Koran (arabisch al-Quran: Lesung,
Vortrag), heilige Schrift des Islam. Nach muslimischem Glauben enthält der Koran eine
Reihe von Offenbarungen, die Allah an seinen Propheten Hz. Mohammed(sav.) zwischen 608 und
632 in Mekka und Medina richtete.
Die Zusammenstellung des Korans
Die Offenbarungen, die in Arabisch
erfolgten, sind nach allgemeiner Ansicht der Muslime Eingebungen des Engels Gabriel (Jibrail
oder Jibril). Diese wurden nach allgemeiner Auffassung zunächst nur mündlich
überliefert. Nach dem Tod Hz. Mohammed(sav.)`s 632 n. Chr. begannen seine Anhänger die Offenbarungen zu sammeln, bis sie schließlich
um 650 unter dem dritten Kalifat des Hz. Osman(ra.) zum Koran zusammengestellt wurden, der
in seiner Form heute noch gültig ist. Da Schriftarabisch gewöhnlich nur aus Konsonanten
besteht, nicht aber aus Vokalen, wurden letztere erst später in den Text eingefügt. Um
das 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung (4. Jahrhundert nach islamischer Zeitrechnung) gab es verschiedene
Lesarten" (d. h.
Schreibungen mit Vokalen) des anerkannten konsonantischen Textes, von denen sieben als
gleichwertig galten.
Form und Inhalt
Der Koran ist in 114 Abschnitte (Suren) eingeteilt, jede
davon mit einer eigenen Überschrift versehen. Die Abschnitte sind in Verse (ayets)
eingeteilt. Die Verseinteilung ist jünger als die Einteilung in Abschnitte und in den
verschiedenen Textausgaben nicht immer gleich. Die Länge des Korans entspricht ungefähr
der des Neuen Testaments. Die Abschnitte sind nicht chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer
Offenbarung an Mohammed angeordnet, sondern nach ihrer Länge. So besteht die zweite Sure
aus 287 Versen, wohingegen
die letzte Sure sechs Verse umfasst.
Der Koran ist in Reimprosa geschrieben und gilt als
das älteste arabische Prosawerk. Er besteht zum größten Teil aus Verordnungen und
Empfehlungen, Warnungen vor dem Ende der Welt und Ankündigungen des Jüngsten Gerichts.
Gleichzeitig enthält er Erzählungen von früheren Propheten, in die sowohl biblische als
auch jüdische und christliche Traditionen einflossen, wobei viele Einzelheiten der
Geschichten aus den jüdischen und christlichen Apokryphen stammen. Darüber hinaus
umfasst der Koran Regeln zum religiösen Leben sowie zu Heirat, Scheidung und
Erbangelegenheiten. Die grundlegende Botschaft des Korans ist, dass es nur einen Gott
gibt, der Schöpfer aller Dinge ist. Er ist ein gnädiger Gott, der immer wieder Propheten
zu den Menschen sendet. Diese treffen jedoch auf verstockte Menschen, die sie abweisen,
die Gott aber für ihr Verhalten bestraft.
Die Bedeutung des Korans und seine Auslegung
Der Koran, der als das von Hz. Mohammed(sav.) empfangene Wort Gottes angesehen wird, steht
im Zentrum des Islam und hat eine ähnliche Bedeutung wie die Thora für die Juden. Zur
traditionellen Erziehung gehört das Auswendiglernen von Textpassagen, die auch beim
täglichen Gebet rezitiert werden. Gleichzeitig bildet der Koran für die Muslime eine der
beiden Hauptquellen des islamischen Rechtes (die andere ist bei den Sunniten die Sunna
des Propheten, während bei den Schiiten die Urteile der Imame eine zusätzliche
Rechtsquelle darstellen). Ohne die ihn begleitende Tradition der Auslegung wäre vieles im
Koran unverständlich.
Die Auslegung des Korans (traditionell als tafsir
bezeichnet) ist ein Gebiet muslimischer Gelehrsamkeit, die seit den Tagen der Einführung
des Korans als der heiligen Schrift der Muslime bis auf den heutigen Tag praktiziert wird.
Das früheste bedeutende Werk eines Tafsir ist dasjenige des Al-Tabari
(gestorben 923). Dieses Werk ordnet den Versen des Korans verschiedene Auslegungen
früherer und zeitgenössischer Gelehrter in Bezug auf Vokalisierung, Grammatik,
Wortkunde, ethische und moralische Deutungen zu. Die verschiedenen Meinungen werden ohne
Kommentar wiedergegeben, obwohl Al-Tabari oft andeutet, welche er vorzieht.
Ein großer Teil der Auslegungen beschäftigt sich
mit den Anlässen der Offenbarungen". Die einzelnen Verse und Versgruppen
werden auf das Leben Hz. Mohammed(sav.)`s
bezogen. Diese gelten als Offenbarungen, die mit bestimmten Begebenheiten in seinem Leben
in Verbindung gebracht werden. Somit wird der Text so gedeutet, als habe er einen
unmittelbaren Bezug zum Leben Hz. Mohammed(sav.)`s, und sei daher gleichzeitig von universaler und zeitloser Bedeutung.
Nichtmuslimische Gelehrte vertraten die Auffassung,
dass es sich bei Einzelheiten aus dem Leben Hz.
Mohammed(sav.)`s um Ausschmückungen
bestimmter Koranverse handele, und zogen so Parallelen zum Midrasch, in der die
Erzählungen von biblischen Gestalten anhand von Geschichten veranschaulicht wurden.
Die traditionelle orthodoxe Auslegung spiegelte oft
Abweichungen und Entwicklungstendenzen im Islam wider. Die schiitische Auslegung
bestimmter Verse unterschied sich oft grundlegend von der sunnitischen; so findet sie in
den Koranversen Hinweise zum besonderen Status von Hz. Ali(ra.) und dem der Imame.
Heute interpretieren sowohl die Fortschrittlichen als auch die Fundamendalisten den Koran
in ihrem eigenem Sinne.
Der Koran in der muslimischen Theologie
In den theologischen Auseinandersetzungen des
frühen Islam, ob der Koran erschaffen oder ewig sei, setzte sich der Standpunkt durch,
dass die heilige Schrift unerschaffen und ewig sei. Dieser Standpunkt, der auch mit der
Autorität der Kalifen und der Religionsgelehrten (Ulema) zusammenhängt (siehe
Allah; Sunniten), wurde insbesondere von den Schiiten in Frage gestellt.
Übersetzungen
Die erste Übersetzung in eine europäische Sprache
war die lateinische Version des englischen Gelehrten Robert von Ketton 1143 auf
Geheiß von Petrus Venerabilis. Die erste englische Version erschien 1649 auf der
Grundlage einer früheren französischen Übersetzung. Die erste unmittelbare englische
Übersetzung aus dem Arabischen stammt von George Sale und erschien 1734. Heute
steht eine Vielzahl von verschiedenen Übersetzungen zur Verfügung.
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