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SYMPHONIKER DER ORDNUNG
Auch wenn Chomeini und Bazargan sofort nach dem Sturz der Regierung massiv zur Normalisierung drängten und, wenn auch nur langsam, ein Ende der Streiks durchsetzten, ist ihnen bis heute nicht gelungen, die persischen Arbeiter von ihrem Programm zu überzeugen: "Die Revolution ist vorbei, jetzt muß die Wirtschaft des Landes wiederaufgebaut, der Staat restauriert werden."(13)
Die ersten Appelle der neuen Macht galten der Rückgabe der in den Kämpfen erbeuteten Waffen, der Ordnung der öffentlichen Verwaltung, dem Schutz der Militäreinrichtungen und Ordnungskräfte und der Arbeit. Streik, Sabotage, Plünderung und Brandstiftung wurden über Nacht zu konterrevolutionären Aktionen gestempelt. Gleichzeitig war in einer dem Zuwachs an Macht parallelen Bewegung die Bereitschaft gestiegen, Öl zu exportieren; nachdem es aus Cho-meinis Lager und von der Nationalen Front noch Anfang Februar tönte, man wolle höchstens noch die Hälfte der früher exportierten Ölmenge liefern, war schon kurz nach der Machtübernahme die Rede davon, eventuell bis zur doppelten Menge der früheren Exporte zu verkaufen. (14)
Einen Monat später, im März, war die Lage in den Fabriken, wo die Arbeiter die in den Wochen zuvor gebildeten Komitees nicht auflösten, sondern zu institutionalisieren versuchten, immer noch Grund für die Kritik Chomeinis und Bazargans. Übereinstimmend forderten sie "von Angestellten und Arb eitern höhere Arbeitsleistung und qualifiziertere Arbeit, um Handel und Industrie des Landes wieder auf die Beine zu stellen. "Außer -dem sollten "die Fabriken von übereifrigen Revolutionären gesäubert werden, die der Belegschaft vorzuschreiben versuchten, wie die Wirtschaft künftig zu betreiben sei".
Der Iran ist das halluzinogene Feld alexandrinischer Illusionen |
DIE STÜTZE DER ALTEN KOPULIERT MIT DER NEUEN ORDNUNG
Teherans Kriegsrechtsverwalter sagte auf einer Pressekonferenz in Chomeinis Hauptquartier, dass Bakhtiar gestern um 4 Uhr nachmittag zurückgetreten war. Er sagte weiter, dass die Rücktrittserklärung an die Nation gerichtet war. Die Erklärung ist allem Anschein nach ein redlicher Rücktritt. |
Kayhan International, Teheran, 12.2.79 |
Ayatollah Chomeini befreite die Streitkräfte von der Verpflichtung, den Thron zu schützen; der Generalstab des Heeres erklärte seine Neutralität in politischen Angelegenheiten und zog seine Truppen zurück in die Garnisonen; die Kommandeure der kaiserlichen Garde, bislang die fanatischsten Anhänger des Thrones, erklärten ihre Solidarität mit den Massen.
Die iranische Armee proklamierte ihre Neutralität in der gegenwärtigen politischen Unruhe, erklärte aber gleichzeitig, dass sie mit ihrer ganzen Macht fortfahren würde, die Wünsche der iranischen Massen zu unterstützen.
In einer gestern verbreiteten Erklärung verzichtete das Oberkommando der Armee zum ersten Mal darauf, sich "Kaiserlich iranische Streitkräfte" zu nennen. Das Kommunique, das nach einer vollständigen Sitzung des Rates der Streitkräfte veröffentlicht wurde, sagt aus, dass der Rat einstimmig beschlossen hat, alle Armeeeinheiten in die Kasernen zurückzuziehen, um weiteres Blutvergiessen zu vermeiden. Das Kommunique sagt weiter, dass es die Pflicht der iranischen Streitkräfte war, die Unabhängigkeit und territoriale Integrität des Landes zu verteidigen, wobei hinzugefügt wurde, dass in den inländischen Unruhen die Armee ihr Bestes getan hatte, um ihre Pflichten zu erfüllen, indem sie die legalen Regierungen unterstützt. Die Erklärung bekräftigte, dass die Armee zu jeder Zeit das vortreffliche iranische Volk und seine Bedürfnisse unterstützt habe und auch weiterhin verteidigen werde.
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Kayhan International, Teheran, 12.2.79 |
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Auch Amir Khosrovi, der Vorsitzende der kleinen sowjetischen Filiale, stimmte öffentlich in das Geheul ein, kaum daß er sein Exil in Paris verlassen hatte: "Es sind noch zu viele Provokateure im Land, um die Regierung durch Kritik zu schwächen. Wir sind gegen Streiks zum gegenwärtigen Zeitpunkt, jetzt soll zuerst die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden". Diese Ratte scheint tatsächlich davon zu träumen, daß er die Arbeiter nach Belieben aus ihrer Schachtel kramen und zu einem Streik für die Machtübernahme seiner Gang zu einem späteren Zeitpunkt verwenden kann (15).

DIE AFFEN DER ARBEIT...
Der iranische Schiitenführer Ayatollah Chomeini hat alle Streikenden in seinem Land aufgefordert, am Samstag wieder an die Arbeitsplätze zurückzukehren. In einer in Teheran veröffentlichten Erklärung des Ayatollah hiess es: die Streikenden hätten ihr Ziel erreicht, indem sie Schah Reza Pahlevi aus dem Land getrieben und die von diesem noch eingesetzte Regierung unter Bakhtiar in die Knie gezwungen hätten. Nun sei die Zeit gekommen, die Wirtschaft des Landes wiederaufzubauen. Andererseits könnten "Feinde innerhalb und ausserhalb Irans" versucht sein, die Lage auszunutzen. |
Frankfurter Rundschau, 15.2.79 |
Sollten die Streikenden dem Aufruf nicht nachkommen, sei dies eine Behinderung der islamischen Revolution: Diejenigen, die auch am Samstag den Streik fortsetzten, würden als Konterrevolutionäre gebrandmarkt und behandelt. |
Heidelberger Nachrichten, 15.2.79 |
Nach Ansicht politischer Beobachter in Teheran ist es trotz dieses Aufrufes mehr als zweifelhaft, ob die Ölarbeiter wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. |
Heidelberger Nachrichten, 16.2.79 |
Der Schiitenführer Ayatollah Chomeini rief von seiner Residenz in der 'heiligen Stadt' Kum die Bevölkerung zu grösserer Arbeitsdisziplin auf. Der Schiitenführer stellte sich damit hinter Äusserungen des von ihm eingesetzten Regierungschefs Mehdi Ba-zargan, der in einem Appell an die persischen Angestellten und Arbeiter höhere Arbeitsleistungen forderte. (...)
Nach Berichten aus verschiedenen persischen Städten sind die Fabriken weiterhin geschlossen. Der Grund dafür liegt weitgehend in der Weigerung der Beschäftigten, wieder an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. |
Frankfurter Rundschau, 19.3.79 |
...UND IHRE GEGNER
Die Ölarbeiter von Abadan und aus ganz Khusistan haben letztlich den Schah gestürzt. Dass sie die wichtigste Einnahmequelle des alten Regimes trockengelegt haben, war entscheidend. Dieser Akt, dieser Streik hat die iranischen Opportunisten bewogen, sich vom Monarchen abzuwenden. Er hat den Akteuren auch Selbstbewusstsein verliehen. Sie kennen ihre Kraft nun, und sie wissen, dass sie nicht immer auf das Wort aus den Basaren, aus den Moscheen warten müssen. |
Frankfurter Rundschau, 22.1.79 |
Die INF (Nationale Front Irans) hat sich nicht nur im politischen Kampf der radikaldemokratisch religiösen Bewegung unter Ayatollah Chomeini unterordnen müssen, sie hat auch im ökonomischen Kampf längst ihre Führungsrolle an die Arbeiter der Ölindustrie abgegeben. Nicht die Streiks der Basaris, sondern die der Ölarbeiter waren es auch, die letztlich die Fundamente des Schahregimes erschüttert haben. |
Frankfurter Rundschau, 27.1.79 |
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