Der ehemalige Lesehof des Hochstiftes Passau in Klosterneuburg
Baugeschichte und Rekonstruktion
Gebäude E: Arkadenbau
Der stratigraphisch jüngsten mittelalterlichen Bauphase
ist eine schräg an die nordöstliche Längsmauer des Kellergebäudes
B anlaufende Mauer mit strebepfeilerartigen Vorsprüngen zuzurechnen. Sie
verläuft fast parallel zu jener Mauer, welche sich aus der nordwestlichen
Rückmauer des Kellergebäudes B entwickelt und sich nach einem deutlichen
Knick in der Bauflucht nach Nordosten fortsetzt. Dieser ältere Mauerzug
bildete offensichtlich die nordwestliche Begrenzungsmauer des mittelalterlichen
Lesehofkomplexes und setzte sich nach Nordosten fort. Die an das Kellergebäude
B angestellte Mauer mit einer durchschnittlichen Mauerstärke von 1 m ist
wesentlich seichter fundamentiert. An ihrer Hoffront konnten vier engstehende,
0,8 bis 1,1 m weit vorragende Zungenmauern festgestellt werden, wobei sich zwischen
der zweiten und dritten Zungenmauer ein Portal befand, dessen Schwelle sich
erhalten hatte. Weitere, allerdings stark gestörte Mauerzüge waren
laut Befund teilweise an die hofseitige Mauer angebaut, teilweise greifen sie
in die ältere Begrenzungsmauer ein. Eine nähere zeitliche Bestimmung
oder Interpretation ist wegen des stark gestörten Befundes nicht möglich.
Die Reihe von vier hofseitigen Wandpfeilern läßt
zunächst an Strebepfeiler, welche den seitlichen Schub von Gewölben
aufnehmen sollten, denken. Die relativ enge Abfolge an der nur mäßig
fundamentierten Mauer des Gebäudes E spricht jedoch gegen diese Interpretation.
Zahlreiche Beispiele spätmittelalterlicher Arkadenhäuser geben eine
andere Erklärung. Die Zungenmauern gehören zu einer Reihe von Konsolpfeilern,
die ein Arkadengeschoß tragen, eine architektonische Lösung, welche
im ausgehenden Spätmittelalter eine häufig angewandte Gestaltungsmöglichkeit
für Hoffassaden darstellte. Das Gebäude E hatte demnach ein Obergeschoß
und verdeckte einen Großteil des älteren Kellergebäudes B. Im
Zuge dieser Verbauung scheint man auch die Fenstersituation an der Ostecke des
Kellergebäudes B und die Anordnung der Lichtnischen in der Südost-Wand
verändert zu haben. Für die Datierung des Arkadenbaus E gibt es aufgrund
des spärlichen Mauerbefundes nur wenig Anhaltspunkte. Im Schutt der Außenecke
zwischen Kellergebäude B und Arkadenbau E wurden allerdings Bruchstücke
glasierter Dachziegel und Firstziegel gefunden, welche die Datierung des spätgotischen
Bautypus in die Zeit ab der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nahelegen.
Über den Binnenaufbau des Gebäudes liegen keine
Befunde vor. Spätere Einbauten sind zeitlich und strukturell nicht eindeutig
einzuordnen. Der mittlere Strebepfeiler der nordöstlichen Längsmauer
des Kellergebäudes B dürfte schon im 15. Jahrhundert im Aufgehenden
entfernt worden sein.
Die weitere Erstreckung des Arkadenbaus nach Nordosten bleibt ungewiß;
hier hat der Bau aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts jeglichen Befund
zerstört. Im Zusammenhang mit der Parzellengröße und einem weiteren
Gebäude F wäre es jedoch möglich, den Arkadenbau mit einem mittleren
Eingang zu rekonstruieren.
Studiolo | Inhalt | Einleitung | Befunde | Zusammenfassung
© studiolo 21.06.99 18:57