Rede 3 Gleiche Rechte für
alle hier lebenden Menschen
Ich bin Mitglied in der Bürgerinitiative Asyl und im Internationalen
Kultur - und Solidaritätsverein e.V.
Brand - und Mordanschläge auf hier lebende Nicht-Deutsche sind die
Spitze eines schrecklichen Eisberges. Von offizieller Seite wird die Existenz dieses
Eisberges oft geleugnet oder verharmlost Bei rassistisch motivierten Anschlägen werden
Indizien und Spuren in Richtung Neonazis kaum untersucht oder gar verwischt und Täter als
"alkoholisierte Spinner" oder "Einzeltäter" dargestellt. So werden
Nazistrukturen geschützt.
So verwunderlich ist das eigentlich gar nicht. Denn: Die Wurzeln der
neofaschistischen und rassistischen Strukturen und Aktivitäten liegen in den
ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Land. Diese
Verhältnisse grenzen immer mehr Menschen aus und können tatsächlich für immer mehr
keine Perspektive mehr bieten.
Wie reagieren nun die uns Regierenden in dieser Situation? Sie schaffen
Sündenböcke: Die Ausländer, die Flüchtlinge, die Türken .....usw., wir kennen das.
Daß die Ausländer schuld sind an der Arbeitslosigkeit, an fehlenden bezahlbaren
Wohnungen, an Rentenproblemen undsoweiter, so ganz direkt sagen das höchstens ein paar
von der CSU. Die anderen drücken sich gewählter oder geschickter aus. Aber einig sind
sie sich darin, daß es zu viele Ausländer sind, zu viele Flüchtlinge, zu viele Türken
.... Und über Zeitungen, Radio und Fernsehen wird diese herrschende Meinung seit vielen,
vielen Jahren fast täglich millionenfach verbreitet.
Und während so die einen mit Anzug und Krawatte eine
ausländerfeindliche und rassistische Stimmung schüren und entsprechende Gesetze und
Verordnungen erlassen, nehmen die anderen Feuer oder Baseballschläger zur Hand. Das sind
zwei Seiten einer Medaille.
Eine richtige Parole von Mölln und Solingen lautete: Die
Brandstifter sitzen in Bonn". Mit ihren Gesetzen, Verordnungen und Erlassen haben
die Brandstifter aus Bonn viele Menschen auf dem Gewissen. Die jetzt in Berlin Regierenden
haben bisher noch nicht gezeigt, daß sie eine grundsätzlich andere Politik machen.
1993 wurde das Grundrecht auf Asyl de facto abgeschafft. Seither ist es
wegen der Drittstaatenregelung für einen Flüchtling faktisch unmöglich, legal auf dem
Landweg nach Deutschland zu fliehen. 90 Flüchtlinge sind seither zu Tode gekommen bei
ihrem Versuch, illegal die deutsche Grenze zu überwinden. An den Grenzen der EU sind Ca
1100 Flüchtlinge zu Tode gekommen.
Wir stellen folgendes fest: Während die Fluchtursachen und damit die
Zahl der Flüchtlinge weltweit steigen, werden "unsere" Grenzen
militärisch-tödlich vor Flüchtlingen gesichert und abgeschirmt. Dafür wurde der BGS
personell und finanziell stark aufgerüstet. 1992 waren es ca. 2400 uniformierte BGSler an
den deutschen Ostgrenzen, 1998 schon ca. 6000, angestrebt werden 7500. Insgesamt umfaßt
die BGS-Truppenstärke 30 000 Uniformierte plus 10 000 ohne Uniform. Das kostet uns
jährlich über 3 Milliarden DM (Zahlen nach Vortrag 14.12.99 , Fritz Burschel von FFM)
52 Flüchtlinge haben sich in Deutschland seit der GG-Änderung 1993 aus
Angst vor Abschiebung das Leben genommen, davon 16 in Bayern und in Regensburg 4. Zwei
Flüchtlinge wurden vom BGS bei der gewaltsamen Abschiebung getötet. Während in Belgien
nach einem ähnlichen Vorfall der Innenminister zurückgetreten ist, ging Schily nach der
Tötung von Ameer Ageeb nach kurzem wieder zur schrecklichen Abschiebungstagesordnung
über . Jährlich werden über Deutschlands Flughäfen ca. 15 000 Menschen in Verfolgung,
Folter, Krieg und Armut abgeschoben. Einer davon ist der 23-jährige kurdische Flüchtling
Hüseyin Öztürk aus Amberg. Vom Bundesamt und vom Verwaltungsgericht Regensburg wurde
ihm die drohende politische Verfolgung nicht geglaubt. Jetzt ist er seit seiner
Abschiebung im März 1999 in der Türkei im Gefängnis und sein Verfahren läuft Er ist
nur einer von 19 recherchierten Flüchtlingen aus der letzten Zeit, die aus Deutschland in
den türkischen Folterkeller abgeschoben worden sind.
Aber wir haben doch im September 1998 eine neue Regierung gewählt,
sofern wir wählen durften. Viele von uns durften nicht wählen, weil sie keinen deutschen
Paß haben. Wir wollten und wollen eine andere Politik, einen Bruch mit der Politik von 16
Jahren Kohl-Regierung . Aber statt dessen müssen wir bisher eine "Politik der
Kontinuität" feststellen.
Die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen vom Oktober 98 wurden von
Amnesty international und Pro Asyl folgendermaßen kommentiert :
"Wir haben die Meßlatte unserer Erwartung schon sehr tief
gelegt, aber auch da sind sie noch drunter gekrochen."
Und die bayerische SPD-Landtagsfraktion schrieb im Juli 99 an Schily:
"Wir werden seit der Regierungsübernahme im Bund. von
zahlreichen in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik engagierten Verbänden und
Organisationen, aber auch von den Kirchen und von Einzelpersönlichkeiten bedrängt, die
mit ihrer Kritik an der Ausländerpolitik - und Flüchtlingspolitik der neuen
Bundesregierung nicht sparen. Es wird verbittert darüber Klage geführt, daß diese
Politik sich nicht von der alten Bundesregierung unterscheidet.... Wir können die
Enttäuschung, die Verbitterung und die Wut der Verbände und Personen sehr gut verstehen.
Auch wir müssen mit Erschrecken feststellen , daß sich bis jetzt sehr wenig geändert
hat...."
Zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober 99 meinte Pro Asyl zur Asyl- und
Ausländerpolitik der Bundesregierung :
Von dem wenigen Versprochenen wurde bisher fast nichts gehalten.
Mit der versprochenen doppelten Staatsbürgerschaft wurde es auch
nichts. Die Bundesregierung und große Teile von SPD und Bü90/Die Grünen ließen sich
von der CDU/CSU fast widerstandslos jagen und unterstützten uns aus
Migrantenvereinigungen, Jugendverbänden, Pax christi, Antifa-Gruppen,
Flüchtlingsinitiativen, Gewerkschaften, usw. kaum auf der Straße gegen die rassistische
CDU/CSU-Kampagne.
Auch die Abschiebehaft und das Flughafenverfahren hat die
Bundesregierung bisher nicht überprüft, geschweige denn abgeschafft. Schily plant gar
einen "exterritorialen" Flüchtlingskinderknast im Flughafen Frankfurt. Für die
Asylanerkennung von frauenspezifischen Fluchtursachen gibt es in der Bundesregierung
zumindest erste Überlegungen, für die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern und
Deserteuren noch gar keine. Und die immer wieder verschobene und jetzt am 18./19 November
von der Innenministerkonferenz beschlossene Altfallregelung ist zu einer totalen Farce und
noch härter als die Regelung von 1996 unter Kohl-Kanther geworden.
"In einzelnen Ausnahmefällen" sollen Familien, die vor dem 1.
Juli 1993 und Alleinstehende, die vor dem 1. Januar 1990 eingereist sind, eine
Aufenthaltsbefugnis erhalten. Dies aber nur, wenn sie am "Stichtag" 19. November
1999 mehrere Bedingungen erfüllt haben , die den meisten Flüchtlingen gesetzlich
verboten sind: U.a. "Lebensunterhalt durch Arbeit ohne Sozialhilfe"
(Arbeitsverbot!) und "ausreichend Wohnraum" (Lagerzwang!). Es gibt aber noch
viel mehr Ausschlußbestimmungen!
Mit der von Pro Asyl seit langen und nun auch vom SPD-Bundesparteitag
geforderten Regelung würde z.B. Familie Moradyan einen sicheren Aufenthaltstitel
(Befugnis) bekommen. Aber daraus wird nun nichts. Aus Verzweiflung hat sich ihr Vater
kürzlich in der Ausländerbehörde Landratsamt Regensburg mit Benzin übergossen und mit
Selbstverbrennung gedroht. Nun hat er ankündigt, daß die Familie im Fall der Abschiebung
bei der Polizei. sterben wird. (MZ 11./12. Dez 99).
Nein, die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung bringen uns dem Ziel
"Gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen" nicht näher, im Gegenteil.
Krieg führen und Panzer in die Türkei liefern ist auch keine Friedenspolitik.
Vor 2 Wochen hat nun der SPD-Bundesparteitag Innenminister Schily scharf
kritisiert und konkrete und begrüßenswerte Beschlüsse und Forderungen zur Asylpolitik
beschlossen, wie:
- Bleiberecht im Rahmen einer Altfallregelung für alle seit 1.7.94 in
Deutschland lebenden Flüchtlinge, unabhängig von Sozialhilfebedürftigkeit und
Vorhandensein einer Mietwohnung,
- Flüchtlingsanerkennung nach der GK auch bei nichtstaatlicher Verfolgung,
- uneingeschränkte Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention,
- Rechtsanspruch auf Visumserteilung zum Familiennachzug zu anerkannten
Flüchtlingen,
- Abschaffung des Asyl- Bundesbeauftragten und des Flughafenverfahrens
- Wiederherstellung des Anspruchs auf Kindergeld
- Abschaffung des Sachleistungsprinzips .
Wir werden uns u.a. dafür einsetzen, und wir erwarten und fordern, daß
die Bundesregierung zumindest diese SPD-Beschlüsse, ihre eigenen Versprechungen und die
Hauptforderungen von Pro Asyl und der Vereinigungen der MigrantInnen in den kommenden 2
Jahren politisch umsetzen.
Für Frieden, Freundschaft und Völkerverständigung!
Für eine Gemeinsame Zukunft ohne Rechtsradikalismus,
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz!
Der vom Bündnis gegen Rechts gestiftete Mahnstein Zum Gedenken an
die Opfer des rassistischen Brandanschlages vom 17.12.1988 Osman Can, Fatma Can, Mehmet
Can und Jürgen Hübener soll endlich aufgestellt werden! |