Das Museum
Mereen wachte auf.
Ihr Kopf tat weh. Als sie
sich umsah, merkte sie, das sie wieder in ihrem Bett lag und es dunkel
war. Sie war noch völlig eingekleidet.
Als sie neben sich blickte,
sah sie eine eingesunkene Gestalt auf einem Stuhl neben ihrem Bett sitzen.
Langsam und vorsichtig schaltete
sie das Lämpchen auf ihrem Nachttisch ein.
Das Licht blendete und Marcel
schreckte auf. Anscheinend hatte er nicht richtig geschlafen.
„Ah, du bist wach! Gut! Ich
hab mir schon Sorgen gemacht!“ flüsterte er und gähnte herzhaft.
„Was ist passiert?“ fragte
Mereen genau so leise.
„Du bist plötzlich ohnmächtig
geworden. Davor hast du geschrien. Es ist aber niemand gekommen und ich
wollte keinen beunruhigen. Also hab ich dich in dein Bett gezogen.“
„Hast du die ganze Zeit hier
gesessen?!“
„Ja, ich konnte dich schliesslich
nicht allein lassen!“
Mereen liess sich wieder
in ihr Kissen plumpsen. Sofort begann ihr Kopf zu pochen. Sie griff sich
an die Stirn. Marcel bemerkte die Bewegung.
„Du bist mit dem Kopf gegen
den Schrak geknallt.“ meinte er beiläufig. „Aber bis morgen bist du
sicher wieder fit.“
Die Wochentage krochen langsam
dahin. Und endlich war es soweit: Samstag! Museumstag!
Mereens Kopf tat zwar nicht
mehr weh, aber sie hatte eine dicke Beule bekommen.
Als der Bus kam, der die Kinder
zum Museum bringen sollte, sprangen Mereen und Marcel als erste rein und
setzten sich ganz nach vorn.
Die Fahrt war vor allem langweilig.
Während Mereen den Haarsträubenden
Geschichten von Sabrina zuhörte und dabei aus dem Fenster sah, blätterte
Marcel in einem Comic Heft das er schon mindestens sechs mal gelesen haben
musste.
Alle langweilten sich. Alle
ausser Sabrina versteht sich.
Die Landschaft veränderte
sich nicht viel.
Erst war es ein wenig waldig,
aber dann fuhren sie nur noch durch Stadt und Industriegebiete.
Die Fahrt zog sich dahin und
endlich kam der Bus zum stehen.
Das Museum war gigantisch.
Anscheinend wurden dort noch mehrere Dinge ausgestellt, mit Ausname des
„Blue“.
Femrig, der bei dem Ausfug
Kindermädchen spielte, versuchte alle in Zweierreihen auf zu stellen.
Dann marschierten sie alle
durch das Tor, das aussah wie eine Linse und auch ähnlich funktionierte.
Die sichelförmigen Türblätter
zogen sich auf Kommando in den runden Türrahmen zurück.
„Cool“ murmelte Marcel unter
der Nase.
Mereen bemerkte plötzlich
einen Mann, der so um die dreissig sein musste. Er stritt sich mit einem
Wärter, der das Museum bewachte. „Verstehen sie denn nicht!“ rief
der Mann „Ich muss da rein, es ist wichtig!“
Doch der Museumswärter
liess nicht locker. „Heute ist für alle ausser für Schulklassen
geschlossen!
Sie können morgen wieder
kommen! Und jetzt verschwinden sie bitte, bevor sie noch richtig Ärger
mit der Polizei bekommen!“
Der Mann trollte sich.
Mereen versuchte ihn aus ihren
Gedanken zu verscheuchen, als er sich nochmals umwand und sie ansah.
Er runzelte die Stirn, ging
dann aber ohne ein Wort zu sagen weiter.
Sie betraten das Gebäude.
Alles schien hoch technisch
ausgestattet zu sein; die Wände glänzten und waren zum Teil durchsichtig.
Kurz: Hier fühlte man sich, als wenn man einen Schritt in die Zukunft
gemacht hätte.
Ein Führer empfing sie.
„Guten Tag Professor, hallo
Kinder.“ Er nickte allen freundlich zu und Femrig stellte ihn vor.
„Kinder, das ist mein Kollege
im Labor gewesen. Professor Granz.“
Wieder nickte Granz freundlich.
„Ich werde euch heute in die
phantastische Welt der ungelösten Phänomene einweihen. Und als
Höhepunkt dieser Führung, wird euch die erste Berührung
mit ausserirdischem Leben gezeigt: Unser „Blue“.“
Sie gingen los.
Die Gruppe war schwer zusammenzuhalten,
denn es gab immer etwas Interessantes zu sehen und so passierte es hin
und wieder, das eines der Kinder plötzlich verschwunden war.
Granz war ein guter Führer
und Erzähler.
Jede Frage beantwortete er
genau, und wenn er es mal nicht konnte, tat Femrig das für ihn.
Trotz der vielen tollen Dinge
in diesem Museum, wurde es nach zwei Stunden langweilig.
Mereen spürte jetzt wie
müde ihre Beine waren und langsam verlor sie die Lust an diesem Ausflug.
Gerade waren sie an einem
möglichen Triebwerk für ein Raumschiff vorbei gekommen, als alle
eine kleine Pause verlangten.
„Also gut, eine Pause kann
nicht schaden. Nun, danach können wir zum heutigen Höhepunkt
kommen.“
Erleichtert seufzte Mereen
auf.
Marcel und die anderen taten
das Selbe.
Tja, j e t z t konnte die
Pause nicht mehr schnell genug zu Ende sein....
Mereen war ganz zappelig.
Marcel legte seine Hand auf
ihre Schulter und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Beruhige dich doch,
gleich ist es soweit.“
Nach zehn Minuten gingen sie
dann weiter.
Granz führte sie in eine
Halle die vollkommen dunkel war.
„Hier Kinder,“ sagte er mit
einer präsentierenden Stimme „hier ist unsere grösste Entdeckung
über anderes Leben, die wir je gemacht haben!“
Damit knipste er einen Schalter
an und die Halle erstrahlte von Licht und Glanz. Die Wände waren allesamt
Silber- blau und spiegelnd. Das machte dieses Rum grösser, als er
eigentlich war.
Und in der Mitte, auf einem
hell- rot leuchtendem Sockel stand er.
Mereen lief sofort darauf zu,
während die anderen noch damit beschäftigt waren, herauszufinden
wo Wand und wo Raum war.
Das „Blue“ sah genauso aus,
wie auf den Bildern, naja, vielleicht doch etwas anders.
Die grosse Wunde war geflickt
worden und das Fell war nicht mehr so blutverschmiert.
Während um Mereen Rufe
wie: „Wow, schau dir mal diese Herzen da, an!“ oder „Hat der aber ein komisches
Gesicht!“ oder „Wow, cool, sieh dir mal diese Sichel da an seinem Schwanz
an!“ erschallten, betrachtete sie das „Blue“ genauer:
Man hatte es in einer stolzen
Haltung aufgestellt: Die schmalen Arme waren angewinkelt, die Schultern
leicht angehoben und an den Stielaugen über die Mereen gelacht hatte,
war nichts witziges mehr; sie sahen so aus, als wenn sie suchend um sich
blickten. Der Kopf war leicht zur Seite gedreht, die schlanken Beine schienen
fest auf dem Sockel zu stehen und der lange, kräftige Schwanz war
angespannt und hochgehoben, so, dass die Klinge die immer noch blitzte,
über deiner der Schultern hing.
Mereen bemerkte, dass das
Fell wirklich blau war.
Nur an der stelle wo die Wunde
war, war es grösstenteils abgeschabt, so das man die Haut darunter
sehen konnte.
Und natürlich diese hässliche
Naht.
Die Augen glänzten wieder.
Aber d i e s e Augen waren nicht ehrlich... sie hatten keinen Ausdruck
mehr.
„Kunstaugen“ schoss es durch
Mereens Kopf. Dieses seltsame Gefühl der Vertrautheit... schon wieder!
„Ah, dieses junge Fräulein
hat sofort unser Prachtstück unter die Lupe genommen... gut so, gut
so...“ Hinter Mereen stand Professor Granz.
Er beugte sich zu ihr herunter
und flüsterte plötzlich in ihr Ohr: „Femrig hat mir alles erzählt.
Du bist doch das Mädchen, das wir neben dem „Blue“ hier gefunden haben,
oder?“
Mereen nickte.
Granz ebenfalls.
Dann richtete er sich wieder
auf.
„So Kinder, ich will euch
auch auf die inneren Organe des „Blue“ hinweisen. Wie ihr seht sind es
nicht viele. Dass kommt daher, dass die meisten Organe zerstört waren.
Ihr seht diese Wunde.....“
Mereen hörte nicht mehr
zu.
Sie sah sich auch nicht die
Innereien an.
Sie starrte nur auf das Gesicht
des Aliens und es schien zurück zu starren.
Irgendwie empfand sie diese
Ausstellung als Demütigung. Als ob dieses Wesen so ein Ende nicht
verdient hätte.
„Was haben sie mit dir gemacht?“
flüsterte sie so leise, das sie niemand hören konnte.
Eine Sekunde später rief
sie sich selber zur Ordnung. So was albernes!
Aber dann konnte sie nicht
anders, sie musste, sie wollte, dieses Wesen berühren.
Geistesgegenwärtig griff
sie langsam nach der schmalen Hand des „Blue“. Sie war kalt. Tot. Unbeweglich
starr.
Und doch durchflutete sie
ein Schwall von Optimismus und Lebensfreude.
Das Gefühl war sofort
wieder weg.
„Hey! Mach das lieber nicht,
am Ende kriegst du noch Ärger!“
Unbemerkt war Femrig näher
gekommen.
Mereen zog ihre Hand zurück.
Und dann wollte sie nur noch
gehen.
Es tat ihr weh, dieses Wesen
so.... eingesperrt zu sehen.
Sie hatte keinen blassen Schimmer
über den Charakter des „Blue“, aber sie spürte, das es gut sein
musste.
Warum sie das spürte
wusste sie nicht. Sie wusste in der letzten Zeit vieles von ihren Gefühlen
nicht, stellte sie fest.
Jedenfalls wollte d i e s
e s nicht mehr sehen. Diese Demütigung....
Zum Glück gingen sie
auch bald, denn plötzlich brach Marcel zusammen.
Mereen lief sofort hin.
„Marcel, was ist los?“ schrie
sie.
Zur Antwort übergab er
sich und kotzte den ganzen glänzenden Boden voll.
Dann holte er tief Luft.
Ich weiss nicht....ich...mir...
Wieder übergab er sich
und konnte so nicht mehr sprechen.
Mereen wusste, das man wegen
sowas eigentlich keine Angst haben musste, aber sie hatte sie trotzdem.
Das war ja ein gelungener Tagesabschluss!
Alle glaubten, Marcel könne
kein Blut sehen, oder so.
Nachdem sie so schnell wie
möglich nach Hause gefahren waren, wurde Marcel zu einem Arzt gebracht,
der eine schwere Magen- Darmgrippe feststellte.
Marcel musste in einem der
Krankenzimmer bleiben.
Mereen war es nicht langweilig.
Aber dennoch hätte sie
es lieber gehabt, wenn Marcel da gewesen wäre. Sie hätte gern
mit ihm geredet.
Aber jetzt wurde sie fast
von ihren Gedanken erdrückt.
Schliesslich beschloss sie
unter die Dusche zu gehen.
Das warme Wasser half ihr etwas
die Geschehnisse der letzten Tage zu verarbeiten.
Einigermassen frisch kam sie
wieder aus der Dusche heraus.
Während sie sich abtrocknete,
sagte sie zu sich selbst: „Wahrscheinlich hat das alles nichts zu bedeuten.
Wahrscheinlich habe ich nur die Geschichte von Femrig zu hart aufgenommen....“
Als sie dann in den Spiegel
schaute, vergass sie diese Vorsätze jedoch.
Für einen Moment sah
sie nicht in ihr eigenes Gesicht.
Das Gesicht was sie da anstarrte,
hatte eine fahl blaue Haut, grosse grüne Augen und statt Nase und
Mund drei Schlitze.
Diese Vision hielt allerdings
nur sehr kurz an.
Dann schaute Mereen wieder
in ihr eigenes, verängstigtes Gesicht.
„Alles nur Einbildung, alles
nur Einbildung...“ murmelte sie.
Aber überzeugt davon
war sie nicht.....
Die Landung
Mereen schlief mal wieder ziemlich
unruhig.
Sie träumte wieder wie
üblich von einer Stimme, aber diese Stimme klang....freundlich. Ja,
voller Wärme und Freundlichkeit.
In ihrem Traum konnte Mereen
sich selber nicht sehen. Es war einer dieser Träume, in denen man
nur lief und lief und nicht stehen bleiben konnte.
Sie lief einen langen, schier
endlosen Weg entlang. Sein Rand war mit hohen, undurchdringlichen Bäumen
gesäumt. Die Bäume wirkten wie Mauern in einem Gefängnis.
Das Ende des Weges konnte
sie nicht erkennen, denn er war von Nebel verdeckt. Der Himmel war grau,
so dass man die Sonne nicht sehen konnte.
Überhaupt hatte Mereen
das Gefühl, sich nicht von der Stelle zu bewegen.
Sie hatte Angst.
Und da war immer diese Stimme
die sie rief... die Stimme klang so...traurig...freundlich, aber traurig...
Mereen musste sich doch bewegen,
denn plötzlich tauchte ein Baumstamm, oder irgend etwas anderes, vor
ihr auf.... und sie sprang.
Sie flog einfach darüber
hinweg. Kalte Luft strich ihr durchs Gesicht
Und dann... wachte sie auf.
Wie sie es erwartet hatte,
lag sie nicht mehr in ihrem Bett. Aber auch nicht darunter.
Die kalte Luft blies ihr noch
immer das Haar aus der Stirn.
Erst jetzt bemerkte sie den
kalten, feuchte Boden auf dem sie stand.
Nasses Gras strich um ihre
nackten Füsse.
Mereen erkannte plötzlich,
dass sie nicht mehr im Bockses Waisenhaus war.
Sie stand auf der einsamen
Wiese, hinter dem Haus.
Allerdings war letzteres ziemlich
weit weg: Mindestens dreihundert Meter.
Die Lichter aus den Fenstern
waren als kleine Quadrate zu erkennen.
„Wie bin ich hierher gekommen?“
fragte Mereen laut.
In dem Moment fühlte
sie sich wie ein kleines Kind, das sich im Kaufhaus verlaufen hatte. So
einsam und verloren.
„Wie bin ich hierher gekommen?“
fragte sie noch einmal.
Worauf wartete sie eigentlich?
Darauf, dass ihr jemand antwortete?
Sie musste schlafwandelt sein.
Plötzlich spürte
sie etwas in ihrer Hand.
Als sie sie öffnete,
lag das kleine, silbrige Plättchen darin. Es leuchtete bläulich.
„Aber warum...“
Ein plötzliches Geräusch
liess sie zusammenfahren.
Da draussen war der Waldrand.
Aber da war alles still.
Aber...
Mereen zog die Luft durch
die Zähne.
Da oben... über den Baumwipfeln...
da bewegte sich etwas. Es war kein Flugzeug... es war zu schnell... aber...
Dieses Ding leuchtete blau
und zwar genau das selbe blau in dem auch das Plättchen glühte.
Es kam näher.
Mereen hatte dieses unangenehme
Angstgefühl das sich aber dann doch nicht als Angst herausstellt sondern
als Aufregung.
„Was ist das...?“ hauchte
sie unsicher ob sie das nur träumte oder wirklich sah.
Das bläuliche Ding nährte
sich schnell.
Langsam wurden die Konturen
sichtbar.
Das erste was Mereen sah,
war der fordere Teil des „Dinges“.
Nein, nicht „Ding“.
Raumschiff.
Schnell.
Wendig.
Naja, so sah es immerhin aus....
Das Raumschiff sah einer Kapsel
ähnlich.
Man konnte die Triebwerke
erkennen, aus denen blaue Flammen züngelten.
Mereen erkannte nun auch den
hinteren Teil des Schiffes.
Und dieser erinnerte sie an
das „Blue“.
Es hatte eine Art Schwanz,
die dem des Aliens aus dem Museum erschreckend ähnlich sah.
Plötzlich...
<He! Ich würde an
deiner Stelle hier schnell und ich meine s e h r schnell verschwinden!>
Mereen sah sich um.
Im ersten Moment hatte sie
das wieder für eine Stimme aus ihrem Traum gehalten... aber das war
unmöglich.
Diese Stimme war echt!
Aber wo war sie hergekommen?
Könnte es sein das....
Langsam drehte sie sich wieder
zu dem Schiff um, das noch immer in der Luft schwebte und langsam zur Landung
ansetzte.
<Ja, genau, ich meine dich!>
Die Stimme hatte etwas hastiges
an sich.
< Verschwinde hier, DAS
DING GEHT GLEICH IN DIE LUFT!!!>
„Aber... wer bist du?“
Niemand antwortete.
Das Schiff landete.
< Jetzt geh schon! Na los!
Geh schon auf!>
Diese Worte waren nicht an
Mereen gerichtet.
Plötzlich öffnete
sich langsam eine Tür.
Licht strömte aus dem
Schiff und in ihm konnte Mereen die Umrisse eines sehr bekannten Körpers
sehen.
Wenn das kein „Blue“ war....
Genau der selbe Körper,
genau die selbe Körperhaltung.
Das „Blue“ wartete nicht ab,
bis die Tür vollends offen war.
Es sprang hinaus, schnell,
weit...
<ACHTUNG! Geh aus dem Weg,
Menschenkind!>
Ein schrilles, hohes Piepen
ertönte, das rasch lauter wurde.
Mereen erwachte aus
ihrer Starre.
Das „Blue“ sprang genau in
ihre Richtung.
Plötzlich knallte es
so laut, das Mereen das Gefühl hatte, ihre Ohren würden abfallen.
Das Raumschiff blitzte kurz
rot auf, dann explodierte es scheinbar von innen nach aussen.
<RUNTER! Aaarrrrggghh!!!>
Das „Blue“ wurde von
der Druckwelle erfasst und trudelte nun einfach hilflos durch die Luft!
„Uaaaaahhh!“
Das Alien knallte direkt in
Mereen hinein, riss sie von den Füssen und schleifte sie noch ein
ganzes Stück mit.
„AAAAAHHHHH“
<AAAAAHHHHH>
Es schien Stunden zu dauern,
ehe sie auf dem Boden aufschlug.
Sie blieb einfach liegen.
Weit vor ihr grummelte die
Explosion munter weiter.
Dann war alles still.
Mereen öffnete die Augen.
Nichts war zu sehen.
Nur das hohe, grüne und
nasse Gras auf dem sie schon vorher gestanden hatte.
Langsam richtete sie sich
auf und sah sich um.
Es hatte sich nichts verändert!
Keine Spur einer Explosion
oder eines Brandes oder eines Raumschiffes.
Mereen wagte es wieder zu
atmen.
Sie holte einen tiefen Zug
Luft... und...
„Arg!“
... sie hustete.
Die Luft war heiss!
Glühend heiss!
Jetzt spürte sie auch
diese Hitze auf ihrer Haut.
Bemüht möglichst
wenig zu atmen stolperte sie, suchend um sich blickend, den Weg zurück
zum Waisenhaus.
Sie war keine drei Schritte
gegangen, als sie wieder stürzte.
Ihr Fuss war irgendwo hängen
geblieben.
<Autsch! Pass doch auf!>
Mereen erkannte jetzt, worüber
sie gestolpert war.
Es war das „Blue“.
In der Dunkelheit konnte Mereen
erkennen, das es sich den Kopf rieb.
Dann schaute es sie an.
Seine Augen glitzerten.
<Eigentlich hatte ich ja
unbemerkt bleiben wollen... aber naja...>
Ein Lächeln spielte sich
um die Augen des Alien.
Mereen starrte es an.
<Du brauchst keine Angst
zu haben, Mensch.>
Mereen antwortete nicht.
Sie hatte keine Angst, aber
dafür viele Fragen.
„Du bist.... ein „Blue“.“
meinte sie stockend.
Das Alien kniff die Augen,
die in deinem Gesicht waren, zusammen.
<Nein!> sagte es dann <ich
bin ein Andalit!>
„Andalit?“
<Ja. Und du bist ein Mensch,
falls du es nicht wissen solltest!>
Jetzt musste Mereen lachen.
Ein Alien mit Humor!
<Was ist denn so komisch?>
fragte der Andalit, aber er schien glücklich darüber, das Mereen
lachte.
„Weisst du, du erinnerst mich
an einen Freund von mir.“ kicherte Mereen.
Komisch, dachte sie dann,
ich liege hier auf einer Wiese und unterhalte mich mit einem Alien, das
Witze macht über die man lachen kann.
<Ich erinnere dich an einen
Menschen? Ist das wahr?>
Der Andalit schien nun noch
glücklicher.
<Ich habe es gewusst! Also
hat das Lesen doch etwas gebracht!>
„Wer bist du?“ fragte
Mereen schliesslich, denn diese Frage brannte auf ihrer Zunge wie Feuer.
Sie hatte immer noch keine
Angst.
<Mein Name ist Kelihm Seftourour
Corrain.> antwortete der Andalit.
Mereen machte ein verdutztes
Gesicht.
„So viel? So wirst du genannt?“
<Zu viel? Na, alle nennen
mich Kelihm. Also darfst du das auch.>
„Alle? Heisst das es gibt
noch mehr von euch?“
<Natürlich, was denkst
du denn?>
Plötzlich machte Kelihm
ein schuldbewusstes Gesicht.
<Oh, eigentlich dürfte
ich dir gar nichts erzählen...>
Dann schwenkten seine Stielaugen
hinter sich, wo vorher das Raumschiff gestanden hatte.
<Naja, es macht sowieso
keinen Unterschied. Wer weiss, wann ich hier weg komme. Und ich kann ja
nicht allein bleiben. Ich mache dir einen Vorschlag.>
„Was? Mir? Aber warum denn?“
<Ich brauche jemanden,
der mir hier alles zeigt. Würdest du das machen, wenn ich dir dafür
mehr von mir erzähle?>
Na so was! Mereen hätte
Kelihm auch so alles gezeigt.
Es war seltsam, wie aufgeschlossen
er war. Aus diesen Sci-fi Filmen, hatte man immer den Eindruck, alle Aliens
wären misstrauisch und so.
Aber Kelihm war so ziemlich
das Gegenteil.
<Und wie heisst du? Oder
hast du keinen Namen?>
„Oh, ich heisse Mereen.“
<Mereen?> Kelihm schien
erstaunt <Ist das ein menschlicher Name?>
Die Frage war lächerlich.
„Ich weiss nicht. Ich kenne
keinen anderen der „Mereen“ heisst. Aber wenn i c h so heisse, muss er
ja wohl irdisch sein, oder?“
<Naja, „Mereen“ ist eigentlich
ein andalitischer Name.>
Wie? Das durfte doch nicht
wahr sein, noch ein Puzzleteil!
<Aber das ist sicher
nur Zufall.>
Zufall, wie?
„Ähm, warum darfst du
eigentlich nichts erzählen?“
<Gesetzte! Immer nur Gesetzte!
Naja, viele berühmte Leute haben sich nicht an Gesetze gehalten und
es ist etwas gutes heraus gekommen.>
Mereen bemerkte plötzlich,
dass sie fror.
Die Hitze der Explosion hatte
sich verzogen und die Luft war wieder kühl.
Anscheinend ging es Kelihm
genauso, denn er stand mit einem Ruck auf.
<Es wird ziemlich feucht.
Weisst du einen Platz wo wir uns unterstellen können?>
Er reichte Mereen die Hand
und nach kurzem Zögern griff sie danach und zog sich hoch.
„Ein Platz zum Unterstellen?“
Natürlich wusste Mereen
einen Platz.
Aber es war nicht ganz ungefährlich,
Kelihm zum Bockses Waisenhaus zu bringen.
Jedenfalls hatte sie Fragen.
Sehr viele Fragen.
Fragen, die ihr nur Kelihm
beantworten konnte....
Der Andalit
Es war dann doch ein längerer
Marsch zurück zum Bockses Waisenhaus.
Unterwegs fing es an zu nieseln.
Aber das machte nichts.
Mereen war viel zu sehr damit
beschäftigt Kelihm Fragen zu stellen und seinen Antworten zu zuhören.
„Was war das eben? Warum ist
dein Schiff explodiert?“
Kelihm schaute sie mit einem
seiner Stielaugen an, was ziemlich verwirrend war.
<Naja.... es ist eigentlich
nicht m e i n Schiff gewesen....> sagte er dann und Mereen erkannte Beschämung
in seinem Gesicht.
<Ich durfte eigentlich
gar nicht fliegen. Ich bin ein aristh. Ich glaube, ihr Menschen nennt das
„Kadett“>
„Oh... ich verstehe... Moment...
du bist im Militär?“
<Natürlich! Was meinst
du denn wo das Schiff her kommt! Jedenfalls ist es einem aristh eigentlich
nicht erlaubt zu fliegen. Das dürfen nur die Vollkrieger. Meistens
jedenfalls.... Also, ich war in diesem Schiff wegen einer... Mutprobe...>
Er senkte den Kopf.
Mereen sagte nichts darauf.
Sie wunderte sich zwar, dass es Mutproben sogar bei diesen Andaliten gab,
aber sie wollte Kelihm nicht noch mehr damit traurig machen. Es reichte
gewiss schon, dass er hier feststeckte...
Aber etwas zu dem Thema wollte
sie dann doch wissen.
„Und weshalb ist das Schiff
jetzt explodiert?“
<Also, das ist so: Vor
mehreren Jahren gab es einen Krieg zwischen uns Andaliten und einer Rasse
die sich Yirks nennt. Damals wurden auch Gefangene gemacht. Yirks waren
Parasiten, die andere Rassen versklavt hatten indem sie sich in dessen
Gehirnen breitgemacht haben. Diese Wesen standen dann unter Konterolle
des Yirks. Mann hat diese versklavten Wesen Controller genannt. Ein gefangener
Andalit hatte sich wenn er in Gefangenschaft der Yirks war, fast immer
umgebracht. Dadurch gab es keine Andaliten- Controller. Oder... doch einen
gab es. Aber nur einen. Manchmal hatte der gefangene Andalit Glück
und wurde davor von anderen Kriegern gerettet oder er konnte selber entkommen.
Aber meistens haben die Yirks einen Andaliten getötet, sobald sie
es konnten. Unsere Rassen haben sich gegenseitig verabscheut.
Jedenfalls hatte jeden Schiff
einen Selbstzerstörer eingebaut. Denn selbst wenn der Andalit nichts
mehr von seinem Wissen weitergeben konnte- die Maschine konnte viele Informationen
über unsere Technologie geben. Also konnten die Schiffe so zerstört
werden. Der Selbstzerstörer bestand meistens aus einem Shreddersatz...->
„Äh... ein was?“
<Ein Shreddersatz. Das
ist sowas wie eine Bombe. Sie zerstört alles, wovon sie berührt
wird und was dieses wieder berührt und so weiter. Eine Kettenreaktion,
verstehst du?>
Er hielt wieder Inne.
<Ich weiss nicht, ob ich
dir das wirklich erzählen sollte... ach, wie gesagt, das ist jetzt
auch schon egal...>
Er machte eine Bewegung mit
dem Kopf, die so aussah, als wenn er diese Sorgen einfach aus seinen Gedanken
werfen wollte. Aber so ganz gelang das anscheinend nicht....
„Klingt kompliziert...“ meinte
Mereen dann nur. „Und weiter?“
<Ich muss diesen Shreddersatz
irgendwie gezündet haben.>
„Aber warum war nach
dieser Explosion nichts als.... als heisse Luft da?“
<Ein Shredder ist eine
Andalitische Waffe. Sie funktioniert ähnlich wie ein Laser, nur das
die höchste Stufe Dinge dazu bringen kann sich in seine Atome aufzulösen.
Die Explosion war nur heiss, hat aber nichts als ein paar Atome übriggelassen.>
„Ah... ich glaube, langsam
verstehe ich...“ Weiter kam sie nicht, denn sie waren an der Hintertür
des Waisenhauses angekommen.
<Oh.... das ist ja... faszinierend...>
meinte Kelihm völlig begeistert <ihr Menschen lebt wirklich in
Kästen aus Stein... genau wie in diese Lehrbüchern...>
„Wir müssen jetzt leise
sein“ flüsterte Mereen „Wir gehen jetzt da rein. Und wir dürfen
niemanden aufwecken. In meinem Zimmer sind wir dann erst mal sicher.“
Vorsichtig öffnete sie
die Tür und schob Kelihm hindurch bevor sie sich selber in den Besenraum
dahinter zwängte.
An diesen Besenraum schloss
gleich der Flur der zu den Treppen der Schlafsäle führte.
Langsam und schleichend gingen
sie über den steinernen Boden, auf dem das Geklapper von Kelihms Hufen
Mereen viel zu laut vorkam.
Kelihm selber dagegen sah
sich staunend und fasziniert in der Hall um.
Seine Stielaugen schwenkten
in alle Richtungen, während er seinen Kopf hin und her drehte.
Zu ihrem Unglück bemerkte
Mereen bald, das sie an dem Kästchen in der Vitrine vorbeikommen würden.
Naja, dieses eine Mal...
Noch drei Schritte.
Zwei...
Einer...
Kelihm blieb abrupt stehen.
Mereen prallte beinahe auf
ihn drauf.
„Was ist denn jetzt los...?“
zischte sie. Dann sah sie weshalb Kelihm stehengeblieben war.
Er starrte mit allen vier
Augen auf das Kästchen.
„Was ist denn los?“ hauchte
Mereen.
Kelihm schien sie noch nicht
mal zu hören.
„Hallo- o... Kelihm...?“
Mereen musste erst ihre Hand
vor seinem Gesicht plazieren, als er endlich reagierte.
<Das... ist es das was
ich meine? Oder.... nein... eine Verwechslung ist nicht möglich
„Was?“ < Die....
es ist eine andalitische Technologie.... aber... woher habt ihr die...?>
„Eine Technologie? Dieses
unscheinbare Ding da?“ Mereen merkte plötzlich, dass sie etwas zu
laut sprach, also senkte sie die Stimme wieder.
<Dieses „unscheinbare Ding“
wie du es nennst, kann mehr als du denkst. Mit der Blue Box kann man jemandem
die Macht des Morphens verleihen.> Er musste wohl Mereens fragende Blicke
gespürt und sie auch richtig gedeutet haben, denn sofort begann Kelihm
mit der Erklärung des Begriffes „morphen“.
<“Morphen“ bedeutet den
Körper zu verändern. Jeder Andalit der mit dem Militär zutun
hat, kann morphen. Ich als aristh kann es auch. Aber ich habe noch nicht
sehr viele Morphs.>
„Blue Box? Heisst dieses Kästchen
so?“
Mereen war wieder ihr Traum
eingefallen.
„Es klingt vielleicht verrückt,
aber ich habe von der Verbindung zwischen diesem Namen und dem Kästchen
geträumt.“
Endlich drehte Kelihm
ihr eines seiner Stielaugen zu.
Dann sagte er: <Ich habe
gelesen, dass ihr Menschen manchmal Visionen habt und darin erkennt, was
als nächstes kommen wird. Ich glaube man nennt das „sechsten Sinn“.
Vielleicht hast du ja einen sechsten Sinn>
Er drehte das Auge zurück
zu dem Kästchen.
Mereen dachte einige Minuten
darüber nach.
Kelihm wusste erstaunlich
viel über die Menschen.
Aber an einen „sechsten Sinn“
glaubte sie nicht.
Sie doch nicht!
Oder etwa doch?
Ein plötzliches Geräusch
liess sie auffahren.
Sie meinte Schritte auf dem
Flur zu hören.
Mereen packte Kelihm am Arm
und zog ihn mühsam von der Blue Box weg (schon allein die Tatsache
dass Kelihm vier Beine hatte und sich anscheinend nicht von dem Kästchen
trennen wollte machte es schwer ihn hinter sich her zu schleifen...)
Endlich hatten sie die Treppe
zu den Schlafzimmern erreicht. Der Teppich der von hier an begann, dämpfte
ihre Schritte.
Sie kraxelten die Stufen hinauf,
schritten vorsichtig im Korridor an den Schlafzimmern der anderen vorbei
und kamen endlich vor Mereens Tür an.
Jetzt hatten sie es fürs
Erste geschafft!
Mereen sass auf ihrem Bett.
Kelihm stand ihr gegenüber und erzählte noch etwas über
sich und die anderen Andaliten. Er erwähnte oft den Krieg mit den
Yirks, die Niederlagen und Triumphe.
Mereen war nervös. Lange
konnte Kelihm hier nicht bleiben. Und ihn hier heraus zu bringen, war wahrscheinlich
schwerer als herein.
<... die Yirks kamen auch
auf die Erde und hier sind sie dann zuletzt gescheitert.> erklärte
Kelihm gerade begeistert, während er sich interessiert im Zimmer umsah.
<Zuerst sah es so aus,
als wenn sie auch diese Welt erobern würden, denn unsere Truppen wurden
besiegt. Aber einer der Prinzen die an Bord des letzten Kuppelschiffs in
der Umlaufbahn der Erde war, hatte gegen das Gesetz von „Seerows Güte“
verstossen und die Technologie des Morphens an Menschenkinder weitergegeben.
Klingt sehr abenteuerlich, aber es war so.>
Soviel hatte Mereen schon
gelernt, das sie wusste das ein „Kuppelschiff“ ein andalitisches Raumschiff,
ein „Prinz“ ein andalitischer Offizier und dass das Gesetzt von „Seerows
Güte“ ein Verbot für die Abgabe der Technologie war.
Ganz am Anfang des Gespräches,
war Mereen eine lange Narbe die vom Nacken über das rechte Auge, bis
zum Kinn Kelihms gezogen war. <Ach das. Die Narbe habe ich von einem
meiner Freunde. Als ich noch nicht beim Militär war, hatten wir eine
kleine Meinungsverschiedenheit. Damals konnte ich noch nicht morphen, also
ist die Narbe geblieben.>
Danach wollte Mereen alles
über das Leben als aristh wissen und natürlich über die
Kriege.
Kelihm hatte durchblicken
lassen, das es als aristh ein hartes Leben war.
Und das machte die Sache noch
interessanter.
Kelihm war inzwischen schon
am Ende der Geschichte des Krieges mit den Yirks angekommen.
<Diese Menschenkinder haben
den Yirks ganz schön zugesetzt. Diese dachten übrigens, dass
diese Kinder Andaliten wären. Grosses haben die geleistet. Die Kinder
mein ich, nicht die Yirks. Später hatten diese Kinder dann Prinz Aximili
gefunden, der damals selber noch ein aristh war. Ich glaube, mit ihm zusammen
waren sie zu sechst.>
„Haben sie es überlebt?“
<Ja. Durch sie ist dieser
Planet gerettet worden. Sie haben die Yirks besiegt. Wir Andaliten mussten
kaum noch etwas tun. Natürlich muss es noch ein paar Überlebende
geben, aber die sind keine Gefahr mehr. Wahrscheinlich ist Visser Drei
unter diesen Überlebenden. Aber sein der Andalit in dem er steckte,
war frei.>
Mereen wusste schon, dass
Visser Drei der einzige Andaliten Controller den es je gegeben hat war
und sie fand diese Geschichten wahnsinnig interessant.
<Prinz Aximili kam nach
dem Sieg über die Yirks zurück zu uns. Dort hat er seine Ausbildung
als Krieger vervollständigt, obwohl es ja eigentlich nicht mehr viel
gab. Er war in einem Krieg. Er war der kleine Bruder von dem Andaliten,
der die Technologie an die Kinder gegeben hat. Beide waren grosse Helden.>
„Waren?“
<Ja. Prinz Aximilis grosser
Bruder, Prinz Elfangor Sirinial Shamtul, wurde von Visser Drei umgebracht.
Heute gibt es viele Gerüchte über den Tod von Prinz Aximili.>
„Kannst du sie mir erzählen?“
<Naja, Prinz Aximili kam
eben erst wieder zu uns. Er hat uns viele Informationen über die Erde
bringen können. Unter anderem auch die Technologie der Bücher.>
„Bücher? Eine Technologie?“
Das klang so komisch, das Mereen wieder laut lachte.
<Das ist gar nicht so komisch.
Jedenfalls finde ich Bücher sehr toll. Und die Erde, euch Menschen...
ich habe viel über euch gelesen. Besonders euer Humor und eure Redensart
hat mich begeistert. Also habe ich sie mir angeeignet. Aber vielen Andaliten
gefällt das nicht. Weisst du, nicht alle haben so einen ausgeprägten
Humor... deshalb freue ich mich ja auch so, wenn du über meine Witze
lachst.>
Aha, so ist das also. Mereen
fand Andaliten langsam immer besser.
Kelihm erzählte weiter.
<Aximili hat es aber nicht
sonderlich lange auf unserem Planeten oder in den Kuppelschiffen ausgehalten.
Ich denke er war zuviel Mensch geworden Aber gerade deswegen ist er mein
grosses Vorbild. Er ist dann wieder auf die Erde zurückgekehrt. Seitdem
hat man nichts mehr von ihm gehört. Manche sagen, er sei auf dem Weg
hierher in einem Kampf oder so gestorben. Andere meinen, er sein von Menschen
entdeckt worden. Und wieder andere meinen, er sein noch am leben... irgendwo.
Manche sagen aber, Visser Drei hätte auch ihn getötet.>
„Und was...was glaubst du?“
<Ich weiss nicht. Es klingt
alles ziemlich... naja, grotesk. Ich weiss nicht was ich glauben soll.
Ich finde es einfach nur schade, das er tot ist. Aber wenn er tot ist,
ist er hier auf der Erde gestorben, das ist sicher.>
„Kanntest du ihn?“
<Nein. Meine Eltern waren
gute Bekannte von ihm, aber da er ja vor sechzehn Jahren schon zur Erde
zurückgekehrt ist... nach euren Massstäben bin ich erst vierzehn
Jahre alt.>
Mereen runzelte die Stirn.
Vielleicht war dieser Prinz
Aximili ja der aus dem Museum?
Möglich wäre es.
Eines war sicher. Kelihm würde
ihr helfen diese ganzen Rätsel zu lösen....
Kleine Einweihung
Tja, in der Nacht war an Schlafen
überhaupt nicht zu denken.
Mit Kelihm im Zimmer, war
es ein wenig eng und da sein Schwanz völlig unbewusst durch die Gegend
schweifte, musste sich Mereen sich manchmal schnell ducken, um nicht von
der Klinge erwischt zu werden.
Der Andalit erzählte
ihr noch viel.
Aber die ganze Zeit hing Mereen
die Geschichte mit diesem „Prinz Aximili“ im Hinterkopf.
Von diesem erzählte Kelihm
noch, dass der Prinz seinen Eltern die meisten Bücher von der Erde
anvertraut hatte und diese hatten die Bücher wiederum an Kelihm weitergegeben.
<Es ist schon komisch> meinte er dann am Schluss <Ich wollte früher
unbedingt mal die Erde besuchen. Und jetzt bin ich hier!>
Mereen sah auf die Uhr- und
schreckte auf. „Ach du meine Güte! Es ist schon halb acht! Und um
acht machen die Betreuer ihre erste Runde! Du musst hier weg, und zwar
sofort!“
<Betreuer? Andere Menschen?>
Kelihm schwang seine Stielaugen hin und her. Auch er war jetzt beunruhigt.
<Werden die andren Menschen denn nicht so.... ähm... gelassen reagieren
wie du?> „Unter Garantie nicht. Ich muss dich hier raus bringen.“
<Und wohin?>
„Am besten...am besten in
den Wald. Der ist nicht sonderlich weit weg. Naja, du hast es ja gestern
Nacht gesehen.“ Sie kratzte sich am Kopf. „Nur wie kriege ich dich da,
ohne das du gesehen wirst, hin?“
<Ich könnte morphen.>
„Nein, das geht nicht. Mich
kannst du nicht übernehmen, schliesslich wissen alle dass ich keine
Zwillingsschwester habe.... und was anderes ist hier nicht zum übernehmen
drin...“
Hm, dachte Mereen, jetzt rede
ich schon von der ganzen Sache, als würde ich es schon Jahre lang
kennen.
„Oder hast du einen unauffälligen
oder so kleinen Morph drauf, dass ich dich in meine Tasche stecken könnte?“
Kelihm schüttelte den
Kopf. <Nein, aber ich habe etwas besseres. Öffne diese Luke, da.>
„Das ist ein Fenster, Kelihm!“
<Wie auch immer...>
Als das Fenster offen war,
begann Kelihm zu morphen.
Es war nicht das erste mal,
dass Mereen so etwas sah. In ihren Träumen war sowas oft vorgekommen.
Aber dennoch war es seltsam, ja sogar widerlich, Kelihm beim morphen zuzusehen.
Seine beiden Arme wurden schmaler
und teilten sich in jeweils drei Teile. Diese wurden immer dünner
und dünner, bis sie wie dicke Leintücher waren. Sein Gesicht
wölbte sich spitz nach aussen, während seine Schwanzklinge langsam
verkümmerte. Kelihm beruhigte Mereen, als er ihren etwas angewiderten
Blick auffing. <Keine Angst, das sieht schlimmer aus, als es ist. Ich...urmp...>
Kelihm war nach vorn gekippt, denn auch seine Vorderbeine fächerten
sich zu drei lappenartigen Gliedmassen, genau wie die ersten, die aus seinen
Armen geworden waren. Seine Hinterbeine konnte man bald nicht mehr sehen.
Am Schluss lag er als zwölfflügliges
Etwas mit spitzem Schnabel vor Mereens Bett auf dem Boden. Sein scharfer
Schnabel glitzerte in der Morgensonne, genau wie seine Schwanzklinge im
Licht des Mondes.
„Ähm.... was ist das?“
fragte Mereen etwas stutzig.
<Das ist ein kafit-Vogel>
„Ein w a s?“
<Ein kafit-Vogel. Ein Vogel,
der nur auf unserem Heimatplaneten vorkommt.>
„Ist ja interessant...“
Kelihm begann mit seinen Flügeln
zu schlagen und er erhob sich schnell in die Luft- obwohl gar kein Aufwind
da war. Diese zwölf Flügen waren schon Antrieb genug.
Kelihm schoss aus dem Fenster.
Mereen streckte den Kopf nach draussen und konnte noch sehen, dass ihr
neuer Freund hoch.... hoch.... in das Rosablau des Himmels aufstieg.
<Ich weiss ja wo der Wald
ist. Treffen wir uns dort in.... sagen wir.... fünf eurer irdischen
Stunden? Am Waldrand?>
Mereen konnte schlecht antworten,
schliesslich würde Kelihm sie dort oben nicht hören, also nickte
sie nur und hoffte, das ein kafit-Vogel gute Augen hatte.
Nach dem Frühstück
besuchte sie Marcel in seinem Krankenzimmer. Ihm ging es schon besser,
das sah man.
Nachdem sie sich erkundigt
hatte, wann er wieder rauskommen würde, („hm, weiss noch nicht, wird
noch ne Weile dauern.... vielleicht nach dem Mittagessen, heute?“) flüsterte
Mereen Marcel leise ins Ohr: „Du, dieses „Blue“ aus dem Museum.... das
ist gar kein „Blue“. Die Rasse nennt sich „Andalit““ Marcel lachte darauf
nur, nickte hastig mit dem Kopf und flüsterte nur aus Spass zurück:
„Ja, und so ein „Andalit“ ist hier im Nachbarwald gestern Nacht gelandet
und du hast natürlich bei der Landung seines UFOs zugesehen...“
Aber als Mereen darauf antwortete
„Woher weisst du das?“ verdrehte er die Augen. „Das sollte ein Witz sein!“
„Naja,“ sagte Mereen dann
wieder mit gedämpfter Stimme „aber es ist war. Wir haben einen Andaliten
im Nachbarwald. Heute Nachmittag werde ich es dir beweisen.“ Den letzten
Satz hatte sie nur deswegen gesagt, weil Marcel schon den Finger an die
Stirn gehoben hatte.
Von wegen, er glaubt alles!“
Marcel kam schon zum Nachtisch
an diesem Tag und verdrückte auch gleich mal seine Portion an Pudding
(„Meine Güte, bist du
verfressen!“).
Über diese kurze Diskussion
am Morgen verloren sie kein Wort und erst als sie nach draussen gingen,
sprach Mereen Marcel noch mal auf diese Begebenheit in der gestrigen Nacht
an.
Bei der ganzen Geschichte
über hörte Marcel geduldig zu, aber am Schluss schüttelte
er den Kopf.
„Ich werde es dir beweisen,
Kelihm ist hier, hat gesagt wir sollten uns am Waldrand treffen, und zwar
genau...“
Erst jetzt viel ihr auf, das
sie keine Ahnung hatte, wo sie Kelihm denn überhaupt treffen sollte.
„...hier.“ ergänzte sie
dann um sich nicht lächerlich machen zu müssen. Den Waldrand
hatten sie erreicht. Jetzt müsste Kelihm doch langsam kommen....
„Aha.“ Marcel verschränkte
die Arme vor der Brust. „Woher soll dieser Kelihm eigentlich wissen, wann
ihr euch trefft?“
„Er hat gesagt in fünf
Stunden.“
„Ah, ja. Und er hat eine Uhr
an der er ablesen kann wie spät es ist, hm?“
<Das nicht, aber ich wette,
ich habe einen ausgeprägteren Zeitsinn als du, Mensch.> Marcel zuckte
zusammen und sah sich um. Aber es war nichts zu sehen. Mereen grinste.
„Wie hast du das gemacht?“
fragte Marcel dann aufgeregt „Ist das sowas wie Bauchreden?“
<Mereen, wer ist das? Kann
ich ihm vertrauen? Oder gehört er zu den Menschen, die nicht gelassen
reagieren?>
Dann ein Lachen- in Gedankensprache.
„Mereen...? Hör auf, ja?“
Mereen drehte den Kopf hin
und her und suchte nach Kelihm, der hier irgendwo stecken musste- denn
er musste sie hören können. „Kelihm?“ rief sie dann laut „Du
kannst rauskommen. Marcel ist ein Freund. Ich weiss nicht, wie er reagieren
wird, aber ich vertraue ihm.“ „Mereen, hörst du jetzt mal auf?! Das
wird langsam unglaub- aaaaaaAAAAAAAHHHhhhhhhh!“
Kelihm war aus dem Unterholz
hervorgesprungen. Sein Schwanz schnappte durch die Luft, und die Klinge
hackte ein paar Äste und Zweige ab, die dann hinter dem Andaliten
auf den Boden fielen. Selbst Mereen war etwas erschrocken. Doch s i e fing
sich schnell wieder. „Toller Auftritt Kelihm!“ lachte sie. Auch Kelihm
schien zu grinsen- wenn auch ohne Mund.
Marcel konnte hingegen nur
stammeln. „Aber.....aber....das ist ja.... bist du echt???“ Kelihm sah
ihn ungerührt an. <Naja... auf was würdest du wetten, Marcel...ähm...
so heisst du doch, oder?> Marcel nickte stumm. Langsam setzte er sich auf
den Boden. Und dann sagte er: „Oh, wow, cool! Sowas ist ja klasse, ein
echtes Alien!“ Mereen nahm ihn bei der Schulter. „Marcel... du darfst niemandem
von Kelihm erzählen.“ flüsterte sie „Vielleicht kommt er sonst
in ein Labor, oder in einen Zoo, oder wird gejagt. Und denk mal nach, der
Andalit aus dem Museum...“
<Aus dem Museum? Wie? Ich
meine... wissen die Leute doch von uns? Nach dem Krieg mit den Yirks wurden
doch die Erinnerungen der Menschen gelöscht! Das ist doch unmöglich!>
Mereen zuckte zusammen.
Sie hatte nicht leise genug
gesprochen.
Kelihm hatte alles gehört.
<Mereen, warum hast du mir nichts davon erzählt?>
„Weisst du, Kelihm.....“ Mereen
hatte keine Ahnung was sie sagen konnte. „Ich... ich denke selber nicht
gerne an die Sache...“ murmelte sie schliesslich.
Die gute Laune war weg. Bei
allen.
Doch zum Glück begriff
Kelihm, das etwas nicht stimmte.
<Weshalb denn nicht?> meinte
er nach einer kurzen Pause.
„Weil.... ich... ich habe...also...“
Mereen schluckte, dann konnte sie wieder sprechen. „Als ich noch klein
war wurde ich mit meiner Mutter neben ihm gefunden. Beide waren tot. Meine
Mutter und der Andalit, meine ich.“
Sie atmete noch einmal aus.
„Ich habe Bilder davon gesehen. Das war nicht gerade schön. Aber dann
habe ich diesen Andaliten im Museum gesehen. Das war noch schlimmer. Vielleicht
verstehst du das nicht Kelihm, aber es tut mir weh, wenn ich daran denke.“
Kelihm sah sie mit seinen
Hauptaugen an. Dann trat er einen Schritt auf sie zu und legte seine schmale
Hand auf ihre Schulter. <Ich kann verstehen das es weh tut, seine Mutter
zu verlieren...> sagte er und sah ihr in die Augen.
Mereen starrte einen Stein
der vor ihr auf der Erde lag an. „Es geht doch nicht um meine Mutter! Es
geht mir viel mehr um den Andaliten.... ich weiss, es klingt verrückt....
aber ich habe das Gefühl, dass ich eine Bindung oder sowas ähnliches
zu ihm habe. Meine Mutter.... meine Mutter habe ich nicht gekannt....“
<Aber den Andaliten doch auch nicht?> „Nein.... aber wie ich schon sagte....
ich habe eine Bindung zu ihm.“ Mereen sah Kelihm nun auch an. Und sie erkannte
Verständnis hinter diesen grossen, grünen Augen. Den Augen die
den ihren so sehr ähnelten. „Weisst du... du hast mir so viel erzählt.
Und soviel kommt mir davon bekannt vor. Ich habe Träume, in denen
die gleichen Worte benutzt werden... „ <Schon wieder Träume. Genau
wie mit der BlueBox! Aber...->
„Wenn ich euch mal unterbrechen
darf!“
Mereen hatte ganz vergessen,
dass Marcel noch da war. Kelihms Hand lag immer noch auf ihrer Schulter
und bis jetzt hatten sie sich angesehen.
Mereen räusperte sich.
„Also. Was wollt ihr jetzt
tun? Wie ich gehört habe, weiss Mereen ne Menge über diese ganze
Geschichte und umgekehrt! Aber ich? Ich weiss nix.“
Er grinste.
„Und das muss man ändern!
Los, erzählt schon, ihr beiden!“
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