Abschnitt 1.3.2

Die ambivalente Beziehung Polens zum Dritten Reich

Polens Verhältnis mit Hitler war in den Jahren 1933 bis 1938 äußerst zweiseitig: Ideologisch waren die beiden politischen Systeme scharf verfeindet, aber das verhinderte nicht die Unterzeichnung eines Freundschaftspakts am 26. Januar 1934, [1] doch wegen der Expansionspläne Hitlers kam es zu einer militärisch-politischen Rivalität zwischen Polen und dem Dritten Reich.

Piłsudski und Beck fürchteten, daß Hitler Polen zu einem Marionettenstaat degradieren oder überfallen könnte, und verfolgten deshalb eine Defensivpolitik gegenüber dem Dritten Reich, um die Unabhängigkeit und das Territorium Polens zu sichern:

"Adolf Hitler ging es um den Gewinn eines Bündnispartners für die deutsche Expansion nach Osten und um eine neue Aufteilung der Welt in Interessenzonen, Józef Piłsudski dagegen um die Erhaltung des entstandenen Staates [= Polens; J.R.]." [2]

Polens offensives Vorgehen gegen Litauen und die Tschechoslowakei machte es zu einem Mittäter Hitlers; im Oktober 1938 kam es sogar zur Festlegung einer deutsch-polnischen Demarkationslinie für den Fall einer etwaigen Besetzung der "Resttschechei"! [3] Doch die Westmächte glaubten, Hitler wolle Polen zum Schutz gegen den Bolschewismus unabhängig lassen, aber sie erkannten Hitlers Hegemonialstreben nicht. [4]

Doch Beck erkannte, dass ein militärisches Bündnis mit Hitler nicht nur die staatliche Souveränität Polens gefährden, sondern unter Umständen auch einen Krieg mit der Sowjetunion heraufbeschwören würde. Deshalb begann er mit den Westmächten über einen Militärpakt zu verhandeln, aber diese zeigten dafür anfänglich kein Interesse. [5]

1) Dieser Pakt führte in der internationalen Politik, aber auch in Polen zu allgemeiner Verunsicherung. [¶]

2) Obidniak, "O wrześniu 1939 r. inaczej", S. 1. [¶]

3) Als Hitler im März 1939 tatsächlich die "Resttschechei" besetzte, kam dieser Plan wegen der bereits zu großen deutsch-polnischen Feindschaft nicht mehr zur Ausführung. [¶]

4) vgl. Piekałkiewicz, Der Zweite Weltkrieg, S. 37. [¶]

5) siehe Abschnitt 2.2.1 [¶]