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 Historische Schiffsmodelle

Historische Schiffsmodelle
von Klaus Krick
Sprache: Deutsch
Broschiert - Neckar-Verlag
Erscheinungsdatum: Februar 2003
Dieses Buch ist für Anfänger
im Modellbau empfehlenswert.


Der Kurs der PHOENIX -

Entscheidung vor Kap Ortegal

Das Jahr 1805 war ein entscheidendes Jahr für den Krieg zwischen dem Reich des frisch gekrönten Kaisers Napoleon und England. Die Seeschlacht von Trafalgar am 21.Oktober 1805 markierte das Ende der napoleonischen Invasionträume des ehemaligen französischen Revolutionsgenerals - Lord Nelsons historischer Sieg über die französisch-spanische Flotte unter Admiral Villeneuve sicherte die englischen Inseln vor dem französischen Zugriff durch die berühmten "Wooden Walls" der britischen Schiffe auf Jahre hinaus.

Im Schatten dieser Schlacht trugen sich weniger bekannte Ereignisse zur See zu, deren Bedeutung vielleicht schon damals angesichts von Nelsons Triumph und gleichzeitigem Tod in der berühmten Schlacht schnell vergessen war. Diese Ereignisse waren aber mit dem Scheitern der Invasionspläne des korsischen Genies und / oder der Schlacht von Trafalgar untrennbar verknüpft.

Im Rahmen dieser Geschehnisse spielte eine kleine englische Fregatte unter ihrem Kapitän Thomas Baker eine zentrale Rolle, die bis heute wenig gewürdigt wurde. Die PHOENIX bestand siegreich ein Duell mit einer schwer bewaffneten französischen Fregatte und führte später die Seeschlacht vor Kap Ortegal herbei, die den Sieg bei Trafalgar erst vollkommen machte. Im Schatten der berühmten Schlacht ist beides jedoch weitgehend vergessen.

Im Sinne eines Konjunktivus Irrationalis könnte man aber durchaus behaupten, daß ohne die Fahrten der PHOENIX die Schlacht bei Trafalgar möglicherweise nie stattgefunden hätte bzw. nicht der vollkommene britische Triumph geworden wäre. Ohne den Einsatz von Kapitän Thomas Baker hätte der französische Admiral Villeneuve womöglich den von Napoleon befohlenen Angriff im Kanal doch initiiert und hätte damit vielleicht die Invasion Englands ermöglicht.


Napoleons Plan und Villeneuves Fahrt

Am 2. Dezember 1804 wurde aus General Napoleon Bonaparte, dem Ersten Konsul der Republik Frankreich , Kaiser Napoleon I, Herrscher über ein Reich, daß nach den Plänen des machthungrigen Militärgenies einmal ganz Europa umfassen sollte.

Auf dem Weg dahin stellte England und seine Seeherrschaft das größte Hindernis dar. Napoleon Bonaparte hatte bereits seit dem Frieden von Amiens 1802 unverhohlen Truppen am Kanal zusammengezogen und dort für die Invasion Englands geeignete Boote in Massen bauen lassen. Das größte Problem für die Invasionspläne war die mangelnde französische Seeherrschaft im Kanal - eine Aufgabe, die die noch von Abukir getroffene französische Flotte ohne Konzentration ihrer Kräfte nicht würde leisten können. Für den ökonomisch und recht erdverbunden denkenden Kaiser war dieses Problem ohnehin eine Aufgabenstellung, die man lediglich für drei Tage erfüllen mußte - danach wäre das Invasionsheer übbergesetzt und Englands Schicksal ohnehin besiegelt.

Das Problem bei der Konzentration der Kräfte war jedoch die Blockade französischer und spanischer Seestreitkräfte in ihren Häfen, die permanent durch englische Geschwader aufrechterhalten wurde. Napoleon befahl deswegen bereits im Juli 1804 allen Geschwadern, auszubrechen - dieses unkoordinierte Vorgehen führte jedoch lediglich zu fruchtlosen Evolutionen der französischen Schlachtschiffe. Also verfiel der angehende französische Kaiser auf folgenden Plan:

Alle im Mittelmeer und an der Atlantikküste blockierten französischen und spanischen Geschwader sollten versuchen, die britische Blockade zu durchbrechen. Besonders aber die in Toulon liegende Flotte von Vizeadmiral Villeneuve sollte sich mit starken spanischen Mittelmeerkräften vereinigen und Kurs auf die Karibik setzen, um dort die britischen Handelswege anzugreifen bzw. britische Besitzungen zu bedrohen. Grund: Der Ausbruch aus Toulon war strategisch leichter als z.B. aus Brest. Und Toulon wurde von dem gefürchteten Vizeadmiral Nelson, dem berühmten Sieger von Abukir, blockiert.
Napoleon rechnete damit, daß starke britische Flottenverbände, besonders das Geschwader Nelsons, aber auch Schiffe aus der Kanalflotte sowie aus dem Atlantik daraufhin die Verfolgung der alliierten Flotte aufnehmen würden und auf diese Weise die Verteidigung des Kanals entblößen oder zumindest schwächen müssten. Bei Gelingen des Planes sollte Villeneuve in der Karibik umgehend kehrt machen und mit einigen Tagen Vorsprung vor den Verfolgern wieder Europa erreichen, sich mit weiteren französischen und spanischen Schiffen1 aus dem Mittelmeer, aus den Häfen Rochefort, Ferrol, La Coruna und Vigo vereinen und dann in den Kanal einlaufen. Ihr Auftrag lautete dann, die geschwächte Verteidigung des Kanals nötigenfalls ganz niederkämpfen und die Invasion nach England zu decken.

Die Kaps der Seeschlachten

Am 30. März 1805 gelang Villeneuve der Ausbruch aus Toulon, später die Vereinigung mit spanischen Schiffen aus Cartagena und Cadiz. Doch die britische Admiralität, an ihrer Spitze Lord Barham, durchschaute offensichlich den Plan Napoleons: Von seinem Gegner Nelson nur zögerlich und mit nur wenigen Schiffen verfolgt traf Villeneuve am 15. Mai 1805 auf Martinique ein, wartete dort einen Monat lang und segelte am 11. Juni 1805 über den Atlantik zurück.

Während Villeneuves Schiffe sich durch ungünstigen Wind mühsam den Weg nach Spanien erkämpfen mußten, geschah dem britischen Blockadegeschwader unter Admiral Cornwallis vor Rochefort ein eher unerwartetes Mißgeschick. Dem französischen Konteradmiral Allemand gelang es durch ein Ablenkungsmanöver, sich mit 5 Linienschiffen, zwei Fregatten und zwei Korvetten an den britischen Blockadekräften vorbeizuschleichen. Das war im Jahr zuvor zwar schon Admiral Missiessy gelungen, doch mit schwächeren Kräften und zu einem weniger ungünstigen Zeitpunkt. Allemand erwies sich jedoch umgehend als Wolf im britischen Stall, denn er attackierte mit seinem Rochefort-Geschwader wirkungsvoll die nunmehr schlechter bewachten britischen Handelswege. Die britische Admiralität hatte sich nämlich genötigt gesehen, Villeneuves Flotte nun doch einen starken britischen Verband unter Admiral Calder entgegen zu schicken.

Calder stellte auch tatsächlich am 22. Juli 1805 Villeneuves zahlenmäßig überlegene Flotte 200 Meilen vor Kap Finisterre, konnte jedoch in der Schlacht infolge schlechten Wetters - Nebel plus Flaute - keine Entscheidung erzzwingen. Am 25. Juli wurde das Treffen von beiden Seiten sozusagen einvernehmlich abgebrochen - vermutlich befürchtete Calder eine Faalle bzw. vermutete, Allemands Geschwader oder andere starke feindliche Verbände könnten hinter der Kimm lauern. Villeneuves Flotte verlor bei dieser Schlacht vor Kap Finisterre zwar zwei alte spanische Linienschiffe, konnte aber ohne Zweifel einen Erfolg verbuchen, indem die alliierte Flotte den britischen Riegel durchbrach und in Vigo bzw. La Coruna einlief. Hier und später besonders in Ferrol fand Villeneuve weitere Linienschiffe vor, so das seine Flotte beträchtlich anwuchs.

Allemands Phantomgeschwader und die DIDON

In La Coruna erfuhr Villeneuve von Allemands Ausbruch und trachtete natürlich danach, dessen 5 starke Linienschiffe seiner weiter anwachsenden Armada hinzuzufügen: Immerhin verfügte allein Allemands Flaggschiff MAJESTEUX über 120 Kanonen, dazu kamen die 74-Kanonen-Linienschiffe JEMMAPPES, LION, SUFFREN und MAGNANIME. Villeneuve schickte also eines seiner Schiffe mit einem seiner zuverlässigsten Kapitäne auf die Suche nach Allemand.

Die DIDON (44) unter dem Kommando von Kapitän Pierre-Bernhard Milius war eine große Fregatte von rund 1100 Tonnen, hatte 330 Mann Besatzung und trug 46 Geschütze, hatte also zwei Geschütze mehr an Bord als ihre Erbauer vorgesehen hatten. Villeneuves Wahl war vermutlich auf dieses Schiff gefallen, weil sie seine schnellste Fregatte war und weil Milius als außerordentlich zuverlässig und nautisch beschlagen galt - ein hohes nautisches Niveau war in der militärischen Seefahrt bei Offizieren nicht immer zwingend der Fall 2.

Während Villeneuve also am 5. August Milius aussandte, um Allemands Geschwader zu suchen und zu seiner Flotte zu lenken, traf die britische Fregatte AEOLUS (32) unter Lord William Fitz-Roy - in Unkenntnis der Rückkehr von Villeneuves Flotte - in den frühen Morgenstunden, rund 220 km nördlich vor Kap Ortegal, auf Allemands Geschwader. Von der AEOLUS aus konnten die Briten beobachten, wie ein Linienschiff ein britisches Handelsschiff aufbrachte und schließlich verbrannte. Im Hintergrund dieser Aktion konnte man die anderen Schiffe des französischen Geschwaders ausmachen. Der schriftliche Auftrag Fitz-Roys erwähnte neben der Überstellung von Depeschen auch die Erkundung und ggf. Verfolgung namentlich der Flotten von Allemand oder auch Villeneuve, den die Briten aus der Karibik zurück erwarteten. Lord William versuchte auch, Allemands Schiffe in Sicht zu behalten, wurde aber in den Nachmittagsstunden abgehängt - er blieb damit für lange Zeit das letzte britische Kriegsschiff, das das Rochefort-Geschwader - später auch als "unsichtbares Geschwader" bezeichnet - zu Gesicht bekam.

Wie der Zufall es wollte, traf dann zwei Tage später die AEOLUS 50 Meilen nordwestlich von Kap Finisterre auf die DIDON, die dort auf der Suche nach Allemand kreuzte. Die nun folgende Handlungsweise des Kommandanten der AEOLUS war später umstritten und hat möglicherweise dazu beigetragen, daß die späteren Verdienste der PHOENIX und ihres Kapitäns nie angemessen belohnt wurden. Lord William Fitz-Roy wich der Konfrontation mit der stärker bestückten französischen Fregatte aus. Er rechtfertigte sich später, er habe schließlich wichtige Nachrichten an Bord gehabt und deswegen dieses Risiko meiden müßen. Seine Handlungsweise zog aber offensichtlich nur wegen seiner guten Beziehungen keine kriegsgerichtliche Untersuchung nach sich, denn die "wichtigen Nachrichten" erwiesen sich lediglich als die übliche Post zwischen Admiralen. Was der Lord damals natürlich nicht wissen konnte: Hätte die AEOLUS die DIDON verfolgt, wäre es unwahrscheinlich gewesen, daß sich der pflichtbewußte Milius in diesem Fall unmittelbar auf einen Kampf eingelassen hätte. Denn Milius hatte tatsächlich wichtige Nachrichten für Allemand an Bord: Den Treffpunkt mit Villeneuves Flotte ! Doch die beiden verfeindeten Fregatten segelten ihre divergierenden Wege - allein das die DIDON ihn nicht verfolgte, hätte den Lord aber schon innehalten lassen müßen.

Ungefähr zur gleichen Zeit begegnete die britische Fregatte PHOENIX (36) unter Kapitän Thomas Baker nicht weit entfernt einem aus Bordeaux kommenden amerikanischen Handelsschiff. Der amerikanische Kommandant kam an Bord der PHOENIX, um seine Papiere zu präsentieren und wurde dort von Baker persönlich und überaus herzlich empfangen. Der englische Kapitän - immer um Informationen bemüht - erkannnte schnell den Schlüssel zum Sprachzentrum seines Gastes, der ein Liebhaber von Spirituosen war, spendete aus seinem eigenen Vorrat und führte den Amerikaner sogar durch das Schiff.

Ohne Zweifel behielt dieser den Ausflug auf die britische Fregatte in guter Erinnerung oder half den Engländern aus anderen, unbekannten Motiven, denn als das amerikanische Schiff 36 Stunden später, am 10. August 1805, auf die DIDON traf, vergalt er Baker dessen Gastfreundschaft mit einer offensichtlich gezielten Fehlinformation gegenüber Milius. Der Amerikaner erzählte dem französischen Kapitän, daß die just zu diesem Zeitpunkt an der Kimm erscheinenden Segel der PHOENIX einer großen englischen Zwanzigkanonensloop gehörten, deren Kommandant so von sich und seinem Schiff eingenommen sei, daß er wahrscheinlich selbst die überlegene DIDON angehen würde. Auf Distanz konnte der Anblick der zierlichen Achtzehnpfünderfregatte den amerikanischen Kapitän auch nicht Lügen strafen.

 Kapitän Kelso im Kampf mit dem Linienschiff Lyon

Kapitän Kelso im Kampf mit dem Linienschiff Lyon
von James Dillon White
Sprache: Deutsch
Broschiert - 251 Seiten - Ullstein Tb
Kapitän Kelso soll mit seiner Fregatte PARAGON im Auftrag der Ostindischen Handelskompanie weitere Stützpunkte in Indien errichten. Unterwegs kommt es zum Gefecht mit dem überlegenen Linienschiff LYON, doch Kelso kann sich mit knapper Not in einen Hafen retten. Die Lyon hat jedoch denselben Weg wie Kelso..


DIDON (44) versus PHOENIX (36)

Milius mußte das Gefecht tatsächlich nicht suchen, die britische "Sloop" näherte sich ohnehin und schien ihm in verhängnisvoller Selbstüberschätzung in die Arme zu laufen. Der pflichtbewußte französische Kapitän wäre dem Gefecht mit einer britischen Fregatte vielleicht erneut aus dem Weg gegangen, um seinen Auftrag nicht zu gefährden oder auch nur zu verzögern. Ein Duell mit einer Zwanzigkanonenkorvette dagegen betrachtete er offensichtlich als akzeptablen Zeitverlust. Das die PHOENIX zierlich gebaut war, hielt die Täuschung durch den Amerikaners lange aufrecht.

Thomas Baker von der PHOENIX hatte bereits um 5:00 im Morgengrauen die Meldung über Segel am Horizont bekommen. Anders als Lord William Fitz-Roy stellte er seinen Auftrag zurück und steuerte die gesichteten Schiffe an. Je mehr er sich näherte, desto gewisser wurde es für Baker, daß die PHOENIX auf eine feindliche Fregatte gestoßen war. Dies konnte immerhin eine der Beobachtungsfregatten Allemands oder Villeneuves - was ja tatsächlich der Fall war - sein, mit der Flotte im Hintergrund achteraus - im Grunde genommen war dies sogar wahrscheinlicher als ein französischer Einzelgänger. Schon aus diesem Grunde fühlte Baker sich verpflichtet, sich so schnell wie möglich anzunähern.
Erst um ca. 7:30 muß Baker dann klar gewesen sein, daß die DIDON allein auf See war - eine Feststellung, auf die der Kommandant der AEOLUS zuvor verzichtet hatte.

Der Kapitän der PHOENIX mußte sich nun entscheiden, ob er die DIDON verfolgen, lediglich beobachten oder wieder abdrehen sollte. Dabei spielte möglichweise folgende Rechnung eine Rolle:
Die PHOENIX, eine Fregatte von rund 900 Tonnen, hatte eine Besatzung von 260 Seeleuten und Seesoldaten gegenüber 330 Franzosen an Bord der DIDON . Die britische Fregatte war mit 26 kurzrohrigen Achtzehnpfünderkanonen, 12 Zweiunddreissigpfünderkarronaden und 4 langen Neunpfünderkanonen bewaffnet 3.
Die DIDON verfügte ebenfalls über 26 allerdings lange und deswegen mit größere Reichweite ausgestattete Achtzehnpfünder, hatte daneben noch 10 lange Achtpfünderkanonen an Bord, konnte aber im Nahkampf lediglich 4 Sechsunddreissigpfünderkarronaden zum Tragen bringen. Damit war die DIDON auf längere und mittlere Reichweite deutlich überlegen, jedoch trugen die schneller zu ladenden britischen Achtzehnpfündern und die Überzahl bei den Karronaden im Nahkampf eher zu einem britischen Vorteil bei.
Die französische Fregatte andererseits war nicht nur das größere und schwerere, sondern auch sichtlich das schnellere Schiff. Anders als Lord William Fitz-Roy von der AEOLUS entschied sich Baker jedoch, die französische Fregatte anzugreifen - ein recht großes Risiko, weil er als auf Distanz Unterlegener offensichtlich das Gefecht erzwingen mußte und dabei unter schweres Feuer geraten würde.

Schlag um Schlag näherte sich die PHOENIX der DIDON, die schließlich um ca. 8:00 die französische Flagge hißte und einen ersten Kanonenschuß abfeuerte, der sowohl dem englischen Kapitän die angenommene Herausforderung signalisierte als auch die Schußentfernung prüfte.
Wegen des leichten Windes - bei dunstigem Wetter - dauerte es jedoch fast eine Stunde, bis die DIDON die PHOENIX auf größere Distanz, dafür dann aber gezielt unter Feuer nehmen konnte. Schnell sorgten die ersten französischen Treffer für empfindliche Schäden in der Takelage des Briten. Um sich möglichst wenig dem Feuer der DIDON auszusetzen und hinter den Feind zu kommen, unternahm Baker nun zunächst den Versuch, sich in einem Bogen dem Feind zu nähern, um möglichst wenig in den Bereich der drohende Breitseiten zu geraten. Damit dauerte die Annäherung zwar länger, die Briten konnten aber so dem französischen Beschuß besser ausweichen.
Doch Kapitän Milius ließ sich seinen Vorteil nicht nehmen: Er wendete jeweils im Moment der größten Annäherung des Briten, "schnitt" dessen Bogen und jagte dem Gegner die Breitseiten frontal in den Bug - zwar war die Entfernung noch recht groß, aber die Wirkung dieses Beschußes schließlich doch recht empfindlich. Der so ausmanövrierte Baker entschied sich schließlich für den direkten Kurs und setzte jeden Fetzen Segel, mußte dafür aber weitere Breitseiten in Kauf nehmen.

Duell zweier Fregatten

Als die PHOENIX schließlich auf Parallelkurs mit der DIDON lag, näherten sich die Schiffe unter dem Austausch von Breitseiten bis auf Pistolenschußweite. Die britische Fregatte hatte bereits einigen Schaden in der Takelage hinnehmen müßen und konnte deswegen nicht mehr schnell genug reagieren, als die DIDON aus dem Wind ging, Fahrt verlor und so hinter ihren Gegner gelangte. Zwar fiel die PHOENIX auch ab, doch die DIDON brachte sich sofort wieder an den Wind und kam nun hinter das Heck des Briten, der mit seiner demolierten Takelage einfach nicht mehr mithalten konnte.
Kapitän Baker, der sah, was nun kommen mußte, befahl seinen Männern, sich zwischen ihren Kanonen hinzulegen 4, um vor der nächsten und nicht zu vergeltenden feindlichen Breitseite optimal geschützt zu sein. Die französische Fregatte jagte der PHOENIX eine Breitseite in das verwundbare Heck und legte bereits erneut das Ruder, um dieses Manöver bei einem weiteren Schlag zu wiederholen. Den Seeleuten der PHOENIX gelang es jedoch, die Segel ihrer demolierten Takelage soweit klar zu kriegen, daß Baker die Leinwand brassen lassen konnte und so - indem man nun die Segel back stellte - bremste die PHOENIX ihre Fahrt und die DIDDON kam nicht mehr rechtzeitig hinter ihrem Heck herum. Sie rammte mit ihrem Backbordbug das Steuerbordheck der britischen Fregatte. Dabei beschädigte das französische Schiff gleichzeitig den eigenen Bugsprit, setzte sich aber vorerst fest, was sich zunächst auch als vorteilhaft erwies.
Da beide Schiffe sozusagen in einer Linie lagen, konnten sie ihre Breitseiten nicht mehr zum Tragen bringen. Allein eine der französischen 36-Pfünderkarronaden auf dem Vorderdeck fand noch feindliche Ziele. Mit der Unterstützung dieses Geschützes und des Feuers der Seesoldaten versuchte Milius nun zunächst über den Bug die PHOENIX zu entern, wurde aber zurückgeschlagen.


Broadsides: The Age of Fighting Sail, 1775-1815
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Daraufhin verlegten sich die Franzosen wieder auf Geschütz- und Musketenfeuer, während die Briten sich bemühten, im Feuer des Gegners einen Achtzehnpfünder an den Heckfenstern in Stellung zu bringen. Kapitän Baker hatte nämlich glücklicherweise - was zu dieser Zeit zwar gegen die Vorschriften der Navy, aber nicht unüblich war - bei Antritt seines Kommandos entsprechende Pforten in das Heck schneiden lassen, um für den Fall eines Jagdgefechts besser gerüstet zu sein. Nun zerrte man unter Bakers persönlicher Anleitung die Kanone an die Heckfenster, um sie auf die DIDON zu richten.
Dies gelang den Briten schließlich unter nicht geringen Verlusten, doch bevor sie den ersten Schuß abgeben konnten, hätten sie fast ihren Kapitän verloren. Ein französischer Seesoldat am gebrochenen Bugspriet der DIDON legte auf Baker an. Dies sah jedoch der Fähnrich Edward Phillips und stieß seinen Kommandanten zur Seite, so das die feindliche Kugel nur dessen Kragen streifte. Der Fehlschuß kostete dem Schützen das Leben, weil er sofort von allen britischen Seeleuten- und -soldaten, die auf dieses Geschehen aufmerksam wurden oder es sahen, unter Feuer genommen wurde.
Mehr Glück als der unglückliche Franzose hatte ein weiterer englischer Fähnrich, Edward B. Curling, der offensichtlich so cool war, während des Gefechtes eine Orange zu essen. Eine Musketenkugel oder ein anderes relativ regelmäßiges Geschoß traf ihn in die Wange und trat durch die andere Wange wieder aus, ohne das auch nur der Kiefer und/ oder die Zähne verletzt wurden. Der Fähnrich behielt am Ende lediglich zwei "Grübchen" zurück. Milius´ Erster Offizier dagegen wurde von einer der ersten Ladungen des nunmehr in Stellung gebrachten britischen Achtzehnpfünder enthauptet.

Das Feuer dieses Geschützes neigte nun die Waage zugunsten der PHOENIX, so daß die Position der DIDON höchst unvorteilhaft wurde. Die Geschoße des Achtzehnpfünders, die über den Bug der DIDON hinweg die französische Fregatte der Länge nach durchschlugen, sorgten für schwere Schäden und machten wohl auch die 36-Pfünderkarronade unbrauchbar, möglicherweise demontierten sie auch einen Achtzehnpfünder auf der Backbordseite.
Milius hielt nun von der PHOENIX ab und löste sich langsam von deren Heck, während die DIDON allerdings durch ihren Vortrieb einige harte Treffer unvergolten einstecken mußte. Durch das Manöver geriet sie nämlich nach und nach in den Schußbereich der jeweils auf Höhe ihres Bugs stehenden britischen Steuerbordgeschütze, konnte aber schließlich auch selbst wieder ihre Breiteseite gebrauchen. In diesem Nahkampf erwies sich allerdings nun die PHOENIX zumindest als gleichwertiger Gegner wenn nicht sogar als das wirkungsvolleres Schiff, sei es wegen der Schäden auf der DIDON, sei es wegen der schnelleren Ladezeit bei den kurzläufigen Achtzehnpfündern. Die beiden Fregatten demolierten sich gegenseitig vor allem die Takelage und schoßen sich die Stengen weg, bis die Manövriereigenschaften beider Schiffe soweit eingeschränkt wurden, das sie nach und nach auseinandertrieben und schließlich das Duell abbrechen mußten.

Baker und Milius trieben ihre Leute an, die Schäden möglichst schnell zu beseitigen, denn Sieger der Schlacht würde in jedem Fall das Schiff werden, das zuerst wieder richtig steuern konnte.
Auf französischer Seite mußte man jedoch nicht nur feststellen, daß der Vormast des Schiffes nicht mehr zu halten war und ihn über Bord werfen, auch der Hauptmast ließ sich einfach nicht mehr stabilisieren. Daneben hatten die DIDON wie auch die PHOENIX Rahen an all ihren Masten eingebüßt.

Am Ende erwiesen sich die Schäden auf der englischen Fregatte als geringer, Baker bekam sein Schiff schneller wieder flott und lief ungefähr um 12:00 am Mittag die noch immer fast hilflos im Wasser liegende DIDON an. Dem unglücklichen Milius blieb nichts anderes übrig, als die französische Flagge einzuholen. Einmal mehr wurde ein Duell zweier Segelschiffe sowohl von den handwerklichen wie auch den militärischen Fähigkeiten ihrer Besatzungen, vor allem aber auch durch das Trefferglück entschieden.

Napoleons gefallenen Göttinnen
SEESCHLACHT.TK - Das Buch

Napoleons gefallene Göttinnen
Die Geschichte der französischen MINERVE-Fregatten

von Thomas Siebe
Sprache: Deutsch
Paperback - 349 Seiten - BoD - ISBN 978-3-8391-0218-3
Erscheinungsdatum: Mai 2009

Die PHOENIX hatte 12 Tote und 28 Verletzte zu beklagen, auf der DIDON wurden 27 Mann getötet, 44 französische Besatzungsmitglieder waren verletzt worden. Auch Kapitän Milius war unter den Verletzten, erholte sich aber später von seiner Verwundung. Weder ihm noch seiner Besatzung konnte man diese Niederlage zuschreiben, die Männer von der DIDON hatten einfach Pech gehabt und hätten an diesem Tag durch eine lediglich winzige Laune des Zufalls auch als Sieger hervorgehen können.
Die Besatzung der PHOENIX hatte viel Mühe, die Schiffe wieder instandzusetzen. Insbesondere die DIDON war schwer getroffen worden. Den instabilen Hauptmast des französischen Schiffes, der letztlich die Entscheidung gebracht hatte, mußten die britischen Arbeitsgruppen tatsächlich niederlegen und durch einen Notmast ersetzen. Dann ließ Baker die DIDON in Schlepp nehmen und versuchte, einen englischen Hafen zu erreichen.

Gefährliche Heimreise

Vier Tage später, am Abend des 14. August 1805, trafen die beiden Fregatten 45 Meilen vor Kap Ortegal - offensichtlich ein schicksalhafter geographischer Punkt - auf das englische Linienschiff DRAGON (74 - Edward Griffith), daß am 22. Juli in der Flotte Calders vor Kap Finisterre gegen Villeneuves Flotte gekämpft hatte und zuletzt in der Blockade vor Ferrol gesegelt war, wo Villeneuve inzwischen 29 Linienschiffe zusammengezogen hatte. Baker übergab eine Reihe unverwundeter Gefangener an Griffith, da seine Besatzung mit der Bewachung der zahlenmäßig überlegenen Franzosen bereits an die Grenzen ihrer Arbeitskapazität gelangt waren. Das Treffen mit der DRAGON erwies sich in doppelter Hinsicht als Glücksfall, denn Bakers Gefangenentransfer zerschlug möglicherweise die Pläne eines Aufstands der Gefangenen, wie sich erst später herausstellte, auch war es die DRAGON, die die PHOENIX am nächsten Morgen gerade rechtzeitig vor Villeneuves Flotte warnen konnte.

Am 11. August 1805 hatte sich Vizeadmiral Villeneuve nämlich entschlossen, Ferrol zu verlassen. Möglicherweise steuerte er zunächst den Punkt an, den er für das Treffen mit dem Geschwader von Allemand vorgesehen hatte. Ironischerweise bekam Villeneuves Flotte nun just das Schiff in Sicht, daß ihr die Fühlung mit dem Rochefort-Geschwader ermöglichen sollte. Und dieses Schiff wurde von einer englischen Fregatte geschleppt ! Einige französische Schiffe machten nun Jagd auf die beiden angeschlagenen Fregatten, doch die Warnung der DRAGON ermöglichte es Baker, zu entkommen, wenn auch sehr knapp. Bei Hereinbrechen der Dunkelheit hatten die Franzosen die PHOENIX und die DIDON fast erreicht und Baker wäre schon fast gezwungen gewesen, die DIDON loszuwerfen. Doch die hereinbrechende Nacht rettete die Briten, die französischen Kriegsschiffe drehten wieder ab.

Villeneuve traf niemals mit dem Geschwader von Allemand zusammen und verzichtete - zur Überraschung von Freund und Feind - auf den Angriff im Kanal, an dessen Ufern ein tobender Kaiser Napoleon mit seinen Truppen vergeblich wartete.
Was wäre wohl geschehen, wenn die DIDON im Duell gegen die PHOENIX gesiegt hätte oder Baker dem Kampf sogar ausgewichen wäre ? Möglicherweise wäre es Milius dann gelungen, Allemands erfolgreiches Geschwader doch noch zu finden und es zu Villeneuves Flotte zu führen. Und möglicherweise hätten 34 Linienschiffe Villeneuve mehr Mut gegeben, im Kanal anzugreifen. Möglicherweise...

Doch Villeneuve steuerte seine Flotte Richtung Cadiz und überraschte damit auch Baker, der bei seiner Flucht ebenfalls davon ausgegangen war, daß Villeneuve Richtung Brest segeln würde. Deswegen hatte der englische Kommandant nach seiner knapp geglückten Flucht seinen Kurs geändert und versuchte nun, Gibraltar anzusteuern.

In der Nacht des 18. August - ungefähr auf der Höhe von Lissabon - konnte man an Bord beider Fregatten Schiffsglocken und gelegentliche Kanonenschüsse von allen Seiten hören. Baker konnte es kaum fassen, er war diesmal praktisch mitten in der durch die Dunkelheit allerdings ziemlich zerstreuten französisch-spanischen Flotte gelandet. Vorsichtig setzte er sich segelkürzend weit nach Westen ab und erfuhr später bei einem Treffen mit der Villeneuve beobachtenden britischen Fregatte EURYALUS unter Kapitän Blackwood, daß er tatsächlich erneut mit Napoleons Flotte zusammengetroffen war. Ein letztes Mal änderte Baker nun den Kurs und steuerte wieder - sich weit westwärts haltend - einen englischen Hafen an. Am 3. Septemberr 1805 endlich erreichte er Plymouth, doch der siegreiche Kapitän hatte ausgesprochenes Pech.

 Die Seekriege, Seeschlachten und Zweikämpfe auf See zwischen 1775 und 1815
Die Seekriege, Seeschlachten und Zweikämpfe auf See zwischen 1775 und 1815

Unter anderen Umständen wäre die Ankunft einer erfolgreichen britischen Fregatte mit ihrer Beute sicherlich ein Triumphzug geworden, doch die Situation auf der englischen Insel war gespannt. Die Öffentlichkeit - in panischer Furcht vor einer Invasion Napoleons - hatte Calders Schlacht vor Kap Finisterre als Niederlage betrachtet und war bis zum 2. September im Ungewissen über den Verbleib von Villeneuves Flotte gewesen. Ausgerechnet Blackwood mit der EURYALUS - von Gibraltar kommend und die PHOENIX und DIDON überholend - hatte neue Nachrichten über Villeneuve nach England gebracht 5. Während der Ankunft Bakers verbreiteten sich gerade die Neuigkeiten, daß Villeneuve am 20. August in Cadiz eingelaufen war und Nelson, der am 14. August zurück in heimatliche Gewässer gelangt war und am 18. August wieder englischen Boden betreten hatte, nun auf dem Weg nach London war.

Großes Pech für den siegreichen Kapitän der PHOENIX, denn auch in den nächsten Tagen fragte ganz England, wann Nelson sich mit wem und welchen Schiffen auf den Weg nach Cadiz machen würde. Am 14. September ging Nelson an Bord der VICTORY und die Öffentlichkeit verfolgte seinen Weg nach Spanien in Zeitungartikel und Gerüchten. Kaum jemand nahm Notiz von Bakers Zweikampfsieg in der Biscaya und irgendwann war dann auch für die Öffentlichkeit der Zeitpunkt verpasst, diesen Erfolg annähernd angemessen zu würdigen. Baker blieb indessen nur übrig, die PHOENIX wieder instandzusetzen und seine nächsten Befehle abzuwarten - zu einem anderen Zeitpunkt hätte man ihn sicherlich zum Ritter geschlagen und hätte ihm ein Linienschiff gegeben.

Trafalgar

Während Kapitän Thomas Baker die PHOENIX überholen ließ, schien sich Villeneuve mit seiner Flotte in Cadiz eingerichtet zu haben. Doch Villeneuves Stunden als Flottenchef waren gezählt; bereits am 15. September hatte ein wütender 6 Napoleon mit Admiral Rosily-Mesros Villeneuves Nachfolger auf die Reise nach Cadiz geschickt, dabei nicht ahnend, daß er damit den noch amtierenden Oberbefehlshaber und seine Flotte sozusagen aus dem Hafen und damit in den Untergang trieb. Noch wurde Villeneuve von dem seit dem 29. September mit einer englischen Flotte vor Cadiz kreuzenden Lord Nelson in Bann gehalten - er machte keine Anstalten, Cadiz zu verlassen. Doch dann - Mitte Oktober - erfuhr Villeneuve von seinem anreisenden Nachfolger und begann plötzlich bei den sich noch sträubenden spanischen Kapitänen auf ein Auslaufen der Flotte zu drängen.

Während am 19. Oktober Kapitän Thomas Baker seine Abreise aus Plymouth vorbereitete, hatte die französisch-spanische Flotte in Spanien begonnen, trotz widriger Windverhältnisse den Hafen von Cadiz zu verlassen - Villeneuves Furcht vor der "Arbeitslosigkeit" überwog nun offensichtlich seinen "Nelson-Komplex". Der französische Admiral hoffte wahrscheinlich noch, einer Schlacht ausweichen zu können und seine Flotte in´s Mittelmeer zu führen.

Am 21. Oktober 1805, 12:00 stellte jedoch Lord Nelson Villeneuves Schlachtschiffe vor Kap Trafalgar und griff die französisch-spanische Schlachtlinie in zwei Säulen an, die Villeneuves Linie hinter der Vorhut und knapp vor der Nachhut durchstießen. Sinn des riskanten Manövers war es u.a., die Vorhut des Gegners für einen längeren Zeitraum vom Kampf auszuschließen.

 Eine ausführliche Schilderung der Schlacht von Trafalgar
Eine ausführliche Schilderung der Schlacht von Trafalgar

Die Vorhut unter dem Kommando von Konteradmiral Dumanoir Le Pelley wurde zunächst von einem verirrten britischen Linienschiff, der AFRICA unter Kapitän Henry Digby, angegriffen, die auf Gegenkurs die gesamte feindliche Vorhut absegelte und beschoß. Dabei richtete sie bemerkenswert viel Schaden an und schien Dumanoirs Schiffe zusätzlich abgelenkt zu haben. Denn durch Nelsons Manöver entfernte sich die Vorhut ohnehin vom eigentlichen Schlachtfeld und hatte später erhebliche Probleme, umzukehren und in die Schlacht einzugreifen.
Tatsächlich entwickelten sich die Dinge für Villeneuve im Zentrum seiner Schlachtlinie extrem schlecht, möglicherweise viel zu spät signalisierte er Dumanoir um Hilfe - vergeblich. Der Kommandant der Vorhut wollte oder konnte seinem Admiral nicht mehr zur Hilfe kommen und unterließ den Versuch, durch die britischen Linien zu brechen - Villeneuve mußte schließlich die Flagge streichen und kapitulieren. Am späten Nachmittag war die Schlacht von Trafalgar für die Franzosen verloren und die französischen und spanischen Schiffe, die es noch konnten, flüchteten nach Cadiz - es waren wenig genug. Auch Dumanoirs Geschwader - bestehend aus seinem Flaggschiff FORMIDABLE (80 - Jean-Marie Letellier) und aus den Linienschiffen SCIPION (74 - Charles Berrenger), MONT BLANC (74 - Jean-Noel La Villegris) und DUGUAY-TROUIN (74 - Claude Touffet) - setzte sich vom Feind ab, seinen Schiffen war der Weg nach Cadiz durch Nelsons Flotte jedoch verlegt.

Dumanoir Le Pelley stand aber bei Einbruch der Nacht gut in Luv zur britischen Flotte, hatte die offene See vor sich und konnte so zunächst die Schäden, die sein Geschwader - weitgehend durch den "Spießrutenlauf" der AFRICA -genommen hatte, soweit als möglich ausbessern. Besonders die FORMIDABLE hatte die Schlacht bereits mit einem Fuß Wasser in der Bilge eröffnet und dann zwei, drei offensichtlich besonders effektive britische Breitseiten von der AFRICA gefangen. Dadurch hatte die FORMIDABLE mindestens eines ihrer Zwölfpfündergeschütze irreparabel verloren. Der französische Konteradmiral mußte sich aber nun entscheiden, welchen Weg er nehmen sollte.

Dumanoir wählte als Ziel für seine vier Schiffe zunächst Toulon im Mittelmeer aus, bekam dann jedoch Kenntnis von einem Linienschiffgeschwader unter Konteradmiral Louis, das in der Straße von Gibraltar kreuzte und ihm damit den Weg verlegte. Die CANOPUS (80), QUEEN (74), ZEALOUS (74), TIGRE (74), SPENCER (74) und DONEGAL (80) hatten zum Zeitpunkt der Schlacht vor Trafalgar u.a. notwendige Wartungsarbeiten in Gibraltar ausführen lassen und hatten deswegen die Schlacht verpasst. Dumanoirs Geschwader wäre Louis wohl gerade recht gekommen7 und hätte wohl kaum eine Chance gegen diese Kampfgruppe gehabt. Deswegen zog der französische Geschwaderführer es vor, sein Heil im Norden zu suchen und einen Hafen an der Atlantikküste anzusteuern. Jedoch dauerte es bis zur Passage um das Kap St. Vincent herum bis zum 29. Oktober.

Konteradmiral Dumanoir Le Pelley
Dumanoir Le Pelley

Jagd auf Dumanoir

Ungefähr zum selben Zeitpunkt, also Ende Oktober, erreichten Thomas Baker auf der PHOENIX (36) ungefähr in Höhe der Scilly-Inseln Berichte von neutralen Schiffen über ein in oder vor der Biskaya kreuzendes französisches Geschwader. Der britische Kapitän war bereits einige Tage in See und hatte noch keinerlei Kenntnis von der Schlacht vor Kap Trafalgar geschweige denn von Dumanoirs Schiffen. Für Baker konnte es sich bei dem beschriebenen Geschwader also nur um die Schiffe des Konteradmiral Allemand handeln, die bekanntlich im Juli 1805 aus Rochefort ausgebrochen waren und seitdem die britische Handelsschifffahrt empfindlich störten 8. Gleich drei britische Geschwader waren auf die französischen Störenfriede angesetzt worden und jedes britische Schiff an der Atlantikküste war seitdem alarmiert. Nach wie vor war dieses Geschwader jedoch für die Briten - durch die Laune des Zufalls - unsichtbar wie ein Phantom geblieben. Baker, der mit versiegelten Befehlen einen bestimmten Punkt anlaufen sollte, öffnete nun die Siegel vorzeitig und nahm die offensichtlich präzisen Berichte über die französischen Linienschiffe zum Anlaß, seinen eigentlichen Auftrag zurückzustellen und sich auf eigene Faust auf die Suche nach Allemand Kampfgruppe zu machen. Er setzte Kurs auf die Biscaya, durchkreuzte sie und war am 2. November - vermutlich schon recht verzweifelt - bereits in der Höhe von Kap Finisterre, ohne die Royals französischer Linienschiffe zu Gesicht bekommen zu haben - ein dienstlicher Rüffel war wohl das Mindeste, was Baker im Falle der Erfolglosigkeit drohte, eine kriegsgerichtliche Untersuchung nicht ausgeschlossen.

Um 11:00 am Vormittag sichtete die Phoenix dann aber doch die Segel von 4 Linienschiffen und hatte eine Stunde später die Gewißheit, daß es sich um französische Schiffe handelte. Baker war jedoch statt auf Allemand auf das bei Trafalgar entkommene Geschwader von Dumanoir Le Pelley gestoßen, hielt die Schlachtschiffe aber natürlich für Allemands Gruppe - ein Irrtum, der sich erst nach der späteren Schlacht klärte.

Die Verfolgung Dumanoirs

Offensichtlich nahm Dumanoir nun die Jagd auf die britische Fregatte auf, denn sein Geschwader steuerte die PHOENIX direkt an. Möglicherweise hielt er die Fregatte für die Eskorte eines Konvois von Handelsschiffen. Baker indessen setzte Kurs auf Ferrol, weil er davon ausging, daß vor dem spanischen Hafen die Linienschiffe des Kommodore Strachan stehen müßten. Er hoffte, die Franzosen in die Reichweite von Strachans Linienschiffen locken zu können und stand schließlich am Nachmittag um 15:00 südöstlich von Dumanoir Le Pelley, als die PHOENIX vier weitere Linienschiffe südlich von ihrer Position sichtete. Um das verfolgende französische Geschwader näher an diese vermutlich britischen Schiffe heranzuführen, steuerte Baker nun stärker Richtung Südosten, doch nur wenig später entdeckte man auf Dumanoirs Schiffen die Segel im Süden und wendete sofort mit Kurs auf West-Nord-West. Baker, der einerseits den Gegner nicht aus den Augen verlieren wollte, andererseits trotz Kanonenschüssen und Signalen die Aufmerksamkeit der südlich stehenden Linienschiffe noch nicht erregt hatte, setzte einen neuen Kurs nach Südwesten, womit er vorerst sowohl Dumanoir im Auge behielt als sich auch dem südlichen Geschwader annäherte. Auf diesem schmalen Grat wandelte er - jeweils sorgfältig kurskorrigierend -- bis zum Abend, ohne daß er die südlich stehenden Schiffe trotz permanenter Bemühungen hätte kontaktieren können.

Zu diesem Zeitpunkt sichteten die englischen Fregatten BOADICEA(38 - John Maitland) und DRYAD ( 36 - Adam Drummond ) die französischen Schiffe in West-Nordwest von ihrer Position und steuerten sie an. Um 20:45 kamen die Fregatten in Bakers Blickfeld, während diese alsbald auch die südwestlich von ihnen stehenden Segel wahrnahmen und Raketen abschoßen. Für die PHOENIX war dies die Gelegenheit, nun den schmalen Grat zu verlassen und die südlich stehenden, vermutlich britischen Schiffe anzusteuern. Sie mußten von Dumanoirs Geschwader in Kenntnis gesetzt werden.

Es handelte sich tatsächlich um ein starkes englisches Geschwader unter Kommodore Sir Richard Strachan, bestehend aus den Linienschiffen CAESAR (80 - Sir Richard Strachan) , HERO (74 - Alan Hyde Gardner), NAMUR (74 - Lawrence William Halsted ), COURAGEUX (74 - Richard Lee ) und BELLONA (74 - Charles Duudley Pater) und den zwei Fregatten SANTA MARGARITA (36 - Wilson Rathborne ) und der bereits bekannten AEOLUS unter Lord William Fitz-Roy.

 Zweidecker Linienschiff
Ein Zweidecker mit 74 Kanonen, wie er vor Kap Ortegal zum Einsatz kam.

Endlich bekam die sich nähernde PHOENIX nun auch Kontakt , in diesem Fall mit dem den Verband anführenden Flaggschiff, der CAESAR. Baker informierte Strachan darüber, daß Allemands Geschwader von 4 Linienschiffen nordwestlich kreuze. Der britische Verband war jedoch über einen großen Raum verstreut, so daß Strachan den Kapitän der PHOENIX anweisen mußte, mit südöstlichen Kurs die anderen Schiffe des Verbandes zu informieren. Die CAESAR nahm derweil die Spur der Franzosen auf, keinen Moment zu früh. Denn die DRYAD und BOADICEA verloren um 22:45 zunächst den Sichtkontakt mit den Royals von Dumanoir und verloren schließlich auch die anderen britischen Schiffe aus den Augen - sie fanden später in Lee stehend keine der Parteien wieder. Der aufgehende Mond erwies sich zunächst als Verräter an den Franzosen, denn die CAESAR konnte die Formation der französischen Segel schon bald bequem ausmachen. Inzwischen schloßen sich die HERO, die COURAGEUX und die AEOLUS, von der PHOENIX initiiert, der Jagd an und hatten das Flaggschiff bis ca. 2:00 fast eingeholt, als sich die Sicht durch diesiges Wetter verschlechterte. Strachan ließ Segel kürzen, um auch dem Rest seines Geschwaders Gelegenheit zu geben, sich der Verfolgung anzuschließen.

Am Morgen des 3. November um 7:30 - die SANTA MARGARITA war inzwischen zum Verband um die CAESAR gestoßen - lag Kap Ortegal rund 35 Meilen in Richtung Ost Süd Ost, doch die französischen Schiffe waren nicht zu sehen. Dann klarte das Wetter auf und um 9:00 wurde Strachan durch die Rufe seines Ausgucks von der Ungewißheit erlöst: Nordöstlich der CAESAR, wenngleich noch weit entfernt, kreuzte das französische Geschwader. Sofort wurde auf den englischen Schiffen jedes verfügbare Segel gesetzt und die Jagd wieder aufgenommen. Um 11:00 konnte man achtern des Verbandes um die CAESAR auch die PHOENIX erkennen, die die NAMUR herangeführt hatte und nun mit großer Geschwindigkeit wieder Anschluß suchte. Hinter der NAMUR kam noch eine weitere britische Fregatte auf, die zufällig auf die PHOENIX gestoßen war: Die REVOLUTIONNAIRE (44) unter dem Kommando von Henry Hotham hatte ebenfalls jeden Fetzen im Wind, um die Schlacht nicht zu verpassen. Baker hatte also hervorragende Arbeit geleistet, selbst die zuvor weit abstehende BELLONA hatte einige Zeit noch Hoffnung gehabt, in die Jagd einzugreifen, konnte am Ende dann aber doch nicht mehr mithalten, verlor schließlich den Kontakt zum Geschwader und segelte auf einem falschen Kurs weiter.

Um ca. 15:00 war die schnelle SANTA MARGARITA das dem Gegner am nächsten stehende Schiff, während die britischen Linienschiffe nicht schnell genug aufholen konnten. Später stellte sich heraus, daß die FORMIDABLE - der schlechteste Segler in Dumanoirs Geschwader - einige Zwölfpfünderkanonen über Bord geworfen hatte und deswegen sogar schneller wurde als ihre 74-Kanonen-Kollegen.
Strachan beauftragte die inzwischen auf die Höhe der CAESAR wieder herangekommene PHOENIX, bis zur SANTA MARGARITA vorzustoßen und zusammen mit ihr die Fühlung zum französischen Geschwader sicher zu stellen. Außerdem legte er Baker nahe, die Flucht der französischen Schiffe irgendwie zu hemmen, womöglich durch Beschuß auf größere Distanz.

 Geheimauftrag Mauritius

Geheimauftrag Mauritius
von Patrick O'Brian
Sprache: Deutsch
Broschiert - 394 Seiten - Ullstein Tb
Erscheinungsdatum: September 2001
O'Brians Kapitän Jack Aubrey schifft sich auf der BOADICEA ein,
um die Eroberung von Mauritius und Reunion vorzubereiten.

Während der Nacht ergab sich aber für die beiden britischen Fregatten keine Möglichkeit eines Angriffs auf Distanz, immerhin wurden die französischen Schiffe durch wechselhafte Windverhältnisse aufgehalten, während die 15 bis 20 Meilen entfernten britischen Linienschiffe davon wohl nicht betroffen waren. In der Dämmerung des 4. November war nämlich die CAESAR - nach wie vor das führende englische Linienschiff - bis auf 6 Meilen an das Schlußschiff der französischen Linie, die SCIPION, herangekommen.
Um ca. 6:00 sah die SANTA MARGARITA ihre erste Chance, eben dieser SCIPION Knüppel zwischen die Beine zu werfen: Sie lief an und eröffnete auf große Distanz das Feuer, wurde jedoch zunächst von den Heckkanonen, dann von einer Breitseite des Linienschiffes ebenfalls wirkungsvoll unter Feuer genommen. Umgehend forderte der Beschuß Opfer und schwere Schäden auf Rathbornes Schiff. Die Fregatte hielt vorerst ab, doch die PHOENIX nahm ihre Stelle ein, vermied geschickt die Breitseite der SCIPION, die ihren Kurs wieder leicht geändert hatte, stieß vor und feuerte, während sie gleichzeitig wieder Segel kürzte und für die Heckkanonen des Franzosen ein schweres Ziel darstellte. Nach Bakers Vorbild kam auch der nächste Angriff der SANTA MARGARITA und obwohl der Schaden, den die Fregatten am Heck der SCIPION verursachten, wohl nicht entscheidend war, so verzögerten diese Angriffe doch die Flucht des französischen Geschwaders insgesamt - Dumanoir konnte die SCIPION kaum zurücklassen. Hinter der SANTA MARGARITA und der PHOENIX formierten sich schließlich die CAESAR, HERO und COURAGEUX in Schlachtlinie. Es war ungefähr gegen Mittag, als Dumanoir erkannte, daß die Schlacht unvermeidlich wurde und es besser war, sich dem Unvermeidlichen so schnell wie möglich zu stellen anstatt noch auf die Ankunft der NAMUR und der REVOLUTIONNAIRE zu warten, die bereits an der Kimm aufgetaucht waren - sie hatten in der Nacht besonders aufgeholt.

Die Schlacht vor Kap Ortegal

Dumanoir auf der FORMIDABLE ließ sein Geschwader halsen und formierte es zu einer Linie, mit der DUGUAY-TROUIN an der Spitze, nach ihr das Flaggschiff, dann die MONT-BLANC und am Schluß die SCIPION. Die aufkommenden englischen Linienschiffe gingen auf Parallelkurs und näherten sich der französischen Linie. Sie waren zunächst im Vorteil, weil sie sich ihre Gegner aussuchen konnten.
Strachan mit der führenden CAESAR beabsichtigte natürlich, zunächst die FORMIDABLE anzugehen, während Kapitän Gardner und Kapitän Lee MONT-BLANC und SCIPION angreifen sollten - so blieb die DUGUAY-TROUIN vorerst ohne Ziel und die temporäre Überzahl der Franzosen wirkungslos. Dabei wußte der Kommodore allerdings noch nicht, daß die FORMIDABLE nurmehr über 68 Geschütze verfügte.
Um 12:15 feuerte die CAESAR die erste Breitseite, die FORMIDABLE antwortete, die anderen Schiffe eröffneten eine Minute später das Feuer. Die Schlacht vor Kap Ortegal hatte begonnen.

Strachan befahl nun "close action" und die britischen Linienschiffe näherten sich annähernd bis auf Pistolenschußweite den französischen Schiffen. Kapitän Touffet von der führenden DUGUAY-TROUIN, der keinen Gegner fand, fiel ab, um der CAESAR vor den Bug zu laufen und sie der Länge nach zu beschießen. Doch die CAESAR folgte diesem Manöver und vermied so die französischen Breitseiten von Touffets Schiff . Aus irgendwelchen Gründen behielt die DUGUAY-TROUIN ihren neuen Kurs bei und geriet so vor die folgenden, schnell passierenden britischen Linienschiffe. Von der HERO wurde das französische Linienschiff fast gerammt, bekam aber im Passieren jedenfalls eine schwere Breitseite, ohne sich recht wehren zu können. Auch Lees Männer an den Kanonen der bislang passiven Breitseite jagten ihre Kugeln in das verirrte Schiff .
Dumanoir - in der Absicht, aus der Not Touffets eine Tugend zu machen - befahl nun seinen Schiffen, zu wenden, kam aber mit der FORMIDABLE nicht schnell genug herum, so das er von der MONT-BLANC überholt wurde. Letztere reihte sich hinter die wieder führende DUGUAY-TROUIN ein, während die SCIPION weiterhin das letzte Schiff der Linie blieb. Erneut kam es zum Austausch von Breitseiten zwischen den Linien. Wie schon bei Trafalgar war das englische Feuer mörderischer und forderte mehr Opfer unter den französischen Besatzungen als der französische Beschuß, der der französischen Seekriegsdoktrin getreu mehr auf die Takelage denn auf den Rumpf konzentriert war. Besonders die SCIPION und die FORMIDABLE hatten bereits schwer gelitten.


 DAS SCHIFF von Stephen Biesty, Richard Platt
DAS SCHIFF von Stephen Biesty, Richard Platt

Um 13:30, wahrscheinlich in der Erkenntnis, daß die Takelage der CAESAR stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, aber auch, daß es bereits schwere Verluste auf den französischen Schiffen gab, befahl Dumanoir erneut die Wende. Tatsächlich fiel die CAESAR nun aus der britischen Linie heraus, während HERO und COURAGEUX jedoch problemlos herumkamen. Die CAESAR konnte ihren Kollegen kaum folgen, die Schäden in Takelage und Tauwerk waren erheblich und mußten ausgebessert werden. Auch bekamen die französischen Schiffe nun Vorsprung vor den englischen Schiffen, doch in ihre gedachte Linie kreuzte nun die herangekommene NAMUR, während die französische Linie weiter von HERO und COURAGEUX verfolgt wurden. Daneben schoben sich auch britische Fregatten wie zum Beispiel die AEOLUS an die SCIPION, bei der Passage feindlicher Schiffe näher heran und riskierten die eine oder andere Breitseite aus relativ sicherer Position.

Die HERO holte schließlich um ca. 14:00 die SCIPION und die FORMIDABLE ein. Ihre Breitseiten erfassten zuerst die SCIPION und schossen ihr den Haupttoppmast weg, so daß sie aus dem Wind gehen mußte. Dann stürzte sich die HERO auf die inzwischen schwerfälliger manövrierende FORMIDABLE und begann das schwächer werdende Schiff zu bestreichen. Zwar versuchten DUGUAY-TROUIN und MONT-BLANC Dumanoirs Schiff zur Hilfe zu kommen, hatten aber nur sporadisch freies Schußfeld auf den Gegner der FORMIDABLE, weil die drei französischen Schiffe sich gegenseitig im Weg waren.

Die SCIPION wurde zur gleichen Zeit nicht nur von der COURAGEUX auf der einen Seite attackiert, auch die beiden Fregatten REVOLUTIONNAIRE und PHOENIX nutzten ihre eher zufällige Nähe, sich dem geschwächten feindlichen Linienschiff zu nähern und es zu beschießen.

Inzwischen griff die NAMUR nach langer Verfolgungsjagd endlich in die Schlacht ein und kam der HERO zur Hilfe. Sie fiel die inzwischen fast manövrierunfähige, aber keineswegs wehrlose FORMIDABLE auf deren anderer Seite an. Dumanoir, inzwischen selbst zweifach verwundet, konnte auch die inzwischen notdürftig getakelte CAESAR auf sich zukommen sehen, doch er gab noch nicht auf. Erbittert kämpften seine Leute weiter und erzielten wirkungsvolle Treffer auf der NAMUR. Die HERO nutzte indessen die Unterstützung durch Kapitän Halsted und die NAMUR, um nun die MONT-BLANC und DUGUAY-TROUIN anzugehen. Die mußten dem Angriff ausweichen und entfernten sich damit von ihrem Flaggschiff. Gegen 15:00 sah der französische Konteradmiral auf der FORMIDABLE keine Chance mehr - er hatte über 200 Ausfälle, war praktisch wehrlos und vom Rest seines Geschwaders abgeschnitten. Dazu näherte sich die CAESAR drohend seinem Schiff. So übergab Konteradmiral Dumanoir Le Pelley sein Schiff an die NAMUR.

Die MONT-BLANC und DUGUAY-TROUIN versuchten nun wenigstens die SCIPION zu retten, die schwer unter dem Beschuß der Fregatten und der COURAGEUX gelitten hatte, doch sie kamen um Minuten zu spät: Auch Kapitän Berrenger, ebenfalls verwundet, hatte die Fahne seines fast völlig entmasteten Schiffes bereits niedergeholt und das Schiff an die Kapitäne der beiden Fregatten, Baker und Hotham, übergeben. Wie auf der FORMIDABLE lagen auf den Decks des französischen Schiffes über 200 Tote und Verwundete, nur noch der angeschlagene Fockmast ragte aus dem Rumpf.

Zu spät erkannten die Kapitäne der verbliebenen französischen Schiffe, Lavillegris und Touffet, daß Hilfe nicht mehr möglich war und sie nun selbst in größter Gefahr waren, denn hinter ihnen stand immer noch die HERO und vor ihnen tauchte aus dem Pulverqualm plötzlich die schon abgeschriebene CAESAR auf. Tatsächlich war es für eine Flucht inzwischen zu spät: Der DUGUAY-TROUIN wurde der Weg von der HERO, dem an diesem Tag stärksten britischen Schiff, verlegt, die MONT-BLANC wurde von der CAESAR gestellt. Eine runde halbe Stunde Zweikampf reichten aus, die beiden französischen Schiffe niederzukämpfen, in diesen letzten 20 Minuten der Schlacht fielen noch Kapitän Touffet und rund 20 französische Seeleute. Auf beiden Schiffen gab es jeweils rund 150 Ausfälle - Tote und Verletzte. Um 15:40 schließlich hatte Kommodore Sir Richard Strachan die Schlacht vor Kap Ortegal gewonnen, die in den Annalen häufig als eher kleines Gefecht erscheint.

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Tatsächlich hatte das französische Geschwader nach der Schlacht 121 Tote und über 600 Verletzte zu beklagen, ein Indiz für den erbitterten Kampf, den die französischen Schiffe geliefert hatten. Auch standen auf allen vier Schiffen Dumanoirs am Ende gerade noch zwei Masten. Die Briten hatten typischerweise geringere Verluste an Leuten zu beklagen: Die HERO verzeichnete 10 Tote und 48 Verletzte, die CAESAR hatte 4 Tote und 25 Verwundete. Die NAMUR - nur im Kampf mit der FORMIDABLE (!) - verlor 4 Mann und hatte 7 weitere Ausfälle, auf der COURAGEUX gab es einen Toten und 13 Verletzte.
Auch auf den britischen Fregatten waren Verluste zu verzeichnen. Anders als bei Trafalgar hatten sie vor Kap Ortegal aktiv in den Kampf eingegriffen. REVOLUTIONNAIRE und PHOENIX hatten jeweils 2 Tote und ein halbes Dutzend Verwundete, SANTA MARGARITA beklagte einen Toten und Verwundete und die AEOLUS hatte ihre zwei Breitseiten auf die SCIPION mit 3 Verwundeten bezahlen müßen.

Die Schlacht vor Kap Ortegal war nach der Schlacht von Trafalgar aber ein weiterer Beleg dafür, daß im Jahre 1805 die britische Schiffsartillerie wesentlich wirkungsvoller war als die französische Ausrüstung. Dumanoir Le Pelley wie vor ihm Villeneuve verlor das Gefecht nicht durch taktische Fehler, seine Schiffe waren den britischen Kanonen und Karronaden schlicht unterlegen.
Möglicherweise waren die britischen Besatzungen wirklich besser trainiert, sie verfügten aber auch über Kanonen mit Feuersteinschloß, die ohne größere Verzögerung feuerten, während die französischen Seeleute noch mit Lunten hantierten und durch die Verzögerung des Schusses so manche Kugel im Wasser landete.
Vor allem aber verfügten die britischen Linienschiffe über mehr und großkalibrigere Karronaden, kurzläufige Kanonen mit geringer Reichweite, aber schrecklichen Ladungen, die ein Schiffsdeck mit einem Schuß völlig leerfegen konnten. So erklären sich die Mißverhältnisse in den Verlusten: 121 tote Franzosen gegenüber 24 toten Briten, 109 Verwundete auf britischer Seite gegenüber mehr als 600 Verletzten auf französischer Seite.
Kurz: Die Briten gewannen bei Trafalgar wie in der hier geschilderten Schlacht, weil sie technologisch überlegen waren.

Epilog

Die Briten brachten die zerschlagenen französischen Schiffe nach Plymouth - alle vier Schiffe wurden in die Navy übernommen und segelten später unter britischer Flagge 11. Übrigens mochte die Admiralität Bakers Sieg über die DIDON vergessen haben, die schnelle DIDON wurde jedoch nicht übersehen: Auch sie war umgehend von der Admiralität gekauft worden.
Ähnlich wie bei der Rückkehr der PHOENIX nach dem Duell mit der DIDON nahm man in England wenig Notiz von Strachans Sieg, der Sieg von Trafalgar, vor allem aber Nelsons Tod legte einen Schatten über den Triumph des Geschwaders.
Der Sieger der Schlacht, Sir Richard Strachan, wurde Konteradmiral - allerdings stand diese Beförderung schon vor Kap Ortegal fest. Immerhin durfte er sich 1806 über die Ritterschaft des Bath-Ordens und - wie alle beteiligten Offiziere - über den Dank des Parlaments freuen. Und wie es bei britischen Seesiegen üblich war 9 , wurden die Ersten Offiziere der Linienschiffe zum Commander befördert. Die Kommandanten der Fregatten gingen vorerst leer aus, erst 1815 bekamen sie alle - unabhängig von ihrer Beteiligung - eine Ehrenmedaille und wurden ebenfalls in den Bath-Orden aufgenommen. Vergleicht man die militärischen Verdienste von Thomas Baker und Lord William Fitz-Roy, so kommt man zu dem Schluß, daß diese Belohnung wenig Wert hatte.

Konteradmiral Dumanoir Le Pelley geriet verwundet in Kriegsgefangenschaft, kam aber nach seiner Genesung durch den üblichen Gefangenenaustausch schnell zurück nach Frankreich. Erst im Jahre 1809 gab es eine kriegsgerichtliche Untersuchung wegen seines Verhaltens vor Kap Trafalgar, daß jedoch von der Untersuchungskommisson 10 als ohne Tadel betrachtet wurde. Dagegen entdeckte man Fehler in Dumanoirs taktischem Verhalten vor Kap Ortegal. Zu lange habe er gewartet, bis er sich der Schlacht gestellt habe - so hätten die NAMUR und die REVOLUTIONNAIRE überhaupt erst eingreifen können. Der französische Konteradmiral akzeptierte diesen Spruch nicht und wurde bei einer zweiten Untersuchung dann völlig reingewaschen. Trotzdem bekam er hernach unter Napoleon eher weniger attraktive Kommandos wie z.B. 1811 über den Hafen Danzig - damit kam er immerhin besser weg als der arme Villeneuve. Im späteren royalistischen Frankreich machte Dumanoir Le Pelley dagegen 1819 als Vizeadmiral und Comte Karriere.

Die Schlacht von Kap Ortegal war einer der letzten entscheidenden Schläge gegen die französische Flotte und machte den Sieg bei Trafalgar erst vollkommen. So wie dieses Gefecht aber im Schatten des dramatischen Sieges von Trafalgar blieb, so blieb auch die Rolle der PHOENIX, ihres Kapitäns und ihrer Besatzung im Dunkel der Geschichte. Ihr glanzvoller Sieg über die DIDON verschwand beinahe in den Annalen 12 der britischen Flotte - vielleicht u.a. auch, weil ansonsten das Versagen eines anderen Offiziers zu offensichtlich geworden wäre. Auch die Rolle der Fregatte in den Ereignissen des Jahres 1805 wurde nur wenig gewürdigt. Thomas Baker kommandierte die PHOENIX noch bis 1807 und machte trotz der versagten Würdigung seiner Verdienste noch eine ganz ansehnliche Karriere in der Navy - verglichen mit anderen Kommandanten wurden ihm seine Verdienste aber schlecht gedankt.

Das "Phantomgeschwader" von Konteradmiral Allemand wurde von den Briten nie gestellt. Im Dezember 1805 kehrte Allemand mit seinen Schiffen wohlbehalten nach Frankreich zurück.


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Fußnoten

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1 = Spanien war formal erst seit Dezember 1804 im Krieg mit England, war aber von Frankreich praktisch abhängig geworden.

2 = Laut seinem Flaggkapitän Thomas Hardy soll Nelson auch keine nautische Leuchte gewesen sein. Von einem Admiral dieser Zeit - Lord Gambier - geht sogar das böse Gerücht, er sei völlig ohne nautische Kenntnisse ausgekommen.

3 = Die Zahl der Kanonen in Klammern hinter den Schiffsnamen geben meistens lediglich an, für wie viele Geschütze ein Schiff ausgelegt war. In der Regel hatten Kriegschiffe, inbesondere Fregatten und Linienschiffe, jedoch mehr Kanonen an Bord als die Schiffsbauer vorgesehen hatten. Bei den Linienschiffen zumindest wurden in Klammern auch nur die Kanonen, nicht die Karronaden (Kurzläufige leichte Geschütze mit geringer Reichweite, aber schrecklicher Wirkung) gezählt.

4 = Es war bei vernünftigen Kommandanten durchaus üblich, bei nicht zu beantwortenden Beschuß durch den Gegner ihre nicht anderweitig beschäftigten Männer zu veranlassen, optimalen Schutz z.B. vor Holzsplittern zu suchen. Es gab aber auch negative Gegenbeispiele, siehe das Beispiel der AFRICAINE

5 = Blackwood schien der Hermes der britischen Flotte zu sein, denn er überbrachte Nelson am 20. Oktober 1805 auch die Nachricht, daß Villeneuves Flotte aus Cadiz auslief.

6 = Möglicherweise vergaß der Kaiser Villeneuve sein Versäumnis im Kanal bis zu dessen geheimnisvollen Tod 1806 nicht. In einem Gasthaus in Rennes soll der aus englischer Gefangenschaft gerade entlassene Vizeadmiral sich das Leben genommen haben - mit mehreren Messerstichen in die Brust!

7 = Mit Louis segelten übrigens ausgerechnet einige Schlachtschiffe, die die Briten den Franzosen in den Jahren zuvor abgenommen hatten. Das Flaggschiff des Konteradmirals, die CANOPUS, war zum Beispiel einst die französische FRANKLIN, die bei Abukir 1798 verloren ging. Auch die TIGRE und die DONEGAL (früher: HOCHE) waren einst "Franzosen". Übrigens standen vor Kap Ortegal mit der COURAGEUX, der REVOLUTIONNAIRE und der SANTA MARGARITA Schiffe aus französischen Werften !

8 = Tatsächlich konnten die Berichte sich auch nur auf Allemands Schiffe beziehen, denn Dumanoir Le Pelley war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Biskaya. Ein Beispiel dafür, wie "eng" es in den Gewässern vor der iberischen Halbinsel zuging !

9 = Eine der wenigen Ausnahmen : Der Erste Offizier der PHOENIX blieb nach dem Sieg über die DIDON diesbezüglich unberücksichtigt. Ein weiteres Indiz dafür, daß ein gewisser Lord zum Schaden Bakers und seines 1. Leutnants Samuel Brown an gewisser Stelle Beziehungen bzw. Protektion hatte.

10 = Mitglieder dieser Untersuchungskomission waren übrigens u.a. Villeneuves Nachfolger Rosily und der Weltumsegler Bougainville.

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11 = Aus der FORMIDABLE wurde die BRAVE, die DUGUAY TROUIN wurde in IMPLACABLE umbenannt, die beiden anderen französischen Lineinschiffe behielten ihren Namen. Doch die SCIPION und die MONT-BLANC wurden nach ihrer Übernahme in die Navy nie eingesetzt.

12 = Apropos Verschwinden aus den Annalen und Allemand : Am 25. September 1805 eskortierte die CALCUTTA (50) einen Konvoi aus Handelsschiffen und traf westlich der Scilly-Inseln auf das Phantom-Geschwader von Konteradmiral Allemand. Die CALCUTTA deckte die Flucht des Konvois, mußte sich aber nach kurzem Gefecht der französischen MAGNANIME (74) geschlagen geben. Auch wenn die CALCUTTA "nur" ein umgerüsteter Ostindienfahrer war: Niederlage ist Niederlage, gerade weil die französischen Siege in dieser Ära rar waren. Diese Niederlage wurde in der englischen Presse der damaligen Zeit gar nicht erwähnt - möglicherweise aber aus denselben Gründen wie Bakers Sieg, der aber immerhin einige Zeilen wert war.


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