Die Bedeutung des Steins in Betrachtung der Punkte 1.2 und 1.4

Bevor der Norweger Roald Amundsen am 15.12.1911 mit seiner Mannschaft den Südpol betrat, war das Innere dieses Kontinents völlig unbekannt. Und die bekannten ersten Kilometer entlang der Küste beflügelten durch ihre eisige Unwirtlichkeit nur die Phantasie der Menschen. So existierte tatsächlich noch wenige Jahre zuvor die Vorstellung, man träfe nach der Überquerung dieses Eisringes auf eine Art Paradies auf Erden. Längst bekannt war ein wirkliches Paradies. Wo der Nil mitten in der Wüste die Landschaft zum Erblühen bringt, existierte schon vor Jahrtausenden eine Zivilisation. Doch auch hier kannten die Europäer lange Zeit nur die Oberfläche, denn man verstand die Kultur nicht. Ihre Schrift war unbekannt und ihre wahren Schätze damit verborgen.

Letztlich fragt sich nun, hätte man die Hieroglyphen ohne den Stein von Rosette entziffern können und dieses auch ohne Champollion. Man möchte meinen, mit modernen Mitteln wäre das heute ein Kinderspiel. Doch die Entzifferung der Hieroglyphen war ein Präzedenzfall, auf dessen Vorgehensweise einige der heutigen Sprachprogramme basieren. Man muss also davon ausgehen, dass wir heute auch nicht klüger an die Sache herangehen würden, hätte Herr Champollion uns nicht vorgemacht, wie man die ägyptischen Hieroglyphen entziffert. Und zudem muss man hier ganz eindeutig zugeben, dass zu der Entzifferung 1809 bis 1822 tatsächlich die einzig wahren Hoffnungsträger zusammentrafen. Denn der Stein von Rosette glänzt mit Einmaligkeit (siehe Kapitel 4). Die Länge des Textes und dass er in den drei Schriften Hieroglyphen, Demotik sowie in griechische Majuskeln verfasst ist, verhalf uns letztlich dazu, die Hieroglyphen zu verstehen. Und damit alles Wissen, welches die Ägypter aufschrieben. So ist der Stein von Rosette das ultimative Symbol für die menschliche Fähigkeit, mit der Sprache seine Vergänglichkeit zu überwinden.
Mit Sicherheit hätten es noch viele Menschen versucht, die Hieroglyphen zu entziffern und fast ebenso viele wären schon bei den Ansätzen so falsch gelegen wie die Gelehrten aus Kapitel 1.2. Aber dass nicht in all den Jahren einer von ihnen auf die Idee hätte kommen sollen, die auch Champollion kam, klingt unglaubwürdig. Vielleicht hätte man sich die Hieroglyphen in kleineren Schritten erkämpft. Das gleiche könnte ich in Zusammenhang mit dem Stein auch sagen. Es wurde zwar bisher kein so langer mehrsprachiger Text gefunden. Doch kann ein Wissenschaftler vielleicht auch einem kurzen eine „Vokabel" entnehmen. Leider ist diese Aussage wieder einzuschränken, denn es ging bei der Entzifferung nicht um einzelne Vokabeln, sondern um das Verstehen des Prinzips. Champollion´s Leistung war das Erkennen der ägyptischen Grammatik. Ohne die vom Stein entnommenen grundlegenden Prinzipien ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns an dieser Schrift die Zähne ausgebissen hätten, sehr groß.

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Autor: Jan Romberg