Wenn man als Aikidoka
gefragt wird, welchen Sport man betreibt, kommt man schnell in die
Verlegenheit zu sagen, "streng genommen betreibe ich keinen Sport" (es
sei denn, man spielt nebenher noch Fußball oder betreibt eine andere
"Sportart"). Darauf folgt immer die Frage: "Was ist denn dann Aikido,
wenn nicht ein Kampfsport?" Man denkt dann an die Meditation (mokuso), die
Erwärmungsgymnastik (aiki taiso), die Fallübungen (ukemi), die Übung der Schrittfolgen
(tai), die Übungen des Zentrums (hara), der Energie (ki) und der Atmung (kokyu)
und die vielen anderen nichtsportlichen Komponenten dieser besonders
friedlichen Form des Budo (abgeleitet von Bushido: Weg des Kriegers).
Man bewegt sich und schwitzt, es gibt so etwas wie Angriff und
Verteidigung - das stimmt soweit - aber es ist nicht mit einem Sport
vergleichbar. Eher mit einem abstrakten Tanz, mit einer körperlich
ausgedrückten künstlerischen Darstellung eines rituellen Kampfes oder einer
Kampfkunst. Und wenn diese Erklärung dann zu asiatisch-abstrakt, zu
mystisch und ungenau erscheint, dann seien die folgenden Worte von
Shigeo Kamata*
über den
Gründervater des Aikido - O'Sensei Morihei Ueshiba - nahegelegt:
"Auch Ueshiba Sensei scheint in
seiner Jugend nur trainiert zu haben, um stark zu werden, aber nachdem
er zur Omote-kyo Religion kam, konnte er die Kraft des Universums
wahrnehmen, eine so viel größere Kraft als seine eigene. Danach
wandelte sich sein Aikido von bloßer Technik in eine Kunst, die auch
eine mystische Kraft beinhaltete. Ich denke, wer eine Kampfkunst
betreibt, strebt zuerst danach, stark zu werden. Aber schließlich
sind die Möglichkeiten der Kunst erschöpft, und während man versucht,
diesen toten Punkt zu überwinden, kann man Gott wahrnehmen oder den
Geist des Universums oder Zen oder irgendetwas in der Art."
Zitat aus: Stanley
Pranin im Gespräch mit Shigeo Kamata und Kenji Shimizu über Zen und
Aikido. Übersetzung aus dem Englischen von Hartmut Melzer und Ursula
Schmitt-Lellbach. In:
Aiki News #89 (Fall 1991)
*
Shigeo Kamata: geboren 1927. Schloss sein Studium des Buddhismus an
der Komazawa Universität ab. Ph. D. in Literatur. Professor für die
Geschichte des Zen-Buddhismus an der Uni Tokio. 5. Dan Aikido; Schüler
von Kenji Shimizu Shihan. Außerdem 1. Dan Kendo. Autor der Bücher:
‚The History of Chinese Buddhism’, ‚The Vision of Buddha’ und
‚Japanese Buddhist Terminology’. Gemeinsam mit Kenji Shimizu Autor von
‚Zen und Aikido’. |