Zweifel an der Aussage eines Zeugen können durch verschiedene Umstände erweckt werden. Die wichtigsten Gründe lassen sich unter drei Punkten zusammenfassen:
1.
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Die Aussage widerspricht sich selbst.
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2.
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Der Aussage wird von anderen Zeugen widersprochen.
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3.
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Die Aussage setzt etwas Unmögliches voraus.
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Hier sollen zunächst nur die beiden ersten Punkte behandelt werden. Punkt 3 wird in den späteren Abschnitten bei der Betrachtung der Schüsse behandelt.
Prinzipiell gilt für die meisten Zeugen dieses Verbrechens, daß sie ihre erste Stellungnahme innerhalb sehr kurzer Zeit abgegeben haben. Um 3:53 trafen die Polizisten am Tatort ein und nahmen Mumia Abu-Jamal fest. Danach folgte die Suche nach Zeugen, Robert Chobert und Albert Magilton identifizierten Mumia Abu-Jamal am Tatort und schließlich wurde dieser in das Thomas-Jefferson-Spital gebracht. Wenige Minuten später gaben die ersten Zeugen schriftliche Stellungnahmen ab. Cynthia White tat dies bereits um 4:15. Michael Scanlan gab seine Aussage um 4:24 ab. Robert Chobert erreichte das Polizeigebäude um 4:15 und unterschrieb seine Aussage um 4:25. Albert Magilton beendete seine Aussage um 5:35 und Robert Harkins unterzeichnete seine Aussage um 6:00. Chobert, Scanlan und White kannten sich nicht, es gibt keine Hinweise darauf, daß sie sich abgesprochen haben und sie wurden von verschiedenen Polizeibeamten befragt. Zu diesem Zeitpunkt war der Fall für die Polizisten noch neu. Es gab ganz einfach keine Möglichkeit, den Zeugen Worte in den Mund zu legen. Auch diejenigen Kommentatoren die einer großen Verschwörung das Wort reden, konnten nie plausibel erklären, wie dies in so kurzer Zeit geschehen sein soll. Das beste Beispiel dafür ist Cynthia White. Ihre erste Aussage ist ungenau und geht kaum auf Details ein. Erst nachdem sich die Polizei ein Bild von der Tat machen konnte, fielen diese Ungenauigkeiten auf, und in den beiden folgenden Wochen wurde sie noch dreimal befragt. In einem abgekarteten Spiel hätte man sie nicht viermal vernehmen müssen.
Deshalb sind diese ersten Aussagen sehr interessant. Soweit sie späteren Aussagen im Detail widersprechen, muß die erste Aussage nicht unbedingt richtig sein. Diese Aussagen wurden offensichtlich sehr rasch gemacht und die noch aufgeregten Zeugen können Einzelheiten übersehen haben. Wenn ein Zeuge die Ereignisse noch einmal vor dem geistigen Auge ablaufen läßt, kann sich ein Detail auch noch ändern. Diese Änderung muß nicht immer stimmen, da die Erinnerung auch anderen Einflüssen ausgesetzt sein kann. Ein gutes Beispiel für eine solche Änderung ist die Täterbeschreibung durch Robert Chobert. In seiner ersten Aussage trug der Täter ein helles Hemd, in seiner zweiten Aussage war es ein dunkles Hemd. Abu-Jamal trug aber eine rot-blau-gestreifte Jacke. Trotzdem hat er Abu-Jamal noch am Tatort identifiziert. Sehr häufig läßt sich der Wahrheitsgehalt von Details später nicht mehr bestimmen. Eine solche Diskrepanz bedeutet aber nicht, daß der Zeuge etwas erfindet. Änderungen sind erst dann fragwürdig, wenn sie sich auf die groben Züge des Geschehens beziehen. Wenn die ursprüngliche Aussage einen wichtigen Teil ausläßt, liegt dies zumeist daran, daß der Zeuge davon keine Kenntnis hatte. Wenn er später doch etwas dazu sagt, entsteht dadurch ein Problem mit der Zuverlässigkeit des Zeugen.