Gegen das Vergessen

Bündnis gegen Rechts

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Jahreswechsel
2000/2001:
Drohungen und
rechte Gewalt
in der
Oberpfalz

Demonstration 1999

Rede 2

Werte Zuhörer und Zuhörerinnen,
liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen,

Der damals 19-jährige rechtsradikale Brandstifter Josef Saller, dessen "größter persönlicher Wunsch" "ein besatzer- und ausländerfreies Deutschland in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen" ist, gehörte zur Führungsebene der heute verbotenen Nationalistischen Front (NF), pflegte Kontakte zur militant rechtsradikalen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und zur neonazistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Zudem plante er eine Wehrsportgruppe für rechte Skinheads in der Oberpfalz.

Und auch heute, Ende der 90er, sieht es alles andere als rosig aus:

Naziaufmärsche, die fast jedes Wochenende stattfinden, sind ein Stück weit Normalität geworden. Faschistische Bands und Liedermacher haben Hochkonjunktur; rechte Rockmusik kann mittlerweile als Mainstream bezeichnet werden. Sogenannte Nazi-Läden, die passendes Outfit, einschlägige Propaganda und Musik vertreiben, fungieren nebenbei noch als Anlaufstelle und Treffpunkte für Nazis. Die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen während des Nationalsozialismus, so weit so etwas überhaupt möglich ist, hat immer noch nicht stattgefunden (und die Konzerne drücken sich um ihre Verantwortung). Entlang der deutschen Grenze nach Polen bzw. Tschechien, die bestbewachte in Europa, gibt es mittlerweile an die 80 BürgerInnenintiativen, die dem Bundesgrenzschutz beim Aufspüren von - wie sie es nennen - Illegalen unter die Arme greifen. Gleichzeitig werden dort TaxifahrerInnen kriminalisiert und eingeknastet, weil diese sich erdreisten, solche Menschen zu befördern, was eigentlich ihrer Pflicht entspricht, alle Fahrgäste mitzunehmen. Die DVU zieht mit Potsdam in den nächsten Landtag nach Sachsen-Anhalt ein. Im Internet gibt es mittlerweile über 300 rechte Web-Seiten, von denen auch einige dazu aufrufen, vermeintliche politische Feinde/GegenInnen anzugreifen oder gar zu ermorden. Und auch Ex-Apo-Aktive haben wohl die "Erleuchtung" gefunden: wie Rainer Langhans, der inzwischen zu den "prominentesten Figuren der dem ökofaschistischem Gedankengut nahestehenden Esoterikszene" (J. Dittfurth) oder aber Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler.

Aber auch in unserer näheren Umgebung gibt es genügend Beispiele:

In der Region um Ingostadt hat sich vor allem durch den zeitweiligen Zuzug der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" nach Sinning ein Nazi-Zentrum etabliert. In Ingolstadt selber marschierten am 22.6.99 ca. 120 Nazis, in Rosenheim am 6.11.99 400 Nazis, in Gräfenberg bei Nürnberg am 21.11.99 ebenfalls an die 100. Am 30.10.99 findet in einer Sportgaststätte in Wendesstein nahe Nürnberg ein Nazi-Konzert mit 300 Teilnehmern statt. Ebensoviele waren am 27.11. in Friedfels, Landkreis Tirschenreuth auf einer gleichen Veranstaltung. In Fürth etabliert sich in der Schreiberstraße 3 der Nazi-Laden "Utgard". Im Frühjahr diesen Jahres führt von Amberg aus ein Bus zu einer Gedenkdemonstation für Wehrmachtssoldaten nach Ungarn. Das Unite, White & Proud-Fanzine aus dem Raum Amberg/Schwandorf wird von Mitgliedern der Bayern-Sektion von Blood & Honour, einem internationalen Netzwerk von militanten Nazi-Skins, herausgegeben.

Diese kurze Auflistung soll verdeutlichen, dass es auch hier jede Menge zu tun gibt, die Faschisten zurückzudrängen, zu isolieren und letztendlich ihre Strukturen zu zerschlagen und linksradikale/antifaschistische Positionen wieder stärker präsent zu machen.

Das eingangs erwähnte Zitat von Josef Saller stammt übrigens aus einem Interview, welches er der Nazizeitschrift "Frontal" während seiner Haft gegeben hat und zeigt vor allem eines: mit Haftstrafen ist faschistischen Gewalttätern nicht beizukommen. Die Gesinnung bleibt gleich!

Und ohnehin erfolgt eine Verurteilung der Täter selten genug. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Verfahren gegen den Nazi, der am 19.9.98 während der Wahlkampfabschlusskundgebung der NPD in Rostock den Antifaschisten Holger mit dem Auto überfuhr und dabei lebensgefährlich verletzte. Nicht genug, daß Polizei und Staatsanwaltschaft von Anfang an alles unternahmen, diesen Mordversuch als Verkehrsunfall darzustellen und den faschistischen Hintergrund des Täters zu leugnen; nicht genug, daß das Verfahren der Mordkommission entzogen wurde, bevor ein Gutachten und ZeugInnenaussagen vorlagen. Nein, letztendlich kam es sogar so weit, daß das Gericht Holger eine "mögliche Mitschuld" unterstellte und zog es in Erwägung, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in denen versucht wurde und wird, faschistische Gewalt zu verharmlosen.

Staat und Nazis Hand in Hand - das ist keine inhaltsleere Parole, sondern nur allzuoft Realität.

Wer auf die Hilfe eines Staates vertraut, der Neonazis tatkräftig unterstützt, indem er ihnen z. B. im Rahmen der sogenannten "akzeptierenden Jugendarbeit" Räume zu Verfügung stellt und ihnen so eine Basis zur Verbreitung ihrer menschenverachteten Ideologie schafft, wer auf die Hilfe eines Staates vertraut, der, wie erst kürzlich in Hamburg, Naziaufmärsche durch die Polizei schützen läßt, während antifaschistische GegendemonstrantInnen Platzverweise erhalten oder gleich verhaftet werden; wer von diesem Staat ein konsequentes Vorgehen gegen faschistische Schläger und deren UnterstützerInnen erwartet, der verkennt die Realität. Verurteilungen wie im Falle Saller bleiben eine Ausnahme.

Vielmehr müssen wir aktiv werden!!

Daß das Erfolg haben kann, auch dafür gibt es Beispiele, etwa, als es am 22. Mai diesen Jahres mehr als 2000 Menschen in Köln gelang, eine NPD-Demonstration gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-44" nach nur hundert Metern zu stoppen, und die Faschisten letztendlich zur Abreise zu zwingen.

Doch für solche Erfolge ist das Engagement jeder und jedes Einzelnen nötig. Vor allem dürfen wir uns dabei trotz unterschiedlicher politischer Standpunkte und Ansätze nicht in "gute" und "böse" AntifaschistInnen spalten lassen, sondern gemeinsam vorgehen. Dies wurde übrigens auch hier im Vorfeld von den SPD-Fuktionären Hans Schuierer oder aber Karl-Heinz Kagermeier versucht.

An einem Tag wie heute reicht es nicht aus, nur betroffen zu sein angesichts dessen, was sich vor 11 Jahren hier in Schwandorf abgespielt hat. Uns muß bewußt sein, daß WIR uns dem rechten Vormarsch entgegenstellen müssen, um solche Opfer in Zukunft zu verhindern!

In diesem Sinne:

  • Kampf dem Faschismus und Rassismus auf allen Ebenen
  • Nichts und niemand ist vergessen!

 

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