In Polen war man sich schon Anfang 1939 der Kriegsgefahr bewusst, doch Edward Rydz-Śmigły unterschätzte die Stärke der Wehrmacht bei Weitem; das ließ ihn illusorische Kriegspläne (z.B. Angriff auf Berlin!) hegen. Das polnische Militär war noch nicht zu Ende modernisiert; [1] es mangelte vor allem an Panzern, [2] und die polnische Luftwaffe verfügte lediglich über einen einzigen modernen Flugzeugtyp: den leichten Bomber PZL P-37 »Łoś« (»Elch«).
Nur der polnische Nachrichtendienst war dem deutschen nicht unterlegen: Bis zum 1. September vermochte er 80% aller deutschen Angriffsstellungen zu lokalisieren. Die Wehrmacht hatte zwar den polnischen Militärcode geknackt, aber auch der deutsche "Enigma"-Schlüssel aus den Zwanzigerjahren war schon 1932 von drei polnischen Mathematikern enträtselt worden. Mitte 1939 gelang sogar der Nachbau der Codiermaschine, von denen je ein Exemplar dem französischen und dem britischen Geheimdienst geliefert wurden. [3]
In den Monaten Februar bis August 1939 entwickelten Rydz-Śmigły und sein Stab einen Verteidigungsplan (Plan »Z«), der die Anlage von Verteidigungsstellungen wenige Kilometer hinter der Grenze vorsah. Diese Lösung hatte aber einen katastrophalen Mangel: Die Abwehrlinie war extrem lang, und die ohnehin viel zu schwachen polnischen Truppenteile wurden auf diese Linie verteilt, wodurch sie den massierten Angriffen der Wehrmacht nicht Stand halten konnten. Dieser Plan genügte freilich fast ausschließlich Propagandazwecken: Man wollte nicht, dass polnisches Land den Deutschen kampflos in die Hände fällt. Politische Gründe waren aber nicht das einzige Kriterium, nach dem der Plan »Z« entworfen wurde: Viele kriegswichtige Industriezentren (Oberschlesien, Posen, Gdingen) lagen nämlich bedrohlich nahe an der deutschen Grenze. Inzwischen wurde massiv Kriegspropaganda betrieben: Überall hingen Plakate mit einem Zitat von Rydz-Śmigły:
"Mit Gewalt zugefügter Terror muss mit Gewalt bekämpft werden!
Wir lassen es uns nicht geben. Wir besiegen den Angreifer!
Im Kriegsfall werden jeder Mann ohne Rücksicht auf sein Alter und jede Frau Soldaten sein." [4]
Als das polnische Militär erkannte, dass Hitler einen Überfall vorbereitete, ließ Rydz-Śmigły die Vollmobilisierung durchführen, aber auf einen Ratschlag der Briten zögerte er damit bis zum 30. August, was bei Kriegsbeginn zu folgenschweren Zeitverlusten führte.
1) vgl. Abschnitt 1.1.3 [¶]
2) Bei Kriegsausbruch verfügte das polnische Heer lediglich über 700 leichte Panzer, während die Wehrmacht 2800 Stück gegen Polen einsetzte. (aus: Siergiejczyk, Historia 4, S. 13.) [¶]
3) vgl. Piekałkiewicz, Der Zweite Weltkrieg, S. 311-312. [¶]
4) zit. in: Piekałkiewicz, Der Zweite Weltkrieg, S. 59. [¶]
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