Die medizinischen Gutachten beschäftigen sich mit den Verletzungen der Beteiligten und sind im allgemeinen nicht umstritten. Lediglich die Auslegung dieser Berichte wurde diskutiert.
Daniel Faulkners Verletzungen[1]
Die wichtigsten Verletzungen Daniel Faulkners waren zwei Schußwunden.[2] Die Einschußwunde im Gesicht befand sich unmittelbar links von der Nase. Das Muster der Verbrennungen und der unverbrannten Pulverrückstände zeigten, daß sich die Mündung der Waffe knapp 60 cm vom Gesicht entfernt befand.[3] Die Frakturen an den Schädelknochen waren umfangreich und standen nach Meinung des Gerichtsmediziners im Einklang mit Hochgeschwindigkeitsmunition wie zum Beispiel Munition der Type Plus P. Dieses Projektil verursachte keine Austrittswunde. Die Folge des Einschusses war der sofortige Tod Daniel Faulkners.[4]
Die Einschußwunde im Rücken befand sich im oberen Rückenbereich, etwa 28 cm unterhalb des obersten Punktes des Kopfes und 2,5 cm links von der Mittellinie. Der Schußkanal verlief unter 15 Grad von rechts nach links und unter 33 Grad von unten nach oben. Diese Schußwunde hat die Bewegungsfähigkeit Daniel Faulkners nur unwesentlich beeinträchtigt.[5]
Als der Gerichtsmediziner Dr. Hoyer im Zeugenstand war, entdeckte er auf den Fotos noch eine weitere, kleinere Wunde im Nacken. Er hielt sie für eine Austrittswunde. Zwei Gutachter konnten im Jahre 1995 diese zusätzliche Wunde nicht genau einschätzen. Der Gerichtsmediziner Dr. Hood erklärte, aufgrund der Spitalsakten könnte diese Wunde auch während der versuchten Wiederbelebung durch einen intravenös eingeführten Schlauch entstanden sein.
Die letzte während der Verhandlung erwähnte Wunde wurde im Bericht des Gerichtsmediziners als Nr. 7 geführt. Es handelte sich um eine Abschürfung am linken Knie, die von einem Sturz stammen könnte.
Mumia Abu-Jamals Verletzungen[6]
Die einzige lebensbedrohende Verletzung Mumia Abu-Jamals war die Schußwunde im rechten Brustbereich. Die Eintrittswunde befand sich unmittelbar unterhalb der rechten Brustwarze. Der Schußkanal verlief von oben nach unten. Die Neigung des Kanals wurde niemals exakt vermessen. Die Eintrittswunde befand sich im Bereich der sechsten oder siebenten Rippe und das Projektil blieb auf der linken Seite im Rücken im Bereich der zwölften Rippe stecken. Das heißt, das Projektil lag etwa 10 bis 12 cm tiefer als die Eintrittswunde.[7] Dies entspricht einem Einschußwinkel von etwa 20 bis 30 Grad.
Weiters hatte er eine Wunde im linken oberen Bereich der Stirn, welche mit acht Stichen vernäht wurde.[8] Er hatte eine Schwellung über dem linken Auge, eine Wunde an der linken Unterlippe und Schwellungen an der rechten Seite des Nackens und an der rechten Seite des Kinns.
William Cooks Verletzungen
Da William Cook am Verfahren nicht teilnahm, wurden seine Verletzungen auch niemals von einem Arzt beschrieben. Die einzigen Informationen über seinen Zustand stammen von den Polizisten die am Tatort eintrafen und von Fotos welche die Polizei von ihm gemacht hat. Diese Fotos zeigen eine Wunde hinter dem linken Ohr.[9] Dies stimmt mit der Aussage mehrerer Polizisten überein, die Blut an ihm gesehen haben.
Ob William Cook mißhandelt wurde oder ob er tatsächlich zuerst auf den Polizisten eingeschlagen hat, ist strittig. Er behauptet, er hätte Daniel Faulkner niemals geschlagen. Er hat sich aber 1982 in einem unabhängigen Verfahren der Körperverletzung an Daniel Faulkner für schuldig bekannt und wurde zu 6 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Die Schilderungen der Unterstützer Mumia Abu-Jamals laufen darauf hinaus, daß dieser bei der Festnahme und im Krankenhaus von den Polizisten schwer mißhandelt wurde. Zuweilen ist sogar von Mordversuch die Rede. Er selbst hat diesen Vorwurf bei seiner Abschlußrede am 3.7.1982 erhoben.[10] Etwas ähnliches sagte zum Beispiel Cynthia White in der Verhandlung von 1982 aus. Später behaupteten andere Zeugen dasselbe. Sharon Smith sagte 1995 aus, die Mißhandlungen waren so schlimm, daß sie sich übergeben mußte. Sie dachte, der Mann würde sterben.[11]
Bei der Befragung durch den Staatsanwalt sagte Dr. Coletta, ein Zeuge der Verteidigung, die Verletzungen Mumia Abu-Jamals sehen nicht so aus wie die Verletzungen eines schwer mißhandelten Mannes. Dr. Coletta war nach eigener Aussage als Arzt bereits häufig mit den Folgen von Mißhandlungen konfrontiert. Wenn ein Verletzter tatsächlich mit großer Wucht mit einem Schlagstock geschlagen wurde, dann hätte Dr. Coletta schwerere Verletzungen erwartet.[12] Auch machte Abu-Jamal gegenüber Dr. Coletta keine Andeutungen darüber, daß er von der Polizei mißhandelt wurde.[13]
Die relativ geringe Anzahl an Verletzungen und die Tatsache, daß keine Knochen gebrochen waren, zeigen, daß die Mißhandlungen offensichtlich weniger schwer waren, als sie von zahlreichen Zeugen geschildert wurden. Am ehesten dürfte noch Dessie Hightowers Beschreibung zutreffen, der meinte, die Verhaftung wäre „grob“[14] gewesen.
Die Interpretation der Schußkanäle ist umstritten. Fest steht scheinbar nur, daß Daniel Faulkner ins Gesicht geschossen wurde, als er bereits am Boden lag.[15] Wann und unter welchen Umständen die drei übrigen erkennbaren Schüsse abgegeben wurden ist unklar. Der Schuß in Mumia Abu-Jamals Brust verlief unter 20 - 30 Grad von oben nach unten. Der Schuß in Daniel Faulkners Rücken verlief unter 15 Grad von rechts nach links und unter 33 Grad von unten nach oben. Der Durchschuß durch den Jackenkragen läßt darauf schließen, daß dieser Teil der Jacke nicht eng am Körper lag.
Abu-Jamals Schußwunde soll laut Staatsanwaltschaft entstanden sein, als der fallende oder am Boden liegende Daniel Faulkner auf ihn schoß. Diese Version wurde immer wieder angezweifelt. Dr. Hayes sagte 1995 aus, der von oben nach unten verlaufende Schußkanal kann dadurch entstanden ein, daß Mumia Abu-Jamal leicht nach vorne gebeugt war und von einem stehenden Schützen getroffen wurde.[16] Wäre der Schütze vor ihm gelegen, hätte dieser Schußkanal nicht zustande kommen können. Im Kreuzverhör durch die Staatsanwältin Arlene Fisk wurde Dr. Hayes gefragt, ob der medizinische Befund damit in Einklang zu bringen ist, daß Daniel Faulkner angeschossen wurde und auf Mumia Abu-Jamal schoß, nachdem er sich umgedreht hat. Auf jeden Fall muß Daniel Faulkner bei der Abgabe des Schusses noch aufrecht oder beinahe aufrecht gestanden sein. Der Schußkanal durch Mumia Abu-Jamals Brust macht es unmöglich, daß Daniel Faulkner bereits am Boden lag. Deshalb verzichtete 1995 auch die Staatsanwaltschaft bei der Befragung des Sachverständigen der Verteidigung darauf, auf diese Version hinzuarbeiten.
Daniel Faulkners Schußwunde im Rücken verlief von unten nach oben. Wenn man den Zeugenaussagen folgt, hat Mumia Abu-Jamal mit ausgestreckter Hand geschossen. Dann sollte diese Wunde annähernd horizontal verlaufen. Der Schußkanal deutet darauf hin, daß Daniel Faulkner nicht mehr aufrecht stand, als er diese Wunde erhielt. Falls Abu-Jamal auf ihn geschossen hat, dann hat er sich vielleicht auch bereits umgedreht und hat versucht in Deckung zu gehen, so daß Abu-Jamal schräg von oben auf ihn geschossen hat. Auch die Lage der Einschußöffnung am Rücken der Jacke deutet ein Bewegung Daniel Faulkners an. Der Schußkanal allein läßt eine genaue Bestimmung der Umstände nicht zu.
Der Durchschuß durch den Kragen der Jacke könnte sowohl im Stehen als auch im Liegen erfolgt sein. Als Daniel Faulkner am Rücken lag war seine Jacke mit Sicherheit verrutscht und ein solcher Durchschuß wäre daher leicht möglich gewesen. Wenn der Polizist zum Zeitpunkt dieses Durchschusses gestanden hat, dann müßte er allerdings mit dem Gesicht zum Täter gerichtet gewesen sein. Eventuell hatte er auch bereits die Waffe hochgehalten und damit den Kragen nach oben geschoben. Auch in diesem Fall sind mehrere Abläufe denkbar.
Die medizinischen und anderen Beweise können nur für den tödlichen Schuß aber für keinen der anderen abgegebenen Schüsse genau belegen, in welcher Position sich Schütze und Opfer befanden. Auch kann nicht einwandfrei festgestellt werden in welcher Reihenfolge die Schüsse abgegeben wurden.