Der ehemalige Lesehof des Hochstiftes Passau in Klosterneuburg
Baugeschichte und Rekonstruktion


Gebäude E: Arkadenbau

img019.jpgDer stratigraphisch jüngsten mittelalterlichen Bauphase ist eine schräg an die nordöstliche Längsmauer des Kellergebäudes B anlaufende Mauer mit strebepfeilerartigen Vorsprüngen zuzurechnen. Sie verläuft fast parallel zu jener Mauer, welche sich aus der nordwestlichen Rückmauer des Kellergebäudes B entwickelt und sich nach einem deutlichen Knick in der Bauflucht nach Nordosten fortsetzt. Dieser ältere Mauerzug bildete offensichtlich die nordwestliche Begrenzungsmauer des mittelalterlichen Lesehofkomplexes und setzte sich nach Nordosten fort. Die an das Kellergebäude B angestellte Mauer mit einer durchschnittlichen Mauerstärke von 1 m ist wesentlich seichter fundamentiert. An ihrer Hoffront konnten vier engstehende, 0,8 bis 1,1 m weit vorragende Zungenmauern festgestellt werden, wobei sich zwischen der zweiten und dritten Zungenmauer ein Portal befand, dessen Schwelle sich erhalten hatte. Weitere, allerdings stark gestörte Mauerzüge waren laut Befund teilweise an die hofseitige Mauer angebaut, teilweise greifen sie in die ältere Begrenzungsmauer ein. Eine nähere zeitliche Bestimmung oder Interpretation ist wegen des stark gestörten Befundes nicht möglich.
 

img030.jpgDie Reihe von vier hofseitigen Wandpfeilern läßt zunächst an Strebepfeiler, welche den seitlichen Schub von Gewölben aufnehmen sollten, denken. Die relativ enge Abfolge an der nur mäßig fundamentierten Mauer des Gebäudes E spricht jedoch gegen diese Interpretation. Zahlreiche Beispiele spätmittelalterlicher Arkadenhäuser geben eine andere Erklärung. Die Zungenmauern gehören zu einer Reihe von Konsolpfeilern, die ein Arkadengeschoß tragen, eine architektonische Lösung, welche im ausgehenden Spätmittelalter eine häufig angewandte Gestaltungsmöglichkeit für Hoffassaden darstellte. Das Gebäude E hatte demnach ein Obergeschoß und verdeckte einen Großteil des älteren Kellergebäudes B. Im Zuge dieser Verbauung scheint man auch die Fenstersituation an der Ostecke des Kellergebäudes B und die Anordnung der Lichtnischen in der Südost-Wand verändert zu haben. Für die Datierung des Arkadenbaus E gibt es aufgrund des spärlichen Mauerbefundes nur wenig Anhaltspunkte. Im Schutt der Außenecke zwischen Kellergebäude B und Arkadenbau E wurden allerdings Bruchstücke glasierter Dachziegel und Firstziegel gefunden, welche die Datierung des spätgotischen Bautypus in die Zeit ab der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nahelegen.
 

img031.jpgÜber den Binnenaufbau des Gebäudes liegen keine Befunde vor. Spätere Einbauten sind zeitlich und strukturell nicht eindeutig einzuordnen. Der mittlere Strebepfeiler der nordöstlichen Längsmauer des Kellergebäudes B dürfte schon im 15. Jahrhundert im Aufgehenden entfernt worden sein.

Die weitere Erstreckung des Arkadenbaus nach Nordosten bleibt ungewiß; hier hat der Bau aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts jeglichen Befund zerstört. Im Zusammenhang mit der Parzellengröße und einem weiteren Gebäude F wäre es jedoch möglich, den Arkadenbau mit einem mittleren Eingang zu rekonstruieren.
 

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© studiolo 21.06.99 18:57