Auch der Weiterflug nach Bogotá und schliesslich nach Quito verlaufen ohne weitere Zwischenfälle.
Im Flughafen von Quito werden wir alle gleich wieder in den wirklichen Latino-Alltag zurückgeholt: Schlangestehen am Zoll ist angesagt.
Aber auch das bringe ich reibungslos hinter mich. Inzwischen bereits nach Mitternacht, bleibt jetzt nur noch abzuwarten, ob mein Gepäck
genauso gut angekommen ist.
Es vergehen bange Minuten, bis tatsächlich schon mal mein Rucksack auftaucht. Fehlt also nur noch die Tasche mit den Ersatzteilen. Die
lässt allerdings gehörig auf sich warten. Nervös laufe ich am Gepäckband hin und her, und bin schon beinahe überzeugt, dass wieder einmal
nicht alles mitgekommen ist, als sie schliesslich doch noch erscheint.
Erleichtert verlasse ich das Gebäude, neugierig, ob Francisco mich auch wirklich wie versprochen abholt.
Natürlich ist er da, ich brauch gar nicht lange in der Menge zu suchen. Jetzt bleibt nur noch die Taxifahrt ins Hostal im Zentrum, dann
liegt endlich das erholsame Wochenende vor mir. Ganz Quito scheint den Feiertag am Donnerstag zu überbrücken und ausgeflogen zu sein, denn
die gesamte Stadt ist wie ausgestorben. Daher bringe ich auch erst am
Mo, 05.11.2001
die Ersatzteile in die Werkstatt. Diego meint, dass Violeta am
Mi, 07.11.2001
fertig sein könnte.
Daraus wird jedoch nichts, worüber ich gar nicht so arg traurig bin. Denn Diegos Werkstatt liegt in der Nähe des Stadions, und ich will gar
nicht erst sehen, wie es heute dort zugeht, denn es findet hier das entscheidende Fussballspiel zwischen Ecuador und Uruguay statt. Ganz
Quito ist im Fussballrausch, alle laufen im Nationalshirt herum und schwenken Flaggen. Wenn Ecuador nur unentschieden spielt, ist es für
die WM nächstes Jahr in Korea qualifiziert.
Und das schaffen sie auch, etwa 20 Minuten vor Spielende. Es bedarf gar keinem eigenen Fernseher, um das alles mitzubekommen. In jedem
öffentlichen Lokal wird das Spiel übertragen, an jedem Kiosk sammeln sich Menschentrauben um das Radio, und jede Aktion wird lauthals
mitverfolgt.
Nach dem erfolgreichen Spiel geht das Chaos natürlich erst richtig los, denn nun ist Fiesta angesagt, die ganze Nacht. Kaum eine Möglichkeit,
sich dessen zu entziehen.
Was Violeta angeht, so schaue ich wie besprochen 2 Tage später, am
Fr, 09.11.2001
nach ihr. Um zur Werkstatt zu gelangen, muss ich den öffentlichen, sog. 'Trolebus' nehmen, der die ganze Stadt von Nord nach Süd durchquert.
Die Fahrt ist jedoch ziemlich umsonst, denn Violeta ist immer noch nicht fertig. Das hätte ich mir also eigentlich auch sparen können. Ich
hoffe nur, wenigstens etwas Druck gemacht haben zu können.
Wie ich nun an der Bushaltestelle meinen Geldbeutel aus dem Rucksack nehmen möchte, muss ich mit Schrecken feststellen, dass er nicht mehr
da ist. Man hat ihn mir doch tatsächlich auf der Herfahrt völlig unbemerkt aus dem verschlossenen Rucksack geklaut!! Obwohl ich bis dahin
noch die gerade erst aus dem Bankomaten gezogenen US$ 200,- bei mir trug, stehe ich jetzt ohne einen Cent da, und muss mir in der Werkstatt
20 Cents leihen, um überhaupt ins Zentrum zurückfahren zu können.
Aber nicht nur das Bargeld ist weg, sondern auch die nach dem letzten Überfall am Strand gerade erst neu erhaltene Visa-Karte, und was am
schlimmsten ist, auch noch die Moppedpapiere, von denen ich nicht einmal eine Kopie habe.
Ich kann nur hoffen, dass eine polizeiliche Anzeige ausreicht, um weiter über die Grenze zu kommen. Die zu bekommen, ist aber gar nicht so
einfach. Auf dem Komissariat geht es zu wie im Taubenschlag, und es dauert über eine Stunde, bis ich endlich an der Reihe bin.
Danach habe ich für heute endgültig genug. So sehr, dass ich sogar daran denke, Violeta hier in Quito zu verkaufen und die Reise hier zu
beenden.
Das ist jedoch längst wieder vergessen, als ich am
Mi, 14.11.2001
wieder in die Werkstatt (s. Info)
komme, und Violeta tatsächlich fertig ist!! Sie hört sich gut an, sehr gut, und sie springt so leicht an wie zuletzt in Trelew/Argentinien.
Und das will was heissen!! Emmersson scheint wirklich
gute Arbeit geleistet zu haben.
Im Grunde also könnte ich nun morgen schon aufbrechen. Aber so eilig habe ich es gar nicht. In unserem derzeitigen Hotel können Francisco
und ich bis kommenden Montag bleiben, und das will ich noch voll ausnutzen. Ausserdem hat Ricardo noch mein restliches Gepäck, und er ist
erst am Freitag wieder in der Stadt.
So, 18.11.2001
Am Vormittag fahre ich Violeta spazieren, zum einen, um morgen gleich den richtigen Weg aus der Stadt hinaus zu finden, zum anderen, um sie
nochmal richtig Probe zu fahren, bevor ich Quito endgültig verlasse.
Der Weg ist schnell gefunden, und Violeta fährt gut. Zum ersten Mal, seit ich den Fahrradtacho habe -und das sind nun immerhin auch schon
knappe 10.000 km-, fahre ich über 100 km/h. Sie ist nur viel lauter als vorher, woran auch immer das liegen mag. Ob Emmerson vielleicht
vergessen hat, den Luftfilter wieder einzubauen?
Zurück in der Stadt prüfe ich das gleich. Der Luftfilter ist drin, daran liegt es also schon mal nicht. Egal, es wird schon nicht weiter
tragisch sein, und bis Medellin werde ich es wohl so schaffen. Beruhigend zu wissen, dass dort bereits der nächste Mechaniker wartet.
Zum Abschied überrascht Francisco mich mit einem ganzen Strauss Rosen.
Und den restlichen Nachmittag, unser vorerst letzter gemeinsamer, verbringen wir gemeinsam.
Mo, 19.11.2001
Ein letztes Mal gehen wir gemeinsam frühstücken, in unser Lieblingslokal, wo es das leckere Yukka-Brot und den besten Joghurt von ganz Quito
gibt. Danach ist grosses Packen angesagt. Ich muss erst noch sehen, wie ich mein Zeug nun neu verteile, nachdem ich fast das gesamte
Campingzeug in Deutschland gelassen habe. Francisco hilft mir noch beim Aufladen, bevor er sich lieber aus dem Staub macht.
Es wird fast 11.30 bis ich schliesslich aufbreche. Aber ich habe heute nur eine kurze Etappe von 110 km vor mir, daher ist es nicht weiter
schlimm.
Die Landschaft ist uninteressant, kahl und fast sogar hässlich. Das Wetter ist bescheiden, es ist bewölkt und sieht nach Regen aus. Mit dem
ganzen Gepäck beladen fährt Violeta natürlich auch nicht mehr so gut wie gestern. Ich meine sogar, jetzt auch wieder die Steuerkette
klappern zu hören, wenn auch nicht so heftig wie vorher.
Als ich gegen 13.30 in Otavalo ankomme und an einer Kreuzung halte, zeigt sich auf einmal wieder dieselbe Macke von ganz am Anfang in
Santiago: extrem hohes Standgas, das sich erst langsam wieder normalisiert. Das wird hoffentlich nicht zur Dauererscheinung.
Ich finde auf Anhieb die richtige Adresse und das Hotel Coraza, das zur gleichen Kette gehört wie das Hostal Fuente de Piedra in
Quito. Letzten Donnerstag hatte ich es bereits angemailt. Zwar hatte ich keinerlei Antwort bekommen, aber ich brauche heute auch keine lange
Erklärung abzugeben, und bekomme gleich 2 Nächte genehmigt. Einwandfrei! So habe ich noch reichlich Zeit, mir am Nachmittag den Ort anzusehen.
Ganz offensichtlich ist man hier nicht mehr in Gringolandia, so wie in der Neustadt von Quito. Hier sind die Leute, vor allem die Frauen,
noch in traditioneller Tracht gekleidet. Und so sitzen sie in ihrem langen dunklen Rock, der aufwändig gestickten weissen Bluse, den
zig-fach um Hals und Handgelenk gewickelten Gold- und Korallenkettchen und dem interessant zum Hut gefalteten Kopftuch vor dem PC
im I-Cafe, das hier auch wieder doppelt so teuer ist
wie in Quito.
Di, 20.11.2001
Ich bleibe heute noch in Otavalo, auch wenn es hier unter der Woche nicht allzuviel zu erleben gibt. Ich schlendere über den
Markt auf der Plaza de los Ponchos, der erst am
Wochenende zu richtigem Leben erwacht, wenn sowohl die Indios aus den umliegenden Dörfern als auch die Touris aus aller Welt einfallen.
Heute jedoch ist es hier still, und man kann sich in aller Ruhe umsehen.
Das Wetter kann sich nicht so recht entscheiden. Mitunter bricht zwar die Sonne durch, aber so richtig will die tief hängende Wolkendecke
nicht aufreissen. Wenn man also eh keine Sicht hat auf die umliegenden Vulkane, dann lohnt auch die eventuell geplante Ausfahrt zum
nahegelegenen See nicht wirklich, und ich lasse sie ausfallen. Stattdessen schlendere ich gemütlich durch die Strassen Otavalos, die noch
vielfach von kolonialen Gebäuden gesäumt sind, und lasse an der Plaza Principal
die einzigartige Stimmung auf mich wirken.
Mi, 21.11.2001
Recht früh schon mache ich mich auf den Weg, denn vor mir liegen heute etwa 150 km bis zur Grenze, wo ich noch ankommen sollte, bevor dort
alle Mittagspause machen. Das schaffe ich auch leicht, es gibt keinerlei Probleme unterwegs. Zwar komme ich an 3 Polizeikontrollen, aber
keiner will meine Papiere sehen, alle begnügen sich damit, nach meinem nicht vorhandenen Reisepartner zu fragen.
So erreiche ich kurz nach 11.00 die Grenze. Nun wird's
spannend. Mal sehen, was sie zum Chaos meiner Papiere sagen, denn:
- das Visum für's Mopped ist seit über eeiinem Monat abgelaufen,
- ausserdem habe ich davon nur eine Kopiee,, da es im alten Pass eingetragen war, den ich eigentlich nicht mehr vorlegen möchte,
- das Ausstelldatum meines eigenen Visumss im neuen Pass stimmt nicht mit dem vom Mopped überein,
- und vor allem habe ich keine Moppedpapiieere mehr, da mir diese ja in Quito gestohlen wurden. Es bleibt abzuwarten, ob die polizeiliche
Anzeige ausreicht.
Kaum bin ich vom Mopped abgestiegen, versammelt sich gleich eine ganze Männertruppe um mich herum, die sich wie gewöhnlich alle wundern,
dass ich alleine unterwegs bin. Die meisten von ihnen sind uniformiert, und so kann ich das Mopped beruhigt hier alleine stehen lassen,
während ich mich aufmache in den Papierkrieg.
Es geht aber alles erstaunlich schnell. Wahrscheinlich weil alles andere zu kompliziert und mit zuviel Arbeit verbunden wäre, bekomme ich
für Violeta einfach einen Ausreisestempel neben den der Einreise auf der Kopie, und fertig. Im nächsten Büro gebe ich mein Visum ab und
krieg meinen eigenen Ausreisestempel in den neuen Pass, und das war's. Das Ganze hat keine 10 Minuten gedauert.
Zum vermutlich schlechtestmöglichen Kurs wechsle ich noch ein paar Dollar in kolumbianische Pesos, dann
verlasse ich Ecuador ...
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