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Aktualisierung am 14.02.2004
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Rudolf Rocker
Der Syndikalismus und seine Aufgaben
(aus "Der Syndikalist" Nr.41 - 1924)
Der revolutionäre Syndikalismus ist eine
Klassenbewegung und steht als solche auf dem Boden des revolutionären
Klassenkampfes und der direkten Aktion. Seine Aufgabe ist eine doppelte: Er ist
einerseits bestrebt, die Lage der Arbeiter innerhalb der kapitalistischen
Gesellschaftsordnung so günstig wie möglich zu gestalten und durch die
Anwendung revolutionärer Kampfmittel wie Streiks, Boykott, Sabotage usw. die
Arbeit gegen die Anschläge der Ausbeuter und des Staates zu schützen.
Andererseits betrachtet er es als seine vornehmste Aufgabe, eine neue soziale
Ordnung der Dinge
anzubahnen und praktisch in die Wege zu leiten, in welche die Verwaltung des
gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lebens in den Händen des werktätigen
Volkes selbst ruhen wird. Es ist diese Aufgabe, welche dem revolutionären
Syndikalismus sein besonderes Gepräge und seine geschichtliche Bedeutung für
die Zukunft gibt. Denn nur in der vom revolutionären Geiste erfüllten
Wirtschaftsorganisation der Arbeiter kann sich die Reorganisation der
Gesellschaft vorbereiten und im gegebenen Moment feste Gestalt annehmen. Sie ist
Interessengemeinschaft und Ideengemeinschaft in derselben Zeit und verwirft
prinzipiell jeden Dualismus in der Arbeiterbewegung, welcher die geistigen
Bestrebungen der Arbeiter und die Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Interessen in besondere organisatorische Formen zu kleiden
bestrebt ist.
Was die Kämpfe des Alltags anbelangt, die sich fortgesetzt zwischen Kapital und
Arbeit abspielen, so ist es klar, dass dieselben nur von den
Wirtschaftsorganisationen des Proletariats und nicht von politischen Parteien
geführt werden können. Die soziale Bedeutung dieser Kämpfe, welche durch das
kapitalistische Wirtschaftssystem bedingt sind, darf man durchaus nicht unterschätzen,
wie dies seitens der parteipolitisch eingestellten Arbeiterschaft häufig
geschieht.
Es ist eine ganz irrige Auffassung, wenn man behauptet, dass die sogenannten
Lohnkämpfe im Grunde genommen ihren Zweck nicht erfüllen, indem man den
Anbietern durch Erhöhung der Preise usw. stets das wieder aus der Tasche
nehme, was sie als Produzenten dem Unternehmertum abringen.
Wenn es auch wahr ist, dass der moderne Proletarier als Lohnarbeiter niemals
genug erwerben kann, um aus seiner sozialen Stellung herauszukommen, so ist es
aber nicht minder wahr, dass die Durchschnittskurve der proletarischen
Lebenshaltung sehr verschieden sein kann. Es besteht ein großer
Unterschied zwischen der allgemeinen Lebenslage des Proletariats aus der Frühzeit
des Kapitalismus und der Lebenslage des Arbeiters von heute. Der Arbeiter jener
Zeiten war vierzehn und sechzehn Stunden täglich in der Fron und verdiente kaum
das Notwendigste, um sein kärgliches Dasein fristen zu können; während der
Arbeiter unserer Tage ganz andere Bedürfnisse hat, die man früher gar nicht
kannte, und auch folglich ganz andere Anforderungen an das Leben stellt. Und nur
seinen wirtschaftlichen Organisationen hat er es zu
verdanken, wenn er seine allgemeine Lebenslage unter fortgesetzten Kämpfen auf
ein höheres Niveau emporheben konnte. Jede gewonnene Position musste und muß
in diesem Kampfe ununterbrochen verteidigt werden gegen die versteckten und
offenen Angriffe des Unternehmertums, das stets bestrebt ist, das Lebensniveau
des Proletariats auf die tiefste Stufe herabzudrücken. Ein lebendiges Beispiel
dafür bietet die gegenwärtige verzweifelte Lebenslage der deutschen
Arbeiterschaft, die tief unter den Bedingungen der Vorkriegszeit steht. Während
das industrielle und das agrarische
Unternehmertum von keinerlei Skrupel beeinflusst, jede Gelegenheit ausnutzt, um
während und nach dem Kriege ungeheuerliche Profite auf die Kosten der
Allgemeinheit des deutschen Volkes zu erzielen, verführte sozialdemokratische
Ideologie die deutsche Arbeiterschaft zu dem törichten Wahn, dass man
angesichts der durch den verlorenen Krieg geschaffenen kritischen Lage jede
Verbesserung der proletarischen Lebenshaltung möglichst vermeiden müsse, um
die wirtschaftliche Gesundung des Landes nicht zu gefährden. Die Folge war,
dass man fast kampflos jede Position dem
Unternehmertum gegenüber preisgab und den deutschen Arbeiter zum gewöhnlichen
Kuli degradierte.
Aber die fortgesetzten Kämpfe für die Eroberung des täglichen Brotes und die
Verbesserung der allgemeinen Lebenslage haben auch noch eine andere Bedeutung,
welche ihnen einen hohen ethischen Wert verleihen. Sie sind die beste
Erziehungsschule für die Arbeiter, für die praktische Anwendung und Vertiefung
ihrer sozialen Empfindungen und ihrer persönlichen Initiative im Rahmen der
gegenseitigen Hilfe und des solidarischen Zusammenwirkens. So wird die
Gewerkschaft Erziehungsstätte für die stete Entwicklung der geistigen und
sittlichen Fähigkeiten des Proletariats und Betätigungsfeld für die
Entfaltung seiner besten sozialen und individuellen Eigenschaften. Die
wirtschaftliche Kampforganisation wird ihm auf diese Weise zum Hebel in seinem
fortgesetzten Kampfe gegen die Mächte der Ausbeutung und Unterdrückung und in
derselben Zeit zur Brücke, auf welcher die Arbeiter aus der Hölle des
kapitalistischen Staatssystems in das Reich des Sozialismus und der Freiheit
gelangen werden.
Denn auch für die Reorganisation der Gesellschaft im Sinne des Sozialismus ist
die wirtschaftliche Kampforganisation die einzig gegebene Basis, während die
Partei sich gerade auf diesem Gebiete als völlig bedeutungslos und unfähig
erweisen muß. Die gewaltigen Ereignisse, die sich im Laufe der letzten fünf
Jahre in Russland und Mitteleuropa abgespielt haben, legen beredtes Zeugnis dafür
ab, dass politische Parteien, beherrscht von den alten Überlieferungen der bürgerlichen
Revolutionen, zwar imstande sind, die staatliche Macht zu erobern, dass ihnen
aber zu einer wirtschaftlichen und
sozialen Reorganisation des gesellschaftlichen Organismus nicht weniger als
alles fehlt. Soziale Bewegungen und Neuschöpfungen der Gesellschaft werden eben
nicht gemacht durch Staatsdekrete und gesetzliche Verordnungen von
oben; sie entwickeln sich vielleicht aus dem Schoße der Massen, aus der freien
Auswirkung aller schöpferischen Kräfte im Volke, welche durch die auf
Schablonenarbeit und totes Mechanisieren eingestellte Routine einer Regierung,
wie revolutionär sie sich immer gebärden möge, in ihrer natürlichen
Entfaltung gehemmt und allmählich ganz erstickt werden.
Gerade Russland hat in dieser Hinsicht ein mahnendes Beispiel gegeben, dessen
unheilvolle Konsequenzen für die gesamte internationale Arbeiterschaft in ihren
Einzelheiten heute noch gar nicht zu übersehen sind. Indem dort die sogenannte
Diktatur einer bestimmten Partei alle natürlichen Organe des gesellschaftlichen
Wiederaufbaus entweder gewaltsam zerstört hat, wie dies mit dem großen Netz
der Genossenschaften der Fall war, oder andere, wie die Gewerkschaften und die
Sowjets, in einfache Institutionen des neuen Staates umgestaltete, hat sie ein
derselben Zeit alle Vorbedingungen zur Verwirklichung des Sozialismus künstlich
unterbunden und ist heute mehr und mehr gezwungen, sich auf den Weg der
kapitalistischen Wirtschaftsweise zurückzugehen.
Die Diktatur war zwar imstande, ein politisches Unterdrückungssystem zu
entwickeln, welches den Despotismus des zaristischen Regimes weit in den
Schatten stellte, aber sie erwies sich vollständig unbrauchbar und versagte völlig,
als es sich um eine schöpferische Umgestaltung der Wirtschaft handelte.
Gegen die Politik des Staates und der Parteien setzt der revolutionäre
Syndikalismus die Wirtschaftspolitik der organisierten Arbeit gegen die
zersetzende Tätigkeit der Berufspolitiker die konstruktive Verwaltungstätigkeit
der wirtschaftlichen Organisationen. In diesem Sinne gilt es schon heute die
ganze sozialistische Erziehung der Massen
einzustellen. Es kann sich nicht darum handeln, den Arbeitern die Mittel und
Wege beizubringen, die man als zweckdienlich und notwendig erachtet, eine
gewisse politische Partei in den Besitz der Staatsgewalt zu setzen, sondern
darum, sie zu lehren, wie man die Betreibe verwaltet, die Produktion nach neuen
Gesichtspunkten reorganisiert und die bestehenden Gegensätze zwischen Industrie
und Landwirtschaft aus dem Wege räumt. Mit einem Wort: Nicht um
die Eroberung der Betriebe und des Grund und Bodens.
Die revolutionären Syndikalisten sind der Meinung, dass jede neue
Wirtschaftsform auch eine neue Form der politischen Organisation nach sich
zieht, ja, dass sie sich nur innerhalb dieser neuen politischen Form des
gesellschaftlichen Lebens durchsetzen und entwickeln kann. So fand das
Gildensystem des Mittelalters seinen politischen Ausdruck in der Freien
Stadt, der Feudalismus und das System der Hörigkeit im absoluten Königtum, die
Wirtschaftsform des Kapitalismus im modernen Vertretungsstaat. Es ist daher
klar, dass auch die sozialistische Wirtschaftsordnung ihre besondere
politische Organisationsform auswirken und entwickeln muß, wenn sie nicht von
Anfang an zur Unfruchtbarkeit verdammt sein will. Aber diese neue Form der
politischen Organisation der Zukunft kann weder der Vergangenheit entlehnt, noch
der Gegenwart willkürlich nachgeahmt werden. Sie muß vielmehr das unmittelbare
Ergebnis der Neueinteilung des gesamten Wirtschaftslebens sein und in diesem
ihre natürliche Begründung und Stütze finden. Zusammen mit dem System der
wirtschaftlichen Monopole und der Ausbeutung der Massen muß auch das System der
politischen Bevormundung und Beherrschung verschwinden, das durch jenes bedingt
ist, oder - um mit Saint-Simon zu sprechen - die Kunst, Menschen zu regieren, muß
durch die Kunst, Dinge zu verwalten, ersetzt werden.
R(udolf) R(ocker)
Literaturauswahl:
Rudolf Rocker: "Der Kampf ums tägliche Brot"
Rudolf Rocker: "Prinzipienerklärung des Syndikalismus"
Organisationsstatut der FAUD: "Mit uns voran ! Unser Weg.
Prinzipienerklärung des Anarcho-Syndikalismus"
Martin Veith: "Die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft"
Erhältlich bei FAU-MAT - Verzeichnis anfordern.
e-mail fauhh4@fau.org
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aus:
"Der
Syndikalist" Nr.49, 1925
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