Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Finanzielle Unterstützung - Mittel für Sachverständige

Die Stadt Philadelphia gewährte 1982 jedem Angeklagten ein Anfangshonorar von 150$ für jeden der unterschiedlichen Sachverständigen. Wenn die Kosten der Experten diesen Betrag überstiegen, mußten die Sachverständigen detaillierte Rechnungen einreichen. Die endgültigen Kosten konnten daher den Betrag von 150$ deutlich übersteigen.[1] Gegner Abu-Jamals zeigen häufig auf, daß dieser Betrag von 1982 auf den Geldwert von heute umgerechnet wesentlich höher ist und daß dies außerdem nur der Anfangsbetrag war.
Die tatsächlichen Kosten für die Sachverständigen waren höher. Der Ermittler reichte eine Rechnung für 562,50$ ein und der Fotograph verrechnete 400$. Der Ballistikexperte sollte ursprünglich 350$ kosten, reichte aber eine Rechnung von 750$ ein.[2] Die Kosten der von Mumia Abu-Jamal eingestellten Stenographin wurden nicht öffentlich bekanntgegeben. Für diese Beträge wurde nur wenig Arbeit geleistet. Der Ermittler investierte offiziell 22,5 Stunden, nach eigener Angabe aber eher das zwei- bis dreifache dieser Zeit und befragte 2 Zeugen.[3] Der Fotograph machte Bilder vom verletzten Mumia Abu-Jamal im Krankenhaus und später auch vom Tatort. Der Ballistikexperte hat Anthony Jackson nur in einigen Fragen beraten, aber weder die Beweise untersucht noch vor Gericht ausgesagt[4] (er sagte erst 1995 aus).
Häufig wird ein Betrag von 14.000$ angeführt, welcher der Verteidigung zur Verfügung stand. Das war aber in erster Linie das Honorar des Anwalts (etwa 13.000$). Die Ausgaben für Sachverständige waren nur ein Bruchteil davon.
Ungeachtet welchem Geldwert diese Beträge heute entsprechen, waren sie 1982 nicht ausreichend um die Unterstützung durch Sachverständige zu sichern. Ein von Anthony Jackson befragter Pathologe erklärte, sein Eingangshonorar bevor er auch nur mit ihm darüber spricht beträgt 300$. Die Prüfung von Beweismitteln und eine Aussage vor Gericht hätten zusätzlich bezahlt werden müssen. Deshalb stand kein Pathologe zur Verfügung.[5] Auch der Ballistikexperte stand aus Geldmangel nur für Beratungen zur Verfügung und der Ermittler quittierte nach kurzer Zeit den Dienst.
Es waren aber nicht nur die zu geringen Beträge, welche die Anstellung von Sachverständigen verhinderten. Auch die Zahlungsmoral der Stadt Philadelphia war ein Grund dafür. Die Beträge wurden in der Regel erst ein bis zwei Jahre nach Rechnungslegung bezahlt und oft wurde ein Teil der Rechnung gestrichen. Deshalb weigerten sich viele Sachverständige, vom Gericht zugewiesene Fälle zu übernehmen. Der beste Hinweis darauf, daß dieses System nicht funktionierte, war die Tatsache, daß die Stadt Philadelphia das Bezahlungssystem grundlegend änderte. Danach war eine ausreichende Bezahlung innerhalb von 30 Tagen garantiert.[6]
Die PCRA-Anhörungen zeigten, daß auch unabhängige Experten nur wenig ausrichten hätten können. Der Waffenexperte George Fassnacht regte nur an, die Beweismittel erneut überprüfen zu lassen. Ein Pathologe hätte der Verteidigung wahrscheinlich einige Argumente geliefert. Vor allem die Theorie, Daniel Faulkner hätte im Liegen die Waffe gezogen, wurde 1995 erfolgreich hinterfragt. Aber er könnte auch geschossen haben unmittelbar bevor er hingefallen ist, und das hätte ebenfalls noch der Theorie des Staatsanwalts entsprochen. Andererseits war der Pathologe kein entscheidender Zeuge, weshalb Änderungen in seinem Befund die Schuldfrage nicht wirklich beeinflussen können. Die Auswirkungen von Expertenaussagen für die Verteidigung lassen sich nachträglich nur schätzen. Fest steht nur, daß diese Sachverständigen nicht zur Verfügung standen, weil kein Geld für sie vorhanden war, daß die später aufgetretenen Experten jedoch auch keinen wesentlichen Einfluß auf die Beweismittel hatten.


[1] Verhandlungsmitschrift vom 1.4.1982, Seite 10
Anthony Jackson diskutiert mit Richter Ribner:
MR. JACKSON: The practical problem I have -- if I go to an expert and say, "I have one hundred and fifty dollars now, but maybe you can get more a year from now" --
THE COURT: Tell them, the calendar judge said, "Trust me."
MR. JACKSON: Okay, Your Honor. But it hasn't worked thus far. I haven't been able to secure the experts that I need, sir, because of the money problem, I really haven't. There has been no expert that I can get, other than the investigator.
[2] Verhandlungsmitschrift vom 25.5.1983, Seite 35ff
[3] PCRA-Anhörung vom 1.8.1995, Seite 242
[4] PCRA-Anhörung vom 2.8.1995, Seite 52
[5] Verhandlungsmitschrift vom 25.5.1983, Seite 37
[6] PCRA-Anhörung vom 2.8.1995, Seite 95


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