abends 7.10.93

 

Wer sich mit dem Menschen befasst und zwar mit dem einen Merkmal, das ihn von allen Wesen, Dingen und Geschöpfer unterscheidet, auch von seinen physischen Vorfahren erwartet nicht, dass er verstanden wird. Es geht nicht um wissenschaftlich fundierte Fixionen, nicht um irgendwelche Fantasiegebilde oder okkulte Kräfte oder Mächte. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um den Menschen. Nicht um seinen Körper und dessen Psyche. Nicht um die mentale Individualität sondern, wie das Wort bestätigt, um den Menschen. Was aber bleibt als Mensch, wenn alles, was Wissenschaft, Philosophie und Religion entstammt, aus dem Bild des Menschen gestrichen ist? Was dann bleibt ist der Mensch wie er war, bevor er aus sich, in Abhängigkeit von Erfahrungen, unter dem Einfluss deren Bewusstmachung, ein Bild seiner selbst schuf. Wenn nichts von dem bleibt, was als Mensch anerkennt wird, dann fehlen alle Möglichkeiten des Verstehens. Weil aber täglich bewiesen wird, dass jeder ist, bevor er das Wachsein betritt, dass jeder bleibt, wenn er das Wachsein verlässt, dass der Schlaf kein erfahrbarer Zustand sondern ein erfahrungsfreies Existentsein ist, dann braucht es die Bereitschaft, sich auf neue, bis anhin unerkannt gebliebene und deshalb nicht benutzte Erkenntnishilfen zu berufen. Vernunft und Verstand, Intellekt und Sinneserfahrungen, einfach alles, was die Person für ihr Tun in Anspruch nimmt, ist untauglich, sich mit dem zu befassen, was jetzt angesprochen wird. Deshalb die Frage - was ist Mensch - was es erlaubt, alles anerkannte Wissen und Erkennen aus dem Bild des Menschen zu entfernen. Was dann bleibt, das erfahrungsfreie Existentsein, täglich durch den traumlosen Tiefschlaf bewiesen, wenn auch erst nach dem Erwachen, darf nicht dazu verleiten, ein Verstehen in Abhängigkeit des physischen Körpers erreichen zu wollen. Das erfahrungsfreie Existentsein war, bevor zum Betreten des Planeten Erde ein Bio-Organismus in Anspruch genommen werden konnte, dessen Gehirnzellen, die sich nur im Kopf des Menschenkörpers finden lassen, Gedanken in Leistung umzusetzen, um so auf dem Planeten Erde aktiv zu werden, als wäre das Menschsein erst in Abhängigkeit des physischen Körper entstanden. Der Mensch denkt, er verarbeitet durch das Denken, Gedanken, bevor er von einem physischen Körper Gebrauch macht. Welcher Art die Erfahrungs- und Audruckshilfe ist, entscheidet darüber, von welcher Umwelt sich der Betrachtet umgeben sieht. Die Welt ist, was der Betrachter, in Abhängigkeit von seinen Erfahrungshilfen, aus sich gemacht hat. Dies verdeutlicht, warum alle in dieser Umwelt entdeckten Werte jedem selbst entstammen. Erst wenn auf eine individuelle Beurteiluung verzichtet wird, wenn durch alles die Bestätigung der einen Ursache erfolgt, die war, bevor etwas wurde, die bleibt, wenn nichts mehr ist, bestätigt sich das, was sich als das zum Ausdruck bringt, was den Menschen sagen lässt - ich weiss, dass ich bin. Dass hier ein Verstehen, unter dem Einfluss einer Wortauslegung, wie sie im Alltag Verwendung findet, nie möglich ist, sollte jeder bejahen. Es darf nie übersehen werden, dass jeder in allem, was er liest, was er hört, was er erlebt nie etwas anderes entdeckt als das, was er daraus macht, was er in das Erleben einbringt, Dies verdeutlicht, warum letztlich jeder, unter allen Bedingungen immer dem gegenübersteht, was er daraus gemacht hat. Wenn deshalb das Menschsein, aufgrund des Wissens, dass man ist, bevor man sich bewusst wird, bevor eine Bestätigung davon erfolgt, zur Sprache kommt, dann fehlt jede Möglichkeit, über die anerkannte, über die anerzogene, über die gebräuchliche Wortauslegung ein Verstehen zu erreichen. Deshalb wird hier auf einen totalen Neubeginn verwiesen, indem das Menschsein nur in Verbindung mit dem Wissen, dass man ist, bevor man sich bewusst wird, erwähnt ist.

Karl Friedrich Gauss