Das Erbe - Teil III
by Ninax



Das Museum

Mereen wachte auf.
Ihr Kopf tat weh. Als sie sich umsah, merkte sie, das sie wieder in ihrem Bett lag und es dunkel war. Sie war noch völlig eingekleidet.
Als sie neben sich blickte, sah sie eine eingesunkene Gestalt auf einem Stuhl neben ihrem Bett sitzen.
Langsam und vorsichtig schaltete sie das Lämpchen auf ihrem Nachttisch ein.
Das Licht blendete und Marcel schreckte auf. Anscheinend hatte er nicht richtig geschlafen.
„Ah, du bist wach! Gut! Ich hab mir schon Sorgen gemacht!“ flüsterte er und gähnte herzhaft.
„Was ist passiert?“ fragte Mereen genau so leise.
„Du bist plötzlich ohnmächtig geworden. Davor hast du geschrien. Es ist aber niemand gekommen und ich wollte keinen beunruhigen. Also hab ich dich in dein Bett gezogen.“
„Hast du die ganze Zeit hier gesessen?!“
„Ja, ich konnte dich schliesslich nicht allein lassen!“
 Mereen liess sich wieder in ihr Kissen plumpsen. Sofort begann ihr Kopf zu pochen. Sie griff sich an die Stirn. Marcel bemerkte die Bewegung.
„Du bist mit dem Kopf gegen den Schrak geknallt.“ meinte er beiläufig. „Aber bis morgen bist du sicher wieder fit.“

Die Wochentage krochen langsam dahin. Und endlich war es soweit: Samstag! Museumstag!
Mereens Kopf tat zwar nicht mehr weh, aber sie hatte eine dicke Beule bekommen.
Als der Bus kam, der die Kinder zum Museum bringen sollte, sprangen Mereen und Marcel als erste rein und setzten sich ganz nach vorn.
Die Fahrt war vor allem langweilig.
Während Mereen den Haarsträubenden Geschichten von Sabrina zuhörte und dabei aus dem Fenster sah, blätterte Marcel in einem Comic Heft das er schon mindestens sechs mal gelesen haben musste.
Alle langweilten sich. Alle ausser Sabrina versteht sich.
Die Landschaft veränderte sich nicht viel.
Erst war es ein wenig waldig, aber dann fuhren sie nur noch durch Stadt und Industriegebiete.
Die Fahrt zog sich dahin und endlich kam der Bus zum stehen.
Das Museum war gigantisch. Anscheinend wurden dort noch mehrere Dinge ausgestellt, mit Ausname des „Blue“.
Femrig, der bei dem Ausfug Kindermädchen spielte, versuchte alle in Zweierreihen auf zu stellen.
Dann marschierten sie alle durch das Tor, das aussah wie eine Linse und auch ähnlich funktionierte.
Die sichelförmigen Türblätter zogen sich auf Kommando in den runden Türrahmen zurück.
„Cool“ murmelte Marcel unter der Nase.
Mereen bemerkte plötzlich einen Mann, der so um die dreissig sein musste. Er stritt sich mit einem Wärter, der das Museum bewachte. „Verstehen sie denn nicht!“ rief der Mann „Ich muss da rein, es ist wichtig!“
Doch der Museumswärter liess nicht locker. „Heute ist für alle ausser für Schulklassen geschlossen!
Sie können morgen wieder kommen! Und jetzt verschwinden sie bitte, bevor sie noch richtig Ärger mit der Polizei bekommen!“
Der Mann trollte sich.
Mereen versuchte ihn aus ihren Gedanken zu verscheuchen, als er sich nochmals umwand und sie ansah.
Er runzelte die Stirn, ging dann aber ohne ein Wort zu sagen weiter.
Sie betraten das Gebäude.
Alles schien hoch technisch ausgestattet zu sein; die Wände glänzten und waren zum Teil durchsichtig. Kurz: Hier fühlte man sich, als wenn man einen Schritt in die Zukunft gemacht hätte.
Ein Führer empfing sie.
„Guten Tag Professor, hallo Kinder.“ Er nickte allen freundlich zu und Femrig stellte ihn vor.
„Kinder, das ist mein Kollege im Labor gewesen. Professor Granz.“
Wieder nickte Granz freundlich.
„Ich werde euch heute in die phantastische Welt der ungelösten Phänomene einweihen. Und als Höhepunkt dieser Führung, wird euch die erste Berührung mit ausserirdischem Leben gezeigt: Unser „Blue“.“
Sie gingen los.
Die Gruppe war schwer zusammenzuhalten, denn es gab immer etwas Interessantes zu sehen und so passierte es hin und wieder, das eines der Kinder plötzlich verschwunden war.
Granz war ein guter Führer und Erzähler.
Jede Frage beantwortete er genau, und wenn er es mal nicht konnte, tat Femrig das für ihn.
Trotz der vielen tollen Dinge in diesem Museum, wurde es nach zwei Stunden langweilig.
Mereen spürte jetzt wie müde ihre Beine waren und langsam verlor sie die Lust an diesem Ausflug.
Gerade waren sie an einem möglichen Triebwerk für ein Raumschiff vorbei gekommen, als alle eine kleine Pause verlangten.
„Also gut, eine Pause kann nicht schaden. Nun, danach können wir zum heutigen Höhepunkt kommen.“
Erleichtert seufzte Mereen auf.
Marcel und die anderen taten das Selbe.
Tja, j e t z t konnte die Pause nicht mehr schnell genug zu Ende sein....
Mereen war ganz zappelig.
Marcel legte seine Hand auf ihre Schulter und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Beruhige dich doch, gleich ist es soweit.“
Nach zehn Minuten gingen sie dann weiter.
Granz führte sie in eine Halle die vollkommen dunkel war.
„Hier Kinder,“ sagte er mit einer präsentierenden Stimme „hier ist unsere grösste Entdeckung über anderes Leben, die wir je gemacht haben!“
Damit knipste er einen Schalter an und die Halle erstrahlte von Licht und Glanz. Die Wände waren allesamt Silber- blau und spiegelnd. Das machte dieses Rum grösser, als er eigentlich war.
Und in der Mitte, auf einem hell- rot leuchtendem Sockel stand er.

Mereen lief sofort darauf zu, während die anderen noch damit beschäftigt waren, herauszufinden wo Wand und wo Raum war.
Das „Blue“ sah genauso aus, wie auf den Bildern, naja, vielleicht doch etwas anders.
Die grosse Wunde war geflickt worden und das Fell war nicht mehr so blutverschmiert.
Während um Mereen Rufe wie: „Wow, schau dir mal diese Herzen da, an!“ oder „Hat der aber ein komisches Gesicht!“ oder „Wow, cool, sieh dir mal diese Sichel da an seinem Schwanz an!“ erschallten, betrachtete sie das „Blue“ genauer:
Man hatte es in einer stolzen Haltung aufgestellt: Die schmalen Arme waren angewinkelt, die Schultern leicht angehoben und an den Stielaugen über die Mereen gelacht hatte, war nichts witziges mehr; sie sahen so aus, als wenn sie suchend um sich blickten. Der Kopf war leicht zur Seite gedreht, die schlanken Beine schienen fest auf dem Sockel zu stehen und der lange, kräftige Schwanz war angespannt und hochgehoben, so, dass die Klinge die immer noch blitzte, über deiner der Schultern hing.
Mereen bemerkte, dass das Fell wirklich blau war.
Nur an der stelle wo die Wunde war, war es grösstenteils abgeschabt, so das man die Haut darunter sehen konnte.
Und natürlich diese hässliche Naht.
Die Augen glänzten wieder. Aber d i e s e Augen waren nicht ehrlich... sie hatten keinen Ausdruck mehr.
„Kunstaugen“ schoss es durch Mereens Kopf. Dieses seltsame Gefühl der Vertrautheit... schon wieder!
„Ah, dieses junge Fräulein hat sofort unser Prachtstück unter die Lupe genommen... gut so, gut so...“ Hinter Mereen stand Professor Granz.
Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte plötzlich in ihr Ohr: „Femrig hat mir alles erzählt. Du bist doch das Mädchen, das wir neben dem „Blue“ hier gefunden haben, oder?“
Mereen nickte.
Granz ebenfalls.
Dann richtete er sich wieder auf.
„So Kinder, ich will euch auch auf die inneren Organe des „Blue“ hinweisen. Wie ihr seht sind es nicht viele. Dass kommt daher, dass die meisten Organe zerstört waren. Ihr seht diese Wunde.....“
Mereen hörte nicht mehr zu.
Sie sah sich auch nicht die Innereien an.
Sie starrte nur auf das Gesicht des Aliens und es schien zurück zu starren.
Irgendwie empfand sie diese Ausstellung als Demütigung. Als ob dieses Wesen so ein Ende nicht verdient hätte.
„Was haben sie mit dir gemacht?“ flüsterte sie so leise, das sie niemand hören konnte.
Eine Sekunde später rief sie sich selber zur Ordnung. So was albernes!
Aber dann konnte sie nicht anders, sie musste, sie wollte, dieses Wesen berühren.
Geistesgegenwärtig griff sie langsam nach der schmalen Hand des „Blue“. Sie war kalt. Tot. Unbeweglich starr.
Und doch durchflutete sie ein Schwall von Optimismus und Lebensfreude.
Das Gefühl war sofort wieder weg.
„Hey! Mach das lieber nicht, am Ende kriegst du noch Ärger!“
Unbemerkt war Femrig näher gekommen.
Mereen zog ihre Hand zurück.
Und dann wollte sie nur noch gehen.
Es tat ihr weh, dieses Wesen so.... eingesperrt zu sehen.
Sie hatte keinen blassen Schimmer über den Charakter des „Blue“, aber sie spürte, das es gut sein musste.
Warum sie das spürte wusste sie nicht. Sie wusste in der letzten Zeit vieles von ihren Gefühlen nicht, stellte sie fest.
Jedenfalls wollte d i e s e s nicht mehr sehen. Diese Demütigung....
Zum Glück gingen sie auch bald, denn plötzlich brach Marcel zusammen.
Mereen lief sofort hin.
„Marcel, was ist los?“ schrie sie.
Zur Antwort übergab er sich und kotzte den ganzen glänzenden Boden voll.
Dann holte er tief Luft.
Ich weiss nicht....ich...mir...
Wieder übergab er sich und konnte so nicht mehr sprechen.
Mereen wusste, das man wegen sowas eigentlich keine Angst haben musste, aber sie hatte sie trotzdem.

Das war ja ein gelungener Tagesabschluss!
Alle glaubten, Marcel könne kein Blut sehen, oder so.
Nachdem sie so schnell wie möglich nach Hause gefahren waren, wurde Marcel zu einem Arzt gebracht, der eine schwere Magen- Darmgrippe feststellte.
Marcel musste in einem der Krankenzimmer bleiben.
Mereen war es nicht langweilig.
Aber dennoch hätte sie es lieber gehabt, wenn Marcel da gewesen wäre. Sie hätte gern mit ihm geredet.
Aber jetzt wurde sie fast von ihren Gedanken erdrückt.
Schliesslich beschloss sie unter die Dusche zu gehen.

Das warme Wasser half ihr etwas die Geschehnisse der letzten Tage zu verarbeiten.
Einigermassen frisch kam sie wieder aus der Dusche heraus.
Während sie sich abtrocknete, sagte sie zu sich selbst: „Wahrscheinlich hat das alles nichts zu bedeuten. Wahrscheinlich habe ich nur die Geschichte von Femrig zu hart aufgenommen....“
Als sie dann in den Spiegel schaute, vergass sie diese Vorsätze jedoch.
Für einen Moment sah sie nicht in ihr eigenes Gesicht.
Das Gesicht was sie da anstarrte, hatte eine fahl blaue Haut, grosse grüne Augen und statt Nase und Mund drei Schlitze.
Diese Vision hielt allerdings nur sehr kurz an.
Dann schaute Mereen wieder in ihr eigenes, verängstigtes Gesicht.
„Alles nur Einbildung, alles nur Einbildung...“ murmelte sie.
Aber überzeugt davon war sie nicht.....
 

Die Landung

Mereen schlief mal wieder ziemlich unruhig.
Sie träumte wieder wie üblich von einer Stimme, aber diese Stimme klang....freundlich. Ja, voller Wärme und Freundlichkeit.
In ihrem Traum konnte Mereen sich selber nicht sehen. Es war einer dieser Träume, in denen man nur lief und lief und nicht stehen bleiben konnte.
Sie lief einen langen, schier endlosen Weg entlang. Sein Rand war mit hohen, undurchdringlichen Bäumen gesäumt. Die Bäume wirkten wie Mauern in einem Gefängnis.
Das Ende des Weges konnte sie nicht erkennen, denn er war von Nebel verdeckt. Der Himmel war grau, so dass man die Sonne nicht sehen konnte.
Überhaupt hatte Mereen das Gefühl, sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Sie hatte Angst.
Und da war immer diese Stimme die sie rief... die Stimme klang so...traurig...freundlich, aber traurig...
Mereen musste sich doch bewegen, denn plötzlich tauchte ein Baumstamm, oder irgend etwas anderes, vor ihr auf.... und sie sprang.
Sie flog einfach darüber hinweg. Kalte Luft strich ihr durchs Gesicht
Und dann... wachte sie auf.
Wie sie es erwartet hatte, lag sie nicht mehr in ihrem Bett. Aber auch nicht darunter.
Die kalte Luft blies ihr noch immer das Haar aus der Stirn.
Erst jetzt bemerkte sie den kalten, feuchte Boden auf dem sie stand.
Nasses Gras strich um ihre nackten Füsse.
Mereen erkannte plötzlich, dass sie nicht mehr im Bockses Waisenhaus war.
Sie stand auf der einsamen Wiese, hinter dem Haus.
Allerdings war letzteres ziemlich weit weg: Mindestens dreihundert Meter.
Die Lichter aus den Fenstern waren als kleine Quadrate zu erkennen.
„Wie bin ich hierher gekommen?“ fragte Mereen laut.
In dem Moment fühlte sie sich wie ein kleines Kind, das sich im Kaufhaus verlaufen hatte. So einsam und verloren.
„Wie bin ich hierher gekommen?“ fragte sie noch einmal.
Worauf wartete sie eigentlich? Darauf, dass ihr jemand antwortete?
Sie musste schlafwandelt sein.
Plötzlich spürte sie etwas in ihrer Hand.
Als sie sie öffnete, lag das kleine, silbrige Plättchen darin. Es leuchtete bläulich.
„Aber warum...“
Ein plötzliches Geräusch liess sie zusammenfahren.
Da draussen war der Waldrand.
Aber da war alles still.
Aber...
Mereen zog die Luft durch die Zähne.
Da oben... über den Baumwipfeln... da bewegte sich etwas. Es war kein Flugzeug... es war zu schnell... aber...
Dieses Ding leuchtete blau und zwar genau das selbe blau in dem auch das Plättchen glühte.
Es kam näher.
Mereen hatte dieses unangenehme Angstgefühl das sich aber dann doch nicht als Angst herausstellt sondern als Aufregung.
„Was ist das...?“ hauchte sie unsicher ob sie das nur träumte oder wirklich sah.
Das bläuliche Ding nährte sich schnell.
Langsam wurden die Konturen sichtbar.
Das erste was Mereen sah, war der fordere Teil des „Dinges“.
Nein, nicht „Ding“.
Raumschiff.
Schnell.
Wendig.
Naja, so sah es immerhin aus....
Das Raumschiff sah einer Kapsel ähnlich.
Man konnte die Triebwerke erkennen, aus denen blaue Flammen züngelten.
Mereen erkannte nun auch den hinteren Teil des Schiffes.
Und dieser erinnerte sie an das „Blue“.
Es hatte eine Art Schwanz, die dem des Aliens aus dem Museum erschreckend ähnlich sah.
Plötzlich...
<He! Ich würde an deiner Stelle hier schnell und ich meine s e h r schnell verschwinden!>
Mereen sah sich um.
Im ersten Moment hatte sie das wieder für eine Stimme aus ihrem Traum gehalten... aber das war unmöglich.
Diese Stimme war echt!
Aber wo war sie hergekommen?
Könnte es sein das....
Langsam drehte sie sich wieder zu dem Schiff um, das noch immer in der Luft schwebte und langsam zur Landung ansetzte.
<Ja, genau, ich meine dich!>
Die Stimme hatte etwas hastiges an sich.
< Verschwinde hier, DAS DING GEHT GLEICH IN DIE LUFT!!!>
„Aber... wer bist du?“
Niemand antwortete.
Das Schiff landete.
< Jetzt geh schon! Na los! Geh schon auf!>
Diese Worte waren nicht an Mereen gerichtet.
Plötzlich öffnete sich langsam eine Tür.
Licht strömte aus dem Schiff und in ihm konnte Mereen die Umrisse eines sehr bekannten Körpers sehen.
Wenn das kein „Blue“ war....
Genau der selbe Körper, genau die selbe Körperhaltung.
Das „Blue“ wartete nicht ab, bis die Tür vollends offen war.
Es sprang hinaus, schnell, weit...
<ACHTUNG! Geh aus dem Weg, Menschenkind!>
Ein schrilles, hohes Piepen ertönte, das rasch lauter wurde.
 Mereen erwachte aus ihrer Starre.
Das „Blue“ sprang genau in ihre Richtung.
Plötzlich knallte es so laut, das Mereen das Gefühl hatte, ihre Ohren würden abfallen.
Das Raumschiff blitzte kurz rot auf, dann explodierte es scheinbar von innen nach aussen.
<RUNTER! Aaarrrrggghh!!!>
 Das „Blue“ wurde von der Druckwelle erfasst und trudelte nun einfach hilflos durch die Luft!
„Uaaaaahhh!“
Das Alien knallte direkt in Mereen hinein, riss sie von den Füssen und schleifte sie noch ein ganzes Stück mit.
„AAAAAHHHHH“
<AAAAAHHHHH>
Es schien Stunden zu dauern, ehe sie auf dem Boden aufschlug.
Sie blieb einfach liegen.
Weit vor ihr grummelte die Explosion munter weiter.
Dann war alles still.
Mereen öffnete die Augen.
Nichts war zu sehen.
Nur das hohe, grüne und nasse Gras auf dem sie schon vorher gestanden hatte.
Langsam richtete sie sich auf und sah sich um.
Es hatte sich nichts verändert!
Keine Spur einer Explosion oder eines Brandes oder eines Raumschiffes.
Mereen wagte es wieder zu atmen.
Sie holte einen tiefen Zug Luft... und...
„Arg!“
... sie hustete.
Die Luft war heiss!
Glühend heiss!
Jetzt spürte sie auch diese Hitze auf ihrer Haut.
Bemüht möglichst wenig zu atmen stolperte sie, suchend um sich blickend, den Weg zurück zum Waisenhaus.
Sie war keine drei Schritte gegangen, als sie wieder stürzte.
Ihr Fuss war irgendwo hängen geblieben.
<Autsch! Pass doch auf!>
Mereen erkannte jetzt, worüber sie gestolpert war.
Es war das „Blue“.
In der Dunkelheit konnte Mereen erkennen, das es sich den Kopf rieb.
Dann schaute es sie an.
Seine Augen glitzerten.
<Eigentlich hatte ich ja unbemerkt bleiben wollen... aber naja...>
Ein Lächeln spielte sich um die Augen des Alien.
Mereen starrte es an.
<Du brauchst keine Angst zu haben, Mensch.>
Mereen antwortete nicht.
Sie hatte keine Angst, aber dafür viele Fragen.
„Du bist.... ein „Blue“.“ meinte sie stockend.
Das Alien kniff die Augen, die in deinem Gesicht waren, zusammen.
<Nein!> sagte es dann <ich bin ein Andalit!>
„Andalit?“
<Ja. Und du bist ein Mensch, falls du es nicht wissen solltest!>
Jetzt musste Mereen lachen.
Ein Alien mit Humor!
<Was ist denn so komisch?> fragte der Andalit, aber er schien glücklich darüber, das Mereen lachte.
„Weisst du, du erinnerst mich an einen Freund von mir.“ kicherte Mereen.
Komisch, dachte sie dann, ich liege hier auf einer Wiese und unterhalte mich mit einem Alien, das Witze macht über die man lachen kann.
<Ich erinnere dich an einen Menschen? Ist das wahr?>
Der Andalit schien nun noch glücklicher.
<Ich habe es gewusst! Also hat das Lesen doch etwas gebracht!>
 „Wer bist du?“ fragte Mereen schliesslich, denn diese Frage brannte auf ihrer Zunge wie Feuer.
Sie hatte immer noch keine Angst.
<Mein Name ist Kelihm Seftourour Corrain.> antwortete der Andalit.
Mereen machte ein verdutztes Gesicht.
„So viel? So wirst du genannt?“
<Zu viel? Na, alle nennen mich Kelihm. Also darfst du das auch.>
„Alle? Heisst das es gibt noch mehr von euch?“
<Natürlich, was denkst du denn?>
Plötzlich machte Kelihm ein schuldbewusstes Gesicht.
<Oh, eigentlich dürfte ich dir gar nichts erzählen...>
Dann schwenkten seine Stielaugen hinter sich, wo vorher das Raumschiff gestanden hatte.
<Naja, es macht sowieso keinen Unterschied. Wer weiss, wann ich hier weg komme. Und ich kann ja nicht allein bleiben. Ich mache dir einen Vorschlag.>
„Was? Mir? Aber warum denn?“
<Ich brauche jemanden, der mir hier alles zeigt. Würdest du das machen, wenn ich dir dafür mehr von mir erzähle?>
Na so was! Mereen hätte Kelihm auch so alles gezeigt.
Es war seltsam, wie aufgeschlossen er war. Aus diesen Sci-fi Filmen, hatte man immer den Eindruck, alle Aliens wären misstrauisch und so.
Aber Kelihm war so ziemlich das Gegenteil.
<Und wie heisst du? Oder hast du keinen Namen?>
„Oh, ich heisse Mereen.“
<Mereen?> Kelihm schien erstaunt <Ist das ein menschlicher Name?>
Die Frage war lächerlich.
„Ich weiss nicht. Ich kenne keinen anderen der „Mereen“ heisst. Aber wenn i c h so heisse, muss er ja wohl irdisch sein, oder?“
<Naja, „Mereen“ ist eigentlich ein andalitischer Name.>
Wie? Das durfte doch nicht wahr sein, noch ein Puzzleteil!
 <Aber das ist sicher nur Zufall.>
Zufall, wie?
„Ähm, warum darfst du eigentlich nichts erzählen?“
<Gesetzte! Immer nur Gesetzte! Naja, viele berühmte Leute haben sich nicht an Gesetze gehalten und es ist etwas gutes heraus gekommen.>
Mereen bemerkte plötzlich, dass sie fror.
Die Hitze der Explosion hatte sich verzogen und die Luft war wieder kühl.
Anscheinend ging es Kelihm genauso, denn er stand mit einem Ruck auf.
<Es wird ziemlich feucht. Weisst du einen Platz wo wir uns unterstellen können?>
Er reichte Mereen die Hand und nach kurzem Zögern griff sie danach und zog sich hoch.
„Ein Platz zum Unterstellen?“
Natürlich wusste Mereen einen Platz.
Aber es war nicht ganz ungefährlich, Kelihm zum Bockses Waisenhaus zu bringen.
Jedenfalls hatte sie Fragen.
Sehr viele Fragen.
Fragen, die ihr nur Kelihm beantworten konnte....
 

Der Andalit

Es war dann doch ein längerer Marsch zurück zum Bockses Waisenhaus.
Unterwegs fing es an zu nieseln.
Aber das machte nichts.
Mereen war viel zu sehr damit beschäftigt Kelihm Fragen zu stellen und seinen Antworten zu zuhören.
„Was war das eben? Warum ist dein Schiff explodiert?“
Kelihm schaute sie mit einem seiner Stielaugen an, was ziemlich verwirrend war.
<Naja.... es ist eigentlich nicht m e i n Schiff gewesen....> sagte er dann und Mereen erkannte Beschämung in seinem Gesicht.
<Ich durfte eigentlich gar nicht fliegen. Ich bin ein aristh. Ich glaube, ihr Menschen nennt das „Kadett“>
„Oh... ich verstehe... Moment... du bist im Militär?“
<Natürlich! Was meinst du denn wo das Schiff her kommt! Jedenfalls ist es einem aristh eigentlich nicht erlaubt zu fliegen. Das dürfen nur die Vollkrieger. Meistens jedenfalls.... Also, ich war in diesem Schiff wegen einer... Mutprobe...>
Er senkte den Kopf.
Mereen sagte nichts darauf. Sie wunderte sich zwar, dass es Mutproben sogar bei diesen Andaliten gab, aber sie wollte Kelihm nicht noch mehr damit traurig machen. Es reichte gewiss schon, dass er hier feststeckte...
Aber etwas zu dem Thema wollte sie dann doch wissen.
„Und weshalb ist das Schiff jetzt explodiert?“
<Also, das ist so: Vor mehreren Jahren gab es einen Krieg zwischen uns Andaliten und einer Rasse die sich Yirks nennt. Damals wurden auch Gefangene gemacht. Yirks waren Parasiten, die andere Rassen versklavt hatten indem sie sich in dessen Gehirnen breitgemacht haben. Diese Wesen standen dann unter Konterolle des Yirks. Mann hat diese versklavten Wesen Controller genannt. Ein gefangener Andalit hatte sich wenn er in Gefangenschaft der Yirks war, fast immer umgebracht. Dadurch gab es keine Andaliten- Controller. Oder... doch einen gab es. Aber nur einen.  Manchmal hatte der gefangene Andalit Glück und wurde davor von anderen Kriegern gerettet oder er konnte selber entkommen. Aber meistens haben die Yirks einen Andaliten getötet, sobald sie es konnten. Unsere Rassen haben sich gegenseitig verabscheut.
Jedenfalls hatte jeden Schiff einen Selbstzerstörer eingebaut. Denn selbst wenn der Andalit nichts mehr von seinem Wissen weitergeben konnte- die Maschine konnte viele Informationen über unsere Technologie geben. Also konnten die Schiffe so zerstört werden. Der Selbstzerstörer bestand meistens aus einem Shreddersatz...->
„Äh... ein was?“
<Ein Shreddersatz. Das ist sowas wie eine Bombe. Sie zerstört alles, wovon sie berührt wird und was dieses wieder berührt und so weiter.  Eine Kettenreaktion, verstehst du?>
Er hielt wieder Inne.
<Ich weiss nicht, ob ich dir das wirklich erzählen sollte... ach, wie gesagt, das ist jetzt auch schon egal...>
Er machte eine Bewegung mit dem Kopf, die so aussah, als wenn er diese Sorgen einfach aus seinen Gedanken werfen wollte. Aber so ganz gelang das anscheinend nicht....
„Klingt kompliziert...“ meinte Mereen dann nur. „Und weiter?“
<Ich muss diesen Shreddersatz irgendwie gezündet haben.>
„Aber warum  war nach dieser Explosion nichts als.... als heisse Luft da?“
<Ein Shredder ist eine Andalitische Waffe. Sie funktioniert ähnlich wie ein Laser, nur das die höchste Stufe Dinge dazu bringen kann sich in seine Atome aufzulösen. Die Explosion war nur heiss, hat aber nichts als ein paar Atome übriggelassen.>
„Ah... ich glaube, langsam verstehe ich...“ Weiter kam sie nicht, denn sie waren an der Hintertür des Waisenhauses angekommen.
<Oh.... das ist ja... faszinierend...> meinte Kelihm völlig begeistert <ihr Menschen lebt wirklich in Kästen aus Stein... genau wie in diese Lehrbüchern...>
„Wir müssen jetzt leise sein“ flüsterte Mereen  „Wir gehen jetzt da rein. Und wir dürfen niemanden aufwecken. In meinem Zimmer sind wir dann erst mal sicher.“
Vorsichtig öffnete sie die Tür und schob Kelihm hindurch bevor sie sich selber in den Besenraum dahinter zwängte.
An diesen Besenraum schloss gleich der Flur der zu den Treppen der Schlafsäle führte.
Langsam und schleichend gingen sie über den steinernen Boden, auf dem das Geklapper von Kelihms Hufen Mereen viel zu laut vorkam.
Kelihm selber dagegen sah sich staunend und fasziniert in der Hall um.
Seine Stielaugen schwenkten in alle Richtungen, während er seinen Kopf hin und her drehte.
Zu ihrem Unglück bemerkte Mereen bald, das sie an dem Kästchen in der Vitrine vorbeikommen würden.
Naja, dieses eine Mal...
Noch drei Schritte.
Zwei...
Einer...
Kelihm blieb abrupt stehen.
Mereen prallte beinahe auf ihn drauf.
„Was ist denn jetzt los...?“ zischte sie. Dann sah sie weshalb Kelihm stehengeblieben war.
Er starrte mit allen vier Augen auf das Kästchen.
„Was ist denn los?“ hauchte Mereen.
Kelihm schien sie noch nicht mal zu hören.
„Hallo- o... Kelihm...?“
Mereen musste erst ihre Hand vor seinem Gesicht plazieren, als er endlich reagierte.
<Das... ist es das was ich meine? Oder.... nein... eine Verwechslung ist nicht möglich
 „Was?“ < Die.... es ist eine andalitische Technologie.... aber... woher habt ihr die...?>
„Eine Technologie? Dieses unscheinbare Ding da?“ Mereen merkte plötzlich, dass sie etwas zu laut sprach, also senkte sie die Stimme wieder.
<Dieses „unscheinbare Ding“ wie du es nennst, kann mehr als du denkst. Mit der Blue Box kann man jemandem die Macht des Morphens verleihen.> Er musste wohl Mereens fragende Blicke gespürt und sie auch richtig gedeutet haben, denn sofort begann Kelihm mit der Erklärung des Begriffes „morphen“.
<“Morphen“ bedeutet den Körper zu verändern. Jeder Andalit der mit dem Militär zutun hat, kann morphen. Ich als aristh kann es auch. Aber ich habe noch nicht sehr viele Morphs.>
„Blue Box? Heisst dieses Kästchen so?“
Mereen war wieder ihr Traum eingefallen.
„Es klingt vielleicht verrückt, aber ich habe von der Verbindung zwischen diesem Namen und dem Kästchen geträumt.“
Endlich  drehte Kelihm ihr eines seiner Stielaugen zu.
Dann sagte er: <Ich habe gelesen, dass ihr Menschen manchmal Visionen habt und darin erkennt, was als nächstes kommen wird. Ich glaube man nennt das „sechsten Sinn“. Vielleicht hast du ja einen sechsten Sinn>
Er drehte das Auge zurück zu dem Kästchen.
Mereen dachte einige Minuten darüber nach.
Kelihm wusste erstaunlich viel über die Menschen.
Aber an einen „sechsten Sinn“ glaubte sie nicht.
Sie doch nicht!
Oder etwa doch?
Ein plötzliches Geräusch liess sie auffahren.
Sie meinte Schritte auf dem Flur zu hören.
Mereen packte Kelihm am Arm und zog ihn mühsam von der Blue Box weg (schon allein die Tatsache dass Kelihm vier Beine hatte und sich anscheinend nicht von dem Kästchen trennen wollte machte es schwer ihn hinter sich her zu schleifen...)
Endlich hatten sie die Treppe zu den Schlafzimmern erreicht. Der Teppich der von hier an begann, dämpfte ihre Schritte.
Sie kraxelten die Stufen hinauf, schritten vorsichtig im Korridor an den Schlafzimmern der anderen vorbei und kamen endlich vor Mereens Tür an.
Jetzt hatten sie es fürs Erste geschafft!

Mereen sass auf ihrem Bett. Kelihm stand ihr gegenüber und erzählte noch etwas über sich und die anderen Andaliten. Er erwähnte oft den Krieg mit den Yirks, die Niederlagen und Triumphe.
Mereen war nervös. Lange konnte Kelihm hier nicht bleiben. Und ihn hier heraus zu bringen, war wahrscheinlich schwerer als herein.
<... die Yirks kamen auch auf die Erde und hier sind sie dann zuletzt gescheitert.> erklärte Kelihm gerade begeistert, während er sich interessiert im Zimmer umsah.
<Zuerst sah es so aus, als wenn sie auch diese Welt erobern würden, denn unsere Truppen wurden besiegt. Aber einer der Prinzen die an Bord des letzten Kuppelschiffs in der Umlaufbahn der Erde war, hatte gegen das Gesetz von „Seerows Güte“ verstossen und die Technologie des Morphens an Menschenkinder weitergegeben. Klingt sehr abenteuerlich, aber es war so.>
Soviel hatte Mereen schon gelernt, das sie wusste das ein „Kuppelschiff“ ein andalitisches Raumschiff, ein „Prinz“ ein andalitischer Offizier und dass das Gesetzt von „Seerows Güte“ ein Verbot für die Abgabe der Technologie war.
Ganz am Anfang des Gespräches, war Mereen eine lange Narbe die vom Nacken über das rechte Auge, bis zum Kinn Kelihms gezogen war. <Ach das. Die Narbe habe ich von einem meiner Freunde. Als ich noch nicht beim Militär war, hatten wir eine kleine Meinungsverschiedenheit. Damals konnte ich noch nicht morphen, also ist die Narbe geblieben.>
Danach wollte Mereen alles über das Leben als aristh wissen und natürlich über die Kriege.
Kelihm hatte durchblicken lassen, das es als aristh ein hartes Leben war.
Und das machte die Sache noch interessanter.
Kelihm war inzwischen schon am Ende der Geschichte des Krieges mit den Yirks angekommen.
<Diese Menschenkinder haben den Yirks ganz schön zugesetzt. Diese dachten übrigens, dass diese Kinder Andaliten wären. Grosses haben die geleistet. Die Kinder mein ich, nicht die Yirks. Später hatten diese Kinder dann Prinz Aximili gefunden, der damals selber noch ein aristh war. Ich glaube, mit ihm zusammen waren sie zu sechst.>
„Haben sie es überlebt?“
<Ja. Durch sie ist dieser Planet gerettet worden. Sie haben die Yirks besiegt. Wir Andaliten mussten kaum noch etwas tun. Natürlich muss  es noch ein paar Überlebende geben, aber die sind keine Gefahr mehr. Wahrscheinlich ist Visser Drei unter diesen Überlebenden. Aber sein der Andalit in dem er steckte, war frei.>
Mereen wusste schon, dass Visser Drei der einzige Andaliten Controller den es je gegeben hat war und sie fand diese Geschichten wahnsinnig interessant.
<Prinz Aximili kam nach dem Sieg über die Yirks zurück zu uns. Dort hat er seine Ausbildung als Krieger vervollständigt, obwohl es ja eigentlich nicht mehr viel gab. Er war in einem Krieg. Er war der kleine Bruder von dem Andaliten, der die Technologie an die Kinder gegeben hat. Beide waren grosse Helden.>
„Waren?“
<Ja. Prinz Aximilis grosser Bruder, Prinz Elfangor Sirinial Shamtul, wurde von Visser Drei umgebracht. Heute gibt es viele Gerüchte über den Tod von Prinz Aximili.>
 „Kannst du sie mir erzählen?“
<Naja, Prinz Aximili kam eben erst wieder zu uns. Er hat uns viele Informationen über die Erde bringen können. Unter anderem auch die Technologie der Bücher.>
„Bücher? Eine Technologie?“ Das klang so komisch, das Mereen wieder laut lachte.
<Das ist gar nicht so komisch. Jedenfalls finde ich Bücher sehr toll. Und die Erde, euch Menschen... ich habe viel über euch gelesen. Besonders euer Humor und eure Redensart hat mich begeistert. Also habe ich sie mir angeeignet. Aber vielen Andaliten gefällt das nicht. Weisst du, nicht alle haben so einen ausgeprägten Humor... deshalb freue ich mich ja auch so, wenn du über meine Witze lachst.>
Aha, so ist das also. Mereen fand Andaliten langsam immer besser.
Kelihm erzählte weiter.
<Aximili hat es aber nicht sonderlich lange auf unserem Planeten oder in den Kuppelschiffen ausgehalten. Ich denke er war zuviel Mensch geworden Aber gerade deswegen ist er mein grosses Vorbild. Er ist dann wieder auf die Erde zurückgekehrt. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Manche sagen, er sei auf dem Weg hierher in einem Kampf oder so gestorben. Andere meinen, er sein von Menschen entdeckt worden. Und wieder andere meinen, er sein noch am leben... irgendwo. Manche sagen aber, Visser Drei hätte auch ihn getötet.>
„Und was...was glaubst du?“
<Ich weiss nicht. Es klingt alles ziemlich... naja, grotesk. Ich weiss nicht was ich glauben soll. Ich finde es einfach nur schade, das er tot ist. Aber wenn er tot ist, ist er hier auf der Erde gestorben, das ist sicher.>
„Kanntest du ihn?“
<Nein. Meine Eltern waren gute Bekannte von ihm, aber da er ja vor sechzehn Jahren schon zur Erde zurückgekehrt ist... nach euren Massstäben bin ich erst vierzehn Jahre alt.>
Mereen runzelte die Stirn.
Vielleicht war dieser Prinz Aximili ja der aus dem Museum?
Möglich wäre es.
Eines war sicher. Kelihm würde ihr helfen diese ganzen Rätsel zu lösen....
 

Kleine Einweihung

Tja, in der Nacht war an Schlafen überhaupt nicht zu denken.
Mit Kelihm im Zimmer, war es ein wenig eng und da sein Schwanz völlig unbewusst durch die Gegend schweifte, musste sich Mereen sich manchmal schnell ducken, um nicht von der Klinge erwischt zu werden.
Der Andalit erzählte ihr noch viel.
Aber die ganze Zeit hing Mereen die Geschichte mit diesem „Prinz Aximili“ im Hinterkopf.
Von diesem erzählte Kelihm noch, dass der Prinz seinen Eltern die meisten Bücher von der Erde anvertraut hatte und diese hatten die Bücher wiederum an Kelihm weitergegeben. <Es ist schon komisch> meinte er dann am Schluss <Ich wollte früher unbedingt mal die Erde besuchen. Und jetzt bin ich hier!>
Mereen sah auf die Uhr- und schreckte auf. „Ach du meine Güte! Es ist schon halb acht! Und um acht machen die Betreuer ihre erste Runde! Du musst hier weg, und zwar sofort!“
<Betreuer? Andere Menschen?> Kelihm schwang seine Stielaugen hin und her. Auch er war jetzt beunruhigt. <Werden die andren Menschen denn nicht so.... ähm... gelassen reagieren wie du?> „Unter Garantie nicht. Ich muss dich hier raus bringen.“
<Und wohin?>
„Am besten...am besten in den Wald. Der ist nicht sonderlich weit weg. Naja, du hast es ja gestern Nacht gesehen.“ Sie kratzte sich am Kopf. „Nur wie kriege ich dich da, ohne das du gesehen wirst, hin?“
<Ich könnte morphen.>
„Nein, das geht nicht. Mich kannst du nicht übernehmen, schliesslich wissen alle dass ich keine Zwillingsschwester habe.... und was anderes ist hier nicht zum übernehmen drin...“
Hm, dachte Mereen, jetzt rede ich schon von der ganzen Sache, als würde ich es schon Jahre lang kennen.
„Oder hast du einen unauffälligen oder so kleinen Morph drauf, dass ich dich in meine Tasche stecken könnte?“
Kelihm schüttelte den Kopf. <Nein, aber ich habe etwas besseres. Öffne diese Luke, da.>
„Das ist ein Fenster, Kelihm!“ <Wie auch immer...>
Als das Fenster offen war, begann Kelihm zu morphen.
Es war nicht das erste mal, dass Mereen so etwas sah. In ihren Träumen war sowas oft vorgekommen. Aber dennoch war es seltsam, ja sogar widerlich, Kelihm beim morphen zuzusehen.
Seine beiden Arme wurden schmaler und teilten sich in jeweils drei Teile. Diese wurden immer dünner und dünner, bis sie wie dicke Leintücher waren. Sein Gesicht wölbte sich spitz nach aussen, während seine Schwanzklinge langsam verkümmerte. Kelihm beruhigte Mereen, als er ihren etwas angewiderten Blick auffing. <Keine Angst, das sieht schlimmer aus, als es ist. Ich...urmp...> Kelihm war nach vorn gekippt, denn auch seine Vorderbeine fächerten sich zu drei lappenartigen Gliedmassen, genau wie die ersten, die aus seinen Armen geworden waren. Seine Hinterbeine konnte man bald nicht mehr sehen.
Am Schluss lag er als zwölfflügliges Etwas mit spitzem Schnabel vor Mereens Bett auf dem Boden. Sein scharfer Schnabel glitzerte in der Morgensonne, genau wie seine Schwanzklinge im Licht des Mondes.
„Ähm.... was ist das?“ fragte Mereen etwas stutzig.
<Das ist ein kafit-Vogel>
„Ein w a s?“
<Ein kafit-Vogel. Ein Vogel, der nur auf unserem Heimatplaneten vorkommt.>
„Ist ja interessant...“
Kelihm begann mit seinen Flügeln zu schlagen und er erhob sich schnell in die Luft- obwohl gar kein Aufwind da war. Diese zwölf Flügen waren schon Antrieb genug.
Kelihm schoss aus dem Fenster. Mereen streckte den Kopf nach draussen und konnte noch sehen, dass ihr neuer Freund hoch.... hoch.... in das Rosablau des Himmels aufstieg.
<Ich weiss ja wo der Wald ist. Treffen wir uns dort in.... sagen wir.... fünf eurer irdischen Stunden? Am Waldrand?>
Mereen konnte schlecht antworten, schliesslich würde Kelihm sie dort oben nicht hören, also nickte sie nur und hoffte, das ein kafit-Vogel gute Augen hatte.

Nach dem Frühstück besuchte sie Marcel in seinem Krankenzimmer. Ihm ging es schon besser, das sah man.
Nachdem sie sich erkundigt hatte, wann er wieder rauskommen würde, („hm, weiss noch nicht, wird noch ne Weile dauern.... vielleicht nach dem Mittagessen, heute?“) flüsterte Mereen Marcel leise ins Ohr: „Du, dieses „Blue“ aus dem Museum.... das ist gar kein „Blue“. Die Rasse nennt sich „Andalit““ Marcel lachte darauf nur, nickte hastig mit dem Kopf und flüsterte nur aus Spass zurück: „Ja, und so ein „Andalit“ ist hier im Nachbarwald gestern Nacht gelandet und du hast natürlich bei der Landung seines UFOs zugesehen...“
Aber als Mereen darauf antwortete „Woher weisst du das?“ verdrehte er die Augen. „Das sollte ein Witz sein!“
„Naja,“ sagte Mereen dann wieder mit gedämpfter Stimme „aber es ist war. Wir haben einen Andaliten im Nachbarwald. Heute Nachmittag werde ich es dir beweisen.“ Den letzten Satz hatte sie nur deswegen gesagt, weil Marcel schon den Finger an die Stirn gehoben hatte.
Von wegen, er glaubt alles!“

Marcel kam schon zum Nachtisch an diesem Tag und verdrückte auch gleich mal seine Portion an Pudding
(„Meine Güte, bist du verfressen!“).
Über diese kurze Diskussion am Morgen verloren sie kein Wort und erst als sie nach draussen gingen, sprach Mereen Marcel noch mal auf diese Begebenheit in der gestrigen Nacht an.
Bei der ganzen Geschichte über hörte Marcel geduldig zu, aber am Schluss schüttelte er den Kopf.
„Ich werde es dir beweisen, Kelihm ist hier, hat gesagt wir sollten uns am Waldrand treffen, und zwar genau...“
Erst jetzt viel ihr auf, das sie keine Ahnung hatte, wo sie Kelihm denn überhaupt treffen sollte.
„...hier.“ ergänzte sie dann um sich nicht lächerlich machen zu müssen. Den Waldrand hatten sie erreicht. Jetzt müsste Kelihm doch langsam kommen....
„Aha.“ Marcel verschränkte die Arme vor der Brust. „Woher soll dieser Kelihm eigentlich wissen, wann ihr euch trefft?“
„Er hat gesagt in fünf Stunden.“
„Ah, ja. Und er hat eine Uhr an der er ablesen kann wie spät es ist, hm?“
<Das nicht, aber ich wette, ich habe einen ausgeprägteren Zeitsinn als du, Mensch.> Marcel zuckte zusammen und sah sich um. Aber es war nichts zu sehen. Mereen grinste.
„Wie hast du das gemacht?“ fragte Marcel dann aufgeregt „Ist das sowas wie Bauchreden?“
<Mereen, wer ist das? Kann ich ihm vertrauen? Oder gehört er zu den Menschen, die nicht gelassen reagieren?>
Dann ein Lachen- in Gedankensprache. „Mereen...? Hör auf, ja?“
Mereen drehte den Kopf hin und her und suchte nach Kelihm, der hier irgendwo stecken musste- denn er musste sie hören können. „Kelihm?“ rief sie dann laut „Du kannst rauskommen. Marcel ist ein Freund. Ich weiss nicht, wie er reagieren wird, aber ich vertraue ihm.“ „Mereen, hörst du jetzt mal auf?! Das wird langsam unglaub- aaaaaaAAAAAAAHHHhhhhhhh!“
Kelihm war aus dem Unterholz hervorgesprungen. Sein Schwanz schnappte durch die Luft, und die Klinge hackte ein paar Äste und Zweige ab, die dann hinter dem Andaliten auf den Boden fielen. Selbst Mereen war etwas erschrocken. Doch s i e fing sich schnell wieder. „Toller Auftritt Kelihm!“ lachte sie. Auch Kelihm schien zu grinsen- wenn auch ohne Mund.
Marcel konnte hingegen nur stammeln. „Aber.....aber....das ist ja.... bist du echt???“ Kelihm sah ihn ungerührt an. <Naja... auf was würdest du wetten, Marcel...ähm... so heisst du doch, oder?> Marcel nickte stumm. Langsam setzte er sich auf den Boden. Und dann sagte er: „Oh, wow, cool! Sowas ist ja klasse, ein echtes Alien!“ Mereen nahm ihn bei der Schulter. „Marcel... du darfst niemandem von Kelihm erzählen.“ flüsterte sie „Vielleicht kommt er sonst in ein Labor, oder in einen Zoo, oder wird gejagt. Und denk mal nach, der Andalit aus dem Museum...“
<Aus dem Museum? Wie? Ich meine... wissen die Leute doch von uns? Nach dem Krieg mit den Yirks wurden doch die Erinnerungen der Menschen gelöscht! Das ist doch unmöglich!> Mereen zuckte zusammen.
Sie hatte nicht leise genug gesprochen.
Kelihm hatte alles gehört. <Mereen, warum hast du mir nichts davon erzählt?>
„Weisst du, Kelihm.....“ Mereen hatte keine Ahnung was sie sagen konnte. „Ich... ich denke selber nicht gerne an die Sache...“ murmelte sie schliesslich.
Die gute Laune war weg. Bei allen.
Doch zum Glück begriff Kelihm, das etwas nicht stimmte.
<Weshalb denn nicht?> meinte er nach einer kurzen Pause.
„Weil.... ich... ich habe...also...“ Mereen schluckte, dann konnte sie wieder sprechen. „Als ich noch klein war wurde ich mit meiner Mutter neben ihm gefunden. Beide waren tot. Meine Mutter und der Andalit, meine ich.“
Sie atmete noch einmal aus. „Ich habe Bilder davon gesehen. Das war nicht gerade schön. Aber dann habe ich diesen Andaliten im Museum gesehen. Das war noch schlimmer. Vielleicht verstehst du das nicht Kelihm, aber es tut mir weh, wenn ich daran denke.“
Kelihm sah sie mit seinen Hauptaugen an. Dann trat er einen Schritt auf sie zu und legte seine schmale Hand auf ihre Schulter. <Ich kann verstehen das es weh tut, seine Mutter zu verlieren...> sagte er und sah ihr in die Augen.
Mereen starrte einen Stein der vor ihr auf der Erde lag an. „Es geht doch nicht um meine Mutter! Es geht mir viel mehr um den Andaliten.... ich weiss, es klingt verrückt.... aber ich habe das Gefühl,  dass ich eine Bindung oder sowas ähnliches zu ihm habe. Meine Mutter.... meine Mutter habe ich nicht gekannt....“  <Aber den Andaliten doch auch nicht?> „Nein.... aber wie ich schon sagte.... ich habe eine Bindung zu ihm.“ Mereen sah Kelihm nun auch an. Und sie erkannte Verständnis hinter diesen grossen, grünen Augen. Den Augen die den ihren so sehr ähnelten. „Weisst du... du hast mir so viel erzählt. Und soviel kommt mir davon bekannt vor. Ich habe Träume, in denen die gleichen Worte benutzt werden... „ <Schon wieder Träume. Genau wie mit der BlueBox! Aber...->
„Wenn ich euch mal unterbrechen darf!“
Mereen hatte ganz vergessen, dass Marcel noch da war. Kelihms Hand lag immer noch auf ihrer Schulter und bis jetzt hatten sie sich angesehen.
Mereen räusperte sich.
„Also. Was wollt ihr jetzt tun? Wie ich gehört habe, weiss Mereen ne Menge über diese ganze Geschichte und umgekehrt! Aber ich? Ich weiss nix.“
Er grinste.
„Und das muss man ändern! Los, erzählt schon, ihr beiden!“
 
 

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