Studienqualifizierende Bildungsgänge der Oberstufe (Sekundarstufe II)

§ 29 Studienqualifizierende Schulen

Studienqualifizierende Schulen sind

  1. die gymnasiale Oberstufe. Sie umfasst die Jahrgangsstufen 11 bis 13 und kann sowohl Bestandteil des Gymnasiums oder der Gesamtschule als auch selbstständige Schule sein. Als selbstständige Schule arbeitet die gymnasiale Oberstufe im Rahmen eines Schulverbundes mit den Schulen der Mittelstufe (Sekundarstufe I) zusammen, aus denen sie im wesentlichen die Schülerinnen und Schüler aufnimmt;
  2. das berufliche Gymnasium. Es ist Teil des beruflichen Schulwesens;
  3. doppeltqualifizierende Bildungsgänge, in denen berufliches und allgemeinbildendes Lernen verbunden werden. Auf sie finden die Vorschriften über die gymnasiale Oberstufe oder das berufliche Gymnasium entsprechend Anwendung, soweit für sie in diesem Abschnitt nicht besondere Regelungen getroffen worden sind;
  4. die Fachoberschule. Sie ist Teil des beruflichen Schulwesens und führt zur Fachhochschulreife.

§ 30 Aufgabe der gymnasialen Oberstufe

Ziel der gymnasialen Oberstufe ist es, den Schülerinnen und Schülern den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife zu ermöglichen, sie aber auch in die Lage zu versetzen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten unmittelbar in berufliche Ausbildung und Tätigkeit einzubringen. Deshalb ist die gymnasiale Oberstufe offen für die Zusammenarbeit mit den beruflichen Schulen und für die Aufnahme anwendungsbezogener Angebote. Diese Zusammenarbeit ist zu fördern.

§ 31 Gliederung

(1) Die gymnasiale Oberstufe gliedert sich in die Einführungsphase (Jahrgangsstufe 11) und die Qualifikationsphase (Jahrgangsstufen 12 und 13).

(2) In der Einführungsphase werden die Schülerinnen und Schüler methodisch und inhaltlich auf die Arbeit in der Qualifikationsphase und die Wahl der Leistungsfächer vorbereitet. Die Organisation dieser Jahrgangsstufe ist daher so zu gestalten, dass es der einzelnen Schule im Rahmen der für alle geltenden Bestimmungen möglich ist, den besonderen örtlichen Bedingungen Rechnung zu tragen.

(3) In der Qualifikationsphase werden die Fächer in Grund- und Leistungskursen unterrichtet. Die zeitlich aufeinander folgenden Kurse eines Faches sind inhaltlich aufeinander abzustimmen. Grundkurse vermitteln grundlegende Kenntnisse und Einsichten in die Stoffgebiete und Methoden verschiedener Fächer. Die Leistungskurse dienen in besonderer Weise der Einführung in die Methoden wissenschaftlichen Arbeitens und vermitteln ein vertieftes Verständnis und erweiterte Kenntnisse. Für alle Schülerinnen und Schüler verbindliche Auflagen und die inhaltliche, methodische und organisatorische Gestaltung des Unterrichts gewährleisten, dass Grund- und Leistungskurse gemeinsam den Schülerinnen und Schülern die breite Grundausbildung vermitteln, die für die allgemeine Hochschulreife erforderlich ist.

(4) Der Besuch der gymnasialen Oberstufe dauert mindestens zwei, in der Regel höchstens vier Jahre.

(5) Nach erfolgreicher Teilnahme an den Kursen der Jahrgangsstufe 12 und einer mindestens einjährigen beruflichen Tätigkeit können die Schülerinnen und Schüler die Fachhochschulreife erwerben.

(6) Die allgemeine Hochschulreife wird mit der erfolgreich abgelegten Abiturprüfung erworben.

§ 32 Aufgabenfelder

(1) Die Unterrichtsfächer der gymnasialen Oberstufe werden mit Ausnahme des Faches Sport in drei Aufgabenfelder zusammengefasst.

(2) Zum sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Deutsch, Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Lateinisch, Griechisch), Kunst und Musik. Weitere Fremdsprachen können mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde angeboten werden, wenn die personellen und sächlichen Voraussetzungen gegeben sind.

(3) Zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld gehören die Fächer Gemeinschaftskunde, Geschichte, Religion, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften, Erdkunde, Rechtskunde und Philosophie.

(4) Zum mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Mathematik, Biologie, Chemie, Physik und Informatik.

§ 33 Grund- und Leistungskurse

(1) Als Leistungsfächer können angeboten werden:

  1. Deutsch, Englisch, Französisch, Lateinisch, Griechisch;
  2. Gemeinschaftskunde, Geschichte, Erdkunde, evangelische und katholische Religion;
  3. Mathematik, Physik, Chemie und Biologie.

(2) Kunst, Musik, weitere Fremdsprachen, sonstige Religionslehren, Sport, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften und Informatik können mit Genehmigung des Staatlichen Schulamtes an einzelnen Schulen als Leistungsfächer eingerichtet werden. Durch Rechtsverordnung können weitere Unterrichtsfächer als Leistungsfächer zugelassen werden.

(3) Für Art und Umfang des Kurs- und Fächerangebots sind die personellen und sächlichen Möglichkeiten der einzelnen Schule und die jeweilige Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Jahrgangsstufe maßgeblich. Richtwert für die Bildung der Leistungskurse ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe geteilt durch den Divisor 9; Richtwert für die Bildung der Grundkurse ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe geteilt durch den Divisor 3. Bei Schulen, die in ihrem Kursangebot zusammenarbeiten, wird jeweils die gemeinsame Jahrgangsbreite zu Grunde gelegt.

(4) Fächerverbindende und fachübergreifende Kurse können auch über ein Aufgabenfeld hinaus eingerichtet werden.

(5) Die Durchführung der für die Schülerinnen und Schüler verbindlichen Kurse und die Kontinuität des Unterrichtsangebots haben Vorrang vor der Ausweitung oder Änderung des Fächerangebots.

(6) Das in der Jahrgangsstufe 12 besuchte Leistungsfach müssen die Schülerinnen und Schüler, das besuchte Grundkursfach sollen sie in der Jahrgangsstufe 13 fortführen können. Der Unterricht ist inhaltlich und organisatorisch so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler in der Regel im Leistungsfach während der gesamten Qualifikationsphase, im Grundkursfach mindestens während eines Schuljahres in derselben Lerngruppe bleiben. Wenn die Unterrichtsorganisation es zulässt, kann gestattet werden, an einer anderen Schule am Unterricht in Fächern teilzunehmen, die an der besuchten Schule nicht angeboten werden.

§ 34 Belegverpflichtungen und Bewertung

(1) In der Qualifikationsphase haben die Schülerinnen und Schüler durchgehend Unterricht mindestens in Deutsch, in einer Fremdsprache, die auch eine mit Eintritt in die gymnasiale Oberstufe begonnene und in der Unterrichtsgestaltung die Anforderungen eines Prüfungsfaches erfüllende Fremdsprache sein kann, in Gemeinschaftskunde, in Geschichte, in Mathematik, in einer Naturwissenschaft, in Religion und in der Regel in Sport zu belegen; § 8 bleibt unberührt. Der Unterricht in Kunst oder Musik ist mindestens in zwei Schulhalbjahren zu besuchen.

(2) Gegen Ende der Einführungsphase wählen die volljährigen Schülerinnen und Schüler selbst, die minderjährigen Schülerinnen und Schüler im Einvernehmen mit den Eltern aus dem Angebot der Schule nach Begabung und Neigung zwei Leistungsfächer oder eine Leistungsfachkombination. Kommt ein Einvernehmen nicht zu Stande, so entscheiden die Eltern. Eines der beiden Leistungsfächer muss entweder Deutsch, eine Fremdsprache, Mathematik oder eine Naturwissenschaft sein. Ist Deutsch erstes Leistungsfach, muss sich unter den vier Fächern der Abiturprüfung Mathematik oder eine Fremdsprache befinden.

(3) Die Leistungsbewertung in der gymnasialen Oberstufe erfolgt nach einem System mit 15 Punkten (§ 73). Die Ergebnisse aus vier Leistungskursen in jedem der beiden Leistungsfächer und 24 Grundkursen sowie der Abiturprüfung bilden die Grundlage für die Berechnung der Gesamtqualifikation im Abitur. Besondere Lernleistungen wie zum Beispiel Jahresarbeiten können in die Abiturprüfung eingebracht werden. Ein Kurs, der mit null Punkten bewertet worden ist, gilt als nicht besucht.

§ 35 Berufliche Gymnasien

(1) Berufliche Gymnasien führen zur allgemeinen Hochschulreife. Sie werden durch berufliche Fachrichtungen geprägt, die sich in Wirtschaft, Technik, Ernährung und Hauswirtschaft sowie Agrarwirtschaft gliedern. In der Fachrichtung Technik können die Schwerpunkte Maschinenbau, Elektrotechnik, Bautechnik, Physik-, Chemie- und Biologietechnik sowie Datenverarbeitungstechnik angeboten werden. Berufliche Gymnasien vermitteln in der gewählten Fachrichtung Teile einer Berufsausbildung.

(2) Für berufliche Gymnasien gelten die §§ 31 bis 34 entsprechend, soweit im Folgenden nichts anderes geregelt ist.

(3) An den beruflichen Gymnasien kann ein Teil der Verpflichtungen nach § 34 Abs. 1 durch Auflagen in den beruflichen Fachrichtungen und Schwerpunkten ersetzt werden.

(4) Zum sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Deutsch und die Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Lateinisch). Die Fächer Musik und Kunst können angeboten werden. Im übrigen findet § 32 Abs. 2 Satz 2 entsprechend Anwendung.

(5) Zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld gehören die Fächer Gemeinschaftskunde, Geschichte, Wirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftslehre des Haushalts sowie des Landbaus und Religion.

(6) Zum mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Mathematik, Physik, Biologie, Chemie, Technikwissenschaften, Technologie, Technisches Zeichnen, Rechnungswesen, Datenverarbeitung/Informatik, Ernährungslehre und Agrartechnik.

(7) Bei der Wahl der Grund- und Leistungskurse sind die Auflagen zu beachten, die für die berufliche Fachrichtung und den Schwerpunkt erforderlich sind. Von den nach § 34 Abs. 2 zu wählenden zwei Leistungsfächern muss das erste entweder Deutsch, eine Fremdsprache, Mathematik oder eine Naturwissenschaft sein. Ist Deutsch erstes Leistungsfach, so muss eines der vier Fächer der Abiturprüfung entweder Mathematik oder eine Fremdsprache sein. Das zweite Leistungsfach ist je nach Wahl der beruflichen Fachrichtung Wirtschaftslehre, Technikwissenschaft, Ernährungslehre oder Agrartechnik.

§ 36 Doppeltqualifizierende Bildungsgänge

(1) Auf Antrag des Schulträgers können mit Zustimmung des Kultusministeriums an gymnasialen Oberstufen oder beruflichen Gymnasien oder in organisatorischer Verbindung mit ihnen Ausbildungsgänge eingerichtet werden, die berufliches und allgemeinbildendes Lernen verbinden und zur allgemeinen Hochschulreife führen.

(2) Die Bildungsgänge schließen mit zwei getrennten Prüfungen ab. Für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife kann ein Teil der Verpflichtungen nach § 34 Abs. 1 durch für den Ausbildungsgang charakteristische Auflagen ersetzt werden. Die berufliche Ausbildung schließt mit der Prüfung zum staatlich geprüften Assistenten oder zur staatlich geprüften Assistentin ab.

§ 37 Fachoberschule

(1) Die Fachoberschule baut auf dem Mittleren Abschluss (§ 13 Abs. 4) auf und führt in verschiedenen fachlichen Schwerpunkten und Organisationsformen zur Fachhochschulreife.

(2) Die Fachoberschule umfasst in der Regel die Jahrgangsstufen 11 und 12. In der Jahrgangsstufe 11 wird überwiegend fachpraktisch ausgebildet. Die fachpraktische Ausbildung wird in der Regel in Betrieben durchgeführt; sie kann ganz oder teilweise in der Schule durchgeführt werden. Der Besuch der Jahrgangsstufe 11 kann durch eine einschlägige Berufsausbildung oder eine mehrjährige, einschlägige berufliche Tätigkeit ersetzt werden. In der Jahrgangsstufe 12 wird in der Regel Vollzeitunterricht erteilt. Die Fachoberschule kann auch mit einer Berufsausbildung verbunden werden. Dabei schließt der Gesamtbildungsgang nach Inhalt und Umfang den Unterricht der Jahrgangsstufe 12 ein und endet mit einem zusammenhängenden Vollzeitunterricht von mindestens einem halben Schuljahr oder mit Unterricht in Teilzeitform von entsprechend längerer Dauer.

(3) Die Fachoberschule endet mit einer Prüfung, deren Bestehen zum Studium an einer Fachhochschule berechtigt.

§ 38 Nähere Ausgestaltung der studienqualifizierenden Bildungsgänge der Oberstufe (Sekundarstufe II)

(1) Die nähere Ausgestaltung der studienqualifizierenden Bildungsgänge in der Oberstufe (Sekundarstufe II) erfolgt durch Rechtsverordnung. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Abiturprüfung auch in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme eines Hochschulstudiums in den jeweiligen Studiengängen berechtigt.

(2) Insbesondere sind nähere Regelungen zu erlassen über

  1. die Ausgestaltung der Einführungsphase,
  2. die Zulassung zur Qualifikationsphase,
  3. Art und Umfang der verbindlichen Kurse und Fächer, ihre Folge und Beziehung zueinander sowie die bei der Einrichtung und Wahl der Grund- und Leistungskurse einzuhaltenden Bedingungen,
  4. inhaltliche und organisatorische Rahmenbedingungen der Grund- und Leistungskurse,
  5. die Zulassung weiterer Unterrichtsfächer als Grundkurs- und Leistungsfächer,
  6. Art und Zahl der Leistungsnachweise,
  7. die Berechnung der Gesamtqualifikation,
  8. den Zugang zu den doppeltqualifizierenden Bildungsgängen und ihre Ausgestaltung,
  9. die Schwerpunkte der Fachoberschule,
  10. den Erwerb der Fachhochschulreife in den studienqualifizierenden Bildungsgängen nach § 29 Nr. 1 bis 3.

(3) Durch Rechtsverordnung kann bestimmt werden, dass für Teile der schriftlichen Abiturprüfung landesweit einheitliche Prüfungsaufgaben auf der Grundlage zu entwickelnder inhaltlich verbindlicher Rahmenvorgaben gestellt werden.