Fluss in Vorderasien. Er
entspringt in der Türkei, fließt durch den Irak und mündet anschließend in den
Persischen Golf. Der Tigris befördert größere Wassermengen als der Euphrat, sein Nachbarfluss, mit dem zusammen der Tigris für die
Abgrenzung der frühen mesopotamischen Kulturen herangezogen wird. Seine durchschnittliche
Abflussmenge beträgt 1,25 Millionen Liter pro Sekunde; die Gesamtlänge des Tigris
liegt bei etwa 1 850 Kilometern. Sein Einzugsgebiet umfasst mehr als
375 000 Quadratkilometer. Der Tigris entsteht aus zwei Quellflüssen, die im
östlichen Hochland von Anatolien, im Südosten der Türkei entspringen. Ein Quellfluss
entspringt südlich des Hazarsees, der andere südwestlich des Vansees.
Beide vereinigen sich in Til zum Tigris, der noch das östlichste Teilstück der
syrisch-türkischen Grenze bildet. Anschließend durchfließt er den Irak. Er erhält auf
irakischem Gebiet Zufluss von mehreren im Zagrosgebirge entspringenden Flüssen. Bei
al-Qurnah im Süden des Irak fließen Tigris und Euphrat zusammen und bilden den
193 Kilometer langen Schatt el Arab. Entlang des Laufes des Tigris befinden sich die
Städte Diyarbakir (Türkei), Al Mawsil, Tikrit, Samarra und Bagdad (alle im Irak).
Der Tigris hat zwar viele flache Stellen und verläuft durch von Schiffen
schwer zu befahrende Stellen, aber einige Schiffe können einen Großteil seines Laufes
befahren. Für kleine Flussschiffe ist er bis Bagdad schiffbar. Der größte Teil des
Gebiets im Irak zwischen Euphrat und Tigris zählte zu Mesopotamien (Zwischenstromland),
einem der frühesten Zivilisationszentren in Vorderasien. Die Ruinen der alten Stadt
Ninive (gegenüber von Al Mawsil) befinden sich am Ufer des Tigris.
Die größten Wassermengen befördert der Tigris zwischen März und Mai.
Sie setzen sich aus dem Schmelzwasser der Gebirge und den Regenfällen zum Winterende und
zum Frühlingsanfang zusammen. Diese Wassermassen steuern mehr als die Hälfte zum
jährlichen Abfluss bei und führen oft zu verheerenden Überschwemmungen. Der in den
fünfziger Jahren erbaute Staudamm in Samarra ermöglichte die Ableitung von Tigriswasser
in die Senke des Wadi Tharthar. Diese Maßnahme verbesserte zwar den Hochwasserschutz und
trägt zur Kontrollierung der Abflussmenge bei, aber sie erbrachte nicht den
landwirtschaftlichen Nutzen, den man von der nun erweiterten Möglichkeit des
Bewässerungsfeldbaus erwartet hatte. Niedrigwasser gibt es erfahrungsgemäß von August
bis Oktober. In der Vergangenheit beförderte der Tigris riesige Mengen von Schlamm zum
Schatt el Arab und trug zur Erweiterung von dessen Delta in den Persischen Golf bei.
Maßnahmen zum Hochwasserschutz und der Bau von Dämmen an den wichtigsten Nebenflüssen
haben die Schlammablagerungen im Unterlauf und im Schatt el Arab vermindert. Die
Vergrößerung der bewässerten Flächen im südlichen Irak hat zu einer Verschlechterung
der Bodenqualität geführt, da ein erhöhter Grundwasserspiegel und das nun geringere
Ausmaß von Ablagerungen fruchtbaren Schlammes ihren Tribut fordern. Die Abhängigkeit von
der Wasserführung des Tigris wird sogar noch stärker werden, da die Türkei und Syrien
in zunehmenden Maße Wasser vom Euphrat ableiten und die Wasserversorgung im Irak dadurch
noch schwieriger wird.