Die Geschichte des Judo

 Schon vor dem 10. Jahrhundert wurden im heutigen Japan und China von der Ritterkaste, den Samurai, Kampfarten, insbesondere mit dem Schwert (Samurai-Schwert) ausgeübt. Sie dien­ten der Verteidigung und wurden bei sportlichen Veranstaltungen vorgeführt. Die Sarnurai waren eine hohe Kaste, die viel Macht über die unteren Kasten ausübten. Mit dem Herrschafs beginn der Meiji-Kaiser etwa um 1879 verbot die Obrigkeit allen Japanern das Tragen eines Schwertes. Damit verloren die Samurai ihre Bedeutung als staatsbeherrschende Kaste. Mit ihnen gerieten auch ihre Kampfkünste in Vergessenheit. Gleichzeitig entwickelten sich die waffenlosen Kampfkünste.

Erik Bälz, ein deutscher Gelehrter aus Bietigheim, der an der kaiserlichen Universität in Tokio lehrte, ist die Rückbesinnung auf diese Kampfkünste zu verdanken. Er suchte für seine geistig belasteten Studenten einen sinnvollen körperlichen Ausgleich. Einer seiner Studenten, Jigoro Kano, nahm seine Gedanken auf Er erlernte bei mehreren Meistern diese Kampfkünste zur Selbstverteidigung, die als Ji-Jitsu bezeichnet wurden. Die Härte dieser Techniken hielt Jigoro Kano nicht geeignet für einen allgemeinen körperlichen Ausgleich.

Mit 9 Mitgliedern eröffnete er 1882 eine kleine Schule, den ,,Kodokan", den Ort zum Studium des Weges. Er unterrichtete nicht mehr die simple Kunstfertigkeit der einzelnen Ji-Jitsu-Schulen, sondern unterwies seine ständig wachsende Klasse in einem neukombinierten Zwei-kampfsystem. Er narnite es JUDO, weil es unter anderem auf dem Prinzip des Nachgebens basierte und der Charakter- und Persönlichkeitsbiidung breiten Raum gab.

Die Überlegenheit dieses neuen Systems gegenüber den Selbstverteidigungssportarten des Ji-Jitsu und der Persönlichkeit Jigoro Kanos, ist für die schnelle Verbreitung des Judos auf der ganzen Welt verantwortlich. Jigoro Kano wurde später Direktor der pädagogischen Hoch­schule in Tokio und trug dann als Erziehungsminister entscheidend dazu bei, daß Judo als Fach in der Schule unterrichtet wurde.

Die Nominierung des Judo sports als olympische Disziplin 1994 war Japans größter Verdienst um den Judosport. Als olympische Disziplin in Mexiko gestrichen, gehört Judo seit der Wie-dereinführung in München 1972 endgültig zum olympischen Programm.

Die Entwicklung des Judo in Deutschland

1894-1905  Durch verschiedene militärische Ereignisse in Asien tauchten in der europäischen Presse zum ersten Male Bericht über gefährliche asiatische Nankampftechniken auf die dort als Sportarten gelehrt werden. Mann nennt diese Verteidigungssport­arten Ji-Jitsu.

1901           Japanische Sportler führen in London auf Variete-Bühnen und im Zirkus erstmals in Europa diese Sportart vor.

1906           Nach dem russisch-japanischen Krieg kommen zwei japanische Kreuzer nach Kiel zu einem Freundschafisbesuch und werden dort vom deutschen Kaiser Wilhelm II. begrüßt. Bei dieser Gelegenheit werden Wilhelm II. auch diese asiatischen Nah­kampfiechniken vorgeführt. Er gibt Anweisung, einen Ji-Jitsu Lehrer zu engagie­ren. Der Japaner Agitaro Ono kommt nach Deutschland und gibt Unterricht in der Militärturnanstalt Berlin und in der Hauptkadettenanstalt Lichtenfelde. Etwa zur gleichen Zeit kommen die Japaner Katsuguma Hishashi, Juki Tani, Taku Uynichi und Taro Mayaki nach Deutschland und lehren hier Ji-Jitsu.

Der bedeutendste Schüler dieser Japaner ist Erich Rahm, aus Berlin, der im selben

Jahr die erste deutsche Ji-Jitsu Schule gründet.

1910           Die Berliner Kriminalpolizei läßt Beamte durch Erich Rahm in Ji-Jitsu ausbilden.

1913           Erich Ralim erhält einen Lehraufirag für Ji-Jitsu an der Militärturnanstalt Berlin.

1914-1918  Während des ersten Weltkrieges ruht die weitere Entwicklung des Ji-Jitsu.

1922           Gründung des ersten deutschen Ji-Jitsu Club in Frankfürt am Main durch Alfred Rhode.

1924           Gründung des ,,Reichsverbandes für Ji-Jitsu". Vorsitzender: Walter Strehlow.

1925          Erste Kontaktaufnahme mit Judo-Vereinen in England durch Alfred Rhode. Nach längerem Schrifiverkehr finden die ersten internationalen Judo Kämpfe zwischen dem Budokwai London und dem 1. Deutschen Ji-Jitsu Club Frankf\:irt am Main, im großen Saal des Palmengartens statt. Vor den Kämpfen findet eine Regelaus­sprache statt.

Vergleichskampf der englischen Mannschaft gegen den Ji-Jitsu Club 1922 Wies­baden.

Sowohl in Frankfürt als auch in Wiesbaden siegt London Diese Begegnungen wa­ren für uns von ungeheurere Bedeutung, da die deutschen Judoka erstmalig mit dem Begriff ,,Judo" in Theorie und Praxis vertraut gemacht wurden. Dabei konnte festgestellt werden, daß zwischen dem in Deutschland bis dahin gepflegten Ji-Jitsu und dem japanischen Judo doch ein bedeutender Unterschied bestand. Das deutsche Ji-Jitsu war als Selbstverteidigung sehr schön, für sportliche Wettkämpfe jedoch vollständig ungeeignet.

Ständig stark wachsende Anzahl der Ji-Jitsu Vereine und Mitglieder in Deutsch­land.

7.   - 12. August 1932 Erste internationale Judo-Sommerschule im Frankfürter Waldstadion unter Leitung von Alfred Rhode. Lehrer sind damals die Japaner Koitumi, Prof Tani, London, Prof Ishiguro, Paris und Dr. Kitabatake, Berlin. An diesem Lehr­gang nehmen neben Engländern, Ungarn und Schweizern viele Judoka aus Deutschland teil. Sie sehen hier in Frankfürt zum erstenmal Judo, sind hell begei­stert und man kann sagen, daß dies die Geburtsstunde des deutschen Judo über­haupt ist.

1932           Gründung des Deutschen Judo Ring.

1933           Nah dem Umsturz in Deutschland wird wie alles andere, auch der Sport neu orga-nisiert. Der gesamte deutsche Judo-Sport unter der Sparte ,,Judo" wird in das Fachamt Schwerathletik des Deutschen Reichsbund für Leibesübungen eingeglie­dert.

Bis 1945  Starke Verbreitung des Judo in Deutschland und viele internationale Begegnungen ­

1945-1948 Verbot der Kampfsportart Judo durch die alliierten Besatzungsmächte

1952 Gründung des Deutschen DAN-Kollegiums in Stuttgart, Vorsitz Alfred Rhode

1953 Ilse Brief erlangt als erste Frau in Deutschland den 1. Dan.

Gründung des Deutschen Judo-Bundes e.V. (DJB) in Hamburg. Vorsitzender

Heinrich Frantzen. Angeschlossen sind zunächst die Landesverbände in West- und

Norddeutschland und Berlin mit insgesamt 66 Vereinen.

1956  Bestätigung der Gründung des DJB unter dem Vorsitz des Deutschen Sportbundes

in Frankfürt, Vorsitzender Heinrich Frantzen. Dem DJB gehören jetzt sämtliche Landesverbande der Bundesrepublik und Berlins mit 5.500 Angehörigen an.

A.Glucker,Stuttgart,gibt das amtliche Organ“Judo“ heraus

1957           Heinrich Frantzen wird zum Präsident der Europäischen Judo-Union gewählt.

1964           Aufnahme des Judo-Sports in die Reihe der olympischen Disziplinen.

Olympische Spiele in Tokio:

Wolfgang Hofmann, Köln, Silbermedaille im Mittelgewicht.

Klaus Glahn, Hannover, Bronzemedaille in der Allkategone.

Otto Brief ist Kampfrichter.

1965           Han Hosan wird Bundestrainer des DJB.

Seit 1965 werden im zweijährigen Rhythmus Weltmeisterschaften im Judo ausgetragen.

Seit 1970 sind die Frauen im Judo gleichberechtigt.

Die Entwicklung des Judo in Württemberg

1954 Gründung des Württembergischen Judo-Verband e.V. 1.Vorsitzender Ago Glucker

1971 Zusammenschluß des Badischen Judo-Verbandes mit dem Württembergischen Judo-Verband zu einem Großverband

1978  Auflösung des JVBW. Der WJV wird wieder selbständig

1991  Auflösung der Landesgruppe Württemberg des DDK. 

         Gründung des Württembergischen DAN-Kollegiums, unter dem Vorsitz von Man­fred Werner.

          DerWürttembergische Judo-Verband e.V.übernimmt als Lehr-und Prüfungswesen

Die Bedeutung des Judo

Judo ist eine Zweikampfsportart, die, wie die anderen Zweikampfsportarten Aikkido , Ji­Jutsu, Kendo, Karate u. a. dem Begriff Budo untergeordnet werden kann. Das Wort Judo setzt sich zusammen aus den Begriffen ,,dju" = edel, sanft und dem Wort ,,do" = Weg, Grundsatz, Prinzip. Die wörtliche Übersetzung ist somit ,,Sanfter Weg".

Diese Übersetzung ist unter zwei Gesichtspunkten zu einfach und deshalb zu ungenau. Viele Techniken, die hoch und hart geworfen werden, können wohl nicht als sanft bezeichnet werden. Deshalb ist das ,,dju" da ,um die Bedeutung von ,,ökonomisch" zu ergänzen. Diese steckt auch in einem der Judo-Prinzipien, nämlich ,,optimaler Einsatz von Körper und Geist". Denn die Techniken werden nicht ,,sanft" geworfen, sondern eben unter optimalem Einsatz von Körper und Geist.

Auch steckt einiges mehr hinter dem Begriff ,,do". Der Buddhist durchschreitet in seinem  Leben drei Stufen. Die erste Stufe, die der Erkenntnis, ist, daß der Glaube an die Lehre Buddhas der richtige und erstrebenswerteste Weg ist. Diese Erkenntnis steht ganz am Anfang des Lebens eines Buddhisten (bevor er diese Erkenntnis gewonnen hat, ist er kein Buddhist). Der zweite Abschnitt, der eigentlich für einen normalen Buddhisten das ganze Leben ausfüllt, ist das Bestreben, die Lehren Buddhas zu lernen und nach ihnen zu leben. Dieser Abschnitt wird als ,,do" bezeichnet. Lebt nun ein Buddhist streng nach den Geboten Buddhas, so kann dies zur Erleuchtung führen. Diese Stufe erlangen aber nur sehr wenige strenge Priester. Für alle anderen Buddhisten stellt der Weg den eigentlichen Buddhismus dar.

Auf unsere Sportart übertragen bedeutet nun dieses ,,do”' nicht nur das Trainieren und Erlernen der Techniken, sondern auch, ins besondere im Dojo, am Ort, an dem dieser Weg gelehrt wird, das sich Unterwerfen unter diese Form und Etiketten des Judo, das Achten der Grundsätze und der Judo-Prinzipien und die intensive und volle Hingabe zur Erlangung der Techniken.

Die Judo-Prinzipien

Der Judolehrer darf sich nicht nur als Vermittler oder Verkäufer von Techniken, als Judo­Trainer abstempeln lassen, sondern er hat einen Erziehungsauftrag zu erfüllen: Die Prinzipien, die bei der sportlichen Ausübung des Judo ständig beachtet werden müssen, sollen auch das Handeln und Denken im täglichen Leben bestimmen.

Der spezielle Beitrag, den wir mit Hilfe des Judos zur Erziehung eines jungen Menschen geben können, besteht darin, auf die Anwendung der als gut erkannten Prinzipien bei der praktischen Tätigkeit auf der Matte zu achten, in der Hoffnung, daß hier gelehrte Verhaltensweisen zu zweiten Natur werden, daß aus dem Sport Judo eine Art zu leben wird. Dem Schüler müssen die technischen und moralischen Prinzipien bewußt sein; der Lehrer muß in der Lage sein, sie so anschaulich zu erklären und zu begründen, daß ihre Allgemeingültigkeit über die Sportpraxis hieraus deutlich wird.

Jigoro Kano stellt die gesamte Judoausbildung unter zwei Prinzipien:

                                                   1. Das Moralische Prinzip

                                                     JI-TA-KYO-EI

                                                     ,, Durch gegenseitiges Helfen zum beiderseitigen Wohlergehen"

                                                      2. Das Technische Prinzip

                                                     SEI-RYOKU-ZEN-YO

                                                     ,,Bester Einsatz von Körper und Geist "

Diese Prinzipien lassen sich aus der Betrachtung dessen, was beim Sport Judo beim Angriff und Verteidigung auf der Matte geschieht, herausfinden. Sie lassen sich aber auch durch ,,philosophische Betrachtung der täglichen Geschehnisse" entwickeln. Sie bedingen:

·   Höflichkeit dem Partner gegenüber

·   Einen eigenen sicheren Stand,

·   Bewahren des Gleichgewicht

 ·  Einem Angriff nachgeben und so dem Hauptteil der Kraft die Wirkung nehrnen

 ·  Sich die Kraft des Gegners zu Nutze macht

·   Gebrauch der Reaktion des Partners

·  Kontrollierter Abschluß einer jeden Aktion

 ·  Letztlich Harmonie und Zusammenarbeit mit dem Gegner, der zum Partner wird.

Besser als wörtliche Belehrungen zeigen körperliche Aktionen, worum es hier geht. Besonders die Begegnung der Ju-no-kata (Form der Geschmeidigkeit) eignet sich zur Demonstration dieser Judo-spezifischen Erziehung durch Sport.

Die Judo-Etikette

Wie aus dem beiliegenden Brief Jigoro Kanos an Alfred Rhode zu erkennen ist, ist Judo nicht nur ein Sport zur körperlichen Betätigung, sondern soll auch wesentlich zur Erziehung des Menschen beitragen. Diesem Erziehungsauftrag ist gerade in gerade in der heutigen Zeit, in der Egoismus, Macht, Gier u.v.m. weit verbreitet sind, großer Wert beizumessen. Dies gilt noch viel mehr für psycho-motorisch eingeschränkte Kinder, die meist auch kein Wettkampf­Judo betreiben, sondern ,,Freizeit-Judo".

Es ist deshalb viel Wert auf das richtige Verhalten im Dojo gegenüber den Mittrainierenden und dem Judo-Lehrer zu leben, also auf die Judo-Etiketten.

Insbesondere sind folgende Punkte zu beachten:

1. Richtige Begrüßung

·   Beim Betreten der Matte oder des Dojo Verbeugung im Stand.

 ·  Der Lehrer (Yoseiki-Meister) sitzt vorn Eingang her rechts, die Schüler (Shimoseki) links.

·Absitzen erst in der Reihenfolge der Kyu/Dan-Grade, dann nach der Größe.

·Der Lehrer kniet erst ab, wenn alle ruhig stehen.

·Beim Absitzen erst linkes Bein ablegen.

·Erst die Zehen aufstellen, danach ablegen.

 ·  Auf genaue Sitzposition achten:

 ·  Oberkörper aufrecht

 ·  Kopf leicht gesenkt

 ·  Hände locker auf den Oberschenkeln

 ·  Finger zeigen zur Mitte

 ·  Füße/Zehen flach ablegen.

 ·  Großen Zehen übereinander legen.

 ·  Erster Schüler sagt ,,Mokuso" oder kurz ,,Mukso". Alle sind ruhig und konzentrieren sich, bis der erst ,,Rei" sagt. Danach Verbeugen, Kopf und Hände vorne kurz und ruhig ablegen.

Beim Aufstehen Zeremonie wie oben, nur umgekehrt.

2.   Der Judoka hat zur angegebenen Trainingszeit pünktlich zu erscheinen und darf das Dojo nicht vor dem offiziellen Trainingsschluß verlassen.

3.   Zum Training muß der Judoka korrekt gekleidet sein und einen sauberen und ordentlichen Judogi tragen.

4.   Zur Körperpflege gehören insbesondere kurze Finger- und Fußnägel, nicht störende Haare, gewaschene Füße und eine Dusche oder ein Bad - zu jeder Jahreszeit - nach dem Trai­ning.

5.   Der Judoka soll freiwillig und ohne Aufforderung mithelfen, das Dojo sauber zu halten.

6.   Das Training soll möglichst ruhig vor sich gehen, Konversation über Nicht-Judo-Themen zeugt von Unverständnis des Geistes, der im Dojo herrschen sollte.

7.   Übt ein Judoka nicht oder folgt er den technischen Unterweisungen des Lehrers, so hat er sich korrekt am Mattenrand hinzusetzen. Liegen auf der Matte, Abstutzen mit den Armen und ausgestreckte Beine sind im höchsten Grad gefährlich und ein Verstoß gegen die Ju-do-Etikette.

8.   Ein Judoka hat jederzeit mit jedem zu üben, der ihn dazu auffordert. Höflichkeit und ge­genseitige Hilfe sind selbstverständlich.

9.   Ein Judoka darf während des Trainings nicht trinken, nicht essen und nichts im Mund ha­ben.

10.  Den Anweisungen des Lehrers sind ohne Diskussion Folge zu leisten.