6. Neuordnungspläne im
weiteren Sinne
6.1. Architektur: Die Führerstädte
Die Endziele offenbaren sich auch
in der Architektur der Nationalsozialisten. Gebäude wurden
zur kollektiven Einschüchterung des Einzelnen entworfen -
aber auch um das Selbstbewußtsein der Deutschen gegenüber
dem Ausland zu stärken. (Giordano 1989: 81) Um auf die enormen
baulichen Veränderungen einzugehen fehlt hier der nötige
Platz. Es muß reichen festzustellen, daß Hitler in
Deutschland fünf Städte zu sogenannten Führerstädten
umbauen wollte - und zwar Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage,
München als Hauptstadt der Bewegung, Hamburg als Stadt der
deutschen Schiffahrt sowie Linz als Alterssitz Hitlers. Als Krönung
schließlich war ein gigantischer Umbau Berlins zur Hauptstadt
des großdeutschen Weltreiches geplant; diese neue Stadt
hätte Germania heißen sollen. (siehe Giordano 1989:
86-101 für Details). Diese Architekturpläne der Nazis
nach dem Endsieg "hätten die organisierte Entmenschlichen,
die totale Entstellung der deutschen Städte bedeutet."
(Giordano 1989: 111-112)
6.2. Die geplante Neuordnung
Deutschlands
Das geplante Gesetz über
die Behandlung Gemeinschaftsfremder hätte der nationalsozialistischen
Rethorik, die über dem Recht des einzelnen das Recht der
Volksgemeinschaft stellt (siehe z.B. Frauendienst 1942: 136) genüge
getan und hätte den Machthabern die Möglichkeit gegeben,
jeden "der sich außerstande zeigt, aus eigener Kraft
den Mindestanforderungen der Volksgemeinschaft zu genügen"
(Giordano 1989: 209) zu entfernen. Dieses deutsche Recht wäre
gemeinsam mit den Nürnberger Gesetzen überall in Europa
eingeführt worden.
6.3. Vorstellungen für
ein nationalsozialistischen Europa in der
Nachkriegsbelletristik
Hier möchte ich ganz kurz drei Romane vorstellen die sich mit dem Gedankenspiel beschäftigen, was passiert wäre, hätte Hitler den Krieg gewonnen.
Len Deightons "SS-GB" (1978) spielt im nationalsozialistischen Großbritannien des Jahres 1941 (mit abgedruckter Kapitulationserklärung). Die Hauptperson ist der Kriminalbeamter Douglas Archer, der den Mord an einem Physiker aufklären soll. Wie sich herausstellt war dieser Physiker an dem Bau der Atombombe beteiligt und Archer wird immer mehr in Intrigen zwischen SS, Wehrmacht, der britischen Widerstandsbewegung und der Abwehr hineingezogen. Giordano erwähnt dieses Buch lobend und erläutert, daß es im Sonderstab England des Wirtschafts- und Rüstungsamt im OKW bereits detaillierte Pläne zur Verwaltung Großbritanniens gab. SS und SD Einheiten waren bereits bereitgestellt und auch die I.G. Farben hatten schon einen "Wunschzettel" zur Übernahme von Unternehmen produziert. (Giordano 1989: 271-3)
Robert Harris "Vaterland"
(1992) spielt 1964. Der kalte Krieg zwischen den USA und dem Großdeutschen
Reich ist dabei zu Ende zu gehen, als Inspektor Xaver
März die Leiche eines hochrangigen Nazibonzen findet. "Vaterland"
ist ebenso wie "SS-Gb" ein Krimi und ebenso wie Archer
verstrickt sich März in Intrigen, als er versucht den Mord
aufzuklären und schließlich über den von den Nazis
(fast) perfekt vertuschten Holocaust stolpert.
Philipp K. Dicks Buch "The
Man in the High Castle" (1962) ist ein leicht philosophisches
Werk, das in einer Welt spielt in der Amerika zwischen den Nazis
und den Japanern aufgeteilt ist. Anders als in den ersten beiden
Werken handelt es sich nicht (nur) um einen Krimi. Die Handlungsfäden
sind lose verknüpft und das Ende ist ebenso überraschend
wie originell (oder, wie Kritiker meinen, unbefriedigend). Die
Handlung dreht sich (grob erläutert) um den Plan der Nazis
die Japaner anzugreifen und um den Versuch der Abwehr dies den
Japanern mitzuteilen. Außerdem geht es um die Suche nach
dem Autor eines verbotenen Buches, welches den Sieg
der Alliierten beschreibt (sozusagen ein Science Fiction Buch
im Science Fiction Buch). In den Handlungsfäden spielt weniger
die sogenannte "action" als die moralischen Entscheidungen
der Figuren eine Rolle.
Abschließend ist anzumerken, daß alle drei Autoren dem angelsächsichen Kulturkreis entstammen. Im deutschsprachigen Raum gibt es scheinbar noch zu viele Hemmungen sich auch nur fiktiv damit zu beschäftigen, was passiert wäre, wenn das Dritte Reich den zweiten Weltkrieg gewonnen hätte.
Bildquellen: siehe Quellenkritik
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