Rede 2 Werte Zuhörer und
Zuhörerinnen,
liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen,
Der damals 19-jährige rechtsradikale Brandstifter Josef Saller, dessen
"größter persönlicher Wunsch" "ein besatzer- und ausländerfreies
Deutschland in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne
Neger, Rote und Hakennasen" ist, gehörte zur Führungsebene der heute verbotenen
Nationalistischen Front (NF), pflegte Kontakte zur militant rechtsradikalen Freiheitlichen
Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und zur neonazistischen Nationaldemokratischen Partei
Deutschlands (NPD). Zudem plante er eine Wehrsportgruppe für rechte Skinheads in der
Oberpfalz.
Und auch heute, Ende der 90er, sieht es alles andere als rosig aus:
Naziaufmärsche, die fast jedes Wochenende stattfinden, sind ein Stück
weit Normalität geworden. Faschistische Bands und Liedermacher haben Hochkonjunktur;
rechte Rockmusik kann mittlerweile als Mainstream bezeichnet werden. Sogenannte
Nazi-Läden, die passendes Outfit, einschlägige Propaganda und Musik vertreiben,
fungieren nebenbei noch als Anlaufstelle und Treffpunkte für Nazis. Die Entschädigung
von ZwangsarbeiterInnen während des Nationalsozialismus, so weit so etwas überhaupt
möglich ist, hat immer noch nicht stattgefunden (und die Konzerne drücken sich um ihre
Verantwortung). Entlang der deutschen Grenze nach Polen bzw. Tschechien, die bestbewachte
in Europa, gibt es mittlerweile an die 80 BürgerInnenintiativen, die dem
Bundesgrenzschutz beim Aufspüren von - wie sie es nennen - Illegalen unter die Arme
greifen. Gleichzeitig werden dort TaxifahrerInnen kriminalisiert und eingeknastet, weil
diese sich erdreisten, solche Menschen zu befördern, was eigentlich ihrer Pflicht
entspricht, alle Fahrgäste mitzunehmen. Die DVU zieht mit Potsdam in den nächsten
Landtag nach Sachsen-Anhalt ein. Im Internet gibt es mittlerweile über 300 rechte
Web-Seiten, von denen auch einige dazu aufrufen, vermeintliche politische
Feinde/GegenInnen anzugreifen oder gar zu ermorden. Und auch Ex-Apo-Aktive haben wohl die
"Erleuchtung" gefunden: wie Rainer Langhans, der inzwischen zu den
"prominentesten Figuren der dem ökofaschistischem Gedankengut nahestehenden
Esoterikszene" (J. Dittfurth) oder aber Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler.
Aber auch in unserer näheren Umgebung gibt es genügend Beispiele:
In der Region um Ingostadt hat sich vor allem durch den zeitweiligen
Zuzug der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" nach Sinning ein Nazi-Zentrum etabliert.
In Ingolstadt selber marschierten am 22.6.99 ca. 120 Nazis, in Rosenheim am 6.11.99 400
Nazis, in Gräfenberg bei Nürnberg am 21.11.99 ebenfalls an die 100. Am 30.10.99 findet
in einer Sportgaststätte in Wendesstein nahe Nürnberg ein Nazi-Konzert mit 300
Teilnehmern statt. Ebensoviele waren am 27.11. in Friedfels, Landkreis Tirschenreuth auf
einer gleichen Veranstaltung. In Fürth etabliert sich in der Schreiberstraße 3 der
Nazi-Laden "Utgard". Im Frühjahr diesen Jahres führt von Amberg aus ein Bus zu
einer Gedenkdemonstation für Wehrmachtssoldaten nach Ungarn. Das Unite, White &
Proud-Fanzine aus dem Raum Amberg/Schwandorf wird von Mitgliedern der Bayern-Sektion von
Blood & Honour, einem internationalen Netzwerk von militanten Nazi-Skins,
herausgegeben.
Diese kurze Auflistung soll verdeutlichen, dass es auch hier jede Menge
zu tun gibt, die Faschisten zurückzudrängen, zu isolieren und letztendlich ihre
Strukturen zu zerschlagen und linksradikale/antifaschistische Positionen wieder stärker
präsent zu machen.
Das eingangs erwähnte Zitat von Josef Saller stammt übrigens aus einem
Interview, welches er der Nazizeitschrift "Frontal" während seiner Haft gegeben
hat und zeigt vor allem eines: mit Haftstrafen ist faschistischen Gewalttätern nicht
beizukommen. Die Gesinnung bleibt gleich!
Und ohnehin erfolgt eine Verurteilung der Täter selten genug. Ein
aktuelles Beispiel dafür ist das Verfahren gegen den Nazi, der am 19.9.98 während der
Wahlkampfabschlusskundgebung der NPD in Rostock den Antifaschisten Holger mit dem Auto
überfuhr und dabei lebensgefährlich verletzte. Nicht genug, daß Polizei und
Staatsanwaltschaft von Anfang an alles unternahmen, diesen Mordversuch als Verkehrsunfall
darzustellen und den faschistischen Hintergrund des Täters zu leugnen; nicht genug, daß
das Verfahren der Mordkommission entzogen wurde, bevor ein Gutachten und ZeugInnenaussagen
vorlagen. Nein, letztendlich kam es sogar so weit, daß das Gericht Holger eine
"mögliche Mitschuld" unterstellte und zog es in Erwägung, das Verfahren gegen
Zahlung einer Geldbuße einzustellen.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in denen versucht wurde und wird,
faschistische Gewalt zu verharmlosen.
Staat und Nazis Hand in Hand - das ist keine inhaltsleere Parole,
sondern nur allzuoft Realität.
Wer auf die Hilfe eines Staates vertraut, der Neonazis tatkräftig
unterstützt, indem er ihnen z. B. im Rahmen der sogenannten "akzeptierenden
Jugendarbeit" Räume zu Verfügung stellt und ihnen so eine Basis zur Verbreitung
ihrer menschenverachteten Ideologie schafft, wer auf die Hilfe eines Staates vertraut,
der, wie erst kürzlich in Hamburg, Naziaufmärsche durch die Polizei schützen läßt,
während antifaschistische GegendemonstrantInnen Platzverweise erhalten oder gleich
verhaftet werden; wer von diesem Staat ein konsequentes Vorgehen gegen faschistische
Schläger und deren UnterstützerInnen erwartet, der verkennt die Realität.
Verurteilungen wie im Falle Saller bleiben eine Ausnahme.
Vielmehr müssen wir aktiv werden!!
Daß das Erfolg haben kann, auch dafür gibt es Beispiele, etwa, als es
am 22. Mai diesen Jahres mehr als 2000 Menschen in Köln gelang, eine NPD-Demonstration
gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-44" nach
nur hundert Metern zu stoppen, und die Faschisten letztendlich zur Abreise zu zwingen.
Doch für solche Erfolge ist das Engagement jeder und jedes Einzelnen
nötig. Vor allem dürfen wir uns dabei trotz unterschiedlicher politischer Standpunkte
und Ansätze nicht in "gute" und "böse" AntifaschistInnen spalten
lassen, sondern gemeinsam vorgehen. Dies wurde übrigens auch hier im Vorfeld von den
SPD-Fuktionären Hans Schuierer oder aber Karl-Heinz Kagermeier versucht.
An einem Tag wie heute reicht es nicht aus, nur betroffen zu sein
angesichts dessen, was sich vor 11 Jahren hier in Schwandorf abgespielt hat. Uns muß
bewußt sein, daß WIR uns dem rechten Vormarsch entgegenstellen müssen, um solche Opfer
in Zukunft zu verhindern!
In diesem Sinne:
- Kampf dem Faschismus und Rassismus auf allen Ebenen
- Nichts und niemand ist vergessen!
|