3. Bericht Guy Debords auf der VII. Konferenz der S. I. in Paris (Auszüge)

Die Theorie der S.I. ist zumindest in einem Punkt klar: es muß von ihr Gebrauch gemacht werden. Da sie sich bereits als kollektive Plattform präsentiert und wirklich nur Sinn in der Perspektive einer bedeutenden Erweiterung hat, zwingt sie zur Beantwortung dieser Frage: wenn wir zusammen sind, dann um tatsächlich was zu tun? Diese Frage stellt sich auf eine sehr reale Weise, weil die Theoriengesamtheit der S.I. die das Gegenteil einer intellektuellen Spezialisierung ist, eine ziemlich große Komplexität von Elementen von ungleichem Gewicht umfaßt; und, da das Einverständnis unter uns ursprünglich lediglich theoretisch ist, vor allem, weil seine ganze Realität letztlich von der Art und Weise abhängt, wie wir den Gebrauch dieser Theorie verstehen und realisieren. Worin muß diese gemeinsame Aktivität bestehen, für uns und in Richtung auf die anderen? Diese Frage ist eins. Die falsche Antwort, nämlich daß wir ein unmittelbares Gefühl für die Totalität haben, und daß darin bereits eine totale qualitative Haltung liegt, die uns großartig über alles zu reden erlaubt, wäre eindeutig eine Äußerung vorhegelianischen Idealismus, weil dieser Konzeption der Ernst fehlt und die Arbeit des Negativen. Unsere Aktivität kann nicht dieses Absolute sein, diese Nacht, wo alle Kühe radikal schwarz sind, das heißt auch diese Ruhe. In derselben Bewegung kann unser gemeinsames Begreifen teilweise inaktiv bleiben, und können die individuellen Aktivitäten teilweise unbegriffen bleiben von denen, die sich mit ihnen begnügen. Wenn wir die S.I. nicht korrekt beurteilen, täuschen wir uns proportionell über den gesamten Rest. (...)
Das heißt, das wir uns nicht kollektiv mit individuellen Fragen belasten dürfen, die sich unserer gemeinsamen Aktivität entziehen — und ebensowenig braucht sich irgendeiner von uns in seinem individuellen Leben mit den kollektiven Ansprüchen der S.I. zu belasten, die über die wirkliche gemeinsame Praxis hinausgehen. Ich will damit sagen, daß die Existenz dieser abstrakten gemeinsamen Positionen weder dazu dienen darf, irgendeine besondere Inaktivität zu beschönigen, noch das tatsächliche Leben von irgendeinem von uns beeinträchtigen darf. Das setzt selbstverständlich voraus, daß es eine tatsächliche Beteiligung an einer wirklichen gemeinsamen Aktivität gibt. Allein diese praktische Aktivität ist das Urteil, das wir unter uns anerkennen ebenso wie sie es ist, die das objektive Urteil über uns durch die anderen fällt.
Es ist sicher, daß unsere gemeinsame Aktivität erweitert werden muß. Ich schlage nur vor, der Realität ins Gesicht zu sehen, daß sie zurzeit, als praktische Aktivität, arm ist. Ihre Grenzen und ihre Armut müssen zugegeben werden, eben um sie praktisch zu erweitern. Dagegen kann sie nur insoweit, als sie in keiner Weise praktisch gemessen wird, als grandios erscheinen. Doch ein solcher grandioser Charakter würde sich von dem Augenblick an dementiert sehen, wo sich unter uns eine gewisse unbewußte Praxis inaktiver Beziehungen einstellen würde. Wir dürfen also nach meiner Auffassung nicht zusammen sein ohne Bezug auf eine Aktivität, die von unserem gemeinsamen Programm definiert wird (und die es weiter definiert). Diese Aktivität selbst ist aufgrund unseres Platzes in der Welt geboten, aufgrund dessen, was wir als Kritik der heutigen Welt zu tun haben, und als Begegnung kritischer Elemente, die in ihr erscheinen.

Ich berücksichtige hier einige Diskussionen, die fragmentarisch unter uns in den letzten Monaten stattfanden. Ich berücksichtige mehr noch einige individuelle Unsicherheit, die manchmal eine Art von Wehrlosigkeit zum Ausdruck brachten angesichts der praktischen Übersetzung dessen, was wir zusammen ohne weiteres bejahten. Daraus folgen mehr oder weniger klar zwei parallele Positionen, die besser sofort klargestellt werden:
1.Eine Pseudokritik der S.I., die eine unannehmbare Unzufriedenheit aufgrund der Tatsache ausdrückt, daß die S.I. nicht magisch alle Aspekte des Lebens derer erhöht, die ihr begegnen. Ein gutes Beispiel dafür war der junge Erzähler François George, der uns seine Unzulänglichkeiten vorwarf.
2.Eine künstliche Lobrede auf die S.I., die ich für noch schlimmer halte, weil sie bereits eine Art von Ideologie einer illusorischen Macht enthält. Diese Lobrede möchte den Glauben erwecken, daß die S.I. von dem Moment an, wo sie „existiert", schon alles ist, was sie tatsächlich sein soll (Zusammenhang etc.). Eine solche Illusion kann mit logischer Notwendigkeit zu extravaganten Illusionen über das verleiten, was die S.I. noch werden muß, als Entwicklung von der imaginären Basis aus, die man ihr ab heute zugute hält. Diese Lobrede und diese Herabsetzung — wobei übrigens das eine das andere nach sich zieht — sind die beiden Seiten derselben Medaille: das Unverständnis und die Abwesenheit in Bezug auf die Bedingungen unserer wirklichen Aktivität, und unserer wirklich möglichen Aktivität.

te des Klassenkampfes in der modernen Gesellschaft sind es, die um uns herum, und selbst unter uns, neuidealistische Hoffnungen auf eine intellektuelle Apokalypse bezüglich der konkret existierenden S.I. erzeugen können; und zwangsweise Enttäuschungen, die eben aus dieser Erwartung entstanden. Die Entwicklung dieser Kampfbewegung allein wird die wahren Probleme verwandeln, und die falschen Probleme obendrein. Unsere Sache ist vor allem die Konstitution einer globalen kritischen Theorie und (daher untrennbar) ihre Kommunikation bei allen Sektoren, die objektiv bereits mit einer Negation begonnen haben, die subjektiv fragmentarisch bleibt. Die Definition, das Experimentieren, die langwierige Arbeit bezogen auf diese Frage der Kommunikation ist unsere hauptsächliche wirkliche Aktivität als organisierte Gruppe. Die diesbezüglichen Mängel fassen alle unsere Mängel (als Gruppe) zusammen. Der Rest ist Geschwätz.(...)

Nicht eine theoretische Garantie des alten deutschen Denkens, sondern die Revolte im wirklichen Leben heute und für uns führt zum gemeinsamen Begreifen der kritischen Kultur parallel zum Marxismus ihrer Zeit (zum Beispiel der modernen Poesie als Selbstverneinung der Kunst) genauso wie aller Formen des gegenwärtigen Jahrhunderts, die wir konkret kritisieren müssen, über eine bloße Denunzierung der Publizität der Waren hinaus.

Die vollständige Teilnahme an dem, was ich unsere hauptsächliche Aktivität im augenblicklichen Stadium nenne, setzt offensichtlich die individuellen Fähigkeiten voraus, und verstärkt sie, sowohl in dem theoretischen Bewußtsein als auch im gegenwärtigen Gebrauch des Lebens. Wir sind jedoch keinesfalls berechtigt, als unsere gemeinsame Aufgabe eine raffinierte Studie rein theoretischer Probleme vorzugeben, weil sich unsere Theorie des Dialogs nicht mit einem bloßen Dialog der Theorie begnügen kann: die Theorie des Dialogs ist, von ihrem Anfang bis zu ihrer höchsten Entwicklung, eine Kritik der Gesellschaft.

Im Gegensatz zu dem, was einige zu glauben scheinen, ist es nicht so schwer, uns theoretisch zu begreifen, wenn man mit uns in Kontakt steht und wenn man dazu neigt, die Realitäten, von denen wir sprechen, so zu nehmen wie wir. Es ist nicht obligatorisch, noch einmal Machiavelli und Kautsky zu lesen. Es muß leichter sein, uns jetzt zu begreifen, als zum Beispiel vor fünf Jahren. (...)

Es ist also weniger schwer, die Theorien der S.I. genau zu begreifen, als — notfalls grob — etwas aus ihnen zu machen. Das ist es, was uns vor allem beschäftigen muß. Die S.I. muß deshalb darauf achten, nicht mehr sich selbst zu loben. Es gilt damit aufzuhören, unter uns und um uns herum eine bewundernde Zufriedenheit zu entwickeln, die sich auf das gründet, was wir in der Vergangenheit gemacht haben (geben wir zu, daß es zugleich viel und sehr wenig war); wir müssen im Gegenteil überlegen, wie wir davon jetzt Gebrauch machen können. Und was für praktische Fähigkeiten diesbezüglich die Leute haben, die an uns herantreten. Wenn wir auf verschiedenen Wegen, darunter durch Ausschlüsse, den Titel „situationistisch" verteidigt haben, dann einzig und allein um zu verhindern, daß er gegen uns aufgewertet wird. Es ist nicht unser Ziel, ihn für uns selbst aufzuwerten. Wir müssen daran erinnern, auf welche kommende Bewegung wir setzen.

Die vielfältige (theoretische und praktische) Aktivität die aus diesem zentralen Punkt der, im weitesten Sinn begriffenen fortgeschrittenen revolutionären Kommunikation hervorgeht, ist das, was allein über die Weise entscheiden kann, in der Situationisten zusammen sind, wie über alle Kriterien, die es uns gestatten, den Zusammenhang und die Fähigkeiten unserer möglichen Kameraden zu beurteilen. Ich bitte zu beachten, daß es selbst bei den „subjektivsten" Geschmäckern und Haltungen kein persönliches Merkmal gibt, das nicht eine direkt meßbare Wirkung auf diesem Boden unserer Kommunikation nach außen hin hat. Hier erscheint zum Beispiel ein mangelndes Talent im Ausdruck als gefährliche Stammelei oder als Verbreitung von Teilwahrheiten, die zu Lügen werden. Hier kann das konformistische Verhalten von einem von uns in gleich welchem Aspekt seines eigenen Lebens sicherlich dazu dienen, alle theoretischen Ansprüche der S.I. zu diskreditieren. Und das um so schneller, je kompromißloser sie aussehen. Wir müssen uns zumindest auf der Höhe der Befreiung befinden, die sich fast überall ohne theoretisches Bewußtsein zu zeigen beginnt; und lediglich das theoretische Bewußtsein zusätzlich haben. So selbstverständlich wie wir die Prestigerolle in der S.I. ablehnen müssen, müssen wir auch jeden zurückweisen, der unter uns und außerhalb das Gegenteil des Prestiges vorweisen würde: die Unzulänglichkeit bezüglich der Grundlagen, von denen wir ausgehen.

Jüngst wurde gesagt, die Situationisten könnten untereinander keine pensionierten Denker anerkennen. Das ist vollkommen richtig, denn das würde uns in eine intellektuelle Gilde verwandeln zum Zwecke der Verbreitung und der Anerkennung unserer „Meisterwerke" und der festgelegten Doktrin, die aus ihnen abgeleitet und dann gelehrt werden könnte. Ich glaube allerdings, daß diese Warnung einen gloriosen Utopismus teilt, würde sie als die Hauptgefahr hingestellt werden. Zunächst deswegen, weil das Risiko viel größer ist, „Denker in Kinderschuhen" zu versammeln (was nicht schlimm ist, unter der einzigen Bedingung, daß sie schnell aus den Kinderschuhen herauskommen).

Aber vor allem deswegen, weil wir in keiner Weise „Denker" als solche brauchen, das heißt Leute, die Theorien außerhalb des praktischen Lebens produzieren. Soweit mir unsere in der Entstehung begriffenen Theorien so richtig wie nur möglich erschienen, im Moment und unter der Bedingungen, mit denen wir es zu tun haben, stimme ich zu, daß jede theoretische Entwicklung, die den Zusammenhang der „situationistischen Rede" teilt, aus dem praktischen Leben kommt, sich daraus legitim ableitet.

Formeln müssen ins praktische Leben zurückkehren, sonst sind sie nicht eine Viertelstunde Mühe wert. Zwei Punkte sind zu beachten: 1. die sichtbare Übereinstimmung Zwischen der Theorie und dem Leben des Trägers dieser Theorie, soweit sie sich nur praktisch verwirklichen läßt; 2. die Benutzung dieser Theorie, soweit sie den Kräften mitgeteilt werden kann, die praktisch auf der Suche nach dieser Theorie sind (dort, wo „die Wirklichkeit ihre Theorie sucht", entsprechend einer klassischen Formulierung). Der Mangel im ersten Fall ergibt klar den unbewußten Ideologen, der mit sich selbst nicht übereinstimmt. Im zweiten Fall ergibt er die utopistische Sekte, wo es sicherlich eine wirkliche Übereinstimmung zwischen den Teilnehmern gibt, aber einzig und allein zwischen ihnen. Für uns ist dieser erschwerende Umstand aufgeschoben, wenn wir die geschichtliche Ablehnung der Ideologie proklamieren, und die Aufhebung jeder Utopie durch die mögliche Stärke des Gegenwärtigen. Das Maß des Realisierbaren, und folglich des Mangels in den beiden Fällen, kann sehr gut durch die Praxis selbst der Situationisten festgestellt — und stets erweitert werden, wenn sie konsequent die elementaren Banalitäten anwenden, zu denen sie sich bereits bekennen. (...)

Ich weise ebensosehr die Zufriedenheit oder die angedrohte Unzufriedenheit bezüglich der S.I. zurück, die sich um die Forderung herum äußern könnte, wonach wir gewissermaßen Organisatoren von Festtagen zu sein hätten. Wir brauchen einem solchen Verlangen nach besonderen Festen nicht nachzukommen. Wir müssen diese Dimension den Individuen überlassen, d.h. wir dürfen niemanden durch einen Kollektivismus einschränken, der auf diesem Gebiet zwangsweise schwachsinnig wäre. Was wir bei den gegenwärtigen Verhältnissen von der Kunst erben müssen, ist ein tieferes Kommunikationsniveau und nicht der Anspruch auf irgendein nicht einmal ästhetisches Vergnügen. (...)

Wir müssen dahin kommen, wieder das Wort zu ergreifen, das in der Kultur liegt, aber ohne ihr „Prestige" oder irgendeinen Ersatz ihres Prestiges. (Gegen die „Prestigerollen", die manche von der S.I. ausgehend einnehmen mögen — von der erbärmlichen Art des „Denk-„ oder „Lebenskünstlers" — müssen wir uns durch eine systematische Untergrabung Jeder auf Prestige ausgehenden Haltung wehren.) Die Suche nach einer Art von Fest in der S.I. liefe auf eine triviale Praxis der Vergnügung in Gesellschaft hinaus, die an sich sicher nicht schlecht ist, aber die für uns schlecht wäre, weil sie in eine Ideologie des Spielerischen gekleidet wäre: das heißt, sie wäre ein Versuch kollektiven Spiels, aber ohne seine Mittels nur erschwert durch eine Art von Doktrin des Spiels.

Wo also finden sich all die gegenwärtigen und zukünftigen Mittel zu seiner Verwirklichung? Eben in unserer Praxis der Kommunikation mit der „wirklichen Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt". Wie könnte ohne sie eine Versammlung von Situationisten unter solchen Bedingungen abstrakter Gewichtigkeit überhaupt unterhaltsam sein?

In der Entfremdung des Alltagslebens sind die leidenschaftlichen und spielerischen Möglichkeiten durchaus noch wirklich vorhanden, und die S.I. würde meines Erachtens eine schwerwiegende Verkehrung der Tatsachen vornehmen, würde sie zu verstehen geben, daß das Leben außerhalb der situationistischen Aktivität vollkommen versteinert ist (die damit auf mystische Weise eine Erlösung durch den Begriff wäre — einige Leute wenden sich zurzeit mit diesem Eindruck an uns). Ganz im Gegenteil: dieser freie Raum scheint mir normalerweise außerhalb unserer gemeinsamen Aktivität zu liegen, die eine gewisse Erschöpfung mit sich bringt. Das erscheint mir besonders offensichtlich, wenn ich die persönliche theoretische Arbeit betrachte, zu der die Teilnahme am situationistischen Projekt führen kann.

Die Entwicklung der situationistischen Theorie ging durch unzählige Interaktionen, von denen einige Fälle spektakulären Plagiats lediglich amüsante anekdotische Aspekte bilden — mit der Entwicklung der herrschenden Kulturwelt selbst einher. Die Idee des einheitlichen Urbanismus, das Experiment des Sich-treiben-lassens müssen heute in ihrem Kampf mit den modernen Formen utopischer Architektur begriffen werden, den Biennalen von Venedig oder den Happenings. So muß sich auch unser möglicher Gebrauch einer „Kommunikation, die ihre eigene Kritik enthält", gegen den integrierten Neodadaismus durchsetzen oder gegen die kombinatorische Neoästhetik (gegen eine „Gruppe visueller Kunst" z.B., die in den Straßen von Paris Situationen konstruiert, etc.). Die Tatsache jedoch, daß die Versuche, die unternommen wurden, die S.I. „en bloc" in diese Kulturwelt zu integrieren, abgewiesen wurden, rechtfertigt diese ersten Momente unseres Experiments: wir sind der Möglichkeit der Radikalisierung gefolgt, die sie beinhalteten. Und deswegen hebt die Aufhebungsbewegung, von der wir sprechen, sie nicht auf. Und aufgrund eben dieser -. weiterzuführenden Experimente gehört die Aufgabe der Kommunikation unserer Theorie, die ich als unsere hauptsächliche praktische Verbindung auffasse, in keiner Weise in den Bereich des politischen Aktivismus, sondern ist auf radikale Weise Feind aller Überbleibsel dieses Aktivismus von Spezialisten. Die einzige Position jedoch, die die notwendige Kritik der Spezialisten völlig diskreditiert, ist die Inaktivität im Namen der Totalität, von der ich zu Beginn gesprochen habe.

Die Frage der Kommunikation einer in der Entstehung begriffenen Theorie mit den radikalen Strömungen, die selbst in der Entstehung begriffen sind, hängt von der „politischen Erfahrung" ab (der Organisation, der Repression) und von der formellen Erfahrung der Sprache (von der Kritik des Wörterbuchs bis zum Gebrauch des Buchs, des Flugblattes, einer Zeitschrift, des Kinos und des Gesprächs im Alltagsleben). Gleich danach stellt sich hier die keineswegs belanglose Frage der Finanzierung. Ich setze entschieden voraus, daß die Frage der Aufrechterhaltung irgendeiner Bequemlichkeit für uns alle belanglos ist. Es ist sicher, daß dort, wo wir beginnen, mit einer gewissen Kommunikation über das, was wir sagen wollen, Erfolg zu haben, das Ergebnis auf uns in recht unbequemer Form zurückfallen kann, wie im Fall der Bombe bei Martin. Aber die am wenigsten belanglose Frage ist die unserer Fähigkeit, bei verschiedenen Gelegenheiten unsere praktischen Möglichkeiten zu beurteilen. Zum Beispiel ist unser Kurier in Algerien neulich mit einer sehr optimistischen Einschätzung unserer Möglichkeiten zurückgekehrt, eine Verteilung zu organisieren, ohne die die besten Analysen direkt an das Internationale Institut für Sozialgeschichte gesandt werden können. In der Folge zeigte sich, daß er in seiner Begeisterung übertrieben hatte. Unter den Bedingungen des Untergrunds wird natürlich die Zahl derer, unter denen man wählen muß, wem man vertraut und wem nicht, sehr gering. Denn je nachdem, was diese Leute tun werden oder nicht, kann man zu Ergebnissen kommen oder zu nichts. Doch ihr wißt, wie sich dieses Problem für uns überall stellt, und deshalb finde ich dieses Beispiel einer Verschwörung im Vorbeigehen interessant. Die ganze Welt ist für uns wie dieses Algerien, wo alles davon abhängt, was wir mit denen machen können, die zuerst kommen, und wo wir folglich alle immer fähiger sein müssen, sie praktisch zu beurteilen und die Bedingungen für solche Begegnungen zu schaffen. Wir verfügen nicht über die „mass media", und keine radikale Strömung wird in absehbarer Zeit über sie verfügen. Wir müssen lernen, in jedem Moment die anderen Wege zu erkennen und zu beschreiten.

Wenn wir in diesem Moment einen gewissen theoretischen Vorsprung haben, dann ist das das ärgerliche Produkt des vollständigen Fehlens der praktischen Kritik der Gesellschaft in der Epoche, die wir verlassen, und ihrer nachfolgenden theoretischen Auflösung. Da es jedoch so scheint, daß das Wiederauftauchen der Kämpfe unter einer neuen Form unsere grundlegende Hypothese zu bestätigen beginnt, müssen wir unsere Positionen den neuen Strömungen, die sich in der Politik und der Kultur suchen, zur Kenntnis bringen, in dem Maße, wie wir ihre eigene unbekannte Theorie sind. Diese Aufgabe scheint nur unsere ganze gegenwärtige Aktivität zu definieren, und umgekehrt läßt sich wirklich nichts definieren, was darüber hinausgeht. Denn ebensowenig, wie es darum gehen kann, ein Monopol kritischer Exzellenz auf irgendeinem Gebiet zu behaupten, dürfen wir in der Perspektive denken, irgendein Monopol theoretischen Zusammenhangs auf längere Zeit zu erhalten.

(Juli 1966)