Das Erbe - Teil II
by Ninax



Marcel

Nach dem Erlebnis in der Fechthalle, ging Mereen auf den Hof.
Sie hatte noch viel Zeit bis zu ihrem Termin.......leider...
Sabrinas Arm war dick angeschwollen. Sie musste ihren Arm in einer Schlinge tragen.
Ruhelos streifte Mereen durch den grossen Garten des Heims.
Immer wieder dachte sie an diesen Satz....“wie ein Tier“....
Als sie durch die Eingangshalle gegangen war, hatte sie es vermieden an der Vitrine vorbei zu kommen.
Trotzdem hatte sie einen kalten Schauer auf dem Rücken gespürt.
Was war heute nur los?
Alles ging schief!
Das ist alles so plötzlich gekommen......
Weshalb war sie nur so aggressiv?
Und weshalb hörte sie immer wieder diese Stimmen?
Das Schlimme war, das sie sich noch nicht einmal mehr an die letzte Stimme erinnern konnte.
Obwohl sie so deutlich war.
Als sie  den Stock aus der Hand geworfen hatte, war auch sofort die Stimme verblasst.
Nur noch der Hass war übriggeblieben.
Mereen lief bis zu dem Hohen Eisentor des Heims.
Dort setzte sie sich auf den Boden. Sie hätte am liebsten geweint.
„Was ist das nur.....ich bin doch nicht verrückt...“
All die Tage, an denen sie sich mit den Stimmen beschäftigte, hatte sie sich diesen Satz vorgesagt.
Es hatte immer geholfen.
Nur heute nicht.
Das Tor wurde geöffnet.
Ein Mann kam herein, ein alter, dürrer Mann, der aber, trotz seines anscheinend hohen Alters, sehr kräftig wirkte.
Hinter sich her, zog er einen Jungen, der ungefähr so alt wie Mereen sein mochte.
Der Junge hatte hellbraunes Haar und sonnengebräunte Haut.
In der freien Hand hielt er zwei kleine Koffer.
Er ging hinter dem Mann her, während er versuchte, sich aus dem festen Griff um seine Hand zu winden.
Als die beiden an der grossen Holztür des Heims angekommen waren, drehte sich der Junge kurz um.
Er sah Mereen und lächelte ihr verlegen zu.
Mereen erwiderte das Lächeln.
Sie wollte den Jungen gerne kennenlernen.
Der Mann zog ihn hinter sich her in die Eingangshalle des Bockses Waisenhaus.
Nach einer Minute folgte Mereen.

In der Eingangshalle war es jetzt leer.
Nur der alte Mann, der Junge und die Empfangsdame.
Der Mann redete mir ihr.
Mereens Schuhe machten ein klackendes Geräusch auf dem Fliesenboden.
Der Mann drehte sich zu ihr um und als er ihr direkt in die Augen blickte, wurde Mereen von einer Kälte geschüttelt.
Die Augen!
Die Augen waren leer.
Leer und kalt.... kälter als das Gefühl, was Mereen letztens bei dem Kästchen hatte.
Der Mann drehte sich wieder zu der Empfangsdame um.
„Und was ist jetzt? Ich kann den Jungen nicht bei mir behalten!“
„Ich sagte ihnen doch das wir voll sind!“
Jetzt bemerkte die Dame Mereen.
„Aber warten sie mal...Mereen, kommst du mal kurz?“
Zögernd trat Mereen ein paar Schritte vor.
„Ja?“
„In deinem Zimmer ist doch noch das Bett über dir frei, oder?“
„Ja.“
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn du dein Zimmer mit diesem jungen Mann teilen würdest?“
„Nein.... eigentlich nicht...Aber ich kenne ihn- .....“
„Also gut, dann geht das doch klar.“
Die letzten Worte hatte sie zu dem Mann mit den kalten Augen gesagt.
„Also dann, Marcel, Mereen wird dir euer gemeinsames Zimmer zeigen. Macht nur keinen Unsinn ihr beiden.“
Die Dame lächelte, erfreut über ihren eigenen Witz.
Froh von dem Mann weg zu kommen, stapften die beiden Kinder die Treppe hoch.
„Also, du heisst Marcel?“
„Ja, und du Mereen, oder? Ein etwas ungewöhnlicher Name. Ich habe ihn jedenfalls noch nie gehört.“
„Wieso bist du hier? Meine Eltern sind schon seit ich ganz klein war tot. Ich kenne sie noch nicht einmal von Fotos. Ich war das erste Waisenkind in diesem Haus.“
„Ja, ich kenne meinen Vater auch nicht. Mein Vater hat meine Mutter verlassen und meine Mutter hat mich immer geschlagen. Das Jugendamt hat eingegriffen.... naja, und jetzt bin ich hier. Aber dir scheint es nichts aus zu machen, keine Eltern zu haben.“
„Naja, ich kannte sie nicht. Und mir gefällt es hier.“
„Mir auch. Nette Bude habt ihr hier.“
Mereen lächelte.
Marcel war nett, fand sie.
Wenigstens bemitleidete er sie nicht, wie die anderen.
„Was hat du in deinen Koffern?“
„Oh, in dem einen sind meine sieben Sachen und das andere ist ein Laptop.“
„Was? Du hast einen Laptop?“
„Ja, hab ich mir von meinem eigenen Geld gekauft!“
Marcel grinste stolz.
„Ich habe lange gespart. Ich bin nämlich schon arbeiten gegangen. Hab ganz gut verdient....“
„Aber ist so ein Ding nicht wahnsinnig teuer?“
„Ach, es geht. Wenn du weisst wo man dieses Zeug billig kriegt...“
„Kannst du gut mit dem Computer umgehen?“
„Gut? In der ganzen Umgebung hier findest du keinen Jungen in meinem Alter, der den Computer mit all seinen Schikanen besser kennt als ich. Ich kann mich sogar in hoch technische Anlagen einklinken. Ist aber ziemlich uninteressant.“
„Wenn du meinst...“
Plötzlich kam Sabrina die Treppe runter.
Immer noch etwas ängstlich, aber auf keinen Fall bereit klein bei zu geben murmelte sie unter der Nase etwas was sich anhörte wie:   „ Ah, das neuste Liebespaar...“
Dann ging sie schnell weiter.
„Was ist das denn für eine Zicke?“ fragte Marcel.
„Ach, beachte sie einfach nicht.“
Mereen öffnete die Tür zu ihrem Zimmer.
„Hier. Hier ist ab sofort auch dein Zimmer. Du schläfst oben.“
Marcel warf seinen Koffer auf sein neues Bett und setzte sich dann auf das Mereens.
„Komm her, ich will dir den Computer zeigen.“
Das lies sie sich nicht zwei mal sagen. Computer hatten sie schon immer interessiert. Und sie hatte auch immer ein glückliches Händchen für sowas gehabt.
Aber als sie über Marcels Schulter sah, wie er auf den Tasten herum hämmerte, konnte sie nur noch staunen.
„Wow... ich glaube ich weiss was du meinst...“
Er drehte sich um und sah ihr  ins Gesicht.
„Weisst du, erst jetzt fällt mir auf, was ich seltsam an dir finde...“
Mereen erschrak.
Hatte sie etwas falsches getan?
„Ich habe den Namen „Mereen“ noch nie gehört. Und ich habe noch nie jemanden mit so grossen, grünen Augen und so blasser Haut gesehen. Und...“
„Ähm, ich....“
Plötzlich stieg Wut in Mereen auf.
„Na und? Das ist doch wohl egal wie ich aussehe! Was hast du gegen blasse Haut oder grüne Augen? Oder ist es mein Name?“
Marcel lächelte und beendete seinen Satz.
„...und ich kenne kein Mädchen was auf Anhieb so nett ist wie du. Alle die ich bis jetzt kennen gelernt habe, waren so wie diese Zicke von eben.“
Na, das war aber eine Überraschung!
Und wie schnell das ging!
Sowas hatte noch nie jemand zu ihr gesagt.
Sie war also nett.....!
Marcel klappte den Computer wieder zu.
„So, und jetzt würde es mich interessieren, wie du es all sie Jahre in diesem Waisenhaus ausgehalten hast- obwohl es hier wirklich gemütlich ist, das muss ich ehrlich sagen....“
Mereen erzählte ihm also ihre Geschichte- oder besser gesagt, das was sie wusste.
Die schönsten Jahre im Bockses Waisenhaus, die Kinder die kommen und gehen, der grosse Garten, ihren Besuchen bei Professor Femrig und zuletzt von den Träumen und seltsamen Stimmen und Gefühlen in der letzten Zeit.
„Ich weiss, das es verrückt klingt, aber ich habe das Gefühl, das mir irgend jemand etwas mitteilen will.“
Sie seufzte.
„Aber ich weiss nicht, was ich jetzt tun soll. Fast alle wollen mich schon zum Psychiater schicken. Was meinst du dazu?“
Marcel machte ein nachdenkliches Gesicht.
Zum ersten mal seit er ihr zugehört hatte.
„Du glaubst mir nicht, oder?“
„Doch, doch, ich glaube dir. Wirklich. Ich finde es nur nicht gut, das die anderen so vorschnell handeln. Aber du solltest auch nicht jedem erzählen, das du Stimmen hörst, die dich beinahe willenlos machen!“
„Glaubst du mir wirklich?“
„Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon viel verrücktere Sachen gehört! Und an deiner Geschichte ist n i c h t s verrückt!“
Mereen war erleichtert.
Marcel kramte eine Packung Schokoriegel aus der Tasche und stopfte sich einen in den Mund.
„Hm... du sagtest doch...crumb.... das du heute noch einen Termin mit diesem Professor hast...crumb...“
Er schluckte.
„Willst du einen?“
„Nein danke. Also, was ist mit Femrig?“
„Naja, ich könnte mit kommen und...“
In dem Moment wurden sie von eben Femrig unterbrochen.
„Ah, Mereen, da bist du ja. Komm, jetzt habe ich Zeit für dich. Guten Tag, junger Mann.“
Marcel nickte freundlich.
„Gut Marcel, ich bin gleich wieder da. Dann erzähle ich dir alles, okay?“
Marcel nickte wieder, wenn auch weniger freundlich als eben.
Als Mereen die Tür hinter sich zu zog, war sie sehr glücklich.
Sie wusste genau, in Marcel hatte sie einen echten Freund gefunden.
Einen echten Kumpel...
 

Aussprache

Mereen folgte dem Professor in sein kleines, gemütliches Büro.
Wie oft war sie schon hier gewesen?
Das konnte sie schon gar nicht mehr zählen.
Sie meinte jede Ecke des kleinen Raums zu kennen.
Sie war froh hier zu sein.
Hier fühlte sie sich geborgen, zu Hause...
Aber Femrig wirkte sehr ernst.
„So Mereen... wie ist es mit denen Träumen?“
„Ähm, ich höre Stimmen...“
Sie dachte an das was Marcel ihr gesagt hatte: „Du solltest nicht jedem erzählen, dass du Stimmen hörst, die dich beinahe willenlos machen.“
Misstrauen stieg in ihr hoch. Konnte sie Femrig wirklich vertrauen?
Natürlich! Wenn nicht ihm, wem sonst?
„Die Stimmen scheinen sich zu streiten...zu kämpfen. Und eine von ihnen redet immer etwas von einem „Prinzen“.“
Von der Stimme in der Fechthalle erzählte sie nichts. Das sollte dann doch unter Marcel und ihr bleiben.
„Komisch“ dachte sie „Ich kenne ihn kaum und trotzdem vertraue ich ihm...“
„Wie haben sich diese Stimmen angehört?“ fragte Femrig.
„Sie hatten keinen echten Klang. Ich habe einfach nur die Worte gehört...“
„Interessant.... sehr interessant..“
Mereen stutzte.
„Das war aber doch nicht diese Wichtige, oder?“
Femrig schluckte.
„Nein... also gut...ich denke du bist alt genug.....“
Mereen lauschte gespannt.
„Also, ich meine du willst gerne etwas von deiner Mutter erfahren.“
Mereen hatte alles erwartet, aber nicht das!
„Meine Mutter? Sie wollen mir von ihr erzählen? Jetzt? Erst jetzt?“
„Ja. Früher ging es nicht. Du warst zu klein, zu unerfahren. Mereen, deine Mutter ist nicht natürlich gestorben. Sie wurde hier gefunden....mit dir im Arm.“
„Das wusste ich schon.“
„Ja, ja, natürlich. Aber das ist ja nicht alles... das unheimliche...schreckliche...kommt noch.“
Femrig räusperte sich.
„Hast du die Zeitung von heute gelesen?“
Mereen schüttelte den Kopf. „Nein“
Femrig reichte ihr eine Zeitung. „Da, lies“
Mereen sah auf den Artikel.
 

Tagesblatt

Unbekannte Lebensform von 1988 (Tagesblatt berichtete) wird endlich nach langjähriger Forschung im neuen Museum für ungewöhnliche Phänomene ausgestellt.
Der Körper des vermutlich ausserirdischen Wesens, wurde vor 12 Jahren auf dem alten, noch unbebauten Grundstück des Bockses Waisenhauses geborgen, und in ein Labor  für Forschungszwecke gebracht.
Professor Femrig übernahm die Leitung des darauf folgenden Projektes. Das Wesen  wurde auf „Blue“ getauft und anatomisch untersucht.
Ab heute kann man den plastifizierten Körper des Blue und alles was man über es herausgefunden hat, im MUSEUM FÜR UNGEWÖHNLICH PHÄNOMENE bestaunen.
 

Darunter war ein undeutliches schwarz- weiss Bild, auf dem man gerade noch einen Mann neben einer ziemlich grotesk aussehenden Figur erkennen konnte.
„Ja, und? Was interessiert mich  eine Puppe von einem, wie hiess das? „Blue“? Und was hat das mit meiner Mutter zu tun?
Femrig räusperte sich wieder.
„Wie du siehst war ich bei dem Projekt „Blue“ dabei. Und ich kann nur sagen, das es echt ist, wie ich und du.“
Mereen starrte verdutzt auf das Tagesblatt.
„Sie meinen...das ist der Beweis für ausserirdisches Leben?“
„Ja.“
„Aber was hat das mit mir und meiner Mutter zu tun?“
Femrig räusperte sich zum dritten mal.
„Nun ja... sieh mal. Dieses Wesen, was wie „Blue“ genannt haben, wurde neben euch beiden gefunden. Sehr nah neben euch. Seine Hand...lag auf deinem Kopf.“
Automatisch fuhr Mereen sich durch die Haare.
„Auf meinem Kopf? Sie wollen mich auf den Arm nehmen, oder? Das ist doch alles nur ein Witz?“
„Leider nicht, mein Kind. Warte mal. Ich kann dir erst mal genau zeigen, wie ein „Blue“ aussieht.“
Femrig ging zu einem Aktenschrank und holte einen dicken, braunen Packpapier Umschlag hervor.
Aus diesem Umschlag zog er einige grosse Farbfotos, die er Mereen gab.
Sie wagte kaum hin zu sehen.
Aber warum hatte sie so eine Angst?
Angst..... vor was? Vor der Wahrheit?
Endlich sah sie doch hin.
Auf dem ersten Bild war das Gesicht einer Frau zu sehen. Ihr schwarzes Haar war angesengt und ihre Augenhöhlen waren blutig ausgebrannt. Aus ihrem Mund rann ein Blutrinnsal.
Mereen wusste, dass das ihre Mutter war.
Es sah ziemlich widerlich aus.
Und traurig. Traurig und widerlich... seltsam...
Mereen wurde von der Traurigkeit angesteckt.
Das war ihre Mutter!
Doch die Trauer verflog seltsamer Weise schnell.
Das nächste Bild war etwas verwirrend.
Ihre Mutter hielt ein kleines Bündel, Mereen, im Arm. Eng an sich gepresst.
Ihre Hände waren zu sehen.
Daneben war noch ein zweites Paar Hände.
Menschlichen ähnlich, aber etwas zu viele Finger. Und die Haut hatte einen ähnlichen Farbton, wie die Mereens. Bloss noch blauer. Wirklich. Ein helles Blau!
Eine diese Hände umklammerten die Hand ihrer Mutter und die andere lag auf Mereens Kopf.
Mereen schauderte.
Aber... was war das?
Die Hand lag nicht nur auf ihrem Kopf.... zugleich berührte sie etwas, das Mereen selber in den Händen hielt.
Man konnte nicht erkennen was es war.... aber wieder hatte Mereen dieses Gefühl....
Die nächste Aufname war eine, die aus der Luft gemacht worden war; man konnte diese ganze Szenerie überblicken.
Dieses Wesen lag wirklich erschreckend nah an Mereens Mutter und ihr.
Es sah fast so aus...als würden sie sich alle umarmen.... wie eine Familie...
Mereen vertrieb den Gedanken aus ihrem Kopf und sah sich das Foto näher an.
Dieses „Blue“ Hatte einen Körper, der an einen Zentauren erinnerte: Einen einigermassen menschlich aussehenden Torso und  darunter ein Stück Körper, der an einen Hirsch erinnerte...
Vier kräftige Beine.... Zwei schlanke Arme.... Zierliche, scharfe Hufe....äh... Stielaugen?
Mereen hätte beinahe gelacht.
Sowas gab es nur in „Star Wars“!
...Stielaugen...
Dann verging ihr das Lachen.
Sie bemerkte jetzt den langen Schwanz den das Wesen hatte.
Lang und kräftig.
Und mit einer messerscharfen Klinge an seinem Ende.
So Skorpions ähnlich...
Und dann fiel ihr noch etwas auf... das Wesen hatte eine grosse Wunde an der Seite.
Sie konnte die Einzelheiten nicht genau deuten. Die Aufnahme war zu weit weg gemacht worden.
Aber die nächsten Bilder zeigten Nahaufnahmen- und zwar nur von dem Alien.
Mereen hatte keine Ahnung, warum ihr das Wort „Alien“ einfiel. Naja... Ausserirdisch...Alien... ja, das konnte man sagen...
Die erste Nahaufnahme zeigte noch einmal die Hände des Wesens. Sie waren blutig, verschrammt und ausgebeult. Mereen zählte die Finger.
Auf dem nächsten Bild war die Klinge zu sehen und Mereen beeilte sich weiter zu blättern.
Bei dem nächsten Bild erging es ihr nicht anders.
Es zeigte nämlich die grosse Wunde und Mereen hätte sich beinahe übergeben.
Aber dann... das Gesicht des Aliens... sehr deutlich...
Es hatte keinen Mund... nur drei Senkrechte Schlitze. Die Augen waren gross und mandelförmig. Sie waren trüb geworden, aber man sah, das sie tief grün waren. Und das Wesen hatte w i r k l i c h Stielaugen!
Das Gesicht sah traurig aus...
„Oh Mann!“ dachte Mereen „wie komm ich jetzt auf sowas?“
Und in ihrem Hinterkopf dachte sie: „Komisch... es hat die selben Augen wie ich...“
Sie verweilte lange bei diesem Bild. Und wieder war da dieses Gefühl des Vertrauens.

Bei dem nächsten Bild, wusste sie nicht was sie davon halten sollte.
„Was ist das?“ fragte sie mit zittriger Stimme und deutete auf das Foto, welches eine kleine silberne Platte zeigte, die irgendwie an eine Festplatte von einem Computer erinnerte.“
„Das“ meinte Femrig ruhig „hattest du in den Händen als wir euch fanden.“
Er griff wieder in den Umschlag und zog diesmal genau dieses kleine Plättchen hervor.
„Ist...ist das...Ähm... irdisch?“
Das sollte eigentlich ein Witz sein, aber Femrig schüttelte den Kopf.
„Nein, es ist aus keinem irdischen Material.“
„Was ist es dann?“
Mereen hatte sich einigermassen gefangen.
„Ich weiss es nicht. Wir haben lange daran herum experimentiert, aber es hat sich nichts ergeben.“
Er bemerkte den traurigen Ausdruck in Mereens Augen.
„Weisst du, ich würde dir die Fotos gerne geben, aber ich darf es nicht. Im Prinzip dürfte ich sie gar nicht mehr haben. Aber dafür kann ich dir das hier geben wenn du willst.“ sagte er schliesslich und hielt das Plättchen hoch.
„Aber ich muss dich bitten mit niemandem gross darüber zu sprechen!“
Das war ja wohl toll! Sie bekam etwas unerforschtes, etwas... etwas... ausserirdisches!
Mereen spürte den Anflug von Abenteuerlust in sich.
Diese wurde dann von einer unerklärlichen Angst verdünnt.
„Natürlich werde ich nichts sagen.“ Sagte sie und kreuzte die Finger hinterm Rücken.
Kurz darauf überreichte Femrig ich das Plättchen. Es war eiskalt und hauchdünn.
Das hatte sie also in den Händen gehabt....
„Ich freue mich, das du alles so gelassen hinnimmst Mereen. Ich hatte schon Angst du würdest ausrasten.“
Er kratzte sich am Kopf.
„Bevor du gehst will ich aber nochmals auf den Zeitungsartikel zurückkommen.“
Mereen dachte plötzlich an heute Morgen vor der Fechthalle wo die Lehrer und Betreuer so eifrig miteinander gesprochen hatten. Das war es also anscheinend. Dieses „Blue“ in dem Museum.
„Ich will das du dieses „Blue“ siehst, Mereen. Und deshalb habe ich einen Besuch in diesem Museum für die Schüler organisiert.“
Oh super! Das wurde ja immer besser.
„Wir fahren heute in einer Woche.“
Mereen freute sich. Wieder drückte sich die Angst durch.
Und die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, das sie nächste Woche etwas herausfinden würde.
Während sie die Tür hinter sich herzog ,als sie das Büro verliess, lies sie alles noch einmal im Kopf durch laufen.
Sie wunderte sich selber über ihre Gelassenheit.
Dann brachte sie ein Lachen zustande.
„Marcel wird Augen machen“ murmelte sie vergnügt und dann dachte sie im Stillen: „Ich bin d o c h verrückt! Ich habe meine Mutter gesehen, tot, und trotzdem bin ich nicht traurig! Ich b i n  verrückt!“
Und dann lief sie lächelnd nach oben...

Folgen der Wahrheit

Zwei Tage später lag Mereen müde auf ihrem Bett.
Müde, aber glücklich.
Sie hatte keine Ahnung warum sie glücklich war.
Aber diese Bilder hatten in ihr etwas ausgelöst.... vielleicht hatten sie den Drang mehr über ihre Familie zu wissen gelindert, vielleicht fand sie die Tatsache das es anderes Leben draussen im All gab einfach wunderbar.
Oder etwas anderes was sie nicht beschreiben konnte.
Mereen hielt die kleine Platte ins Licht.
Sie war silbrig verchromt und im Licht fast durchsichtig.
Mereen lies sich noch einmal die vergangenen Stunden durch den Kopf gehen.

Als sie vorgestern in ihr Zimmer gestürmt war, ist Marcel vor Schreck aus dem Bett gefallen und ist hart auf den Hintern geflogen.
Jammernd war er wieder hochgeklettert, aber als Mereen dann erzählt hatte, worüber sie mit Femrig geredet hatte, war er gleich wieder runtergefallen.
Mereen hatte ihm alles erzählt: Ihre Mutter, das Alien, dieses kleine Plättchen....
Sie hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so grosse Augen bekommen hatte.
„Nächste Woche fahren wir in diese Museum und sehen uns das „Blue“ an.“ hatte sie erklärt als sie sicher war, dass Marcel ihr das mit dem Alien nicht recht abkaufte.
„Tja, ich hab dir gesagt, dass ich schon viele verrückte Sachen gehört habe,“ hatte er dann gestottert „aber d a s ist ja wohl das verrückteste!“
Nachdem Mereen ihm gesagt hatte, das er das aber niemandem verraten dürfe, hatte er geschworen den Mund zu halten. „Das glaubt mir sowieso keiner“ hatte er gegrinst.
Am Abend hatte Mereen das Plättchen in die Schublade neben ihrem Bett gelegt und war dann schlafen gegangen.
Diesmal hörte sie keine Stimmen, sah jedoch viele verworrene Bilder.
Sie hatte nicht geschrien, aber als sie mitten in der Nacht aufwachte, lag sie auf dem Boden unter ihrem Bett.
Am nächsten Morgen hatte Marcel ihr vorgehalten, dass sie so laut gewesen wäre, dass man genauso gut neben einer Bombe hätte schlafen können! Natürlich hatte er übertrieben und später am Tag gab er zu, eigentlich doch sehr gut geschlafen zu haben.
Sabrina war wieder ganz die Alte.
Mit ihrer Schlinge in der ihr Arm hing und dem fiesen Grinsen auf den Lippen, erzählte sie noch haarsträubendere Gerüchte als zuvor.
Heute Morgen, in der Schule, hatten sie die Lehrer aufmerksam beobachtet.
Mereen wusste warum.
Wegen dieser Geschichte mit dem „Blue“.
Logisch.
Jedenfalls hatte Marcel einen ziemlich peinlichen Klassen Einstieg gehabt.
In der ersten Stunde (in der Marcel auch vorgestellt wurde) hatten sie Computer Unterricht.
Marcel wurde sofort die erste Frage gestellt und er hatte sie so genau und schnell beantwortet, dass alle gelacht hatten und sogar der Lehrer einigermassen blöd aus der Wäsche schaute.
Übrigens hatte Mereen in all diesen Nächten schlecht geschlafen und war jedes Mal in einer der unmöglichsten Ecken des Zimmers aufgewacht.
Das war der Grund, weshalb sie auch so müde war.

Alle waren aufgeregt.
Sie hatten alle die Zeitung gelesen und wussten schon über die „Blue“ Bescheid.
Einige waren aufgeregt.
Andere machten Witze darüber.
Und wieder anderen war es egal.
Als ob Leben von da draussen egal wäre!
Keiner wusste allerdings, dass Femrig der Leiter des „Blue“ Projektes war.
Mereen hatte keinem erzählt, wie ein „Blue“ aussehen sollte.
Sie hatte auch keinem erzählt, dass sie und ihre Mutter neben einem von ihnen gefunden worden waren.
Das hätte nur noch mehr dummen Gerede über sie gegeben.
Mereen hatte das Gefühl am aufgeregtesten von allen zu sein.
Marcel bemerkte das und versuchte sie mit etwas zusätzlichem Hackerunterricht zu beruhigen.
Zwecklos.
Mereen wusste, das sie ihre Mutter n i c h t  sehen würde.
Aber sie würde etwas anderes sehen.
Etwas, was ihr vielleicht Klarheit verschaffen würde.
Wieder fragte sie sich, weshalb sie nicht traurig wegen ihrer Mutter war.
Ein wenig mies fühlte sie sich ja schon deswegen.
War sie gefühllos geworden?
Hatte sie keine Mitleidsgefühle mehr?
Oder war es einfach die Tatsache, dass sie ihre Mutter nie gekannt hatte?
Aber weshalb hatte sie dann Mitleid für das „Blue“?
Bis vorgestern hatte sie ja noch nicht einmal von der Existenz dieser Wesen gewusst und das es ihre Mutter gab, wusste sie dafür um so länger!
„Was ist denn los? Ich kann ja verstehen, das du wegen dem „Blue“ total von der Rolle bist, aber das ist kein Grund die ganze Zeit mit diesem Ding herum zu rennen!“ meinte Marcel schliesslich und zeigte auf das Plättchen.
„Ach weisst du, ich glaube du hattest noch nie das Gefühl etwas Verborgenes zu finden.“ entgegnete Mereen geheimnisvoll.
Da Marcel sich keinen Reim darauf machen konnte, lies er es bleiben an dem Tag noch mit ihr zu sprechen.
Mereen betrachtete das Plättchen.
„Was ist dein Geheimnis?“ murmelte sie unhörbar „Was muss ich tun? Wo kommst du her?“
Plötzlich... so plötzlich und überraschend kehrten die Stimmen zurück...
[...Ich....ich hoffe...ihr werdet das irgendwann verstehen können, meine Freunde...]
„Was?“ fragte Mereen laut. Seit vorgestern hatte sie die Stimmen nicht mehr gehört. Wieso jetzt?
Welche Freunde? Was war das?
Mit einem Schlag dachte sie wieder an das Bild mit dem „Blue“ und seinem traurigen Gesicht.
[...meine Freunde...]
Freunde?
„Ahhhh!“ Mereen sprang auf.
Wieder dieser stechende Schmerz!
Irgendwo Halt finden, sich wieder hinlegen.
Aber es ging nicht, es ging einfach nicht!
[...Freunde...]
Es wurde plötzlich dunkel und Mereen viel in tiefe Bewusstlosigkeit...
Aber in ihrem Kopf hallten noch die Echos der Stimme.
[...meine Freunde... meine Freunde.......]
 
 

 ! Zurück zu Teil 1 !  I  ! Weiter zu Teil 3 !


Copyright (c) 2001
by Ninax