Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Was ist geschehen?

Der gesamte Vorfall vom 9. Dezember 1981, bei dem der Polizist Daniel Faulkner ums Leben kam, kann aufgrund der auf Band aufgenommenen Gespräche zwischen den Einsatzfahrzeugen und der Einsatzzentrale der Polizei auf einen Zeitraum von 88 Sekunden eingeschränkt werden.[1]
Um 3:51:08 funkte Daniel Faulkner an seine Einsatzzentrale, daß er sich an der Kreuzung 13. und Locust befindet, und er hat einen Arrestwagen als Rückendeckung angefordert. Dieser Vorgang ist in US-Großstädten Routine, speziell wenn es sich um einen nächtlichen Einsatz handelt. Der Gesprächsmitschnitt zeigt, daß die Einsatzzentrale von sich aus die Meldung durchgegeben hat, Daniel Faulkner (Wagen 612) würde Rückendeckung benötigen. Daraufhin forderte Faulkner einen Arrestwagen an.[2] Wahrscheinlich wurde William Cook angehalten, weil er die 13. Straße (eine Einbahn) gegen die Fahrtrichtung befahren hat und anschließend in östlicher Richtung in die Locust-Straße eingebogen ist. Daniel Faulkner hat in seinem Funkspruch an die Einsatzzentrale keinen Grund angegeben. Die Zeugenaussagen lassen aber diesen Grund vermuten.
Um 3:52:27 (79 Sekunden später) wird Einsatzfahrzeug Nr. 601 mit den Polizisten Wakshul and Trombetta von dem später als Augenzeugen auftretenden Michael Scanlan angehalten und über die Schießerei informiert. Diese fahren daraufhin von der Walnut-Straße zum Tatort und informieren gleichzeitig die Einsatzzentrale.
Um 3:52:36 (88 Sekunden nach dem Funkspruch Faulkners) erreichen die Polizisten Robert Shoemaker und James Forbes als erste den Tatort. Bei ihrem Eintreffen finden Sie Daniel Faulkner mit zwei Schußwunden, darunter eine Wunde am Kopf, am Boden liegend vor. Er wird eine Stunde später nach seiner Einlieferung in das Thomas Jefferson Spital für tot erklärt. Laut Aussage des Gerichtsmediziners trat der Tod unmittelbar nach dem Kopfschuß ein. Einige Meter von ihm entfernt saß Mumia Abu-Jamal verletzt auf dem Bordstein. Er war von einer Kugel aus Daniel Faulkners Dienstwaffe in die Brust getroffen worden. Robert Shoemaker sagte aus, Mumia Abu-Jamal habe am Bordstein gesessen und mit seiner linken Hand nach einem Revolver gegriffen. Nachdem Abu-Jamal von Shoemaker zur Seite gestoßen wurde, schrie er, er sei angeschossen worden.[3] Etwa eineinhalb bis zwei Meter von Daniel Faulkner entfernt stand William Cook, der jüngere Bruder Mumia Abu-Jamals, an einer Hauswand. Sein erster Kommentar, den er gegenüber Robert Shoemaker machte, war: „Ich habe damit nichts zu tun.“[4]
Innerhalb weniger Minuten trafen weitere Polizisten am Tatort ein. Mumia Abu-Jamal und Daniel Faulkner wurden in das Thomas Jefferson Spital gebracht. Für den Polizisten kam jede Hilfe zu spät. Abu-Jamal weigerte sich zunächst ärztliche Hilfe zu akzeptieren.[5] Erst nach einigen Stunden wurde er aufgrund einer richterlichen Verfügung operiert.
Zur gleichen Zeit begann die Polizei mit dem Sammeln von Beweisen. Die meisten der Hauptbelastungszeugen während der Verhandlung haben innerhalb einer Stunde nach der Tat ihre erste Stellungnahme gegenüber der Polizei abgegeben. Gleichzeitig verabsäumte es die Polizei innerhalb dieser ersten Stunde, Untersuchungen an Abu-Jamals Waffe und seinen Händen durchzuführen. Diese Versäumnisse sollten später zu den wichtigsten Kritikpunkten werden.
Am nächsten Tag wurde der Fall in den Medien diskutiert. Ehemalige Kollegen Mumia Abu-Jamals zeigten sich erstaunt und befremdet, als sie von den Anschuldigungen hörten. Er wurde zwar als radikal und kompromißlos beschrieben, galt aber als ein Mann, der in keiner Weise zur Gewalt neigt. Die meisten der befragten Journalisten konnten es kaum glauben, daß Abu-Jamal bewaffnet war. Die Anschuldigung, er hätte einen Mord begangen, war vollkommen unbegreiflich.[6]
Bereits zwei Tage nach dem Mord wurden in der Öffentlichkeit Fragen zum Verfahren besprochen, obwohl noch nicht einmal die Untersuchung der Waffen abgeschlossen war. Mjenzi Kazana, der Vorsitzende des eilig gebildeten Verteidigungskomitees für Mumia Abu-Jamal, stellte schon zu diesem Zeitpunkt Forderungen, um die Fairneß des Verfahrens zu garantieren.[7] Eine Kolumnistin wunderte sich offen darüber, daß ein gerechtes Verfahren scheinbar eingefordert werden muß, als ob dies nicht selbstverständlich wäre.[8] Offensichtlich war der Grundstein für die späteren Kontroversen schon längst gelegt worden.


[1] Die genauen Zeiten stammen von Justice For Police Officer Daniel Faulkner, Chronology, können aber auch anderen Quellen entnommen werden (z.B. Frailty of the Ballistics Evidence in the Case Against Mumia Abu-Jamal von Lori Allen, 1.12.2001). Angaben über den genauen Zeitablauf wurden während einer Vorverhandlung zu Protokoll gegeben.
[2] Gesprächsmitschnitt vom 9.12.1981, 3:51:08. Reginald Thompson, beschäftigt in der Einsatzzentrale der Polizei, verließt während der Verhandlung am 19.6.1982 das Gesprächsprotokoll während der Befragung durch Staatsanwalt Joseph McGill (Seite 3.105f):
Okay. This is radio patrol car coming in, "612".
Then it's my voice, "12".
Then it's patrol car 612 again, "I have a car stopped ah 12, 13th and Locust."
"Radio: Car to back 612, 13th and Locust."
"RPC: On second thought send me a wagon 1234 Locust."
"Radio: 601."
"EPW: Yeah 01 okay, 1234 Locust."
"RPC: 22 I'll take a ride over."
"Radio: Okay."
„Wagon“ („Stationwagon“) ist die Bezeichnung von Kombis, welche als Arrestwagen verwendet werden. „RPC“ ist der Wagen von Daniel Faulkner. „EPW“ ist das Einsatzfahrzeug Nr. 601.
[3] Verhandlungsmitschrift vom 19.6.1982, Seite 3.116
Aussage von Robert Shoemaker während der Befragung durch Staatsanwalt Joseph McGill:
“At this point I saw a two inch revolver approximately eight inches from his hand. I again ordered the male to freeze, which he did not, so before he grabbed the gun I kicked the male away from the gun. My heel contacted his throat area and the sole of my shoe hit him on the face.”
[4] Verhandlungsmitschrift vom 19.6.1982, Seiten 3.131 und 132
Befragung des Polizeibeamten Robert Shoemaker (A; answer) durch den Staatsanwalt Joseph McGill (Q; question):
Q. And do you recall whether William Cook said anything to you?
A. As I was leaning over Officer Faulkner I looked up to see Mr. Cook, and his words to me were, "I had nothing to do with it." That was all.
...
Q. Where was he when you saw him in relation to Mr. Jamal as well as Officer Faulkner?
A. He was up against the building line, flush up against the building line with his hands in his pocket, approximately, I would say, five to six feet away from officer Faulkner.
Am selben Verhandlungstag beschrieb der Polizeibeamte Forbes die Aussage William Cooks gegenüber seinem Kollegen Shoemaker während der Befragung durch den Staatsanwalt wie folgt (19.6.1982, Seite 155):
“As I was approaching him he was looking in the direction of my partner Robert Shoemaker, and he said, ‘I ain't got nothing to do with this.’ And as I got closer to him he looked up at me and repeated the same thing, ‘I ain't got nothing to do with this.’”
[5] Verhandlungsmitschrift vom 28.6.1982, Seite 111ff
[6] Philadelphia Inquirer unter anderem vom 10.12.1981
[7] Philadelphia Inquirer vom 11.12.1981
[8] Dorothy Storck für den Philadelphia Inquirer vom 13.12.1981


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