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La Lecon

- Die Unterrichtsstunde -

 {Aufführung der "Lecon" in Dortmund 1958.} Aufführung von "La Lecon" in Dortmund 1958 Dieser Einakter wurde von Ionesco als "Drame comique" (komisches Drama) bezeichnet. Die Uraufführung fand in Paris im Théâtre de Poche am 20.02.1951 statt, die deutsche Erstaufführung in Mainz im Juni 1956 (Zimmerspiele).

Zur Geschichte:

Ein älterer Professor, der in seiner Wohnung Privatunterricht erteilt, empfängt seine neue Schülerin, ein 18-jähriges Mädchen. Das Mädchen möchte in Kürze das "Gesamt-Doktorat" ablegen und der Lehrer soll sie darauf vorbereiten. Er fängt an, ihre Kenntnisse zu überprüfen und beginnt mit der Mathematik. Es stellt sich heraus, daß die Schülerin nicht substrahieren kann, woran der Lehrer schier verzweifelt. Er verstrickt sich in seinen eigenen Erklärungen, die immer unsinniger werden. Nun prüft er sie in Philologie bzw. hält ihr einen bereits vorbereiteten 15-minütigen Vortrag, der sie dazu befähigen soll, "sich die grundlegenden Prinzipien der linguistischen und vergleichenden Philologie der neuspanischen Sprachen anzueignen". Dabei behauptet der Professor gänzlich absurde Lehrsätze und entwickelt eine immer merkwürdigere didaktische Methode. Die Schülerin, zu Beginn der Stunde noch heiter und lernwillig, wird zunehmend verwirrter und apathischer und behauptet, sie hätte Zahnschmerzen. Sie unterwirft sich letztlich vollständig der Diktatur des Professors. Der Rhythmus des Stückes wird immer schneller, diktiert durch die Raserei des Professors, der die Unterbrechungen der Schülerin nicht mehr aushält und ihr droht, ihr den Schädel zu zerschlagen. Zum Schluß geht es so weit, daß er das willenlose Opfer mit einem riesigen (imaginären) Messer ersticht. Das Dienstmädchen Marie, das den Professor mehrmals während seiner Unterrichtsstunde unterbrochen hat, um ihn vor schlimmen künftigen Ereignissen zu warnen, nimmt nun, ihrerseits den Lehrer tyrannisierend, die Dinge in die Hand. Sie schafft die Tote zu den übrigen 39 Leichen ehemaliger Schülerinnen. Kurz darauf meldet sie das Eintreffen der nächsten Schülerin und hiermit endet das Stück (am Anfang).

Interpretationsmöglichkeiten:

Ungeachtet der unerbittlichen, schrecklichen Konsequenz der Parabel, ist die Farce doch mit burlesken und pantomimisch-komischen Zügen durchsetzt. Ionescos zweites Stück ("La cantatrice chauve" war sein erstes) läßt sich auf mehreren Ebenen interpretieren:

1) literarisch: es könnte als Parodie auf das realistische Problem- und Argumentationstheater verstanden werden;

2) philosophisch: es könnte auch als Sieg des Absurden und Irrationalen über die Erkenntnis verstanden werden;

3) kulturkritisch: es könnte eine Satire auf abstraktes Pseudowissen und Bildungsgeschwätz sein;

4) politisch: es könnte eine Darstellung der Terrorisierung und Zerstörung des Schwächeren durch den Stärkeren sein;

5) psychologisch: es könnte als exemplarische Gestaltung des Kampfes der Geschlechter verstanden werden;

Der Mord kann als sexualler Akt begriffen werden, als imaginäre Vergewaltigung des Mädchens durch den in einen Autoritätsrausch versetzten alten Professor. Die Regieanweisung verlangt von dem auf einen Stuhl gesunkenen, toten Mädchen, daß es die Beine schamlos gepreizt zu beiden Seiten herabhängen lasse.

Die Sprache wird im Verlaufe des Stückes zur Verständigung untauglich. An ihre Stelle tritt ein sadistischer Zerstörungstrieb.

Laut Ionesco führt dieser über den einfachen psychologischen Sachverhalt hinaus in eine methaphysische Dimension, in einen menschlichen Erfahrungsbereich, der sich dem "amputierten Realitätsbegriff" des ideologischen Theaters Brechts (das einseitig am sozialen Verhalten orientiert sei) überlegen erweise.

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