. Deutsche Judomeisterschaften 1957 in Kirchheim
Ein bis dahin einmaliges Ereignis erlebte Kirchheim im Jahre 1957.
Erstmals in der Vereinsgeschichte des VfL wurde die Ausrichtung einer deutschen Meisterschaft an die Teck-Stadt vergeben. Dies sollte eine Anerkennung für den VfL und dessen Judoabteilung
sein. Sie hatten im württembergischen und deutschen Judosport lange für herausragende Leistungen gesorgt.
Nun wurde den Kirchheimer Sportbegeisterten erstmals die Gelegenheit geboten, solch ein Topereignis mitzuerleben. Mit jeweils über 1000 Zuschauern war die Konrad-Widerholt-Halle an 2
Wettkampftagen bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein anerkennendes Wort zollte der Präsident der Europäischen Judounion, Hans Frantzen, der Stadt und der Schwerathletikabteilung.
Er hob besonders die gute Zusammenarbeit hervor und betonte, daß dies die bisher bestorganisierte Deutsche Meisterschaft war.
Auch auf sportlichem Gebiet zeigten die Kirchheimer überdurchschnittliche Leistungen. Ein 2. Platz durch Franz Sinek, ein 4. Platz durch Rado Pfitzer, ein 9. Platz durch Bernhard Fecht und
ein 11. Platz durch Manfred Schwarz waren die beeindruckende Ausbeute.
Die Jugend hält mit
Schon immer übte Judo eine Faszination auf junge Leute aus. Obwohl in den Anfängen keine gezielte Aufbauarbeit geleistet wurde, die der Psyche oder der Physis der heranwachsenden
Jugendlichen Rechnung getragen hätte, fanden sich einige Unentwegte, die sich dem harten Training stellten. Es war bestimmt nicht jedermanns Sache, in den ersten Mattenstunden gleich »verprügelt« zu
werden. Deshalb waren nicht allzu-viele bereit, die damalige harte Gangart mitzugehen. Nur Jugendliche, die sportlichen Fanatismus mitbrachten, konnten bestehen. Dazu müssen in erster Linie Bernhard
Fecht, Manfred Schwarz und Karl Kirschner gezählt werden. Sie plagten sich jahrelang ab, vordere 5 Plätze bei Landes-und Deutschen Meisterschaften waren der verdiente Lohn; Schwarz wurde zweimal
Deutscher Vizemeister, Fecht Vierter.
Die erste Kindergruppe wird gegründet
Es war im Frühjahr 1958. Kirchheim befand sich noch im Judofieber. War es da nicht an der Zeit an den Schülernachwuchs zu denken? Trainings-abende wurden angekündigt. Bald stand Vorsitzender
Ludwig Schneller mit Trainer Karl Kirschner am Mattenrand, um die künftigen Judokünstler zu empfangen. Schnell vergrößerte sich die Judogemeinde der kleinen Weißkittel. Aufführungen in der nächsten
Umgebung brachten zusätzliche Trainingsmotivation. 1961 wanderte Karl Kirschner nach Amerika aus. Seine Schützlinge mußten ihre Kenntnisse im Erwachsenentraining anwenden.
Neubeginn
Als sich im Jahr 1963 ein Teil der Kämpfer vom aktiven Wettkampfsport zu rückzogen, entstand plötzlich eine große Lücke. Zwar war 1958 eine Schülergruppe gegründet worden, doch kam
dieser Entschluß zu spät. Plötzlich waren keine Kämpfer mehr da, die in die aktive Mannschaft hätten eingebaut werden können. Die Auflösung der Meistermannschaff bedeutete gleichzeitig auch das Ende der
Kirchheimer Vorherrschaft in Württemberg. Keine Vorbilder, keine Trainer, keine Kämpfer am 1.3.1963 war es dann mit der Herrlichkeit vorbei. Die Judogruppe in der Ringerabteilung stand
praktisch vor ihrer Auflösung. Organisatorisch ging nichts mehr! In einer letzten Krisensitzung mit dem Schwerathletik-Abteilungsleiter, Ludwig Schneller, setzten sich nur noch drei Judosportler für
ihren Sport ein: Ferdinand Pott, Richard Scharnagl von der alten Garde und der Jugendliche Fritz Schur. Es gelang ihnen glaubhaft zu vermitteln, daß trotz aller empfindlicher Nakkenschläge immer noch
Interesse für den JudeSport vorhanden war. Dies demonstrierte die inzwischen gereifte Jugendgruppe.
Mit Richard Scharnagl im Aufwind
Es war die Zeit, zu der einige der alten Kämpen ihre Kampfanzüge an den berühmten Nagel hängten. Erfreulichenweise war da noch ein Stamm von den Kirschnerzöglingen. Trainer Scharnagl widmete
sich immer mehr den Jugendlichen und begann ein speziell auf sie abgestimmtes Training durchzuziehen, das bald seine Früchte tragen sollte. Er verstand es den talentierten Nachwuchs außer dem
hervorragenden »Kirchheimer Kampfstil« auch den Willen zum Sieg und den Glauben an die eigene Stärke beizubringen.
Der berühmte ,>Ruck« ging durch die noch junge Truppe. Sie erreichte bei ihrem ersten Einsatz den 4. Platz auf Landesebene. Im folgenden Jahr steigerten sie sich und wurden Zweite. 1965
gelang der große Durchbruch mit dem Titel eines Württ. Meisters. Bei den Südd. Meisterschaften wurden vor heimischer Kulisse die Favoriten aus Nürnberg, Freiburg und Mannheim auf die Plätze verwiesen.
Mit dem 4. Platz seiner Mannschaft bei den Deutschen krönte Richard Scharnagl seine erfolgreiche Trainingsarbeit. Beteiligt waren damals: Helmut Nething, Harald Lessing, Gerhard Alex, Sebastian Molitor, Stefan Molitor,
Reinhard Seefried, Michael Morsille und Antonie Manni.
An Einzeiwertungen sind besonders je 3 Landes-titel durch Sebastian Molitor und Harald Lässing hervorzuheben. Zusammen mit Gerhard Alex wurde dieses Trio in den Nationalkader einberufen, wobei Alex
einen Länderkampfeinsatz nachweisen kann. Stefan Molitor als treibende Kraft in der VfL-Mannschaff stand zwar viermal im Endkampf, konnte jedoch nur einmal als Titelträger die Matte verlassen. Schon
1964 machte die Männermannschaft wieder von sich reden. Überraschend gelang es der neuformierten Gruppe um Richard Scharnagl, den ersten Platz in der Landesliga zu erobern. Den damit verbundenen Aufstieg
in die Oberlige, die damals noch höchste Judolige, konnte in den beiden folgenden Jahren mit jeweils einem guten sechsten Platz bestätigt werden. Das glänzende Abschneiden mit Richard Scharnagl und
Ferdinand Pott sowie Fritz Schur, Salvatore di Palme, Ernst Sperner, Günter Nething und Rolf Braster löste eine neue Begeisterungawelle in der inzwischen wieder kräftig angewachsenen Judogruppe aus. Man
war wieder wer!
Die Judogruppe wird selbständig
Das Jahr 1966 brachte neben weiteren sportlichen Erfolgen den Weg in die Selbständigkeit. Schon länger war die Schwerathletik-Abteilung der Meinung, daß die Weißkittel endlich mal in der Lage sein
müßten, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Immerhin hatte der Vorstand Ludwig Schneller über 16 Jahre lang zwei Abteilungen geführt und dabei keine vernachlässigt. Außerdem wurde die Judogruppe
zunehmend eine finanzielle Belastung, da sie erhebliche Ausgaben und so gut wie keine Einnahmen hatte. So wurde die Trennung vollzogen.Für die ersten zwei Jahre erklärte sich Helmut Seefried
bereit, die Aufgaben eines Abteilungslei ters zu übernehmen. Mangelnde Bereitschaft weiterer Abteilungsmitglieder und wenig Unterstützung führte zur Stagnation im Abteilungsleben. Berufliche Belastung
führte zum baldigen Wechsel.
Talsohle
Rade Pfitzer, leitete die Geschicke der VfL-Judoka von 1968 und 1969. Sein unermüdlicher Einsatz blieb letztendlich ebenfalls ohne Resonanz, so daß sich keine wesentlichen Fortschritte erzielen
ließen. Wohl lief der Sportbetrieb weiter. Die Erfolge jedoch blieben aus. 1970 - im 20 sten Jahr des Judosports in Kirchheim - wechselte die Abteilungsleitung. Mit Bernhard Fecht konnte die
Versammlung einen ehe-mals erfolgreichen Aktiven für diese Aufgaben gewinnen. Wie desolat es damals zuging ist im Protokoll der damaligen Hauptversammlung nachzulesen.Beispielsweise, daß Schülerkämpfer
ohne Betreuer zu Turnieren fuhren, sich dort selber überlassen blieben und am Abend von Eltern abgeholt wurden. Kämpfer durften nicht an den Start, weil die Pässe nicht in Ordnung waren. Auch sonst sah
es nicht gut aus was die Ämterverteilung betraf. Bei der Jahreshauptversammlung sah sich sogar der Vertreter des Hauptvereins gezwungen energisch einzuschreiten und die anwesenden Judoka zur Mitarbeit zu
ermahnen. Und das wirkte! Alle Posten konnten besetzt werden, bis auf das Amt des Schriffführers. Kontakte zu befreundeten Vereinen wurden aktiviert. Freundschaftsbegegnungen brachten frischen
Wind in die Abteilung.Eine »Jetzt-erst-recht-Reaktion« ging durch die Judoabteilung. Allen Widrigkeiten zum Trotz ver-sammelten sich in jener Zeit mehrere Sportfreunde. Unter ihnen Bernhard Fecht5 Günter
Nething, Rudolf Donath Fritz Schnur und Stefan Molitor, um über die 20-JahnFeierzu diskutieren. Sie zogen ein gelungenes Jubiläumstest auf, das der Grundstein zu einer erneuten Wende werden
sollte. Es fand sich ein neuer Zusammenhalt.
|