeitgemäß anarcho-syndikalistischer Perspektive sein. Nur dann, mit einem eigenen Profil wird es ihr gelingen, für diejenigen Personen attraktiv zu sein, die gewerkschaftliche Arbeit auch als die originäre Aufgabe einer Gewerkschaft verstehen und sie der politischen Arbeit (z.B. in Parteien) vorzieht, da sie begriffen haben werden, dass eine grundsätzliche Veränderung wirtschaftlicher wie politischer Verhältnisse nicht auf der Straße (z.B. durch Demonstrationen) oder im Parlament, sondern nur von der ökonomischen Basis aus erfolgen kann. Auch Kulturarbeit kann nicht außerhalb syndikalistischer Organisierung geleistet werden, da der Syndikalismus einen festen Teil unserer Kultur darstellt. Anarchismus und Syndikalismus sind in der FAU also nicht zu trennen – sie bedingen einander: Betriebsarbeit findet auf anarchistischer Grundlage statt/ Kulturarbeit findet auf syndikalistischer Grundlage statt. Andere Tätigkeit ist keine anarcho-syndikalistische. Wie steht es also um die Fragen, FAU- Mitglieder als Betriebsräte einer Kontrolle der Ortsgruppen oder Föderationen zu unterstellen, oder die Beteiligung an Betriebsräten kategorisch und für alle Ortsgruppen und Syndikate abzulehnen ? Die Frage wird erst dann angemessen beurteilt werden können, wenn 1. die Mitglieder der FAU mehrheitlich (auch wirklich, nicht nur als Lippenbekenntnis !) davon überzeugt sind, dass die FAU eine Gewerkschaft (gleichermaßen eine Ideen- als auch eine Interessenorganisation) darstellen sollte und 2. die betriebliche Arbeit einen höheren Stellenwert erhält als bisher.

Erst in einer vielfältigen praktischen Auseinandersetzung mit betrieblichen Realitäten können wir ermessen, welche Wege wir für den Aufbau einer anarcho-syndikalistischen Massenorganisation einschlagen müssen. Damals wie heute.[11]

H. (FAU- Bremen)

 

[1] „Der Syndikalist“, Nr. 36 vom 16. August 1919: „Betriebsräte und Syndikalismus“ von Karl Roche

[2] Angaben nach: Hans Manfred Bock: Anarchosyndikalismus in Deutschland. Eine Zwischenbilanz, in: IWK, Nr. 3 1989

[3] ebd.

[4] Klan/ Nelles: Es lebt noch eine Flamme“, Grafenau 1990

[5] Protokoll über die Verahndlungen vom 15. Kongreß der Freien Arbeiter Union Deutschlands (A.S.), S. 74 f.

[6] Eine graphische Darstellung der Mitgliederentwicklung der FAUD findet sich bei Hartmut Rübner: Freiheit und Brot, S. 22 und 58.

[7] Protokoll über die Verhandlungen  des 18. Kongresses der Freien Arbeiter- Union Deutschlands (A.-S.), S. 22 und 83

[8] „Debatte“, Diskussionsorgan zur Vorbereitung des 19. Kongresses der FAUD. (A.S.), Mitteilungsblatt der GK, Berlin 27. Februar 1932, Nr. 7

[9] Diesen Weg schlugen etliche hervorragende Anarcho-Syndikalisten ein, wie z.B. Franz Gampe (Nürnberg), Karl Dingler (Göppingen), Carl Preiss (Ulm), Max Hilse (Bremen) oder Wilhelm Schroers (Delmenhorst).

[10] Bisher gibt es keine monographischen Darstellungen von der „Opposition der Jungen“ oder der FVDG. Brauchbare Beschreibungen befinden sich jedoch bei: Rudolf Rocker: Aus den Memoiren eines Deutschen Anarchisten, Peter Wienand: Der ‚geborene’ Rebell, Hartmut Rübner: Freiheit und Brot, Angela Vogel: Der deutsche Anarcho-Syndikalismus. Diese Werke geben ebenso Auskunft über die Entwicklung der FAUD in der Weimarer Zeit, wie auch: Ulrich Klan/ Dieter Nelles: Es lebt noch eine Flamme oder Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus. Über die Neukonstituierung einer anarchistischen Nachkriegsorganisation, der FFS, mit der zentralen Fragestellung Anarcho-Syndikalistische Gewerkschaft Ja oder Nein ? gibt Auskunft: Hans Jürgen Degen: Anarchismus in Deutschland 1945 – 1960.

[11] Sehr zur Anschaffung empfehlen möchte ich hier Wolfgang Däubler: „Einführung in das Arbeitsrecht“

 

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aus:

"Der Syndikalist" Nr.49, 1925