Mumia Abu-Jamal - Eine Analyse
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Die ausgeschlossene Geschworene Jennie Dawley

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Ausschluß der Geschworenen Jennie Dawley. Diese Geschworene war die erste ausgewählte Geschworene, und sie war auch die einzige Geschworene die ausgewählt wurde, bevor Richter Sabo die Befragung der zukünftigen Geschworenen übernahm. Dementsprechend war sie die einzige Geschworene, die noch von Mumia Abu-Jamal persönlich befragt wurde.
Am zweiten Tag des Verfahrens wurde ihr Ausschluß nach einer Besprechung im Richterzimmer zwischen Richter, Anwalt und Staatsanwalt von Albert Sabo beschlossen.[1] Sie hat offensichtlich am Vortag darum gebeten, ihre kranke Katze zum Tierarzt bringen zu dürfen. Der Richter lehnte dies ab, da dies auch ihr Ehemann tun konnte. Am Abend, als der Gerichtsdiener mit einem anderen Geschworenen von einer Prüfung zurückkam,[2] stellte er fest, daß Jennie Dawley nicht im Hotel war. Sie kam erst kurz nach 21:00 zurück. Der Gerichtsdiener befragte sie kurz, und sie sagte: „Es kümmert mich nicht was Richter Sabo oder sonst jemand sagt. Ich tue was ich zu tun habe. Niemand hält mich auf.“[3] Dies war ein eindeutiger Verstoß gegen die Bestimmung, daß alle Geschworenen während des Prozesses von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden müssen.[4] Die Schwierigkeit in dieser Situation war nicht nur die mögliche Beeinflussung der Geschworenen während ihrer Abwesenheit, sondern ganz besonders ihre Undiszipliniertheit. Würde sie während der Urteilsberatung ebenso handeln und die Beratungen einfach verlassen, wäre damit der gesamte Prozeß geplatzt und müßte neu aufgerollt werden. Deshalb wurde sie unmittelbar danach entfernt.
Mumia Abu-Jamal war bei dieser Diskussion nicht anwesend. Anthony Jackson hatte kurzzeitig Bedenken, der Entfernung der Geschworenen ohne vorherige Beratung mit seinem Klienten zuzustimmen, verzichtete aber danach, Mumia Abu-Jamal dazu zu befragen. Auch hatte er ausdrücklich keine Einsprüche gegen ihre Entlassung. Aufgrund der Darstellung des Gerichtsdieners gab es auch keinen vernünftigen Grund für Einsprüche. Trotzdem erscheint es bedenklich, daß Anthony Jackson seinen Mandanten in dieser Sache ignoriert hat.
Aus formaler Sicht erscheint der Umstand bedenklich, daß die Geschworene ohne befragt zu werden ausgeschlossen wurde. Aufgrund der Darstellung des Gerichtsdieners kann man davon ausgehen, daß sie ihren Ausschluß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht verhindern hätte können. Eine Befragung Jennie Dawleys im Beisein Mumia Abu-Jamals hätte aber alle Bedenken ausräumen können. So bleibt stets eine Begründung für Kritik bestehen.
Keinesfalls kann man behaupten, Jennie Dawley wurde unbegründet vom Verfahren ausgeschlossen, oder gar weil sie eine Schwarze war. Die Umgehung der Quarantäne ohne schwerwiegenden Grund mußte zwangsweise zum Ausschluß der Geschworenen führen. Während der Diskussion im Richterzimmer wurde aber noch ein zusätzliches Detail über die Geschworenenauswahl sichtbar. Staatsanwalt McGill sagte offen, er hielt sie für gut weil sie seiner Meinung nach den Angeklagten haßt. Offensichtlich wollte er keine unparteiischen Geschworenen, sondern solche, die wahrscheinlich für eine Verurteilung stimmen würden.[5]
Jennie Dawley wurde durch den Geschworenen mit der Nummer 13, Edward Courchain, ersetzt. Edward Courchain war ein problematischer Geschworener. Bei der Befragung während der Auswahl der Geschworenen erklärte er, er würde sein Bestes tun, um fair und unparteiisch nur aufgrund der im Gerichtssaal vorgelegten Beweise zu entscheiden. Er war sich nicht sicher, ob er nicht doch unbewußt aufgrund von Medienberichten Partei ergreifen würde, war aber bereit, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Anthony Jackson wollte ihn deshalb ablehnen, aber Richter Sabo hat ihn akzeptiert.[6] An einigen Stellen fand ich die Behauptung, Edward Courchain wäre der Sprecher der Geschworenen gewesen. Das ist nicht richtig. Die Verhandlungsmitschrift zeigt, daß der Geschworene mit der Nummer 9, George W. Ewalt, diese Position innehatte.[7]


[1] Verhandlungsmitschrift vom 18.6.1982, ab Seite 2.36
[2] Einer der Geschworenen mußte am 19.6.1982 eine Prüfung ablegen. Um zu verhindern, daß er von außen beeinflußt wird, wurde er von einem Gerichtsdiener zu dieser Prüfung begleitet (siehe Verhandlungsmitschrift vom 17.6.1982, Seite 1.5).
[3] Verhandlungsmitschrift vom 18.6.1982, Seite 2.38-2.39
Der Gerichtsdiener erklärt Richter Sabo was geschehen ist:
THE COURT: Did she tell you where she went and why she went?
THE COURT CRIER: I didn't question her. But after I said, "You know you're not supposed to do that." she said, "I don't care what Judge Sabo or anybody says, I do what I have to do. Nobody is going to stop me."
[4] Das Ziel dieser Isolation oder Quarantäne („sequestration“) ist es, die Beeinflussung der Geschworene durch Freunde, Verwandte oder durch die Medien zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Geschworene während der Dauer einer Verhandlung in Hotels untergebracht. Eigens dafür abgestellte Gerichtsdiener überwachen die Einhaltung der Isolation. Telefon und Fernseher in den Zimmern werden ebenfalls abgestellt. Üblicherweise gibt es einen Fernseher in einem Gemeinschaftsraum, den ein Gerichtsdiener abschaltet sobald Nachrichten auf dem Programm stehen.
[5] Verhandlungsmitschrift vom 18.6.1982, Seite 2.40
Staatsanwalt McGill macht eine Bemerkung über Jenny Dawley:
“I thought she was good. She hates him, she hates Jamal, can't stand him.”
[6] Mitschrift der Geschworenenauswahl vom 16.6.1982 ab Seite 381
[7] Verhandlungsmitschrift vom 3.7.1982, Seiten 98 und 101
Siehe auch Philadelphia Inquirer vom 3.7.1982


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