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Staatsanwalt Joseph McGill
Die Arbeit Joseph McGills war dafür ausschlaggebend, daß Mumia Abu-Jamal verurteilt wurde. Trotzdem wird er in der öffentlichen Diskussion nur selten für seine Arbeit während der Beweisaufnahme angegriffen. Die Kritik beschäftigt sich fast ausschließlich mit seinen Plädoyers und der Befragung Mumia Abu-Jamals.[1] In der Berufung an das Bundesgericht wurden 5 Hauptpunkte angeführt.
Zur Untermauerung des ersten Anspruchs führten die Anwälte einen Abschnitt aus dem Verfahren an,[2] in dem der Staatsanwalt davon spricht, der Angeklagte hätte eine Berufung nach der anderen, während ein Freispruch endgültig ist. Dies hätte bei den Geschworenen den Eindruck erweckt, es wäre besser im Zweifel gegen den Angeklagten zu stimmen und hat gleichzeitig deren Gewissen erleichtert, da ja noch weitere Verhandlungen folgen werden. Eine Untersuchung des gesamten Protokolls zeigt aber deutlich, daß dieses Zitat aus dem Zusammenhang genommen wurde und die Rede in ihrer Gesamtheit keinen Versuch zeigt, die Geschworenen so zu beeinflussen, daß sie im Zweifel gegen den Angeklagten stimmen sollen. Ganz im Gegenteil erinnerte der Staatsanwalt die Geschworenen deutlich an ihre immense Verantwortung. Ob diese Behauptung dazu geeignet war, das Gefühl der Verantwortung bei den Geschworenen zu vermindern, da ja noch weitere Berufungsverhandlungen folgen würden, ist schwer feststellbar. Möglicherweise zielte er darauf ab. Der zweite Anspruch basiert auf der Kritik des Staatsanwalts am arroganten Verhalten des Angeklagten und darauf, daß dieser nicht ausgesagt hat. Als Beleg für dieses Verhalten führten die Verteidiger Abschnitte aus dem Sitzungsprotokoll an.[3] Auch in diesem Punkt hat sich Joseph McGill lediglich auf die vorgelegten Beweise und auf das Verhalten des Angeklagten berufen. Er verglich das angebliche Geständnis im Krankenhaus mit dem Verhalten des Angeklagten vor Gericht. Wenngleich ich das Geständnis für fragwürdig halte, war es als Teil der Beweise zugelassen und ein Vergleich mit dem aggressiven und arroganten Verhalten Mumia Abu-Jamals war daher zulässig. Die angebliche Kritik daran, daß Abu-Jamal nicht ausgesagt hat, ist noch schwieriger plausibel zu machen. Im verwendeten Zitat[4] erklärt der Staatsanwalt, daß die Verteidigung nicht verpflichtet ist etwas zu beweisen. In der weiteren Folge wird auch klar, daß er damit nur die vom Verteidiger vorgebrachten Argumente beantwortete. Die fehlende Aussage des Angeklagten wurde nicht einmal ansatzweise angegriffen. Der dritte Anspruch wurde mit einem Zitat begründet, in dem Joseph McGill sagte: „Ich bitte Sie ... Gerechtigkeit zu verlangen. Betrachten Sie diese Absicht zu töten und den Mann der es mit dieser Waffe getan hat und sagen Sie ‚Die Beweise sind für uns klar. Sie sind schuldig des vorsätzlichen Mordes.’“[5] Ich kann darin einfach keinen Aufruf zur Rache im Sinne eines übersteigerten Verlangens nach Recht und Gesetz sehen. Der Staatsanwalt forderte die Geschworenen auf eine Verurteilung auszusprechen weil die Beweise klar sind und aus keinem anderen Grund. Die Behauptung aus Anspruch vier, der Staatsanwalt hätte für die Glaubwürdigkeit zweier Zeugen gebürgt, ist in der Sache richtig. Soweit es Robert Chobert betrifft ist es aber falsch, die Form seiner Darstellung als ungerechtfertigt zu bezeichnen. Im Falle Robert Choberts fragte er „Welche Motive sollte Robert Chobert haben, um nur 35 bis 45 Minuten nach der Tat eine falsche Geschichte zu erfinden?“[6] Es ging in diesem Abschnitt seines Plädoyers nur um die durch die Verteidigung aufgestellte Theorie einer Verschwörung. Zeit und Datum der ersten Aussage Robert Choberts waren klar definiert und durch die Erwähnung des kurzen Zeitraums war diese Behauptung sehr wohl geeignet, eine breit angelegte Verschwörung zu widerlegen.
Der fünfte Anspruch bezüglich der fehlenden Beweismittel der Verteidigung ist einfach lächerlich. Laut dieser Beschwerde hat der Staatsanwalt die Schwäche der Verteidigung betont, obwohl er wußte, daß der Großteil der Beweise nicht zugelassen wurde. Tatsächlich antwortete Joseph McGill im entsprechenden Abschnitt seiner Rede auf die von der Verteidigung vorgebrachte Verschwörungstheorie. In seiner Rede wies er auf den großen Umfang des Materials hin, welches der Verteidigung übergeben wurde. Die Verteidigung war aber nicht in der Lage, daraus etwas Substantielles zu entnehmen.[10] Der Oberste Gerichtshof nannte diese Beschwerde der Verteidigung „grotesk“ und Bundesrichter Yohn schloß sich dieser Behauptung an.[11]
Neben diesen 5 Punkten wurde auch das Kreuzverhör Mumia Abu-Jamals durch Joseph McGill angeführt.[12] In diesem Kreuzverhör benutzte der Staatsanwalt ein Zeitungsinterview des damals 16 Jahre alten Abu-Jamal (damals noch Wesley oder West Cook), der zu diesem Zeitpunkt ein Mitglied der Partei der Schwarzen Panther war. Die Verteidigung betrachtet dies als unzulässigen Versuch, die politischen Ansichten eines Jugendlichen gegen Abu-Jamal anzuführen. Allerdings las Joseph McGill während des Kreuzverhörs einen Ausschnitt aus einem Zeitungsinterview vor, in dem Mumia Abu-Jamal Mao Tse Tung mit den Worten „Politische Macht entsteht aus dem Lauf eines Gewehrs“ zitiert.[13] Die Berufungsgerichte betrachteten dieses Zitat und andere Absätze aus dem Zeitungsartikel als Zeichen seiner Gewaltbereitschaft. Während des Kreuzverhörs wurde er von Joseph McGill dazu befragt. Er reagierte aber wie üblich kindisch und anstatt zu antworten und die Situation zu einer Klarstellung zu nutzen, hat er wie schon bei Diskussionen mit Richter Sabo nur sinnlose Gegenfragen gestellt. Er hat das Zitat nicht als seine eigene Lebensphilosophie übernommen, aber er hat auch mit keinem Wort die in seinem Interview deutlich zu Tage tretende Bereitschaft zur Gewalt abgestritten. Auch andere Absätze dieses Zeitungsinterviews zeigten die Bereitschaft der Black-Panther-Partei zur Gewalt auf. Eine Regel der Partei hat zwar die unbegründete Verwendung von Waffengewalt verboten, aber trotzdem wurde in einer anderen Regel gefordert, daß jedes Parteimitglied im Umgang mit Waffen geübt sein muß. Auch die Rhetorik der Black-Panther-Partei wurde in diesem Zeitungsinterview hervorgehoben. Polizisten wurden häufig als „Faschistenschweine“ bezeichnet, und die amerikanische Gesellschaft wurde „rassistisch und faschistisch“ genannt. Acel Moore, der das Interview für den Philadelphia Inquirer führte, räumte aber ein, daß die Worte wütender waren als die Taten, da die Partei in Philadelphia weniger militant als viel mehr sozial aktiv war. Eine der wichtigsten Aktivitäten der Black-Panther-Partei aus Philadelphia waren Frühstücksprogramme für bedürftige Kinder in Philadelphia, Reading und Harrisburg.[14] Zusammen mit dem Verhalten Mumia Abu-Jamals während der Verhandlung und seinen Beleidigungen gegenüber Richtern, Staatsanwalt und seinem eigenen Anwalt blieb mit Sicherheit der Eindruck der Gewaltbereitschaft und der Feindseligkeit gegenüber der Polizei bestehen. Auch Abu-Jamal versuchte nicht, diesen Eindruck zu vermindern. Der Eindruck auf die Geschworenen konnte nur negativ sein. Wenngleich dieses Zitat über die politische Macht von Berufungsrichtern als Zeichen seiner Bereitschaft zur Gewalt aufgefaßt wurde, welche auch von den anderen Zitaten unterstützt wird, halte ich es zumindest für fragwürdig.
Ein kaum kritisierter aber zumindest für mich nicht akzeptabler Absatz in Joseph McGills Schlußplädoyer während der Strafbemessungsphase war die Behauptung, egal welche Philosophie man auch immer vertritt, kann man ständigen Mißbrauch von Autorität, Herausforderung von Autorität und tägliches Brechen von Gesetzen nicht tolerieren.[16] Welche Autorität hat Mumia Abu-Jamal mißbraucht, und seit wann ist Herausforderung von oder Auflehnung gegen Autorität strafbar? Das letztere tun wir alle seit der ersten Trotzphase im Kindesalter. Tägliches Brechen von Gesetzen? Mumia Abu-Jamal hatte bis zu diesem Zeitpunkt einen einwandfreien Leumund. Sogar die Geschworenen haben seine Unbescholtenheit als Milderungsgrund anerkannt. Dieser Absatz wurde zwar in der Petition an das Bundesgericht verwendet,[17] aber im Urteil nicht entsprechend gewürdigt. Die Berufungsgerichte haben bei den Schlußplädoyers statt dessen immer wieder auf die „erlaubte rhetorische Freiheit“[18] hingewiesen. Welchen Eindruck dieser isolierte Absatz auf die Geschworenen hatte ist schwer abzuschätzen. Egal ob er wirkungsvoll war oder nicht, zeigt er die feindselige Atmosphäre während der Verhandlung.
Ergänzung 2006: Das Bundesberufungsgericht hat die Situation scheinbar anders eingeschätzt als Richter Yohn und die Vorwürfe der Verteidigung gegen Staatsanwalt Joseph McGills Argumente als berufungsfähig bezeichnet und beide Seiten zu Stellungnahmen aufgefordert.[19] |
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[1] Entscheidung des Bundesgerichts für den östlichen Bezirk Pennsylvanias vom 18. Dezember 2001, ab Seite 182 und die Eingabe an das Bundesgericht vom 14.10.1999 (Inhaltsverzeichnis der Eingabe)
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