REKONSTRUKTION DES STAATES
Der schnelle Wiederaufbau von Armee und Polizei war die andere große Aufgabe der neuen Macht. Schon Anfang März hatte Chomeini in einer Ansprache an das Militär erklärt: "Ihr solltet euch nicht als Besiegte, sondern als Sieger fühlen. Wir betrachten euch als Brüder und respektieren euch ", und Ende April konnte die Revolutionsregierung bekanntgeben, daß eine neue Staatspolizei gebildet sei, die religiösen Grundsätzen verpflichtet sein sollte (16).Trotz der wiederholten Aufforderungen, die erbeuteten Waffen abzuliefern, und der Androhung härtester weltlicher und kirchlicher Strafen, waren bis Ende Mai noch so gut wie keine Waffen bei den dafür eingerichteten Sammelstellen abgegeben worden. Schätzungsweise eine Million Handfeuerwaffen, neben Maschinengewehren, Granatwerfern und einigen Panzern sind noch in den Händen des Volkes (17). Das zeigt deutlich, welches Mißtrauen der Umstrukturierung und dem Wiederaufbau der Armee und der Polizei - die nur darin bestehen, einige hohe und mittlere Generäle gegen die zweite Garnitur des Schah-Regimes auszuwechseln und ansonsten alles wie bisher zu belassen - der ganzen Regierung und ihrem Programm entgegengebracht wird. Ebenso beschleunigt wie die Restauration des polizeilichen Kadavers der Ordnung verstaatlichte die neue Regierung bestimmte Industrie- und Dienstleistungsbetriebe unter Parolen wie: "Sicherung der Befriedigung des Bedarfs an notwendigen Gütern", "Ausschaltung ausländischer Interessen", "Kontrolle der Schlüsselindustrie durch die Regierung". Hinter der sozialen Phrase war aber die Panik zu erkennen, es könnte für diese Aktionen schon zu spät sein, da die persischen Proletarier während der Kämpfe bereits begonnen hatten, zahlreiche Fabriken und Betriebe in eigener Regie weiter zu betreiben, was ständig zu militanten Auseinandersetzungen mit den dort einzudringen versuchenden Betriebskomitees und den Milizen der islamischen Partei Chomeinis führte (18). Es ist der neuen Ordnung durch die Konterbesetzungen tatsächlich zum größten Teil auch gelungen, die Arbeiter wieder von der unmittelbaren Beteiligung an allen Entscheidungen und der Verfügung über die Produktion zu trennen und dort ein islamisches Management zu installieren. In der Erdölindustrie Khusistans wurde dieser Konflikt von den verschiedenen Politikern spektakulär aufbereitet, um darin entweder Kämpfe für eine Autonomie der arabischen Bevölkerungsgruppe, die den Hauptanteil an den Arbeitern ausmacht, herauszustreichen oder zu denunzieren 19). Sofort nach den ersten Unruhen in Kurdistan wurden sämtliche noch nicht desertierten kurdischen Soldaten, immerhin ehedem ein Fünftel der gesamten persischen Streitmacht, aus der Armee entfernt und in ihre Dörfer und Städte geschickt - was sich allerdings sehr schnell als grober Fehler erwies, da sich die meisten in den folgenden Kämpfen den Organisationen der Gegner der Zentralregierung anschlossen (20). Die hauptsächliche militärische Stütze der islamischen Partei in den Grenzgebieten ist denn auch nicht das iranische Militär, sondern es sind ihre islamischen Milizen, da es vor allem die zahlreichen Soldaten der unteren Chargen des Militärs unter dem Mangel an Perspektive und unter dem frischen Eindruck der für kurze Zeit erlebten Freiheit vorziehen zu diskutieren statt zu schießen, und wenn sie dann schießen, dann häufig in die Richtung ihrer Offiziere und Generäle. Meutereien sind alltäglich, ganze Kompanien verschwinden in der Bergregion des Nordens und Nordostens und die modernen Waffen und Ausrüstungsmaterialien leiden unter der Abwesenheit der amerikanischen Wartungstrupps, so daß Chomeini in den ersten Wochen seine Truppen ebenso häufig auffrischen und austauschen mußte, wie Stalin und Breschnew die Einheiten der Roten Armee 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei (21).
Das geschichtliche Scheitern der kurdischen Staatsidee, die rhythmische Niederlage der Gruppen, die ein gemeinsames Interesse aus der Gleichzeitigkeit der Anwesenheit in einer geographischen Zone abzuleiten versuchen, hat -wie bei allen Organisationen aus dieser Vorstellung - seinen Grund darin, daß außerhalb der Vorstellungen von einer eigenen Nation kein Programm existiert: sie sind gefangen in einer Politik, die sie immer nur zum Opfer werden läßt.
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