Die übrigen Projektile
Mumia Abu-Jamals Revolver enthielt 5 leere Patronenhülsen. Wenn die Darstellung der Anklage zutrifft, hat er alle Patronen am Tatort abgefeuert. Einige hat er abgefeuert während er auf Daniel Faulkner zulief, die anderen hat er gegen den am Boden liegenden Polizisten benutzt. Die gefundenen Projektile und Fragmente ermöglichen keine genaue Bestimmung der Anzahl der Schüsse.
In der Nähe des Eingangs von Locust-Straße 1234 sind die Reste von wahrscheinlich zwei oder eventuell auch drei Schüssen zu finden. Eine Kugel steckte im Rahmen der Eingangstür. Ein Fragment wurde im Inneren des Gebäudes gefunden. Zusätzlich wies das Glas der Eingangstür eine Schußöffnung im rechten oberen Bereich auf. Fragment und Öffnung gehören scheinbar zusammen. Gut einen Meter rechts von der Eingangstür war in 17 cm Höhe ein grauer Fleck in der Wand sichtbar. Eine Untersuchung zeigte, daß der Fleck Bleispuren enthielt. In der Nähe dieses Flecks wurden am Boden liegende Bleifragmente entdeckt.[1] Ob der Fleck und die Fragmente zu einem oder zu zwei Projektilen gehören, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Aufgrund der Nähe dieser Spuren kann es sich um die Überreste eines einzigen Projektils handeln. Dieses Projektil oder diese Projektile sind wahrscheinlich bereits zersplittert, bevor die Fragmente die Wand erreicht haben. Danach hat eines der Fragmente die Glasscheibe durchschlagen, ein weiteres hat die Markierung an der Hauswand hinterlassen und die übrigen blieben in der Nähe der Wand am Boden liegen. Es ist unwahrscheinlich aber nicht unmöglich, daß ein ganzes Projektil die Markierung auf der Wand hinterlassen hat und dabei zersplittert ist. Ein ganzes Projektil hätte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur einen grauen Fleck, sondern auch eine deutliche Einschußkerbe hinterlassen. Wenn es doch so war, kann das Fragment innerhalb des Gebäudeeingangs jedoch kaum von diesem Projektil stammen, sondern müßte Teil eines dritten Projektils sein.[2]
Gemeinsam mit den an Daniel Faulkner sichtbaren Einschüssen können diese Projektile insgesamt 3 bis 5 Schüsse belegen. Eine genauere Aussage kann nicht gemacht werden, da es zu viele mögliche Varianten gibt. Ein Projektil steckte im Kopf des Polizisten. Ein Schuß traf ihn im oberen Rückenbereich. Der Schußkanal verlief von oben nach unten. Dieses Projektil könnte beim Aufprall auf den Boden zersplittert sein und die Fragmente sowie die Markierung an der Hauswand verursacht haben. Dieses Projektil könnte aber auch verloren gegangen sein. Es könnte auch sein, daß dies dasselbe Projektil war, welches in der Tür gefunden wurde. Aufgrund des Schußkanals müßte es in diesem Fall zuvor auf dem Boden aufgeschlagen und abgeprallt sein. Der Durchschuß durch den Kragenjacken könnte entstanden sein, als Daniel Faulkner noch stand. Eventuell blieb dasselbe Projektil danach in der Eingangstür stecken. Dieser Durchschuß könnte aber auch entstanden sein, als Daniel Faulkner bereits am Boden lag.
Wenn man alle Schüsse extra zählt, könnte man sogar zu maximal 6 Schüssen gelangen. Drei davon trafen das Gebäude und drei weitere trafen Daniel Faulkner. Schon diese Zählung ist sehr unsicher. Weder steht fest, daß die Fragmente im oder in der Nähe des Gebäudes tatsächlich zu drei Projektilen gehören, noch kann man ausschließen, daß zumindest eines dieser Projektile zuvor Daniel Faulkner getroffen hat. Aufgrund der geringen Entfernung des Tatorts zum Fundort in der Nähe des Gebäudes ist es ohne große Probleme möglich, daß ein Projektil zuerst Daniel Faulkner und danach das Gebäude getroffen hat.
In einem Aufsatz von einer Unterstützerin Mumia Abu-Jamals fand ich die Behauptung, die Beweise würden sogar auf 8 Schüsse hindeuten, welche auf den Polizisten abgegeben wurden.[3] Diese Zählung basiert auf der Annahme, daß sich die Tat im Bereich vor dem Volkswagen William Cooks zugetragen hat. Diese Behauptung wird nur von William Cooks eidesstattlicher Erklärung unterstützt. Die als Begründung angeführten Blutspuren vor dem Volkswagen können auch während des Abtransports Mumia Abu-Jamals entstanden sein und können nicht ernsthaft als Beweis bezeichnet werden. Unter der Annahme, daß sich die Tat vor dem Volkswagen abgespielt hat, behauptet die Autorin, die Projektilspuren in der Nähe des Eingangs von Locust-Straße 1234 müssen zu drei separaten Schüssen gehören, da sie vom Tatort zu weit entfernt sind. Danach zählt sie noch drei weitere Schüsse, die der Täter auf den am Boden liegenden Polizisten abgegeben hat, die aber ihr Ziel verfehlt haben. Den Durchschuß durch den Jackenkragen zählt sie nicht mit. Zusammen mit den Treffern in Kopf und Rücken ergibt dies 8 Schüsse. Für die 3 zusätzlichen Schüsse auf Daniel Faulkners Kopf führt sie keine Belege an. Einige Absätze zuvor erklärte sie aber die Version der Staatsanwaltschaft für widersprüchlich, da in der Nähe Daniel Faulkners keine Spuren von Einschüssen im Gehsteig zu sehen waren. Auch die Zeugen haben nicht von insgesamt vier Schüssen auf den am Boden liegenden Polizisten gesprochen. Michael Scanlan hat ausdrücklich behauptet, er hätte zweimal Mündungsfeuer gesehen.[4] Insgesamt basiert diese Kritik an den ballistischen Beweisen auf einer falschen Annahme für die genaue Lage des Tatorts und einer sehr freien Annahme, wie oft auf den am Boden liegenden Polizisten geschossen wurde. Bei genauerer Analyse fehlt ihr jedoch eine vernünftige Grundlage.
Die Einschüsse im Bereich des Eingangs von Locust-Straße 1234 sind ein sehr viel stärkeres Indiz für die Schuld Mumia Abu-Jamals als es zunächst den Anschein hat. Offensichtlich müssen diese Schüsse von der Straße auf Daniel Faulkner abgegeben worden sein. Die verschiedenen Versionen eines fliehenden Täters gehen aber immer davon aus, daß sich der Täter auf dem Gehsteig befunden hat. Der als möglicher Täter angeführte Kenneth Freeman müßte den Volkswagen auf der Seite des Gehsteigs verlassen haben und wäre somit eindeutig zwischen der Gebäudefront und Daniel Faulkner gewesen. Dann müßte die Schußrichtung aber vom Gehsteig zur Straße verlaufen oder eventuell ungefähr parallel zur Straße sein. Zwei Einschüsse im Eingangsbereich wären praktisch unmöglich. Sogar die gefundenen Fragmente lassen sich kaum als Teil eines Querschlägers deuten. Die einzige Person, die an der richtigen Stelle war um die Einschüsse im Gebäude zu verursachen, war Mumia Abu-Jamal selbst.
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