CHOMEINI UND GHADDAFI, DIE LUTHERANER DES ORIENTS Was jenseits der nur noch medialen Blüte des Islam, einer dieser Züchtungen der Einheitsjournaille, die den Islam in der Person Chomeinis - aus Gründen der diesem Gewerbe eigenen Bemühungen, ein undurchdringliches Dunkel über die Kräfte jeder aufkeimenden revolutionären Bewegung zu legen - zum Dreh- und Angelpunkt der Krise Irans, zur treibenden Kraft des Umsturzes der gesellschaftlichen Organisation des Pahlevi-Regimes stilisiert, dem Islam dabei eine geschichtliche Stärke zukommen lassen will, die er schon vor sechzig Jahren mit dem Ende des Osmanischen Reiches an der laizistischen Garderobe der Geschichte abgeben mußte, für den Blick der Kritik sichtbar wird, ist die tiefe Krise des Islam. Diese Krise ist sein letzter Sieg. Denn dieser Sieg bestätigt die Warenproduktion und ist seine wirkliche Niederlage, indem er nur noch gegen diesen Zustand opponieren, ihn aber nicht mehr beseitigen kann. Der Islam hat nicht mehr die Kraft, um aus und durch sich selbst die aufgebrochenen Widersprüche, die verlorene Einheit der orientalischen Welt zu bannen, seine Schwäche zeigt sich deutlich in der Hervorkehrung und Verflechtung mit sozialistischen Rudimenten, die trotz der vielen Gebete der Mullahs und Ayatollahs aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit als der Koran sind, die ihre Anwesenheit vielmehr, als ein Moment der Vereinheitlichung den Welt durch die Ware, dem Beginn der Zeit des Proletariats auch in Iran verdanken. Die gedachte Einheit der sakralisierten Welt, die die orientalische Ideologie ausmacht, muß, nachdem die Geschichte ihre Widersprüche geschaffen hat, nun den umgekehrten Weg einleiten; aus dem gegenwärtigen Zerfall des gesellschaftlichen Fundamentalismus zurückfinden zur alten harmonischen Despotie. Die ganze Vergangenheit festigen, um an ihren Anfang zu gelangen. Dies ist die Krise der orientalischen Ideologie, korrespondierendes Mitglied innerhalb der globalen Krise der Ideologie, deren geschichtliche Wirklichkeit nur als Ideologie der Krise, als unwirklicher Bestandteil der Geschichte herrscht und der arabischen Revolution aufzwingt, ihre gesamte Vergangenheit zu verleugnen, d. h. die gesamte entfremdete Welt aufzuheben. Der Islam verliert in dieser Lage seine behauptete Exterritorialität, zuerst innerhalb des religiösen Mystizismus ,und folgend in der Geschichte überhaupt. Die orientalische Besonderheit starb vor Wien, wie die abendländische mit dem Jerusalemer Königreich unterging. Die Ware machte alles gleich und, nachdem unter der Sonne nur noch sie herrscht, die Ethnologen lächerlich. Zugleich ist es Mode geworden zu vergessen, daß die Geschichte der Religionen, des mythischen Menschen als Geschichte des Werdens von Ideologie, die ihre Negation beschwört, nachdem sie ihre eigene Unmöglichkeit, sich zu verwirklichen, d. h. ihre Bilder umzusetzen, durchgestanden hat, heute die dekorative Transzendenz der totgeborenen Trugbilder der spektakulären Gesellschaft ist. Was soll am Orient nun plötzlich ganz anders sein, so vollkommen anders im abendländischen Spülbecken, ja vollkommen unverständlich, wie die eifrigsten Ethnotroglodyten meinen? Nichts. Es ist einfach das Überrantsein, was die modernistische Intelligenz in ratlose Verblüffung versetzt, weil sie so unvorbereitet daran erinnert wurde, daß ihr Schlaf nur üu eigener ist und nicht der der Vernunft, des Wissens, der Negativität, der Geschichte; wie sie unentwegt beteuern, wenn man ihren Traumphantasien lauscht, die sie absondert. Sie haben die Theorie des Schlafs durch den Schlaf gefunden. Der Islam als Sozialismus ist das knapp verschleierte Eingeständnis, daß er ohne Kraft ist. Die Idee von Außen wird als Idee des Inneren verkauft, wobei nichts herauskommt als eine alte Firma unter neuem Etikett. Als fundamentalistische Religion sieht sich der Islam nun einer endgültigen Ideologisierung gegenüber. Das diesseitige Reich wird zum jenseitigen Nährstoff. Das Reich der Ware bestätigt die Wahrhaftigkeit des Endes aller sakralisierten Reiche und die einzige Möglichkeit, dieses Ende zu überleben und weiterhin in dieser Welt anwesend zu sein, ist , Ware zu werden, wie alle anderen Ideologien auch. Genau diese Entwicklung ist die ganze Grundlage des Unbehagens und der Unzufriedenheit der islamischen Despoten.
Denn sie müssen zum vollständigen Bild der orientalischen Ideologie werden, die Repräsentation von tausend und einer Nacht, von der einen Nacht eines Traums, dessen Reich doch kein Traum sein soll. Sie müssen im ganzen das mechanische Wunder vollbringen, die vorgestellte unmittelbare Herrschaft Gottes durch ihre eigene mittelbare Herrschaft zu errichten, wobei das Göttliche nichts als ihre staatliche Despotie sein kann. Sie sind also dazu gezwungen, den Schein zu wahren, der über den tatsächlichen Gegebenheiten der Machtausübung liegt, deren Dilemma das wenig Himmlische der Erde ist. Sie müssen nicht nur den ganzen 1400jährigen Nebel wiederholen, sondern auch noch so wiederholen, als handelte es sich um diese Zeit selbst und nicht um Jahrhunderte später. Diese Welt aus dem Innern kann also immer nur die Lüge verwalten, die
Chomeini konnte so schnell zum Star des Aufstands arrivieren, da er schon ohne Revolution in der schiitisch-islamischen Hierarchie an der Spitze gestanden hatte und noch fern wie ein Heiliger außerhall der iranischen Gesellschaft stand. Seine Rückkehr bedeutete auch die Säkularisierung seiner Kräfte, weil er sich einer Macht gegenüber fand, die kein Weihrauch und keine Gebetsmühle bricht. Als Politiker verlor seine Macht so schnell an Substanz, daß er statt der drei Tage, die er zum endgültigen Sturz der Regierung und der Errichtung durch seine öffentlichkeitswirksam eingesetzte Zähigkeit in den letzten zwei Dekaden des Wider Stands gegen den Schah zum Märtyrer geworden war. Günstig erwies sich für ihn die große Entfernung seines Exils zum Ort des Geschehens: Seine Verehrung, die Erwartungen an seine Person und seine Wirksamkeit waren am stärksten, als er der islamischen Republik vorgesehen hatte, über einen Monat in Teheran bleiben mußte.
Seine bis kurz nach seiner Machtübernahme effektvoll präsentierte Weigerung, Kompromisse einzugehen, Verhandlungen zu führen, und die Ignoranz, mit der er die Organisation des Gegners bedachte, waren so wirkungsvoll, weil die persischen Massen selbst keinen Augenblick daran dachten, einen Kompromiß einzugehen und genau das auch von jedem erwarteten, der sich in ihrer Nähe aufhielt oder sich zu ihrem Sprecher machen wollte. Chomeini kam tatsächlich nie in die Situation, Kompromisse eingehen zu müssen, weil er sich über den Transmissionsriemen der Politik der Macht der Bewegung der Straße und der Fabrik bedienen konnte, solange, bis er diese Macht durch die verschiedenen politischen Manöver, Intrigen und die ökonomisch-militärische Kontrolle gezähmt hatte. Langsam zerbröckelte ihm dabei der göttliche Schein und das ganze Ausmaß der Täuschung wurde sichtbar: Chomeini, einer der großen Polizisten der Geschichte, der in Iran unter dem Mantel des göttlichen Auftrags all das zu Ende bringt, was der Schah nicht erledigen konnte - bis zur Bombardierung von Dörfern, in denen Aufständische vermutet wurden.
Wer die proletarische Revolution nur als ein Gegenstück, als ein bestimmtes politisches Vorgehen betrachtet und demnach einen Sieg davon abhängig macht, daß sie wie eine putschende oder regierungsbildende Macht auftritt, kann natürlich nicht verstehen, daß das Proletariat der Ölfelder innerhalb des Diffusen einer Volksbewegung das entscheidende Moment des Sieges war. Chomeini, Bazargan, der Schah und alle anderen Politiker hingegen sind nur das, was die Proletarier nicht sind : Regierungsmaschinisten mit oder ohne Macht. Die schnelle Abnahme der politischen Handlungsfähigkeit der islamischen Partei, deren offenbares Scheitern, der sozialen Frage Herr zu werden - die also für die orthodoxe Machtfrage ganz geleugnet werden muß -, zwingt sie, die autonome Bewegung der Massen in ihr spezifisches Phantom des "heiligen Krieges" zu kanalisieren. Seine Stoßrichtung nach innen zielt auf die Stützung der operativen Macht, die die "Wächter der Revolution" darstellen, denen nach der ambivalenten Neutralität von Seiten der Restarmee die Rolle polizeilicher Treuhänder zukommt, und nach außen konzentriert sie sich mangels tatsächlicher Macht auf die Kampagne zur Auslieferung des Schahs. In diesem Moment vereinigt die islamische Partei alle Elemente traditioneller Politik: die Drohgebärde ohne Folgen für den Feind, die dadurch erfolgende Abfuhr des aufgewühlten Tatendrangs des eigenen Parteigefolges und die Herstellung einer offensiven Gebärde. Die Politik, in der für die versubjektivierte Phrase gestorben wird, in der die besetzte Botschaft ein Faustpfand ist und in dem doch die Diplomatie den Kampf entscheidet, weil der Feind zögert, seine Kanonenboote zu senden. Bazargan als Vertreter der offiziellen Regierung, als Garant für die inländischen Produzenten und oppositionellen Parteien basierte auf der Plattform eines laizistischen Liberalismus. Zusätzlich ermöglichte Bazargan außenpolitisch ein Minimum an Bewegungsfreiheit. Je weiter nun aber die faktisch alle Macht okkupierende islamische Partei die Massen in die illusionierende Fremde ihres Despotismus manövrierte, um so mehr ist sie selbst von dem darin geweckten Glauben an die eigene Phraseologie abhängig. Sie gerät in die Gefahr, nur noch nach den Stimmungen handeln zu können, deren Wahrheit in den eigenen manipulativen Manövern liegt.
Bazargan verlor dadurch seine strategische Bedeutung für die islamische Partei, die nun die Macht ganz übernehmen muß und so die vorteilhafte Arbeitsteilung verloren hat, die Bazargan bot. Hiermit hat die islamische Partei ihre beste Karte ausgespielt, den black Jack in ihrer Hand, hinter der sie ein halbes Jahr gut geschützt war - vor ihren Feinden, als diese noch eine unabschätzbare Macht hatten, und vor ihrer eigenen Demagogie, als sie noch nicht unumschränkt sich der Macht versichert hatte - die Karte nämlich, eine unangreifbare Macht, die göttliche Macht über die Geschichte und nicht eine siegreiche innerhalb der Geschichte zu sein. Damit hat sie sich zugleich aber ganz in den engen Bezirken ihres Kolonisierungslagers verschanzt. Von nun an fallen alle ihre Mißerfolge auf sie zurück. Von jetzt an regiert die islamische Partei mit der Angst vor der Niederlage im Nacken. Sie muß nun ganz siegen, d. h. alle Feinde ausrotten -oder verlieren. Sie zwingt dadurch die verschiedenen Elemente eines offenen Bürgerkrieges zur Vereinigung gegen diesen monolithischen Block, der keine Abweichung dulden darf. Die islamische Partei hat sich ihren Bürgerkriegsgegner selbst geschaffen, indem sie all ihren Konkurrenten sichtbar gemacht hat, daß es keine Bewegungsfreiheit neben ihr gibt. Die Gründe dafür sind weniger ihr großmäuliger Utopismus als die Durchdringung der iranischen Situation mit der Unsicherheit ihrerselbst. Das rasche Auseinanderklaffen der Bündnisse um die Wiederkehr des Propheten, die vielmehr trade market als die Wahl der islamischen Partei gewesen sind, macht nach der Ankunft die immer neue charismatische Auferstehung Chomeinis nötig. Die große Lehre ist dabei stets die gleiche: Iran ist islamisch, islamisch ist Iran. Der ganze Plunder der Politik, die Methoden der Repression bekommen so in diesem Spiel mit dem äußeren und den inneren Feinden den Stempel einer ewig währenden Verteidigung. Die dynamisierende Kraft, die vor dem Sturz des Schah für die Kämpfenden vom Erleben der Einfachheit dieser totalen Ablehnung ausging, war die Grundlage dafür, daß es so lange dauerte, bis von ihnen erkannt wurde, daß sich die totale Ablehnung des Pahlevi-Regimes und seiner kurzlebigen Reste tatsächlich auch genau darauf und auf einige soziale und ökonomische Begleitumstände beschränkte, daß Chomeini selbstverständlich auch insgeheim Verhandlungen durch die zukünftigen Mitglieder der Regierung und des Revolutionsrates mit Bazargans Regierung und der Militärführung hatte führen lassen und von ihm nie daran gedacht war, eine Revolution in den arabischen Staaten herbeizuführen. (2)
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