Und Johnny ging zum Regenbogen

"Hard Target" anvisiert und getroffen: Hongkong-Regisseur John Woo big in Amerika

Pistolen, tragische Killer und Männerfreundschaften sind die bevorzugten Motive des Regisseurs John Woo. Das Hongkong-Filmgenie führt jetz als erster Chinese in einem Hollywood-Actionfilm Regie. Mit dem "Kickboxer" Jean Claude van Damme stürmt sein US-Regiedebüt "Hard Target" (dt. "Harte Ziele") die Charts.

Heiß ersehnt, verbinden sich mit dem Crossover aus Hollywood-Studiostil und dynamischer Hongkong-Action hohe Erwartungen. Die Universal Pictures erhoffen sich einen grandiosen Einstieg ins Action Metier. Sie wollen dem eingefahrenen Genre mit John Woo neues Leben einhauchen. Der wiederum benötigt ein Arbeitszeugnis für den internationalen Filmmainstream.

Und Jean Claude van Damme? - Die "Muscles from Brussels" erhoffen sich einen Karrieresprung zu einer Arnold Schwarzenegger ähnlichen Qualität. Mit der Wahl Clintons zum Präsidenten der USA hat nicht nur Bush verloren, sondern auch dessen Fitnessberater, der "Last Action Hero" Schwarzenegger. Der König ist ins Stolpern geraten, aber sein Thron steht noch; Jean Claude van Damme will ihn erobern.

Wer aber ist dieser Magier, der den amerikanischen Actionfilm revolutionieren will? In Hongkong ist John Woo heute schon Legende. In Guangzhou (Kanton) geboren und in Hongkong aufgewachsen, erhielt er 1969 seinen ersten Studiovertrag als Drehbuchautor. Mit seinen mittlerweile über 20 Spielfilmen verschiedener Genres hat er ganz neue Filmstandards gesetzt.

In den 70er Jahren paßte Woo sich größtenteils dem jeweiligen Studiostil an. Bei den Shaw Brothers, Hongkongs derzeitig tonangebender Produktionsgesellschaft, arbeitete er als Regieassistent des Swordplay- und Kung-Fu-Königs Chang Cheh ("Das Schwert des gelben Tigers"). Für derer größten Konkurrenten, Golden Harvest (bekannt geworden durch Bruce Lee), erstellte Woo später Kung-Fu-Filme. Dort verhalf er unter anderem Jacky Chan ("Powerman") zu dessen ersten Filmauftritten. 1983 wechselte Woo zu der neugegründeten Gesellschaft Cinema City. Als Regisseur von Erfolgskomödien protegierte er Tsui Hark ("Peking Opera Blues"; "China Swordsman"), der heute der andere Fixstern an Hongkongs Filmhimmel ist.

Eine Hand wäscht die andere, ein Genie erkennt das Genie. Mit dem 1986 entstandenem und von Tsui Hark produzierten Gangstermelodram "A Better Tomorrow" (dt. "City Wolf"), schrieb John Woo Filmgeschichte. Dieser gesamtasiatische Kassenerfolg setzte neue Actionstandards. Er wurde zum Vater eines neuen Subgenres, des sogenannten Bloodshed Movie. Seitdem haben unter anderem westliche Splatterfans den Filmpool Hongkong entdeckt.

Die Gangstertragödie "The Killer" (dt. "Blast Killer") konnte die Woo Hysterie nur noch steigern. Von Melvilles "Der eiskalte Engel" beeinflußt, gehört diese Geschichte eines von seinem Auftraggeber hintergangenen Killers noch immer zu Hongkongs einflußreichsten Filmen. Er machte Woo darüberhinaus einem erlauchten internationalen Kreis bekannt. Zu seinen Bewunderern zählen Quentin Tarantino, Martin Scorsese und Oliver Stone.

Während John Woo sein Filmuniversum mit weiteren Actionmelodramen bevölkerte, zuletzt mit "Hard Boiled" (1992), sicherte Denzel Washington die Rechte für ein US-Remake von "The Killer". Nach nochmaliger Überlegung verkündete der vorgesehene Regisseur Walter Hill jedoch, er könne solch ein Meisterwerk niemals übertreffen. Eine weise Entscheidung, denn so wurde der Altmeister selbst nach Hollywood berufen. Und der emigrierte gleich mit seiner Familie nach Amerika. Im Hinblick auf 1997 wenn Hongkong an die VR China zurückfällt, glaubt Woo nicht, dort später auch weiterhin Filme seiner Wahl herstellen zu können.

John Woos dynamisch-lyrische Kreationen aus Hongkong lassen amerikanische Actionfilme lahm und altmodisch aussehen. Seine rasante Schnittechnik, die Schussorgien mit ihren Blut- und Gewaltexzessen, hinterlassen fassungsloses Staunen. Die Grenzen zwischen Gut und Böse, Gangster und Polizei verschmelzen. Gespräche über Moral, über Gott und das Leben, wechseln mit Sequenzen exzessiver grafischer Gewalt. Die wundervoll ausgeleuchteten Bilder kombiniert mit Woos poetischer Inszenierung lassen seine Werke zu Werbespots des Todes werden.

Helden, die auf Wehrlose schießen, Messer verwenden und unfair kämpfen, sind in Hollywood tabu, in Hongkong fest etabliert. Woos Helden töten wehrlose Gegner, nachdem sie sich schon der Polizei ergeben haben. Sie töten auch ihre schwerverletzten Freunde, wenn diese sie darum bitten. Diese drastischen Szenen sind in den bundesdeutschen Verleihversionen herausgeschnitten. Ähnlich ist es in den USA. Dort lief "The Killer" erst unter dem meist für Hardcore-Pornos vorbehaltenem X-Rating, bis auch dort die fraglichen Szenen entfernt wurden.

In "Harte Ziele" hat Woo von vornerein auf diese Verfänglichkeiten und Ambihuitäten verzichtet. Die Guten sind gut und die Bösen sind böse. Aus der Männerfreundschaft früherer Filme wird wohl nicht aus eigenem Antrieb die sehr vage Beziehung zwischen van Damme und seiner Aufraggeberin. Eine Schwachstelle des Films, denn mit Frauenrollen hatte John Woo schon immer Schwierigkeiten. Doch das Rezept scheint fŸr dem Mainstream zu funktionieren.

Nach verschiedenen Kürzungen und Umarbeitungen erhielt "Harte Ziele" das begehrte R-Rating. In den US-Charts ist "Harte Ziele" bis auf den 2. Platz geschnellt und hat bis zur 10ten Woche stolze 31,6 Mio US-Dollar allein auf dem amerikanischen Markt eingespielt. Und Woo selbst hat mit seinem amerikanischen Regiedebüt zwar kein weiteres Meisterwerk hingelegt, aber doch das anvisierte First-Class-Ticket für den internationalen Filmmarkt erworben.

Anjas Woo Top 10 Hitliste
1. The Killer (1989; dt. Blast Killer / The Killer). Grandioses Gangstermelodram; Heroisches Bloodshed Movie

2. A Better Tomorrow (1986; dt. City Wolf / A Better Tomorrow). Gangstertragödie; Prototyp des Heroic Bloodshed Movie

3. Bullet In The Head (1990). Vietnamdrama um den Verrat einer Freundschaft

4. Hard Boiled (1992, dt. Hard Boiled). Undercover Cop-Actionfilm

5. Face/Off (1997; dt. Im Körper des Feindes). Actiontragödie
6. A Better Tomorrow II (1987; dt. City Wolf II). Gangstertragödie; Fortsetzung

7. Once A Thief (1991). Actionkomödie um Kunstdiebe

8. Last Hurrah For Chivallry (1978). Schwertkampftragödie

9. Just Heroes (1990; dt. Hard Boiled II). Co Regie mit Wu Ma, anläßlich Chang Chehs Jubiläum

10. Money Crazy (1977)
Komödie

Anja Böhnke

Home Hard Target Woos Ballistisches Ballett Face/Off

Noch zur Sache: Erstveröffentlichung Januar 1994, anläßlich des deutschen Kino Starts von "Harte Ziele" ("Hard Target"). Den Text habe ich 1998 etwas verändert (Inhaltsangabe herausgenommen auf eigene Seite, andere Kleinigkeiten) und die Hitliste aktualisiert. © Anja Böhnke.