Nachdem Chomeini als Ergebnis der Volksabstimmung die Islamische Republik ausgerufen hatte, wurden einige der Gesetze, die noch unter dem Schah-Regime erkämpft worden waren, außer Kraft gesetzt. Darunter fielen das Abtreibungsgesetz, sodaß der Schwangerschaftsabbruch jetzt wieder generell unter Strafe steht, und das Familiengesetz, das Frauen und Männer bei der Scheidung und in finanziellen Fragen gleich stellte. Als Chomeini von den in öffentlichen Ämtern arbeitenden Frauen verlangte, künftig bei der Arbeit den im Koran vorgeschriebenen, den ganzen Körper bedeckenden Schleier zu tragen, brach der Widerstand gegen die islamische Gesellschaft Chomeinis offen aus. Unterstützt wurden die Frauen, die als Zeichen des Kampfes gegen den Schah den Schador getragen hatten, den sie jetzt als Zeichen des Widerstandes gegen Chomeini zu tragen verweigern, hauptsächlich von Jugendlichen, die die Religion und das darin festgeschriebene Patriarchat angriffen (24).

Die zweiwöchigen Kämpfe nötigten die Ayatollahs und die Regierung zu Erklärungen über die Gleichheit der Rechte der Geschlechter; dieser unlösbare Widerspruch zum Koran zwang zu einem momentanen Rückzug, diese Frage islamisch zu lösen wird den religiösen Exponenten noch eine Weile Kopfschmerzen bereiten.

Für diese Art politisierter Beamter hatte die Entwicklung in Iran die verzweifelte Ratlosigkeit, eine Folge der unüberwindlichen Widersprüche ihres guten linken Gewissens, mildern können, die sie befallen hatte, als sie mit der Frage konfrontiert worden waren, welche Partei sie im Krieg zwischen China und Vietnam nun eigentlich unterstützen sollten, ein possenhaftes Dilemma, in dem einige von ihnen ihre Berufung zum Hochkommissar für Flüchtlingsfragen entdecken.

Während man hier nun auf verschiedene Weise mit seinem guten Gewissen befaßt ist, haben in Iran die Ölarbeiter durch ihre Streiks das geleistet, was revolutionäre Kritik leisten muß, nämlich vor allem die Wahrheit der aktuellen Konflikte enthüllen, indem sie sie mit ihrer Geschichte verknüpft und die uneingestandenen Ziele der offiziell Kämpfenden entlarvt. Geradeso, wie die westeuropäische Linke ihre Existenz durch ein Staunen manifestierte, glänzte die Polizeimacht Nummer l durch eine fast schon hartnäckig zu nennende Abwesenheit. Es wäre allerdings ein Irrtum, daraus zu schließen, daß die USA weniger Gewicht auf ihre nationalen Interessen legten, die gleichzeitig die Interessen der bestimmenden Wirtschafts Staaten sind - vielmehr lag das Nichtauftauchen der fliegenden Kosaken innerhalb einer Kette von Zwangsläufigkeiten, die die spektakuläre Politik schafft, denn was den Bannerträgern des positiven Spektakels die glückliche Zuversicht gab, eine immerwährende Macht zu sein, wird den gebannten unter dem Sternzeichen der Erdnuß zum Verhängnis. Ein Eingreifen hätte die arabischen Regimes in eine Raserei der Einigung versetzt, die sie jetzt nur künstlich darstellen können, ohne daß eine tatsächliche Möglichkeit bestanden hätte, auch nur eine Tonne Erdöl aus diesem Gebiet zu bekommen.

IDENTITÄT DER UNTERSCHIEDE Der 71jährige Premier sagte, "Trotzkisten, Maoisten oder Marxisten würden Streiks provozieren und Studenten sowie Stammesangehörige zum Aufruhr gegen die Zentralregierung in Teheran aufstacheln." Frankfurter Rundschau, 6.4.79 Was die Renaissance des Islam betrifft, bin ich der Meinung, dass es nicht der Islam ist, der heute Politik macht, sondern dass die Politik seine Renaissance gebracht hat. (...) Der Islam ist keine ätherische Religion wie das Christentum, sondern eine konkrete, vorhandene, mit der Erde verwurzelte Weltanschauung. Es geht ihm nicht ums Jenseits, als vielmehr um praktische Anweisungen, wie man lebt. Der Islam lässt dem Faulpelz keinen Platz. Den Dekreten Chomeinis kann man auch schon jetzt entnehmen, dass in Zukunft wieder mehr und härter gearbeitet werden soll. Bani Sadr, ein Wirtschaftsexperte und Anhänger der Religiösen, hat schon im deutschen Fernsehen gesagt, unter einer islamischen Regierung werde es im Iran keinen Platz für Faulpelze geben. Said in einem Interview in: Blatt, 9.3.79 Die Durchführung der Arbeitspflicht ist undenkbar ohne Anwendung der Methoden der Militarisierung der Arbeit... Gegenwärtig wird in allen Industriezweigen ein energischer Kampf um die Festsetzung einer strengen Arbeitsdisziplin und Erhöhung der Produktivität der Arbeit geführt. Eine Fabrik nach der anderen verlängert freiwillig, durch den Beschluss ihrer Generalversammlung den Arbeitstag. 'Samstage' und 'Sonntage', d.h. freiwillige und unbezahlte Arbeit in den Stunden, die zur Erholung bestimmt sind, finden immer grössere Verbreitung und ziehen hunderttausende und aberhunderttausende in ihren Kreis... Die freiwillige Arbeit ergänzt und beseelt die Arbeitspflicht. Die unlängst geschaffenen Komitees für Arbeitspflicht umfassen mit ihrem Netz das ganze Land... Die Frage über Sein oder Nichtsein Sowjetrusslands wird gegenwärtig an der Arbeitsfront entschieden. Trotzki, Terrorismus und Kommunismus Damit unser Land reich und mächtig wird, sind einige Jahrzehnte harten Kampfes notwendig; zu diesen gehören unter anderem, dass man beim Aufbau des Landes den Kurs: "Fleiss und Genügsamkeit" einhält, d.h. ein strenges Sparsamkeitsregime durchführt und gegen Verschwendung kämpft. Mao-tse-tung, Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk, 1957 Mit Fleiss und Genügsamkeit müssen die Fabriken und Geschäftsläden, alle staatlichen und genossenschaftlichen und sonstigen Unternehmungen betrieben werden. Was auch immer unternommen wird, es muss das Prinzip "Fleiss und Genügsamkeit" eingehalten werden, d.h. das Prinzip der Sparsamkeit, eines der Grundprinzipien der sozialistischen Wirtschaft. Damit China ein reiches Land werde, bedarf es eines Zeitraumes von mehreren Jahrzehnten. Auch nach Ablauf dieser Zeitspanne wird es erforderlich sein, den Grundsatz "Fleiss und Genügsamkeit" weiter zu befolgen. Mao-tse-tung, Der sozialistische Aufschwung im chinesischen Dorf, 1955

Die soziale Frage verlangt nach einer gänzlich anderen Form der Aktion/ weil sie das Leben vom Grundsatz seiner Basis verändern will und nicht die Form seiner Kontrolle.

Revolte No. 17

ERGRIFFENE VERWIRRUNG Inzwischen ist die iranische Revolution Wirklichkeit geworden. Wenn uns nicht alles täuscht, überragt ihre Bedeutung den roten Oktober 1917 bei weitem; sie ist dabei, mit ihren Erfahrungen und Inhalten an seine Stelle zu treten. (...) Der "neue Mensch" des Schiismus, der die Revolution massenhaft von unten vorantreibt, beginnt aus Gründen der Moral, der Menschenwürde, der Wiedererweckung von Gemeinschaftlichkeit in Familienunion und Gemeinden den autokratischen Sprung des Pahlevi ins 21 . Jahrhundert mit seinen Kernkraftwerken, komplexautomatisierten Kombinaten und Agrofabriken zu stoppen. (...) Allzu schnell stimmte die westdeutsche Linke von einem marxistisch-eurozentrischen Standpunkt aus der Abwertung der "religiösen" Seite der Revolution im Iran zu, ohne zu verstehen, wie die Religion einem Volk als Waffe im revolutionären Kampf dienen kann. Die Notwendigkeit, die Frage nach dem revolutionären Subjekt neu zu stellen, schliesst die Kritik der marxistischen Religionskritik als Diffamierung traditioneller Unterklassenkultur ein. Autonomie, Heft l, Neue Folge, 1979 Die Entschlossenheit, sich nicht in die Häuser, Betriebe und Schulen zurückdrängen zu lassen, gibt einen Eindruck von dem stillen Einverständnis, mit dem die Aufständischen einer national-demokratischen Gesellschaft Bahn brechen wollen. Konkretisiert wird das "Programm" der Verwirklichung der Menschenrechte in den Forderungen: Beendigung des Kriegsrechtes, Absetzung des Schahs, Auflösung des Savaks, Freilassung aller politischen Gefangenen, Aufhebung der Zensur. Über diese Forderungen sind sich alle einig, denn darunter haben sie alle gelitten. Keine Organisation, kein Programm, keine Plattform könnte radikaler sein, sondern würde möglicherweise nur einengend und kanalisierend wirken. Pflasterstrand, Nr. 42, 18.11.78 Ich protestiere jetzt nicht gegen diese Regierung, weil ich weiss, dass sie eine provisorische ist und sie zur Zeit sehr viele brennendere Probleme hat. Zunächst lasse ich sie in Ruhe, damit sie so schnell wie möglich die Möglichkeiten für freie Wahlen schafft. Djafar in einem Intervfew in: Blatt, 9.3.79

Der sofortige ökonomische Schock, der den innenpolitischen Zusammenbruch zur Folge gehabt hätte, wäre wie ein Blizzard über die USA und die gesamte spektakuläre Warenwelt hereingebrochen, der die ganze Gefahr eines zweiten Suez-Desasters aufwirft, wird durch die diplomatischen Offensiven in Permanenz gedehnt.

Die USA mußten sich deshalb auf die Waffen des Schahs verlassen, hinderten ihn aber gleichzeitig daran, sie einzusetzen, mit Rücksicht auf das hohe Risiko eines Bürgerkriegs, der in seinem Verlauf zu. denselben Folgen führt, und begriffen die Regierung des Schah in der gleichen Art, wie ihre Nachrichtendienste, die bekanntlich zur Hälfte aus denen bestehen, die Nachrichten erfinden, und zur anderen Hälfte aus solchen, die diese dann auswerten, sodaß es keine Schwierigkeiten macht, die Intelligenz zu bestimmen, die ein Farmer aus Georgia dadurch erlangen kann (25).

Weil sie eine soziale Bewegung nicht durchschauen können, wurden sie zu Gefangenen ihrer eigenen Macht, die jetzt ihre Schwäche wurde - je mehr sie sich scheuten, alle möglichen Konsequenzen einzugehen, wurden sie zu Tonkrügen, an die sich immer mehr der soziale Zer-setzungsprozeß heranfraß. Bis zu dem unglücklichen Moment, als sie alles auf eine Karte setzten, um zu erleben, wie die Macht, an die sie glauben mußten, in meuterndem Staub zerfiel. Die kurze Vorstellung der Elite-Einheit, dem letzten Aufgebot des Schahs, das auch sein erstes war, endete nach wenigen Stunden mit der deprimierten Rückkehr in die Kasernen.